@ Swen
Vielen Dank deine detaillierten Ausführungen!
Die zeitlichen Zusammenhänge waren mir in der Form noch nicht bewusst.
Gern geschehen, PolareuD - wie sollten Dir und anderen diese zeitlichen Zusammenhänge auch bewusst sein. Denn darüber gibt es bislang keine öffentlich zugängliche Ausarbeitung, was ein weiterer Grund ist, weshalb ich mit dem Thema zusammenhängende Emotionen gut nachvollziehen kann. Wenn man nicht recht tiefgehend im Thema "drin" ist, dürfte sich manches als eigenartiger darstellen, als es am Ende - zumindest was den Zweiten Senat angeht - tatsächlich ist. Um es mit noch einem Bild zu versuchen: Karlsruhe muss seit spätestens Mitte 2022 immer klarer geworden sein - spätestens, als verschiedenen Besoldungsgesetzgeber über die sachwidrige Erhöhung familienbezogener Besoldungskomponenten hinaus auch noch anfingen, Doppelverdienermodelle in einer sachlichen Form zu erstellen, als gäbe es verfassungsrechtlich kein Morgen -, dass es ggf. nur diesen einen "Schuss" hat, um die Besoldungsgesetzgeber noch beizeiten auf den Boden der Tatsachen zurückzubringen. Spätestens mit diesem sachlichen Dammbruch der völlig unzureichend begründeten - und zwar gezielt völlig unzureichend begründeten - Doppelverdienermodelle konnte es nicht mehr ausreichen, Direktiven zu entwickeln, die den sachwidrigen Gehalt exorbitanter Erhöhungen von familienbezogenen Komponenten unterbinden würden, die man - denke ich - bis dahin in Karlsruhe grundlegend mit auf dem Schirm gehabt haben wird.
Denn mit dieser alleinigen Unterbindung exorbitanter Erhöhungen familienbezogener Besoldungskomponenten im Alleinverdienermodell wären dann - davon muss man ausgehen - weitere Besoldungsgesetzgeber in die Lücke gesprungen und hätten diese Komponenten der Einfachheit halber in ein Doppelverdienermodell überführt. Eine Entscheidung, die das nicht verhindert (ohne das jeweils konkrete Doppelverdienermodell unmittelbar einer Prüfung unterziehen zu können und es also unmittelbar der Kontrolle zu unterwerfen, da es diesbezüglich noch einige Zeit dauern wird, bis entsprechende Vorlagebeschlüsse überhaupt von den Fachgerichten gefällt werden können), wäre also sachlich weitgehend verpufft - und hätte die Sachlage eher noch verschlimmert, da nun am Ende innerhalb eines Jahres mit hoher Wahrscheinlichkeit 17 Doppelverdienermodelle gesetzliche Realität geworden wären, die die bisherige Kontinuität überkommener gesetzlicher Regelungen in deutlicher Form beschädigen: Denn wie soll man von ihnen wieder zurück zu einem Alleinverdienermodell gelangen, wenn man zuvor in der Gesetzesbegründung ausgeführt hat, dass ein solches sich sachlich nicht mehr rechtfertigen lässt? - Diese Frage wird alsbald eine starke Relevanz entfalten, befürchte ich. Man hätte also anhand der fünf Bremer Vorlagen einige weitere Grundsatzfragen klären können - aber diese Klärung hätte eben genauso umgangen werden können, wie das mit den 2020er Klärungen vollzogen worden ist.
Auch deshalb - so vermute ich begründet - hat man dann im Frühjahr des letzten Jahres die Ankündigung von weiteren Entscheidungen auf Niedersachsen und Schleswig-Holstein ausgeweitet. Schleswig-Holstein war dabei der erste Rechtskreis, der trotz der sachlichen Kritik vonseiten des Wissenschaftlichen Diensts des Landtags, die der Besoldungsgesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren sachlich nicht entkräften konnte, der ein solches Modell eingeführt hat. Die Entscheidung zur Parteienfinanzierung aus dem Januar des letzten Jahres, die den Gesetzgeber - begründet anhand der Besoldungsrechtsprechung des Senats - verpflichtet, sachliche Kritik noch im Gesetzgebungsverfahren zu entkräften, dürfte eine erste vorarbeitende Reaktion auf das Handeln Schleswig-Holsteins gewesen sein, wie das an anderer Stelle umfassender begründet worden ist (
https://www.berliner-besoldung.de/weitere-normenkontrollantraege-vor-der-entscheidung/). Genauso ist daraufhin auch mit Niedersachsen verfahren worden, das im Herbst 2022 ebenfalls ein Doppelverdienermodell zur Grundlage seines Besoldungsrechts gemacht hat und sich dabei ebenfalls nicht im Stande sah, die umfassende sachliche Kritik, die ebenfalls im Gesetzgebungsverfahren vorgebracht worden ist, sachlich zu entkräften.
Für beide ist darüber hinaus - wie schon dargelegt - offensichtlich eine Art verfassungsrechtliches "Faustpfand" zurückgehalten worden: Es wird also nicht über alle Vorlagen der beiden Rechtskreise entschieden, sondern es verbleiben für beide Rechtskreise Vorlagen, über die erst zu einem späteren Zeitpunkt zu entscheiden sein wird. Damit dürfte ein gehöriger Druck auf die beiden Rechtkreise ausgeübt werden - insbesondere auf Niedersachsen, dem der Senat bereits 2015 und 2018 eine nicht hinreichende Erfüllung der sich ihm stellenden prozeduralen Anforderungen attestiert hat. Sofern nun anhand von zwei der fünf bremischen Vorlagen ein weiteres Mal - und dieses Mal ggf. unmittelbar - der entscheidungserhebliche Gehalt einer nicht sachgerechten Gesetzesbegründung zu einem Kern der angekündigten Entscheidungen werden würde, würde das dazu führen, dass für Niedersachsen 2015, 2018 und 2024 eine Verfehlung der gebotenen prozeduralen Anforderungen festzustellen sein würde (bzw. festgestellt worden wäre), die unmittelbar in die Verfassungswidrigkeit führen könnte oder führt, sowie 2015 und 2024 eine verfassungswidrige Verletzung des materiellen Gehalts des Alimentationsprinzips, und zwar für den Zeitraum von 2005 bis 2012 und 2014 bis 2016. Auch die jeweilige zeitliche Dauer dürfte es dann möglich machen - es also begründbar machen -, dass mittels des verfassungsrechtlichen "Faustpfands" in einer nächsten Entscheidung eine Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVerfGG vollzogen werden könnte. Dieses Damoklesschwert dürfte - so zeichnet es sich ab - schwer über dem Haupt von niedersächsischen Verantwortungsträgern hängen.
So verstanden hat man aber mit der Ausweitung der angekündigten Entscheidungen über die bremischen Vorlagen hinweg, die im Verlauf des Jahres 2022 gefallen sein wird, eine alleinige Entscheidung über diese bereits im vorherigen Jahr angekündigten Vorlagen sachlich unmöglich gemacht - und zugleich eine weitere Verzögerung von Entscheidungen in Kauf genommen, da nun die angekündigten niedersächsischen und schleswig-holsteinischen Vorlagen im letzten Jahr sachlich zur Entscheidung vorzubereiten waren - und an dieser Stelle stehen wir nun: Die Senatsvoten sind mittlerweile für alle drei Rechtskreise offensichtlich in ihrer Erstellung weitgehend am Ende angekommen, weshalb man wohl davon ausgehen darf, dass irgendwo im Verlauf des nächsten Dreivierteljahrs die Würfel auch öffentlich gefallen sein werden, denke ich.
Ob bis dahin der Bund in die Gänge gekommen ist oder nicht, BuBea, und also, was nun Ende Januar herauskommen wird, weiß dort, also im Kabinett, heute höchstwahrscheinlich noch immer keiner. Wer sich die 20 minütige Rede des Finazministers vom Montag in Gänze angeschaut hat, konnte nicht im Zweifel über eine allgemeine Eierei bleiben, die auch damit zusammenhängen dürfte, dass dem Kabinett im Verlauf der letzten Jahres Teile seiner Geschäftgrundlage abhandengekommen ist, also die drei Koalitionäre erst wieder irgendwie zueinander und zu einer gegenseitigen Vertrauensbasis zurückfinden müssten (sofern ihnen das hinreichend möglich sein wird; und jeder andere Minister, der sich dort hätte hingestellt, hätte genauso rumgeeiert, was zur Ehrenrettung des Finanzministers gesagt werden sollte, allerdings das gerade gezeichnete Bild nur untermauert).
Nun gut, nun schauen wir mal, wie sich die Sachlage in nächster Zeit insgesamt entwickeln wird. Der Schock der Entscheidung vom 15. November wird in der bundesdeutschen Politik noch einige Zeit anhalten. Zugleich wissen hinsichtlich der Besoldung alle 17 Besoldungsgesetzgeber um das, was sie vollzogen haben. Der Zweite Senat hat auch ihnen mit der Entscheidung zum Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021 gezeigt, dass es nicht nur eine Fahnenstange gibt, sondern auch deren Ende. Der eine oder andere dürfte angefangen sein - denke ich -, innerlich die eigene Fallhöhe vom besagten Ende der Fahnenstange bis zum Boden zu eruieren.