Lieber Swen, da du definitiv eine Menge Ahnung von der Rechtsmaterie hast hätte ich nicht erwartet, dass du den Effekt des Rundschreibens nicht genau so siehst wie ich.
Wenn ich dir begründen müsste warum ich das so sehe, würde ich es mit dem Latainischem:
"Praesumptio iuris tantum" versuchen.
Die Bedeutung: Bei Vorliegen eines bestimmten Sachverhaltes zieht das Gesetz daraus einen bestimmten Schluss, es sei denn, das Gegenteil kann bewiesen werden.
Auf den Fall angewendet: Um den Missstand der mir zu Teil gewordenen verfassungswidrigen Alimentation zu beseitigen, müsste ich per Gestz einen Widerspruch einlegen. Das Gegenteil wird hier jedoch vom BMI selbst geliefert. Bezogen auf die Fragen nach der verfassungegemäßen Alimentation hat das BMI hier ganz klar darauf verzichtet.
Auch "argumentum e contrario" könnte hier zum Einsatz kommen.
Durch das Schreiben des BMI lässt sich ableiten, dass mir, bezogen auf die verfassungswidrigen Alimentation, keine Nachteil entstehen darf, wenn ich nicht, wie eigentlich im Gesetz gefordert, Widerspruch einlege.
Im Normalfall müsste ich das und würde meinen Anspruch verlieren, wenn ich keinen Einreiche.
Durch den Schlusssatz des BMI in jenem Schreiben egalisiert sich das ganze meiner Meinung aber.
"Widersprüche gegen die Höhe der Besoldung oder Versorgung sind also ab dem Jahr 2021 nicht mehr erforderlich"
Die Entscheidung BVerwG, welche du anführst, ist vom 21.02.2019.
Das Rundschreiben des BMI, in dem es auf dass, was das BVerfG mit schreiben vom 21.02.2019 empfohlen hat, verzichtet ist hingegen vom 14.6.2021.
Somit aktueller und für mich maßgeblicher.
Deine letzter Satz ist sachlich unbegründet, lieber Harry, da Du judikative und exekutive Darlegungen nicht in eins setzen kannst. Das Bundesverwaltungsgericht hat 2019 die Ansprüche an einen statthaften Rechtsbehelf betrachtet und eindeutig geklärt; s. meinen letzten Beitrag. Auf dieser Basis hat das Bundesverfassungsgericht in seiner letzten Entscheidung am Ende hervorgehoben:
"Stellt das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit einer Norm oder mehrerer Normen mit dem Grundgesetz fest, folgt daraus grundsätzlich die Verpflichtung des Gesetzgebers, die Rechtslage rückwirkend verfassungsgemäß umzugestalten. Ausnahmen von dieser Regelfolge der Unvereinbarkeit hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt bei haushaltswirtschaftlich bedeutsamen Normen bejaht.
Speziell bei besoldungsrechtlichen Normen gilt es zu beachten, dass die Alimentation der Richter und Beamten der Sache nach die Befriedigung eines gegenwärtigen Bedarfs aus gegenwärtig zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln darstellt. Eine allgemeine rückwirkende Behebung des Verfassungsverstoßes ist daher mit Blick auf die Besonderheiten des Richter- und Beamtenverhältnisses nicht geboten (vgl. BVerfGE 139, 64 <148 Rn. 195>; 140, 240 <316 Rn. 170>; 150, 169 <193 Rn. 64> m.w.N.). [Absatz] Eine rückwirkende Behebung ist jedoch sowohl hinsichtlich der Kläger der Ausgangsverfahren als auch hinsichtlich etwaiger weiterer Richter und Staatsanwälte erforderlich, über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden worden ist (vgl. BVerfGE 139, 64 <148 Rn. 195>; 140, 240 <316 Rn. 170>; 150, 169 <193 Rn. 64>).
Dabei kommt es nicht darauf an, ob insoweit ein Widerspruchs- oder ein Klageverfahren schwebt. Entscheidend ist, dass sie sich gegen die Höhe ihrer Besoldung zeitnah mit den statthaften Rechtsbehelfen gewehrt haben, so dass der Haushaltsgesetzgeber nicht im Unklaren geblieben ist, in wie vielen Fällen es möglicherweise zu Nachzahlungen kommen wird." (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 04. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, Rn. 182 f.;
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html)
In den von mir unterlegten Hervorhebungen wird klargestellt, dass, wer nicht zeitnah mindestens einen statthaften Rechtsbehelf - also ein sachgerechtes Widerspruchsschreiben - gegen die ihm gewährte Besoldung formuliert, seine Ansprüche verwirkt, da diese regelmäßig am Ende eines Kalenderjahrs verjähren. In der von mir vorhin zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wird dargelegt, welche Ansprüche an einen statthaften Rechtsbehelf zu stellen sind. Diese geltenden Anforderungen sind zu beachten, ganz egal, was zunächst die exekutive Gewalt formuliert. Die von Dir am Ende ins Feld geführte Aktualität kann ausschließlich für weitere gerichtliche Entscheidungen, nicht aber für exekutive Maßnahmen ins Feld geführt werden. Eine über die von mir dargelegte Sichweise hinausgehende Aktualisierung ist durch das Bundesverwaltungs- und Bundesverfassungsgericht nicht erfolgt; vielmehr hat sich letzteres seit seiner letzten Entscheidung nicht mehr zum Thema geäußert. Ersteres hat seine Darlegung nicht grundlegend verändert.
Das BMI hat nun in einem Rundschreiben die Verwaltung angewiesen, wie sie - die Verwaltung - darauf reagieren kann, dass eine vor 2021 verfassungswidrige Alimentation 2021 bis auf Weiteres nicht geheilt worden ist. Es hat dort hervorgehoben, dass ein Widerspruch nicht notwendig sei, bis der Gesetzgeber für eine wieder verfassungskonforme Alimentation sorgen wird. Sobald also mit dem nächsten Besoldungsgesetz wieder für eine amtsangemessene Alimentation gesorgt werden wird - der Gesetzgeber darf keine verfassungswidrigen Gesetze verabschieden -, wird jeder Bundesbeamte auf Grundlage jenes Gesetzes entsprechend jenem Gesetz entschädigt werden. Nur wird eben dieses Gesetz nach derzeitiger Planung nicht verfassungskonform sein, das aber behaupten. Es wird daraufhin eine große Anzahl an Bundesbeamten keine oder allenfalls zu geringe Nachzahlungen gewähren und damit deren Ansprüche als abgegolten betrachten. Ob es daraufhin möglich sein wird, sich dagegen ohne vorherige Hemmung durch einen statthaften Rechtsbehelf zu Wehr setzen zu können, wird sich dann zeigen. Die Wahrscheinlichkeit dafür wird im Hinblick darauf, was ich im ersten Absatz geschrieben habe, ggf. nicht sehr groß sein.
Dahingegen hat jeder, der seit 2021 gegen die ihm gewährte Alimentation einen statthaften Rechtsbehelf formuliert hat, seinen Anspruch auf eine amtsangemessene Alimentation aufrechterhalten. Nach Vollzug des nächsten Gesetzes ist nun der Dienstherr gezwungen, auf Basis dieses Gesetzes die seit 2021 erfolgten Widersprüche zu bescheiden. Es wird also auf Basis jenes Gesetzes zu wiederkehrend negativen Bescheidungen kommen. Damit aber steht diesen Beamten dann im Anschluss weiterhin der Rechtsweg offen, da sie sich zeitnah mit statthaften Rechtsbehelfen gegen die Höhe ihrer Besoldung zu Wehr gesezt haben. Sie werden also ihre ggf. vorhandenen Ansprüche ausnahmslos gerichtlich prüfen lassen können - was ggf., wie im letzten Absatz dargelegt, für all die anderen Bundesbeamten, die also keinen Widerspruch geführt haben, nicht der Fall sein wird, da sie ohne Widerspruch akzeptiert haben, was ihnen durch die Verwaltung auf Basis des Rundschreibens ggf. mitgeteilt worden ist.
Dieses Rundschreiben hat dabei eine
Empfehlung an die Verwaltung ausgesprochen, wie diese also handeln kann (denn eine Empfehlung ist vom Rang her nicht automatisch mit einer Anordnung gleichzusetzen). Diese Empfehlung hat nun zwei mögliche Handlungsweisen formuliert:
"Angesichts der ausstehenden Anpassung des Bundesbesoldungsgesetzes an die Maßstäbe des BVerfG ab dem Jahr 2021 verzichtet der Bund gegenüber allen Besoldungs- und Versorgungsberechtigten des Bundes auf das Erfordernis einer haushaltsjahrnahen Geltendmachung wie auch auf die Erhebung der Einrede der Verjährung ab diesem Jahr. Widersprüche gegen die Höhe der Besoldung oder Versorgung sind also ab dem Jahr 2021 nicht mehr erforderlich.
Sollten dennoch Widersprüche eingelegt werden, sind diese ruhend zu stellen und der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zur Sicherstellung einer amtsangemessenen Alimentation in der nächsten Legislaturperiode abzuwarten." (
https://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_14062021_D3302009421.htm)
Wer es nun also auf Basis jener Empfehlung als sicher ansehen möchte, dass er mit Vollzug des angekündigten (und nun ggf. weiterhin auf die Zukunft verschobenen) BBVAngG wieder amtsangemessen alimentiert werden wird und deshalb eine amtsangemessene Nachzahlung ab 2021 erhalten wird und das ggf. auch ohne einen statthaften Rechtsbehelf dann doch gerichtlich bestreiten kann, den er also ab 2021 auf Basis der genannten Empfhlung nicht formuliert hat, der sollte keinen Widerspruch einlegen und also damit seinem Dienstherrn trauen und anders handeln, als es das Bundesverwaltungs- und Bundesverfassungsgericht eindeutig festgelegt haben, die am Ende - sofern sie angerufen werden - zu prüfen haben und entsprechend prüfen werden, ob die Klage formell zulässig ist. Eine formell nicht zulässige Klage wird von einem Gericht ohne weitere materiell-rechtliche Prüfung abgewiesen.
Wer dieses Vertrauen nicht hat, legt besser doch zeitnah Widerspruch mittels eines statthaften Rechtsbehelfs ein. Denn damit hemmt er weiterhin die Verjährung seiner Ansprüche, sodass er sie später gerichtlich prüfen lassen kann. Denn das ist der Sinn des Widerspruchs, seine Ansprüche aktiv aufrechtzuerhalten.
Der langen Rede kurzer Sinn: es geht nur bedingt darum, was Dir und allen anderen Bundesbeamten ggf. vom BMI zugesagt worden ist - es geht vor allem darum, aktiv der Gesamthöhe der Alimentation mit einem statthaften Rechtsbehelf zu widersprechen, um so formell ausnahmslos auf der sicheren Seite zu sein, sofern dafür am Ende ggf. eine Klage notwendig sein wird. Denn diese Klage muss auf formell sachgerechtem Boden erfolgen. Alles andere werden die Gerichte mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht akzeptieren: Denn die Anforderungen an einen statthaften Rechtsbehelf, den das Bundesverwaltungsgericht als zwingend für eine statthafte Klageerhebung betrachtet hat, sieht es als so gering an, dass "Rechtskenntnisse [...] dafür nicht erforderlich" sind.
Ergo: Wer auf dieser Basis und in Anbetracht des geringen Aufwands, den ich oben dargelegt habe, keinen Widerspruch einlegt, beweist m.E. ein Vertrauen in die Zukunft, das sich ggf. als nicht erfolgversprechend erweisen wird.