Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 4210304 times)

BVerfGBeliever

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 492
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14700 am: 03.10.2024 11:05 »
@lotsch, interessanter Punkt.

Aber nur noch mal zur Erinnerung: Auch ohne Zuverdienst bekommt eine vierköpfige Bürgergeldfamilie monatlich aktuell netto bis zu 3.917 € (laut Swen) bzw. sogar bis zu 4.075 € (laut DRB).

Ich wäre also schon zufrieden, wenn erst mal nur die (Grund)Besoldungen entsprechend angehoben würden, um wieder im "richtigen Verhältnis" zu diesen Zahlen zu stehen..

DrStrange

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 271
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14701 am: 03.10.2024 11:09 »
Auch wenn es sich bei den TBs prinzipiell um ein anderes Rechtsgebiet handelt, ist das grundsätzliche Ansinnen nach gleiche Tätigkeit gleiche Bezahlung mehr als verständlich.

Und das ist der Punkt: warum üben TB und Beamte gleiche Tätigkeiten aus? Das dürfte es schon gar nicht geben. Dann wäre das Thema auch vom Tisch.

KlammeKassen

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 1,316
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14702 am: 03.10.2024 11:28 »
Für einen "einfachen Boten" als Single wäre dies jedoch ein fürwahr fürstliches Gehalt, selbst wenn man jene 500€ Kindergeld davon abzieht.

Nochmal: Bei einer beispielhaften Anhebung des Grundgehalts um 30% würde die Nettoalimentation eines Single-A3 von aktuell 2.053 € auf 2.620 € im Monat steigen (ohne steuerliche Berücksichtigung der Basis-KV/PV).

Was genau wäre daran so "verwerflich" (angesichts der 41 Stunden, die er Woche für Woche Dienst leistet)?

Möglicherweise, dass man in EG11 Stufe 1 nur auf 2.521,80 Euro (mit Kirche 2.470,77 Euro) netto kommt, und die Ausbildung für diese Tätigkeiten "etwas" besser sein muss.

NelsonMuntz

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 1,402
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14703 am: 03.10.2024 11:35 »
Für einen "einfachen Boten" als Single wäre dies jedoch ein fürwahr fürstliches Gehalt, selbst wenn man jene 500€ Kindergeld davon abzieht.

Nochmal: Bei einer beispielhaften Anhebung des Grundgehalts um 30% würde die Nettoalimentation eines Single-A3 von aktuell 2.053 € auf 2.620 € im Monat steigen (ohne steuerliche Berücksichtigung der Basis-KV/PV).

Was genau wäre daran so "verwerflich" (angesichts der 41 Stunden, die er Woche für Woche Dienst leistet)?

Weil er nach Heirat und 2 Kindern eben enorme Zulagen benötigt, um jene 4.6k zu erreichen. Damit wiederum erhält er ein deutlich höheren Gesamtsold als ein kinderloser A6er ...

Bastel

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 4,569
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14704 am: 03.10.2024 11:42 »
Mittlerweile ist ja das Q4 angebrochen. Wann gibt es die Jahresvorschau für 2025?

BVerfGBeliever

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 492
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14705 am: 03.10.2024 11:48 »
Für einen "einfachen Boten" als Single wäre dies jedoch ein fürwahr fürstliches Gehalt, selbst wenn man jene 500€ Kindergeld davon abzieht.

Nochmal: Bei einer beispielhaften Anhebung des Grundgehalts um 30% würde die Nettoalimentation eines Single-A3 von aktuell 2.053 € auf 2.620 € im Monat steigen (ohne steuerliche Berücksichtigung der Basis-KV/PV).

Was genau wäre daran so "verwerflich" (angesichts der 41 Stunden, die er Woche für Woche Dienst leistet)?

Weil er nach Heirat und 2 Kindern eben enorme Zulagen benötigt, um jene 4.6k zu erreichen. Damit wiederum erhält er ein deutlich höheren Gesamtsold als ein kinderloser A6er ...

Wenn er heiratet und zwei Kinder bekommt, erhält er ja auch Kindergeld und zahlt deutlich weniger Steuern. Und wie gesagt, wenn man beispielsweise zusätzlich noch einen kleinen Ortszuschlag einführt, dann kommt man in Verbindung mit moderaten Kinderzuschlägen schon irgendwie zu einer Lösung, die alle Bedingungen (Abstand zur Grundsicherung, Ämterwertigkeit, usw. usf.) erfüllt.

ABER: Unabdingbar ist dabei natürlich eine signifikante Erhöhung der Grundgehälter, ohne diese ist das Problem in der Tat (wie von dir geschildert) mathematisch unlösbar.

PolareuD

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 1,099
  • Bundesbeamter
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14706 am: 03.10.2024 11:59 »
Mittlerweile ist ja das Q4 angebrochen. Wann gibt es die Jahresvorschau für 2025?

Voraussichtlich Ende März 2025.

SwenTanortsch

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 2,244
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14707 am: 03.10.2024 12:13 »
Gut, konzentrieren wir uns auf das, was verfassungsrechtlich noch nicht geklärt ist. Wobei ich nicht genau weiß, was verfassungsgerichtlich noch nicht geklärt ist, bzw. wann man von einer verfassungsmäßigen Klärung ausgehen kann. Ich nehme an, wenn eine eindeutige Entscheidung des BVerfG vorliegt.

Wie sieht es z.B. bei den Hinzuverdienstmöglichkeiten von Bürgergeldempfängern aus?
(So gilt im Unterschied zur Grundsicherung ein 100 Euro-Freibetrag, den die Betroffenen zusätzlich und anrechnungsfrei verdienen können. Bei Beträgen zwischen 100 und 520 Euro sind dagegen nur 20 Prozent anrechnungsfrei. Von 520 bis 1000 Euro dürfen Bürgergeld-Empfänger seit diesem Jahr 30 Prozent ohne Anrechnung behalten. Zum Vergleich: mit der alten Hartz-IV-Regelung waren es noch 20 Prozent.)
Ich nehme an, dass das bei einer 4-K-Familie für Jeden gilt. Das ist dann nicht unerheblich.
Gibt es hierfür bereits eine verfassungsmäßige Klärung? Oder gilt hier das Prinzip, wo kein Kläger, da kein Richter, und sollte man das einfach einmal in eine Klage mit aufnehmen, damit sich das BVerfG damit befassen muss?

Einige werden jetzt sagen, na ja, das haben die sich eben dazu verdient und so ein Anreiz ist ja sinnvoll. Unbestritten ist das sinnvoll, es stellt sich nur die Frage, ob das bei der Berechnung der Mindestbesoldung berücksichtigt werden muss, denn der Zuverdienst wird den Bürgergeldempfängern ja vom Staat gewährt.

Auch diese Frage sollte weitgehend geklärt sein, lotsch. In der aktuellen Entscheidung führt der Senat in der Rn. 47 aus:

"Beim Mindestabstandsgebot handelt es sich – wie beim Abstandsgebot – um einen eigenständigen, aus dem Alimentationsprinzip abgeleiteten Grundsatz. Es besagt, dass bei der Bemessung der Besoldung der qualitative Unterschied zwischen der Grundsicherung, die als staatliche Sozialleistung den Lebensunterhalt von Arbeitsuchenden und ihren Familien sicherstellt, und dem Unterhalt, der erwerbstätigen Beamten und Richtern geschuldet ist, hinreichend deutlich werden muss (vgl. BVerfGE 81, 363 <378>; 99, 300 <321 f.>; 140, 240 <286 f. Rn. 93 f.>). Dieser Mindestabstand wird unterschritten, wenn die Nettoalimentation (unter Berücksichtigung der familienbezogenen Bezügebestandteile und des Kindergelds) um weniger als 15 % über dem Grundsicherungsniveau liegt (vgl. BVerfGE 81, 363 <382 f.>; 99, 300 <321 f.>; 140, 240 <286 f. Rn. 93 f.>)."

Im Zitat führt der Senat zunächst den qualitativen Unterschied zwischen Grundsicherung und Besoldung und Alimentation aus, den ich hier vor ein paar Tagen in seinem sachlichen Gehalt erläutert habe, der also ebenfalls sachlich geklärt ist und den jeder zur Kenntnis nehmen kann, sofern er keine Diskussion außerhalb des Verfassungsrecht führen will (da Du das willst, solltest Du Dich hier nicht angesprochen fühlen, denke ich). Auf dieser Grundlage wird vom Senat der 15 %ige Abstand zum Grundsicherungsniveau als Mindestalimentation betrachtet. Die Mindestalimentation wird in der Rn. 95 als der Betrag der gewährten Nettoalimentation betrachtet, in dem der Besoldungsgesetzgeber keine Einschnitte vornehmen darf, der also als vom absoluten Normenbestandsschutz umfasst zu begreifen ist.

In diesem Zusammenhang führt der Senat also in der Rn. 47 aus, dass durch diesen 15 %igen Abstand der Abstand zum Grundsicherungsniveau hinsichtlich der dem Musterbeamten gewährten Nettoalimentation hinreichend deutlich wird.

Darüber hinaus führt er die Grundsicherung als staatliche Sozialleistung aus, die den Lebensunterhalt von Arbeitsuchenden und ihren Familien sicherstellt. Sofern also der Grundsicherungsempfänger über einen Zuverdienst verfügt, ist jener bis zu einem gewissen Betrag steuerrechtlich unschädlich, jedoch als solcher kein Teil der staatlichen Sozialleistung, sondern ein über sie hinausreichender Betrag, den der Grundsicherungsempfänger durch eine eigene Beschäftigung zusätzlich zum ihm gewährten Grundsicherungsbetrag steuerfrei hinzuverdienen kann. Als ein solcher zusätzlicher Betrag, der mittelbar über das Steuerrecht mit dem Sozialrecht verbunden ist, der aber nicht unmittelbar als staatliche Leistung zu verstehen und als solcher eben dem und damit allen Grundsicherungsempfänger nicht als also staatliche Leistung zufließt, kann dieser Betrag in der Betrachtung der Mindestalimentation als 15 %ige Abstand zum Grundsicherungsniveau offensichtlich nicht herangezogen werden.

Eine andere Interpreation kann ich den Ausführungen des Senats nicht entnehmen und lässt sich sachlich m.E. auch nicht vermuten. Ich sehe jedenfalls kein sachliches Argument - also keines, dass sich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entnehmen lässt oder aus dieser geschlossen werden könnte -, das uns zu einem anderen Ergebnis führen könnte, lasse mich aber gerne sachlich vom Gegenteil überzeugen - wobei hier "sachlich" wie immer bei mir meint: auf Grundlage der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. Denn alles andere ist mit hoher Wahrscheinlichkeit in den meisten Fällen verfassungsrechtlich nicht als "sachlich" zu begreifen, da es keine Sache des Verfassungsrecht ist, zu dessen rechtskräftigen Auslegung allein das Bundesverfassungsgericht ermächtigt ist.

Auch diese Frage, wie hinsichtlich des Mindestabstandsgebots mit entsprechenden Zuverdienstmöglichkeiten auf Basis von steuerlichen Freibeträgen umzugehen wäre, dürfte sich also - wie viele der Fragen, die hier regelmäßig ohne Betrachtung der vorliegenden Entscheidungen, die jeder jederzeit lesen kann - als durch das Bundesverfassungsgericht geklärt darstellen, denke ich. Eine andere Auslegung als die gerade vollzogene kann ich jedenfalls der bisherigen Rechtsprechung bislang nicht entnehmen - und da wir davon ausgehen dürfen, dass das Bundesverfassungsgericht die gesetzliche Regelung von Freibeträgen kennt, dürfen wir begründet vermuten, dass es deshalb keine entsprechenden Ausführungen gemacht hat und diese so verstanden auch zukünftig nicht machen wird, sodass es müßig wäre, auf sie zu warten. Denn das Bundesverfassungsgericht geht regelmäßig davon aus, dass das, was sich durch Auslegungsregeln sachlich erschließen lässt, nicht automatisch auch ausgeführt werden müsste. Es reagiert entsprechend erst, wenn es sich dazu veranlasst sieht, wenn es also eine in einem Verfahren gemachte Aussage als begründet oder unbegründet betrachten muss. Genau deshalb hat es 2015 am Anfang seines Rechtsprechungwandels und also in der Konkretisierung seines "Pflichtenhefts" - und seitdem nie wieder, weil es diese Aussage als bekannt voraussetzt - ausgeführt:

"Gegenstand [von besoldungsrechtlichen Normekontrollverfahren im Allgemeinen und des vorliegenden im Besonderen; ST.] sind ausweislich des Beschlusstenors und der Entscheidungsgründe die Vorschriften, aus denen sich die Besoldung der Kläger der Ausgangsverfahren in dem streitgegenständlichen Jahr ergibt. Die vom Vorlagegericht benannten Besoldungsbestandteile entsprechen den Komponenten, die einfach-rechtlich in § 1 Abs. 2 und Abs. 3 BBesG aufgezählt sind. Auf diese Besoldungsbestandteile bezieht sich auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Alimentation von Beamten mit mehr als zwei Kindern (vgl. BVerfGE 99, 300 <321>). Im Einzelnen handelt es sich dabei um das Grundgehalt, den Ortszuschlag (jetzt: Familienzuschlag), die jährliche Sonderzuwendung und das Urlaubsgeld sowie etwaige Einmalzahlungen. Inwieweit all diese Komponenten tatsächlich bei der Bestimmung des amtsangemessenen Besoldungsniveaus heranzuziehen sind, ist eine Frage der Begründetheit. (BVerfGE 139, 64 <109 Rn. 88>; Hervorhebungen durch ST.; https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015/05/ls20150505_2bvl001709.html)

NelsonMuntz

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 1,402
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14708 am: 03.10.2024 12:44 »
Für einen "einfachen Boten" als Single wäre dies jedoch ein fürwahr fürstliches Gehalt, selbst wenn man jene 500€ Kindergeld davon abzieht.

Nochmal: Bei einer beispielhaften Anhebung des Grundgehalts um 30% würde die Nettoalimentation eines Single-A3 von aktuell 2.053 € auf 2.620 € im Monat steigen (ohne steuerliche Berücksichtigung der Basis-KV/PV).

Was genau wäre daran so "verwerflich" (angesichts der 41 Stunden, die er Woche für Woche Dienst leistet)?

Weil er nach Heirat und 2 Kindern eben enorme Zulagen benötigt, um jene 4.6k zu erreichen. Damit wiederum erhält er ein deutlich höheren Gesamtsold als ein kinderloser A6er ...

Wenn er heiratet und zwei Kinder bekommt, erhält er ja auch Kindergeld und zahlt deutlich weniger Steuern. Und wie gesagt, wenn man beispielsweise zusätzlich noch einen kleinen Ortszuschlag einführt, dann kommt man in Verbindung mit moderaten Kinderzuschlägen schon irgendwie zu einer Lösung, die alle Bedingungen (Abstand zur Grundsicherung, Ämterwertigkeit, usw. usf.) erfüllt.

ABER: Unabdingbar ist dabei natürlich eine signifikante Erhöhung der Grundgehälter, ohne diese ist das Problem in der Tat (wie von dir geschildert) mathematisch unlösbar.

Bei der Nettoalimentation werden Kindergeld und PKV ja bereits berücksichtigt.

Das "lustige" ist doch: Wir widersprechen uns eigentlich gar nicht. Ich kann die verschiedenen Anforderungen an die Besoldung hier nur nicht in ihrer Vollständigkeit abbilden.

Dass es dabei sicher viele Möglichkeiten gibt, Abweichungen von idealisierten Vorgaben zu implementieren, die einer verfassungsrechtlichen Prüfung genügen, ist davon unbenommen. Mir "fehlen" hier konkrete Ideen einer Besoldungstabelle und die Definition eines "Zulagenregimes", um weiter darüber nachdenken zu können. Aber das muss ich auch gar nicht und das ist auch gar nicht schlimm ;)

Fragen zu Gerechtigkeit und gesamtgesellschaftlichen und politischen Bewertungen kann man -so man dies überhaupt möchte- aber erst nach einer Manifestation einer solchen Besoldungsmatrix beantworten.

Ich muss nicht neidisch sein, wünsche Euch allen viel Erfolg und werde die Entwicklungen  beobachten. Alles gut :)

... Für die TB steht in der kommenden Woche die feierliche Proklamation der Forderungen für die kommende Tarifrunde an. Das ist immer leichter zu diskutieren, weil sich das im Tarifbereich immer direkt in die Tabellen projizieren lässt. Ferner ergibt sich für viele AN in höheren Entgeltgruppen das lustige Bild, mit der AG-Seite und verdi gleich 2 "Gegnern" gegenüberzustehen - und die wirkliche Entscheidung hängt dann auch noch an der Qualität der gereichten Lachshäppchen ;)

PolareuD

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 1,099
  • Bundesbeamter
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14709 am: 03.10.2024 13:16 »
Das einzige, was m.M.n., einer weiteren Konkretisierung bedarf ist in welcher Höhe Familienzuschläge für die 4k Konstellation gewährt werden dürfen. Aktuell liegen diese bei ca. 17% bezogen auf die Besoldungsgruppe A3/1. In dem Zusammenhang dürfen die Zuschläge für das 1. und 2. Kind angehoben werden. Die Bemessung muss aber realitätsgerecht ermittelt werden und sie dürfen in ihrer Höhe nicht dem Leitungsgebot zuwiderlaufen. Das lässt aktuell einen gewissen Interpretationsspielraum zu. Da für die 4k Konstellation der überwiegende Anteil des Lebensunterhalts aus den Grundbezügen gewahrt sein muss, würde m.E.n. ein Interpretationsspielraum von 17-49% entstehen. Dabei halte ich Zuschläge über 25%, bezogen auf A3/1, für sachlich nicht begründbar.

InternetistNeuland

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 292
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14710 am: 03.10.2024 13:46 »
Gut, konzentrieren wir uns auf das, was verfassungsrechtlich noch nicht geklärt ist. Wobei ich nicht genau weiß, was verfassungsgerichtlich noch nicht geklärt ist, bzw. wann man von einer verfassungsmäßigen Klärung ausgehen kann. Ich nehme an, wenn eine eindeutige Entscheidung des BVerfG vorliegt.

Wie sieht es z.B. bei den Hinzuverdienstmöglichkeiten von Bürgergeldempfängern aus?
(So gilt im Unterschied zur Grundsicherung ein 100 Euro-Freibetrag, den die Betroffenen zusätzlich und anrechnungsfrei verdienen können. Bei Beträgen zwischen 100 und 520 Euro sind dagegen nur 20 Prozent anrechnungsfrei. Von 520 bis 1000 Euro dürfen Bürgergeld-Empfänger seit diesem Jahr 30 Prozent ohne Anrechnung behalten. Zum Vergleich: mit der alten Hartz-IV-Regelung waren es noch 20 Prozent.)
Ich nehme an, dass das bei einer 4-K-Familie für Jeden gilt. Das ist dann nicht unerheblich.
Gibt es hierfür bereits eine verfassungsmäßige Klärung? Oder gilt hier das Prinzip, wo kein Kläger, da kein Richter, und sollte man das einfach einmal in eine Klage mit aufnehmen, damit sich das BVerfG damit befassen muss?

Einige werden jetzt sagen, na ja, das haben die sich eben dazu verdient und so ein Anreiz ist ja sinnvoll. Unbestritten ist das sinnvoll, es stellt sich nur die Frage, ob das bei der Berechnung der Mindestbesoldung berücksichtigt werden muss, denn der Zuverdienst wird den Bürgergeldempfängern ja vom Staat gewährt.



Darüber hinaus führt er die Grundsicherung als staatliche Sozialleistung aus, die den Lebensunterhalt von Arbeitsuchenden und ihren Familien sicherstellt. Sofern also der Grundsicherungsempfänger über einen Zuverdienst verfügt, ist jener bis zu einem gewissen Betrag steuerrechtlich unschädlich, jedoch als solcher kein Teil der staatlichen Sozialleistung, sondern ein über sie hinausreichender Betrag, den der Grundsicherungsempfänger durch eine eigene Beschäftigung zusätzlich zum ihm gewährten Grundsicherungsbetrag steuerfrei hinzuverdienen kann. Als ein solcher zusätzlicher Betrag, der mittelbar über das Steuerrecht mit dem Sozialrecht verbunden ist, der aber nicht unmittelbar als staatliche Leistung zu verstehen und als solcher eben dem und damit allen Grundsicherungsempfänger nicht als also staatliche Leistung zufließt, kann dieser Betrag in der Betrachtung der Mindestalimentation als 15 %ige Abstand zum Grundsicherungsniveau offensichtlich nicht herangezogen werden.

Hier möchte ich dir widersprechen.

Die Frage ob ein Hinzuverdienst steuerfrei bleibt oder ob es zu einer Anrechnung beim Bürgergeld kommt betrifft 2 unterschiedliche Gesetze.

Die Steuerfreiheit ist im Einkommensteuergesetz geregelt während die anrechnungsfreien Einkünfte im Sozialgesetzbuch geregelt sind.

Für mich haben die anrechnungsfreien Einkünfte im Sozialgesetzbuch daher eher einen Charakter eines weiteren Sozialtarifs. Es sind Vergünstigungen bzw. Boni die ausschließlich Empfängern von Grundsicherung zustehen.

BVerfGBeliever

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 492
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14711 am: 03.10.2024 13:48 »
@PolareuD, verfassungsrechtlich "erlaubt" wären übrigens definitiv auch 0% leistungslose Zuschläge.

Ansonsten stimme ich dir zu, sobald es (deutlich) über 20% geht, ist aus meiner Sicht das Leistungsprinzip und die Ämterwertigkeit nicht mehr erfüllt, so dass ein klarer Verstoß gegen Art. 33 GG vorliegt.

@Swen hat hier ja sehr schön und detailliert am Beispiel von Niedersachsen dargelegt, warum die dortige aktuelle Zuschlagsorgie sachlich nicht zu rechtfertigen ist und somit "kein Inhalt der verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentation" sein kann:
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,122255.msg362968.html#msg362968

SwenTanortsch

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 2,244
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14712 am: 03.10.2024 14:43 »
Gut, konzentrieren wir uns auf das, was verfassungsrechtlich noch nicht geklärt ist. Wobei ich nicht genau weiß, was verfassungsgerichtlich noch nicht geklärt ist, bzw. wann man von einer verfassungsmäßigen Klärung ausgehen kann. Ich nehme an, wenn eine eindeutige Entscheidung des BVerfG vorliegt.

Wie sieht es z.B. bei den Hinzuverdienstmöglichkeiten von Bürgergeldempfängern aus?
(So gilt im Unterschied zur Grundsicherung ein 100 Euro-Freibetrag, den die Betroffenen zusätzlich und anrechnungsfrei verdienen können. Bei Beträgen zwischen 100 und 520 Euro sind dagegen nur 20 Prozent anrechnungsfrei. Von 520 bis 1000 Euro dürfen Bürgergeld-Empfänger seit diesem Jahr 30 Prozent ohne Anrechnung behalten. Zum Vergleich: mit der alten Hartz-IV-Regelung waren es noch 20 Prozent.)
Ich nehme an, dass das bei einer 4-K-Familie für Jeden gilt. Das ist dann nicht unerheblich.
Gibt es hierfür bereits eine verfassungsmäßige Klärung? Oder gilt hier das Prinzip, wo kein Kläger, da kein Richter, und sollte man das einfach einmal in eine Klage mit aufnehmen, damit sich das BVerfG damit befassen muss?

Einige werden jetzt sagen, na ja, das haben die sich eben dazu verdient und so ein Anreiz ist ja sinnvoll. Unbestritten ist das sinnvoll, es stellt sich nur die Frage, ob das bei der Berechnung der Mindestbesoldung berücksichtigt werden muss, denn der Zuverdienst wird den Bürgergeldempfängern ja vom Staat gewährt.



Darüber hinaus führt er die Grundsicherung als staatliche Sozialleistung aus, die den Lebensunterhalt von Arbeitsuchenden und ihren Familien sicherstellt. Sofern also der Grundsicherungsempfänger über einen Zuverdienst verfügt, ist jener bis zu einem gewissen Betrag steuerrechtlich unschädlich, jedoch als solcher kein Teil der staatlichen Sozialleistung, sondern ein über sie hinausreichender Betrag, den der Grundsicherungsempfänger durch eine eigene Beschäftigung zusätzlich zum ihm gewährten Grundsicherungsbetrag steuerfrei hinzuverdienen kann. Als ein solcher zusätzlicher Betrag, der mittelbar über das Steuerrecht mit dem Sozialrecht verbunden ist, der aber nicht unmittelbar als staatliche Leistung zu verstehen und als solcher eben dem und damit allen Grundsicherungsempfänger nicht als also staatliche Leistung zufließt, kann dieser Betrag in der Betrachtung der Mindestalimentation als 15 %ige Abstand zum Grundsicherungsniveau offensichtlich nicht herangezogen werden.

Hier möchte ich dir widersprechen.

Die Frage ob ein Hinzuverdienst steuerfrei bleibt oder ob es zu einer Anrechnung beim Bürgergeld kommt betrifft 2 unterschiedliche Gesetze.

Die Steuerfreiheit ist im Einkommensteuergesetz geregelt während die anrechnungsfreien Einkünfte im Sozialgesetzbuch geregelt sind.

Für mich haben die anrechnungsfreien Einkünfte im Sozialgesetzbuch daher eher einen Charakter eines weiteren Sozialtarifs. Es sind Vergünstigungen bzw. Boni die ausschließlich Empfängern von Grundsicherung zustehen.

Wegen der unterschiedlichen Rechtsgebiete spreche ich ja im Zitat vom mittelbaren Zusammenhang von Steuer- und Sozialrecht, Internet. Die Anrechnungsfreiheit ist eine steuerrechtliche Regelung, die Auswirkungen auf das Sozialrecht hat, also mittelbar auf das Sozialrecht wirkt. Allerdings gewährt das Sozialrecht eben nicht einen Sozialtarif, wenn es hinsichtlich einer vom Grundsicherungsempfänger erbrachten Leistung Steuerfreiheit gewährt. Nicht umsonst betrachtet das Bundesverfassungsgericht in seinem aktuellen Judikat Sozialtarife als Dienstleistungen, die Grundsicherungsempfängern als vergünstigte Tarife - eben entsprechend als Sozialtarife - gewährt werden (vgl. dort in der Rn. 69), um dann entsprechende Dienstleistungen im Anschluss beispielhaft zur Veranschaulichung zu nennen: öffentlicher Nahverkehr, Museen, Theater, Opernhäuser und Schwimmbäder sowie die Beitragsfreiheit in der Kinderbetreuung.

Hinsichtlich der Anrechnungsfreiheit im Steuerrecht finden wir aber keine dem Grundsicherungsempfänger leistungslos vergünstigt gewährte Dienstleistung, sondern er erhält für eine von ihm erbrachte Tätigkeit eine monetäre Vergütung, die bis zu einem gewissen Betrag nicht steuerlich betrachtet wird. Entsprechend führt die aktuelle Entscheidung in der Rn. 70 aus (Hervorhebungen durch ST.):

"Es handelt sich [bei den Sozialtarifen; ST.] um Bedürfnisse, deren Erfüllung die öffentliche Hand für jedermann als so bedeutsam erachtet, dass sie Grundsicherungsempfängern entsprechende Leistungen mit Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Lage kostenfrei oder vergünstigt zur Verfügung stellt und hierfür öffentliche Mittel einsetzt."

Auch hier zeigt sich nun in der Hervorhebung, dass die betreffende Steuerfreiheit vom Bundesverfassungsgericht nicht unter den Sozialtarifen gefasst werden kann. Denn der Staat sieht sich durch die gewährten Vergünstigungen in der Pflicht, hierfür öffentliche Mittel einzusetzen, nämlich den Dienstleistern den Unterschiedsbetrag zwischen ihrem Tarif und dem vom Grundsicherungsempfängern entrichteten Betrag zu erstatten. Dieser Erstattungsbetrag ist nun der Sozialtarif. Dahingegen verzichtet er hinsichtlich der genannten Steuerfreiheit auf die steuerliche Betrachtung eines bestimmten Betrags, der ihm als solchen als Einnahme nicht zur Verfügung steht und von daher auch nicht als solcher ausgegeben werden kann. Er setzt hier also keine öffentliche Mittel ein, sondern verzichtet auf einen höheren Betrag zur Verfügung stehender (Steuer-)Mittel. Auch in diesem prinzipiellen Unterschied zeigt sich - genauso wie darin, dass die Einkünfte des Grundsicherungsempfänger im Falle einer vergüteten Tätigkeit nicht leistungslos erfolgen -, dass der Steuerfreibetrag nicht als ein Sozialtarif betrachtet werden kann.

Entsprechend habe ich vorhin geschrieben, was ich geschrieben habe. Es kommt nicht darauf an, was wir aus unserer je eigenen und also individuellen moralischen Auffassung als richtig oder falsch empfinden, sondern was das Bundesverfassungsgericht sachlich zum Verfassungsrecht sagt. Entsprechend müsse wir jede unserer Aussagen, sofern sie Auswirkungen für die Besoldung und Alimentation haben, auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht zurückführen. Unserer aller - und also auch meine - moralische Empfindungen (alle unsere willentlichen Handlungen zeigen sich von unserer je eigenen Moralvorstellung gesteuert, auf wenn uns das meistens nicht bewusst ist) spielen hinsichtlich des Verfassungsrechts keinerlei Rolle, sie haben keine begründende Qualität. Sofern Du oder jemand anders mir hier also widersprechen will, hast Du oder hat er prinzipiell nur drei Möglichkeiten:

1. Er weist mir nach, dass die von mir zugrundegelegten Prämissen falsch sind (also dass ich die Rn. 69 ff. des aktuellen Judikats hier nicht anwenden darf, weil sie hier sachwidrig wären).

2. Er weist innere Widersprüche in meiner Argumentation nach, sodass ich nicht den Schluss ziehen könnte, den ich ziehe.

3. Er stellt dem, was ich anhand der genannten Aussagen des aktuellen Judikats ausführe, andere und dem entgegenstehende Aussagen dieses oder anderer Judikate des Bundesverfassungsgerichts entgegen und zeigt dann in der Abwägung eine alternative Argumenation, die sich als sachlich stichhaltiger erweist als das, was ich aussage.

Allein eine Empfindung zu äußern reicht nicht, um das Bundesverfassungsgericht darin zu überzeugen, dass hier eine Begründung stattfindet. Eine Aussage, die nicht vor allen drei gerade genannten Widerlegungsmöglichkeiten standhält, betrachtet es aus gutem Grund als unbegründet. Der gute Grund liegt darin, dass das Verfassungsrecht in den heute 164 Bänden der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (https://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Entscheidungen/Entscheidungen/Amtliche%20Sammlung%20BVerfGE.html) sowie den weiteren Kammerentscheidungen (die als eigenständige Bände leider 2014 eingestellt worden sind) in jeder Univeritätsbibliothek vorliegen.

lotsch

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 847
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14713 am: 03.10.2024 15:06 »
Gut, konzentrieren wir uns auf das, was verfassungsrechtlich noch nicht geklärt ist. Wobei ich nicht genau weiß, was verfassungsgerichtlich noch nicht geklärt ist, bzw. wann man von einer verfassungsmäßigen Klärung ausgehen kann. Ich nehme an, wenn eine eindeutige Entscheidung des BVerfG vorliegt.

Wie sieht es z.B. bei den Hinzuverdienstmöglichkeiten von Bürgergeldempfängern aus?
(So gilt im Unterschied zur Grundsicherung ein 100 Euro-Freibetrag, den die Betroffenen zusätzlich und anrechnungsfrei verdienen können. Bei Beträgen zwischen 100 und 520 Euro sind dagegen nur 20 Prozent anrechnungsfrei. Von 520 bis 1000 Euro dürfen Bürgergeld-Empfänger seit diesem Jahr 30 Prozent ohne Anrechnung behalten. Zum Vergleich: mit der alten Hartz-IV-Regelung waren es noch 20 Prozent.)
Ich nehme an, dass das bei einer 4-K-Familie für Jeden gilt. Das ist dann nicht unerheblich.
Gibt es hierfür bereits eine verfassungsmäßige Klärung? Oder gilt hier das Prinzip, wo kein Kläger, da kein Richter, und sollte man das einfach einmal in eine Klage mit aufnehmen, damit sich das BVerfG damit befassen muss?

Einige werden jetzt sagen, na ja, das haben die sich eben dazu verdient und so ein Anreiz ist ja sinnvoll. Unbestritten ist das sinnvoll, es stellt sich nur die Frage, ob das bei der Berechnung der Mindestbesoldung berücksichtigt werden muss, denn der Zuverdienst wird den Bürgergeldempfängern ja vom Staat gewährt.

Es reagiert entsprechend erst, wenn es sich dazu veranlasst sieht, wenn es also eine in einem Verfahren gemachte Aussage als begründet oder unbegründet betrachten muss. Genau deshalb hat es 2015 am Anfang seines Rechtsprechungwandels und also in der Konkretisierung seines "Pflichtenhefts" - und seitdem nie wieder, weil es diese Aussage als bekannt voraussetzt - ausgeführt:



Könnte es sein, dass das BVerfG sich noch nicht mit den Hinzuverdiensten befassen musste, weil niemand in einem Verfahren diesbezüglich eine Aussage gemacht hat? Mir ist klar, dass sich vorher die Verwaltungsgerichte bis zum BVerwG damit befassen müssten und dies wahrscheinlich für nicht sachlich beurteilen würden, weil bisher noch keine Entscheidung des BVerfG vorliegt.
Wie sieht es aus, wenn ein Urteil des BVerwG vorliegt, sich das BVerfG aber noch nicht mit dem Sachverhalt befasst hat? Ich würde sagen, dann kann man nicht von einer endgültigen verfassungsmäßigen Klärung ausgehen. Ich denke hierbei an die Verzugszinsen für Besoldungsnachzahlungen.

SwenTanortsch

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 2,244
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14714 am: 03.10.2024 16:58 »
Gut, konzentrieren wir uns auf das, was verfassungsrechtlich noch nicht geklärt ist. Wobei ich nicht genau weiß, was verfassungsgerichtlich noch nicht geklärt ist, bzw. wann man von einer verfassungsmäßigen Klärung ausgehen kann. Ich nehme an, wenn eine eindeutige Entscheidung des BVerfG vorliegt.

Wie sieht es z.B. bei den Hinzuverdienstmöglichkeiten von Bürgergeldempfängern aus?
(So gilt im Unterschied zur Grundsicherung ein 100 Euro-Freibetrag, den die Betroffenen zusätzlich und anrechnungsfrei verdienen können. Bei Beträgen zwischen 100 und 520 Euro sind dagegen nur 20 Prozent anrechnungsfrei. Von 520 bis 1000 Euro dürfen Bürgergeld-Empfänger seit diesem Jahr 30 Prozent ohne Anrechnung behalten. Zum Vergleich: mit der alten Hartz-IV-Regelung waren es noch 20 Prozent.)
Ich nehme an, dass das bei einer 4-K-Familie für Jeden gilt. Das ist dann nicht unerheblich.
Gibt es hierfür bereits eine verfassungsmäßige Klärung? Oder gilt hier das Prinzip, wo kein Kläger, da kein Richter, und sollte man das einfach einmal in eine Klage mit aufnehmen, damit sich das BVerfG damit befassen muss?

Einige werden jetzt sagen, na ja, das haben die sich eben dazu verdient und so ein Anreiz ist ja sinnvoll. Unbestritten ist das sinnvoll, es stellt sich nur die Frage, ob das bei der Berechnung der Mindestbesoldung berücksichtigt werden muss, denn der Zuverdienst wird den Bürgergeldempfängern ja vom Staat gewährt.

Es reagiert entsprechend erst, wenn es sich dazu veranlasst sieht, wenn es also eine in einem Verfahren gemachte Aussage als begründet oder unbegründet betrachten muss. Genau deshalb hat es 2015 am Anfang seines Rechtsprechungwandels und also in der Konkretisierung seines "Pflichtenhefts" - und seitdem nie wieder, weil es diese Aussage als bekannt voraussetzt - ausgeführt:



[1] Könnte es sein, dass das BVerfG sich noch nicht mit den Hinzuverdiensten befassen musste, weil niemand in einem Verfahren diesbezüglich eine Aussage gemacht hat? Mir ist klar, dass sich vorher die Verwaltungsgerichte bis zum BVerwG damit befassen müssten und dies wahrscheinlich für nicht sachlich beurteilen würden, weil bisher noch keine Entscheidung des BVerfG vorliegt.
[2] Wie sieht es aus, wenn ein Urteil des BVerwG vorliegt, sich das BVerfG aber noch nicht mit dem Sachverhalt befasst hat? Ich würde sagen, dann kann man nicht von einer endgültigen verfassungsmäßigen Klärung ausgehen. Ich denke hierbei an die Verzugszinsen für Besoldungsnachzahlungen.

Ich unterteile Deine Frage mal in zwei Teile, lotsch, da wir hier ja zwei Sachverhalte vor uns haben:

zu 1. Wenn ich es richtig sehe, hat sich das Bundesverfassungsgericht ja bereits mit dem Steuerfreibetrag hinsichtlich von Zuverdiensten von Grundsicherungsempfängern beschäftigt, nämlich indem es in der von mir dargelegten Weise diese von der Betrachtung zur Bemessung der Mindestalimentation arugmentativ ausgeschlossen hat. Wenn meine Auslegung der Rn. 69 ff. sachgerecht ist, kann der Steuerfreibetrag nicht als ein Sozialtarif betrachtet werden, sodass es nicht mehr notwendig ist, dass sich der Senat mit dieser Frage noch weitergehend beschäftigen müsste. Darüber hinaus sollte es so verstanden - unter der Prämisse meiner sachgerechten Auslegung - auch zukünftig nicht dazu kommen, dass sich der Senat mit dieser Frage noch beschäftigen müsste, da ja dann auch jedes Verwaltungsgericht zu demselben Schluss wie ich käme. Denn ein Richter ist dazu verpflichtet, zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht das Verfassungsrecht als Ganzes zu beachten. Es müsste also - wie gerade unter den genannten Möglichkeiten, eine andere Rechtsaufassung zu begründen - weitere Argumente ins Feld führen und zugleich die von mir angestellte Argumentation sachlich ("sachlich" heißt wie gesagt, anhand der weiteren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts) widerlegen.

Ich gehe dabei allerdings nicht davon aus, dass das möglich sein sollte, und zwar nicht, weil ich das so interpretiere, wie ich das interpretiere (also nicht, weil auch ich gerne Recht behalte), sondern weil wir in den Randnummern 69 bis 71 des aktuellen Judikats keinen Verweis des Senats auf frühere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht finden, sodass ich davon ausgehe, dass es sie für unseren Sachverhalt - dem Mindestabstandsgebot und darin die sachgerechte Betrachtung der Mindestalimentation als mittelbarer Ausfluss des Grundsicherungsniveaus im Zusammenhang mit den Sozialtarifen - nicht gibt. Denn gäbe es sie, hätte der Senat entsprechende Verweise getätigt, da er das regelmäßig macht; denn nicht jeder kennt die maßgeblichen Ausführungen beider Senate - mit Ausnahme ihrer selbst, was gleichfalls eine Ursache von langen Verfahrensdauern ist. Denn die Rechtsprechung aus der Vergangenheit kann das Bundesverfassungsgericht nicht unbetrachtet lassen, weshalb es dieses auf dem Weg bis zur Entscheidung umfassend reflektiert und abwägt, was nicht unerhebliche Zeit kostet.

Damit ist davon auszugehen, dass der Senat in den Rn. 69 bis 71 eine rechtsverbindliche Auslegung dessen, was Sozialtarife sind, vornimmt. Entsprechend dürfte - wenn auch diese meine Sichtweise sich nicht sachlich entkräften lässt - sich dann aber das, was ich vorhin dargelegt habe, sachlich nicht entkräften lassen, sodass kein Verwaltungsgericht in einer Richtervorlage den Steuerfreibetrag argumentativ als hinsichtlich der mittelbaren Bemessung der Mindestalimentation zu beachten betrachten dürfte, weshalb sich das Bundesverfassungsgericht auch zukünftig nicht dazu äußern würde, eben weil das Thema als geklärt zu betrachten wäre.

Zu 2. Hinsichtlich der Verzinsung von für Recht erkannte Nachzahlungsansprüche eines Beamten gegen seinen Dienstherrn finden wir m.E. ein sehr komplex Feld vor uns, das ich nicht hinreichend überblicke, um mir hier eine sachgerechte Meinung bilden zu können. Deshalb nur ein paar und wenige Gedanken:

a) Wenn ich es richtig sehe, sollte auch hier § 818 Abs. 1 BGB maßgebliche Bedeutung haben, nämlich: "Die Verpflichtung zur Herausgabe [eines in unserem Fall nicht rechtswirksam erlangten Gutes; ST.] erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt."

Hinsichtlich der möglichen Zinsen dürften dann vier mögliche Zinsarten von Bedeutung sein, nämlich Verzugszinsen, Prozesszinsen, Nutzungszinsen und ersparte Zinsen. Dabei wäre gleichfalls von Bedeutung, dass der Dienstherr gegenüber dem Beamten bspw. bei der Rückforderung einer Überbezahlung als sog. rechtsgrundlos empfangene Leistung in der Regel keine Zinsen verlangen kann. Nun muss sich das nicht auch auf den umgekehrten Fall erstrecken. Allerdings geht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht regelmäßig davon aus, dass der Zweck von öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüchen nicht darin liegt, einen durch einen hoheitlichen Eingriff erfolgten Vermögensschaden zu kompensieren. In diesem Fall wären entsprechende Zinszahlungen möglich und aus dem gerade genannten § 818 Art. 1 BGB sogar offensichtlich notwendig, da eine kompensierende Leistung im Zeitverzug höher ausfallen kann. Stattdessen geht es staatlicherseits um die Rückgängigmachung der rechtsgrundlos empfangenen Leistung, die also in unserem Fall darin besteht, dass dem Besoldungsempfänger nicht die ihm nach Art. 33 Abs. 5 GG zustehende Alimentation gewährt worden ist.

Entsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 27.10.1998 - 1 C 38.97 - = BVerwGE 107, 304 ausgeführt (https://www.judicialis.de/Bundesverwaltungsgericht_BVerwG-1-C-38-97_Urteil_27.10.1998.html):

"Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch schließt auch die Herausgabe von Nutzungen ein. Nach § 818 Abs. 1 BGB erstreckt sich der Anspruch auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung auf die gezogenen Nutzungen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, daß auch der auf Ausgleich einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung gerichtete öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch gegen Bürger, die zu Unrecht Leistungen der öffentlichen Hand erhalten haben, entsprechend dem Rechtsgedanken des § 818 Abs. 1 BGB die Herausgabe in der Zwischenzeit tatsächlich gezogener Nutzungen einschließt [...]. Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, daß bei einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen eine Behörde eine 'Verzinsung' wegen tatsächlich gezogener Nutzungen grundsätzlich nicht in Betracht komme, weil zwar § 818 Abs. 1 BGB auch in dieser Konstellation entsprechend anzuwenden sei, der Staat aber öffentlich-rechtlich erlangte Einnahmen in der Regel nicht gewinnbringend anlege, sondern über die ihm zur Verfügung stehenden Mittel im Interesse der Allgemeinheit verfüge (Urteil vom 18. Mai 1973 BVerwG 7 C 21.72 Buchholz 451.80 Außenhandelsrecht - Allgemeines Nr. 19 = NJW 1973, 1854). Ob diese Rechtsprechung, wie der Kläger meint, generell der Überprüfung bedarf, kann auf sich beruhen."

Entsprechend scheint die Frage der Verzugszinsen über das Argument, dass der Staat die ihm zur Verfügung stehenden Mittel im Interesse der Allgemeinheit genutzt und dabei aus der Nutzung des sachgrundlos empfangenen (oder einbehaltenen) Guts keinen Gewinn gezogen hat, ausgeschlossen. Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht im letztzitierten Satz festgestellt, dass ein Überprüfung des Rechtsgrundsatzes auf sich beruhen könne, und damit zumindest nicht ausgeschlossen, dass seine entsprechende Überprüfung nicht zukünftig - und also ggf. auch heute - doch noch einmal erfolgen könne.

b) Dabei könnten ggf. zwei Gründe für eine solche Prüfung ins Feld geführt werden, nämlich erstens, dass wir seit spätestens 2008 eine mittlerweile offensichtlich regelmäßige Verletzung des Mindestabstandsgebots in allen Rechtskreisen nachgewiesen vorfinden, die auch nicht nach der Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04. Mai 2020 beendet worden ist, dass wir also ein mittlerweile regelmäßiges und lange währendes "Sonderopfer" vorfinden, das Beamten als solches verfassungswidrig abverlangt wird und das im Laufe der langen Zeit, seitdem es erhoben wird, unter Betrachtung des genannten Rechtsgrundsatzes zu einer augenscheinlich hohen Entwertung der Nachzahlung führen dürfte.

Damit würde aber zunächst einmal das Argument der Verwendung auch dieses Guts im Allgemeininteresse ohne eigenen Zinsgewinn für den Staat zwar für sich betrachtet nicht aus der Welt geschaffen; allerdings könnte dabei weiterhin das mittlweile regelmäßig, um nicht zu sagen fast schon gewohnheitsmäßig abverlangte "Sonderopfer" in Betracht gezogen werden, aus dem sich die Frage ableiten würde, wie sich die Lage des Allgemeininteresses in Vergangenheit und Gegenwart vollzogen hätte, wäre dieses "Sonderopfer" nicht über einen so dermaßen langen Zeitraum abverlangt worden. Der "Gewinn" läge nun mindestens darin - wenn eben als eine Art "Gewinn" und nicht, formal betrachtet, als Gewinn -, dass so im hohen Maße keine zusätzlichen Schulden aufgenommen werden mussten (dieses Argument wäre mindestens für den Zeitraum bis 2011 in Erwägung zu ziehen bzw. ggf. auch bis 2020, da die Länder erst zu diesem Zeitraum endgültig ohne neue Schuldenlasten auskommen müssen), sodass der "Gewinn" in geringeren Zinslasten gefunden werden könnte, die entsprechend dem Beamten im übertragenen Sinne auferlegt worden sind.

Darüber hinaus zeichnet sich nun in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein fundamentaler Rechtsprechungswandel im Besoldungsrecht ab, der im aktuellen Oktoberheft der ZBR ab der Seite 349 in einer sogenannten Urteilsanmerkung betrachtet wird (vgl. die Nr. 4 unter: http://www.zbr-online.de/rechtsprechung.html; vgl. auch https://www.berliner-besoldung.de/uebersteigt-die-alimentation-noch-regelmaessig-das-nach-massgabe-von-art-33-abs-5-gg-gebotene-besoldungsniveau-ein-offensichtlich-fundamentaler-rechtsprechungswandel-des-bundesverwaltungs/). Auch in diesem Kontext wäre es ggf. einem findigen Anwalt möglich, eine erneute Überprüfung des Rechtsgrundsatzes argumentativ schlüssig zu fordern. Ob dem dann Erfolg beschieden sein würde, müsste sich zeigen. Aber ohne eine solche argumentative Auseinandersetzung dürfte sich von allein sicherlich auch hier nicht viel tun, vermute ich.
« Last Edit: 03.10.2024 17:09 von SwenTanortsch »