Es ist richtig und gut, dass wir sachlich miteinander diskutieren, Vier (ich tue hier einfach weiterhin so, als wäre's Dein Vorname, um Gewogenheit zu signalisieren, von der wir gegenseitig wissen, dass sie da ist).
Zunächst einmal ist das, was Du schreibst, schlüssig - es verbleibt aber meiner Meinung nach an einer entscheidenden Stelle fraglich, und dass dieser fragliche Gehalt von uns Bürgern wiederkehrend akzeptiert wird, halte ich für falsch. Denn in dieser Akzeptanz haben uns die einen oder anderen Politiker klasse erzogen (um's wieder lerntheoretisch zu machen: "Erziehung" ist ein von außen auf das Individuum einwirkender Prozesse, in dessen Gefolge es zur Veränderung von Dispositionen und/oder Verhalten kommt; erfolgt der Erziehungsprozess intentional - also zielgerichtet - und führt er zu einer erwünschten dauerhaften Veränderung von Dispositionen und/oder Verhalten, zeitigt er also den bezweckten Lernerfolg, kann man ihn aus Sicht des Erziehenden als erfolgreich betrachten).
In Deiner Argumentation findet sich ein relativistisches Moment, das Teil einer vulgärpragmatischen Argumentation ist (die Du nicht teilst oder anstellst, aber der Du im nachfolgenden Zitat folgst) und das da lautet:
"Du sprichst davon, dass das wahrscheinlich verfassungswidrig ist. Inhaltlich stimme ich Dir voll zu. Aber 'wahrscheinlich verfassungswidrig' ist kein Begriff, den man in einem der erlassenen Gesetze findet. Das ist unsere persönliche Meinung. Daraus folgt kein unmittelbares Verwaltungshandeln. Wir beide müssen warten, bis aus dem 'wahrscheinlich' ein 'tatsächlich' wird (Ergo: wir müssen klagen)."
Denn hier betrachtest Du zunächst einmal zwei personale Kategorien, die getrennt voneinander zu sehen sind: Der Beamte, der Du bist, hat Recht, Verwaltungshandeln setzt eine im Letzten gesetzliche Regelung voraus; ohne gesetzliche Grundlage darf die Verwaltung nicht handeln - das ist eine der zentrale Lehren, die das Verfassungs- und Verwaltungsrecht aus der NS-Zeit gelernt hat. Soweit ist das, was Du schreibst, korrekt.
Allerdings klagst Du, wenn Du gegen Deine Besoldung klagst, nicht in Deiner Funktion als Beamter, sondern als die Privatperson, die ihr grundrechtsgleiches Individualrecht einforderst, das aus deinem Beamtenverhältnis entspringt. Hier gilt kein Gesetzesvorbehalt, da Dir als Privatperson nicht auferlegt werden kann, ob und dass Du gegen die Dir gewährte Alimentation klagst oder nicht klagst: Das ist Deine Privatentscheidung (während es nicht Deine Privatentscheidung wäre, zu remonstrieren, wenn Du als Beamter der Ansicht bist, dass ein von Dir erwartetes Handeln nicht auf Basis von Recht und Gesetz geschehen würde).
So verstanden liegt hier zunächst einmal kein Verwaltungsakt vor, sodass die enge Bindung an das Recht für Dich (und mich) als Privatperson nicht gilt, das für uns als Beamte gilt. So weit, so weit noch nicht relativistisch.
Der Relativismus kommt allerdings nun, wenn wir uns also zunächst einmal über die Basis verständigt haben, dass nicht der Beamte Vier oder Swen klagen würde, sondern der Bürger Vier oder Swen. Denn nun stellt sich uns der Sachverhalt völlig anders dar: Es gibt für uns keine aus unserem Beamtenstatus entspringende enge Bindung an Recht und Gesetz, sondern es gibt nur unsere freie Entscheidung im Rahmen unserer Rechtsordnung und also als Bürger, dem man nicht dienstrechtlich auferlegen kann, wie er zu handeln oder nicht zu handelt hat, da unsere Grundrechte als Bürger solange uneingeschränkt gelten, wie sie nicht im Rahmen unserer verfassungsmäßigen Ordnung eingeschränkt werden.
Ergo haben wir als Bürger nicht zu akzeptieren, dass bis zum Beweis des Gegenteils ein staatlicher Eingriff in unser Recht solange als sachlich gerechtfertigt anzusehen ist, bis der Beweis des Gegenteils rechtskräftig vollzogen wäre - denn müssten wir das akzeptieren, wären wir letztlich weitgehend wieder da, wo wir vor 1945 gestanden hätten, nämlich dass die staatliche Gewalt bis zum Beweis des Gegenteils Recht hätte (und damit müssten wir im Extremfall ebenfalls akzeptieren, dass das Gegenteil ggf. niemals einträte, da die staatliche Gewalt sich ungeteilt auch auf die Justiz erstreckt hat). Ergo: Das Gewaltverhältnis hat sich mit dem 23. Mai 1949 umgedreht: Das Individuum darf nach Art. 1 Abs. 1 GG nicht als Mittel zum Zweck betrachtet werden. Nicht das Individuum ist darauf auszurichten, dem Staat zu dienen (jedenfalls solange es sich in keinem Sonderrechtsverhältnis befindet), sondern der Staat hat das Individuum zu schützen, und zwar insbesondere gegenüber der Gewalt, die der Souverän den staatlichen Gewalten übertragen hat - auch deshalb haben alle Amtspersonen in der Bundesrepublik Deutschland einen persönlichen Eid zu leisten, der sie als Amtspersonen genau darauf verpflichtet und der also genauso wenig teilbar ist, wie es das Grundgesetz ist, womit wir bei der relativistischen These wären, dass man ja bis zum rechtskräftigen Beweis des Gegenteils gar nicht eindeutig wissen könne, ob ein Besoldungsgesetz verfassungswidrig oder verfassungskonform sei, die (diese relativistische These) verfassungsrechtlich keinen Bestand haben kann, unabhängig davon, wie oft sie uns als Bürger dieses Landes vorgegaukelt werden soll.
Denn mit dieser Argumentation, dass man ja bis zum rechtskräftigen Beweis des Gegenteils gar nicht eindeutig wissen könne, ob ein Besoldungsgesetz verfassungswidrig oder verfassungskonform sei, finden wir uns - hier liegt das relativistische Moment - in einem Spezialfall der klassisch positivistischen Ansicht, dass das Recht nur formal zu betrachten wäre, womit allerdings letztlich jede Rechtskategorie verwischt werden könnte.
Denn mit dieser Argumentation, man könne ja bis zum rechtskräftigen Beweis des Gegenteils gar nicht eindeutig wissen, ob ein Besoldungsgesetz verfassungswidrig oder verfassungskonform sein würde, könnte man - um es an einem strafrechtlichen Beispiel plastisch zu machen - gleichfalls zunächst einmal sachlich rechtfertigen, dass einer von uns beiden den anderen erschießen, das zuvor ankündigen, es mit wüsten Beschimpfungen des anderen verbinden und schließlich mit dem Diebstahl der Geldbörse beenden könnte, um dann zu sagen: Er habe ja nicht wissen können, dass er strafrechtlich betrachtet (unter der Voraussetzung seiner vollen Schuldfähigkeit) einen Mord begangen habe, da er ja noch gar nicht rechtsräftig wegen Mordes verurteilt sei.
Denn zunächst einmal wäre der eine von uns beiden, der entsprechend so gehandelt hätte, bis zum Beweis des Gegenteils strafrechtlich zwar als unschuldig zu betrachten, womit seine Grundrechte gewahrt bleiben - aber seine Handlung wäre dadurch nicht gerechtfertigt, sondern würde "nur" rechtsstaatlich betrachtet werden. Das Wissen aber, dass jedes voll schuldfähige Individuum auf deutschen Boden hat (unabhängig von dem Grundsatz, dass Unwissenheit nicht vor Strafe schütze), ist nun einmal, dass in Tateinheit niedere Beweggründe, die entsprechende Zielsetzung und die Verwerflichkeit bei der Tatbegehung als notwendige Voraussetzung für einen Mord anzusehen sind (wenn auch nicht jeder dem bundesdeutschen Recht Unterworfene das im Detail wüsste).
Und damit verlassen wir wieder das Strafrecht und die Betrachtung von Privatpersonen und kehren zu unserem Fall zurück:
Ein noch nicht beschlossenes Gesetz - um damit der noch nicht verabschiedete Gesetzentwurf - kann in keinem Fall als rechtskräftig verfassungswidrig betrachtet werden, da eine entsprechend rechtskräftige gerichtliche Entscheidung materiell-rechtlich ausnahmslos erst nach dessen Verabschiedung erfolgen kann. Daraus kann aber gerade nicht folgen, dass die staatliche Gewalt nun bis zum Beweis des Gegenteils fleißig handeln könnte, wie sie es wollte, da mindestens bereits das Verhältnismäßigkeitprinzip der staatlichen Gewalt enge Grenzen setzt und da darüber hinaus vor allem die von der staatlichen Gewalt zu schützenden Grundrechte nun einmal negativ auf Staatsabwehr ausgerichtet sind (und als positive Schutzpflichten auf Freiheitsbedrohungen von privater Seite; aber das wäre ein anderes Thema). Von daher hat das Bundesverfassungsgericht dem Besoldungsgesetzgeber innerhalb seines weiten Entscheidungsspielraums ein heute mittlerweile bereits sehr enges Prüfungsheft auferlegt, das es zweifelsfrei sachlich möglich macht, einen Gesetzentwurf als verfassungswidrig zu betrachten, ohne dass er bereits als rechtskräftig verfassungswidrig zu betrachten wäre: Die Beweislast, dass der Besoldungsgesetzgeber verfassungskonform handelt, liegt heute (spätestens nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Parteienfinanzierung - Absolute Obergrenze) bereits im Gesetzgebungsverfahren vollständig beim Gesetzgeber. Er hat zu gewährleisten, dass mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ein verfassungskonformer Besoldungsgesetzentwurf zur Verabschiedung vorliegt, da er im Gesetzgebungsverfahren (unter der Prämisse der Übertragung der Parteienfinanzierungs- auf die kommende Besoldungsrechtsentscheidung) berechtigte sachliche Kritik hinlänglich entkräften muss, da ihm das im Nachhinein - also in der gerichtlichen Kontrolle - nicht mehr gestattet ist.
Ergo I: Die Bindung der exekutiven Gewalt an Recht und Gesetz (und über ihren Eid personal auch an die Verfassung) sowie der legislativen Gewalt an die verfassungsmäßige Ordnung kann nicht abgeschüttelt werden, ohne damit Recht und Gesetz sowie ggf. die verfassungsmäßige Ordnung abzuschütteln - das ist eine der zentralen Erkenntnisse der NS-Zeit und eines der maßgeblichen Prinzipien, die die Verfassungsmütter und -väter geleitet haben. Insofern besteht für einen spezifischen Relativismus der handelnden Amtspersonen und des einzelnen Abgeordneten als Teil der Gesetzgebung kein Raum: Die Aussage (und das daraus folgende entsprechende Handeln) "Leider können wir kein Besoldungsgesetz verabschieden, das in diesem Fall verfassungskonform wäre, da wir das politisch nicht umsetzen könnten" lässt sich verfassungsrechtlich und also auf dem Boden unseres Grundgesetzes und damit vor dem Souverän genauso wenig begründen wie die weitere Aussage (und das daraus folgende entsprechende Handeln) "Leider können wir nicht wissen, ob ein Besoldungsgesetz(entwurf) verfassungkonform ist oder nicht, weil darüber noch nicht rechtskräftig entschieden ist". Der Beamte kann aus dem Sonderrechtsverhältnis, dem er unterliegt, gezwungen werden, gegen seine eigene Rechtsauffassung ein Handeln akzeptieren und dann vollziehen zu müssen, das noch nicht als Rechtsbruch erwiesen ist (unabhängig davon, dass er zu einem offensichtlich rechtsbrüchigen Handeln nicht gezwungen werden kann); der Bürger, der in seinem Handlungskontext keinem Sonderrechtsverhältnis unterliegt, kann dazu nicht gezwungen werden. Dahingegen muss es das staatliche Handeln sachlich hinreichend rechtfertigen, wenn es Grundrechte und grundrechtsgleiches Recht bei seinem Handeln nicht hinlänglich beachten wollte.
Ergo II: Es ist verfassungsrechtlich unerheblich, ob eine Ministerin oder ein Bundeskanzler oder am Ende ein Kabinett meinte, es könne für ein verfassungsrechtlich notwendiges Gesetz keine parlamentarische Mehrheit finden oder nicht. Denn diese Ansicht wäre keine verfassungsrechtliche, sondern eine politische. Handeln eine Ministerin oder ein Bundeskanzler oder ein Kabinett jeweils als Amtspersonen, hat dieses Handeln im Rahmen von Recht und Gesetz sowie mit dem Ziel zu erfolgen, das Grundgesetz zu wahren und zu verteidigen. Das Einbringen eines offensichtlich verfassungswidrigen Besoldungsgesetzentwurfs, dessen entsprechender Gehalt umfassend betrachtet worden wäre, sodass jene Kritik nicht vor dem Einbringen sachlich hinreichend zurückgewiesen worden wäre, könnte kaum Gewähr dafür bieten, Schaden von deutschen Volk zu wenden, die eigenen Pflichten gewissenhaft zu erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann zu üben. Denn auf Grundlage des genannten Pflichtenhefts und im Hinblick auf das auf Rechtsstaatlichkeit angelegte Verhältnis von exekutiver und legislativer Gewalt ist es eben Teil der eigenen Pflichten des Kabinetts, die von ihm in das Parlament eingzubringenden Gesetzentwürfe gewissenhaft zu prüfen, so wie es Teil ihres Staatsauftrags ist, Schaden vom deutschen Volk zu wenden und Gerechtigkeit gegen jedermann zu üben. Das von Dir hinsichtlich des Besoldungsrechts nicht gänzlich zu unrecht abschließend betrachtete Demokratiedefizit kann kaum zur politischen Rechtfertigung herangezogen werden, um am Ende entsprechend zu handeln: Denn ein solches Defizit wäre zunächst nicht die Folge, sondern erst einmal Ursache eines entsprechenden Handelns.
So verstanden ist Dein abschließendes Fazit: "Meine Beobachtung oder Meinung ist daher, dass wir bis zum Urteil des BVerfG hier ein strukturelles Demokratiedefizit haben. Nicht ein Versagen von Personen, sondern ein Versagen unseres Systems" in seinem zweiten Satz sachlich falsch: Es sind die in ihrem Amt Verantwortung tragenden Personen, die handeln und die sich dabei nicht auf "unser System" zurückziehen könnten: Denn "unser System" leitet sich aus der Verfassung ab, der sie Treue geschworen haben, und nicht aus einem luftleeren Raum, den man politisch füllen könnte, wie man wollte. Sofern wir ein "Demokratiedefizit" hätten, läge es nicht im System, also in der unsere Demokratie begründenden Verfassung versteckt, welcher staatliche Gewalt auch und gerade im politischen Handeln unterworfen bleibt, sondern ein solches Defizit entsteht staatlicherseits in der Bundesrepublik aus einem politischen Handeln, das sich nicht im Rahmen unser Demokratie bewegte, also nicht das sie (die politisch handelnden Amts- und Mandatsträger) bindende Grundgesetz sowie die aus ihm entspringenden Gesetze zur hinlänglichen Maßgabe ihres Handelns machten.