Wie es mit dem Entwurf weitergeht, weiß heute niemand: Er ist ja schon heute innerhalb der verschiedenen Ressorts sicherlich nicht gänzlich unumstritten, weshalb man ihren Austausch als besonders schutzwürdig betrachtet und also " die notwendige Vertraulichkeit behördlicher Beratungen im verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung" ins Feld führt:
"Wird dieser Meinungsaustausch bzw. die offene Meinungsbildung durch das
Bekanntwerden der begehrten Information beeinträchtigt, so ist der Informationszugang
ausgeschlossen. Bei Abstimmungen innerhalb einer Behörde und zwischen den
verschiedenen Ressorts geht es in der Regel um Bewertungen von Sachverhalten, die
aus verschiedenen, auch fachlichen Blickwinkeln betrachtet und unterschiedlich beurteilt
werden können. Solche Beratungsprozesse müssen in einem geschützten Rahmen
stattfinden können, um eine unbefangene Meinungsbildung gewährleisten zu können.
Durch den geschützten Raum soll vermieden werden, dass aus übersteigerter Vorsicht
betreffend das öffentliche Bekanntwerden von Informationen Erwägungen der Beteiligten
nicht (hinreichend) zum Tragen kommen und so Möglichkeiten zur eventuellen
Kompromissfindung unterbleiben."
https://fragdenstaat.de/anfrage/anfrage-zum-entwurf-des-bbvangg/847970/anhang/231108-bescheid-ifg-bbvangg_geschwaerzt.pdf Die gerade zitierte Argumentation ist dabei sachlich nachvollziehbar. Andererseits würde sie wohl kaum zum Tragen kommen, wenn man am 08.11.2023 im BAMS der Ansicht wäre, dass das Thema bereits weitgehend abgeschlossen und ausdiskutiert sowie weitgehend zum direkten Abschluss gebracht worden wäre, denke ich. Wie sich das nun nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom letzten Mittwoch darstellt, kann keiner sagen. Einfacher dürften die internen Diskussionen und Abstimmungen kaum werden.
Letztlich sehe ich derzeit drei realistische Optionen:
1. In Anbetracht des Wissens über den offensichtlich verfassungswidrigen Gehalt des Gesetzentwurfs drückte man auf die Tube, um das Thema möglichst rasch abzuräumen, und zwar in der Hoffnung, dass das geräuschlos funktionierte, da Schnelligkeit bedeuten könnte, das Thema wahrscheinlich eher geräuschlos abzuräumen, als wenn man es weiterhin auf die lange Bank schöbe. Da allerdings schon der bislang bekannte Entwurf im Kabinett nicht zu finalisieren war, wäre es m.E. überraschend, wenn man nun schneller als angekündigt zu einem abgestimmten Kabinettsentwurf und eine dann rasch zu vollziehende abschließende Lesung käme.
2. Man visiert die bislang vertretene zeitliche Perspektive weiterhin an und hofft, dass man das Verfahren so möglichst geräuschlos über die Bühne bringen kann. Für dieses Vorgehen spräche, dass sich bei der Alternative 1 und 3 Rückfragen ergeben würden, wieso man nun erneut anders verfahren würde als angekündigt.
3. Man entscheidet sich, das Thema weiterhin nicht abschließend zu behandeln mit dem Ziel, es aus der Schusslinie zu nehmen, es also in den Schlaf zu singen. Auch das ist jedoch mit hohen Risiken behaftet, da mit jedem länger währenden Tag die Frage im Raum stände, wieso es nun weiterhin zu Verzögerungen käme.
Zugleich würde es noch eine vierte Alternative geben, die aber nicht minder gefährlich und insbesondere teurer werden könnte als die ersten drei: Man geht den hessischen Weg, erklärt erneut, dass die eingestanden verfassungswidrige Lage gegeben sei und dass man nun bspw. eine Expertenkommission oder ähnliches initiieren wolle, um so das Thema weiterhin und ggf. - sofern man das wollte - über die Legislaturperiode hinaus verschieben zu können. Gegebenenfalls erhöhte man auch die Grundbesoldung um ein, zwei oder drei Prozente (da wäre der Faktor, teurerere Alternative), um so die Gewerkschaften und Verbände zu beruhigen und mit ins Boot zu holen. Man würde sich so Zeit erkaufen und das Thema aus der Möglichkeit der Skandalisierung herausholen - unabhängig davon, dass genau das in den Rechtswissenschaften wiederkehrend gefordert wird: Eine zwischen Bund und Ländern abgestimmte Auseinandersetzung mit dem Thema, für die jedoch in der Realität der Zug eigentlich schon abgefahren ist, weil sich die Rechtslage seit spätestens 2021 zwischen den 17 Rechtskreisen zum Teil massiv verändert hat und also streckenweise so unterschiedlich ist, dass eine wieder stärkere Einheitlichkeit politisch kaum zu erreichen wäre, jedenfalls nicht in ein, zwei oder drei Jahren. Die einzige realistische Möglichkeit, im politischen Prozess wieder zu einer größeren Einheitlichkeit zurückzufinden, wäre die Rückkehr zur zwischen Bund und Ländern geteilten Gesetzgebungskompetenz, die also zu einer (weit(er)gehend) bundeseinheitlichen Besoldung führte - daran dürften die Länder jedoch kaum ein Interesse haben, sodass dieses Thema derzeit zumindest kaum auf die Tageordnung zu bringen wäre (oder falls doch, dann nur mit dem Ziel, das Thema weiter zu verschleppen, weil jeder wüsste, dass kein abschließendes Ergebnis zu erzielen wäre).
Wohin die Reise am Ende gehen wird, weiß heute keiner - und wissen es also sicherlich auch nicht die politischen Verantwortungsträger in den Ministerien und im Kanzleramt, das noch einmal einen besonderen Blick auf das Thema haben wird, da der Kanzler hier besonders in die Schusslinie geraten kann, da maßgeblich er den ursprünglichen Entwurf aus dem Frühjahr 2021 in seiner Eigenschaft als Finanzminister zu Fall gebracht hat.
Ganz egal, wie man handelt, solange man über den jetzigen Zustand nicht hinauskommt, ist das Thema medial seit letzten Mittwoch mit deutlich mehr Sprengkraft versehen als zuvor. Darin zeigen sich die langfristigen Folgen eines übertrieben vollzogenen Vulgärpragmatismus: Wenn es nicht gelingt, die Öffentlichkeit zu sedieren, muss am Ende mindestens einer die Zeche zahlen.