Wieso genau wäre bei den Betrachtungen das Bruttoeinkommen relevant? Wenn man schon unterschiedliche Statusgruppen vergleicht, sollte man wohl das Nettoeinkommen vergleichen. Das Bruttoeinkommen in diesem Fall zu vergleichen ist in etwa so belastbar wie meine Schuhsohle.
Das Nettoeinkommen ist aber auch schwierig zu vergleichen. Es gibt verschiedene Krankenkassen, Religion, Steuerklassen etc.
Das ist einer der zentralen Gründe dafür, warum bei Vergleichen zumeist mit Bruttowerten gearbeitet wird. Nettowerte werden je durch die individuelle Situation verzerrt. Darüber hinaus ist der Aufwand deutlich größer, eben weil jene Faktoren zu berechnen wären. Und zugleich werden die jeweiligen Kohorten, die man betrachtet, deutlich kleiner, sobald man sie segmentiert, was wiederum zum Problem einer geringeren Aussagekraft und darüber hinaus am Beginn solcher Untersuchungen zu dem Problem führt, dass ausreichendes Datenmaterial vorhanden sein muss - und schließlich sind die Lebensverhältnisse in Deutschland mittlerweile schon wieder so unterschiedlich, dass ein Brutto- oder Nettogehalt einer bestimmten Höhe einen ganz anderen monetären Gegenwert zum Warenangebot widerspiegelt, wenn ich von ihm in München leben muss oder in einer ländlichen Lebenswelt in einkommensschwachen Gegenden.
Von daher wird vielfach mit Bruttowerten gearbeitet, um allgemeine Aussagen treffen zu können - was ein weiterer Grund für meine Anmerkung war: Wenn das IW entsprechend so vorgeht - oder die Medien oder Teile von ihnen das, was das IW differenziert aufbereitet und veröffentlicht hat, wiederkehrend recht verkürzend in den öffentlichen Raum stellen -, kommen nicht selten erstaunliche Ergebnisse zustande. Auch wären, wenn man ein Ranking erstellen wollte, wer mit welchen finanziellen Mitteln wo stehen würde, die gesamte monetäre Situation und nicht nur die Einkünfte aus abhängig beschäftigter Arbeit zu betrachten.
Darüber hinaus sollte es schon erstaunlich sein, dass die Beamten selbst im gehobenen Dienst wie von Zauberhand plötzlich ganz oben in der Verdienstwelt angekommen sein sollten: Denn ein "spitz ausgerechneter" - also die jeweiligen Übertragungsdaten beachtender - Vergleich mit der Nominallohn- und Verbraucherpreisentwicklung zeigt regelmäßig, dass die Beamten in den letzten rund zwanzig Jahren deutlich hinter den allgemeinen ökonomischen Zuwächsen zurückgeblieben sind. Aber auch schon um das Jahr 2000 waren die genannten Beamten keine Spitzenverdiener. Denn auch zu jener Zeit waren die Beamtengehälter bereits über längere Zeit gestutzt worden, was nach dem Zweiten Weltkrieg Teil der "nivellierenden Mittelstandsgesellschaft" war und so verstanden - ökonomisch betrachtet - einen durchaus demokratisierenden Effekt hatte. Ein diesbezüglich noch immer interessantes Buch ist Michael Hartmann, Der Mythos von den Leistungseliten aus dem Jahr 2002, dessen Ergebnisse nach zwanzig weiteren Jahren der Elitenrekrutierung heute gleichfalls nur noch einen historischen Wert haben, aber eben doch auch zeigen, dass - wenn wir von Reichtum und den oberen zehn Prozent sprechen wollen - wir eher nur bedingt auf die Einkünfte aus abhängiger Beschäftigung als alleinigem Kriterium schauen sollten.
All das, was ich nun geschrieben habe, enthebt aber den Besoldungsgesetzgeber nicht, sich in erster Linie an das von ihm selbst aufgebaute Recht zu halten, dieses im Verfassungsrahmen weiterzuführen und also zunächst einmal die Rechtsverhältnisse in den Blick zu nehmen, was bezogen auf uns Beamte bedeutet, dass er die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu berücksichtigen und ggf. zu beachten hat - das geschieht aber nicht mehr, wie ja mittlerweile umfassend nachgewiesen wurde - zuletzt gerade wieder vom wissenschaftlichen Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtags, was die Mitglieder des dortigen Finanzausschusses nicht wirklich interessiert hat. Wenn man dann noch deren realitätsgerecht nicht zu verifizierenden Pseudoargumente zur Legitimierung ihres vorsätzlich verfassungswidrigen Handelns im öffentlichen Raum - also hier - wiederholt, dann halte ich das für nicht nur sachlich falsch, sondern auch hinsichtlich des Gemeinwohls für gefährlich, weshalb ich dann mal wieder solch lange Texte male: Auf unsere Gesellschaft kommen, da dürften wir uns alle einig sein, in den nächsten Jahren massive Veränderungen zu - und schon der heutige öffentliche Dienst ist ja wiederkehrend in nicht wenigen Aufgabenfelder nicht in der Lage, die staatlicherseits nötigen Aufgaben effektiv zu bewältigen.
Wenn am Wochenende die Krankenkassenverbände Papiernot vorschieben müssen, damit ihnen nicht eine tatsächlich kaum zu ihren Aufgaben gehörende Überwachung der geplanten Impfpflicht ins Haus steht, sagt das doch alles: Die staatlicherseits zu bewältigende Aufgabe (und wohl er nicht primär von Körperschaften des öffentlichen Rechts) soll auch hier ausgelagert werden, weil schlicht und ergreifend keine Kapazitäten dafür vorhanden sind, ohne dass nicht in anderen Bereichen der Betrieb zusammenbricht oder die Aufgaben in die weitere Zukunft vertagt werden. Wer unter solchen Bedingungen nun so handelt, wie gerade wieder in SH, der muss sich schon fragen (lassen), wie er oder sie das eigene Handeln legitimieren möchte.