1198 Seiten und ich weiß noch immer nicht, ob das alle Bundesbeamte betrifft oder nur kinderreiche Familien in Mietstufe X, deren eineiige Zwillinge am 29.02. geboren wurden
betrifft uns alle. die kinderreichen aber besonders.
Da aktuell doch viele wieder in das Thema neu einsteigen, erlaube ich mir einen Versuch das Ganze knapp und verständlich (ohne viele Seiten dazwischen) nochmal darzustellen. Ich greife dabei auch Punkte von Swen auf (danke):
1. Ausgangspunkt: Alimentationsprinzip* Beamte haben Anspruch auf amtsangemessene Alimentation (Art. 33 Abs. 5 GG).
* Maßstab: Ein verheirateter Beamter mit zwei Kindern in der Eingangsstufe A-Besoldung muss mindestens 15 % über dem Grundsicherungsniveau liegen.
* Dieses Abstandsgebot gilt inzwischen für die gesamte Besoldung, nicht nur für den familienbezogenen Mehrbedarf.
2. Aktuelle Entscheidung des BVerfG* Problem: Bund und Länder haben die Mindestabstände bisher anhand des Existenzminimumberichts mit pauschalen Werten berechnet.
* Entscheidung:
**Regelleistungen (für Erwachsene & Kinder) -> Pauschalen sind zulässig.
**Unterkunft, Heizung, Bildung/Teilhabe -> Pauschalen sind zu niedrig, nicht realistisch -> verfassungswidrig.
* Folge: Das Grundsicherungsniveau liegt tatsächlich höher als bisher angesetzt -> viele Besoldungstabellen (Bund & Länder) sind verfassungswidrig zu niedrig.
* Druck: Der Gesetzgeber muss realistische Werte (Mietspiegel, Heizspiegel etc.) verwenden und die Besoldung nachbessern.
3. Historische Entwicklung - drei Leitentscheidungen* 1977: Erste Klatsche -> familienbezogene Bestandteile ab 3. Kind verfassungswidrig. Gesetzgeber bessert nur zögerlich nach.
* 1990: Gericht stellt wieder Verfassungswidrigkeit fest, betont Pflicht zur zeitnahen Anpassung. Nachzahlungen nur für Kläger/Widerspruchsführer.
* 1998: Präzisierung: 15 %-Mindestabstand über Grundsicherung beim Mehrbedarf. Gericht muss mit Vollstreckungsanordnung (§ 35 BVerfGG) eingreifen, weil der Gesetzgeber über Jahrzehnte untätig blieb.
* 2020: Sprung von der Einzelfrage zum gesamten Alimentationsprinzip -> 15 %-Abstandsgebot gilt jetzt für das gesamte System der Beamtenbesoldung.
-> Das zeigt ein wiederkehrendes Muster: Gesetzgeber ignoriert oder verschleppt die Vorgaben des BVerfG, bis Karlsruhe gezwungen ist, härter durchzugreifen.
4. Was das für heute bedeutet* Historisch betrachtet: Der Gesetzgeber reagiert meist nur minimalistisch - kleine Nachzahlungen, lange Verzögerungen, abgespeckte Lösungen.
* Mit der aktuellen Entscheidung droht erneut eine solche Entwicklung.
* Besonders gefährdet: Länder wie Niedersachsen, Berlin, Sachsen, Baden-Württemberg, die schon jetzt deutlich unter verfassungsgemäßem Niveau liegen.
* Das BVerfG könnte wieder zu einer Zwangsanordnung nach § 35 BVerfGG greifen, wenn Politik weiter zögert.
5. Praktische Konsequenzen für Sie/dich* Widerspruch einlegen ist entscheidend:
**Nur so sichert man seine Ansprüche auf mögliche Nachzahlungen.
**Ohne Widerspruch -> vermutlich kein rückwirkender Anspruch, selbst wenn später alles angehoben wird.
*Betroffen sind alle Besoldungsgruppen, weil die Besoldung hierarchisch aufeinander aufbaut.
* Absehbar: Umsetzung durch den Gesetzgeber wird lange dauern und möglichst kostenschonend erfolgen.