Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 6826740 times)

clarion

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17970 am: 28.08.2025 06:13 »
Dass viele Leute unsereins in die GKV und die RV ziehen wollen, ist nichts Neues. Ich finde es auch okay, als Politiker*in dafür einzutreten. Ich finde es nur nicht okay, wenn nicht ehrlich mit den Fakten umgegangen wird.  In diesem Artikel fehlt z.B. die Infos, wie stark die Arbeitsgeberbeiträge für die GKVen im selben Zeitraum gestiegen sind.

Knarfe1000

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17971 am: 28.08.2025 08:28 »
Das klingt ja alles nicht so schlecht. Es ist offenbar Bewegung in die Sache gekommen, vermutlich wegen der bevorstehenden Entscheidung des BVerfG.

Aber man weiß halt noch zu wenig für eine echte Bewertung. Außerdem ist ein Entwurf eben genau das und nicht mehr.

Natürlich käme es Jahre zu spät aber immerhin tut sich was. Sehr vorsichtiger Optimismus auf meiner Seite.

BWBoy

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17972 am: 28.08.2025 08:46 »
1198 Seiten und ich weiß noch immer nicht, ob das alle Bundesbeamte betrifft oder nur kinderreiche Familien in Mietstufe X, deren eineiige Zwillinge am 29.02. geboren wurden

betrifft uns alle. die kinderreichen aber besonders.

Durgi

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17973 am: 28.08.2025 09:01 »
1198 Seiten und ich weiß noch immer nicht, ob das alle Bundesbeamte betrifft oder nur kinderreiche Familien in Mietstufe X, deren eineiige Zwillinge am 29.02. geboren wurden

betrifft uns alle. die kinderreichen aber besonders.

Für Jörg K., sieben Kinder, Mietstufe VI, Widerspruch seit 2014 auf Halde – dieses Weihnachten zahlt nicht das Christkind, sondern das BVA. Und die Gehaltsmitteilung kommt diesmal im Querformat, weil die Zahl sonst nicht aufs Blatt passt.

emdy

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17974 am: 28.08.2025 09:09 »
1198 Seiten und ich weiß noch immer nicht, ob das alle Bundesbeamte betrifft oder nur kinderreiche Familien in Mietstufe X, deren eineiige Zwillinge am 29.02. geboren wurden


Bitte lesen. Der Anfang des Threads ist doch eine tolle Einleitung. Ansonsten such bitte nach den Stellungnahmen des Deutschen Richterbundes.

Der hier seit hunderten Seiten diskutierte Beschluss 2 BvL 4/18 betrifft alle Beamten gleichermaßen. Alles andere ist bewusstes Framing um Kosten zu drücken und die Beamtenschaft zu spalten. Das nützt nur politischen Akteuren, die den öffentlichen Dienst als leichtes Opfer identifiziert haben.

Der am gleichen Tage veröffentlichte Beschluss 2 BvL 6/17 betrifft Beamtenfamilien mit mehr als zwei Kindern.

regas

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17975 am: 28.08.2025 11:05 »
Dass viele Leute unsereins in die GKV und die RV ziehen wollen, ist nichts Neues. Ich finde es auch okay, als Politiker*in dafür einzutreten. Ich finde es nur nicht okay, wenn nicht ehrlich mit den Fakten umgegangen wird.  In diesem Artikel fehlt z.B. die Infos, wie stark die Arbeitsgeberbeiträge für die GKVen im selben Zeitraum gestiegen sind.

Wir müssen hier aber auch ehrlich sein...

Wir sollten dankbar sein, dass wir die Möglichkeit mit der PKV und Beihilfe haben. Wenn es Sozialleistungskürzungen geben wird, die bei einer Deindustrialisierung bzw. Abschwung der deutschen Wirtschaft notwendig sind, dann wird das auch die Leistungen der GKV treffen. Wer es jetzt noch in die PKV schafft, schützt sich selbst vor den willkürlichen Entscheidungen der Regierung, die 20 Jahre lang untätig ein System nicht reformieren wollten, welches zum Scheitern verurteilt war.

Außerdem finde ich den letzten Paragrafen im Artikel gar nicht so falsch. Die pauschale Beihilfe sollte endlich bundesweit angeboten werden und jeder sollte die Wahl haben, ob GKV oder PKV die richtige Wahl für ihn ist. Auf Bundesebene ist die pauschale Beihilfe noch immer nicht vorhanden.

BWBoy

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17976 am: 28.08.2025 11:09 »
Dass viele Leute unsereins in die GKV und die RV ziehen wollen, ist nichts Neues. Ich finde es auch okay, als Politiker*in dafür einzutreten. Ich finde es nur nicht okay, wenn nicht ehrlich mit den Fakten umgegangen wird.  In diesem Artikel fehlt z.B. die Infos, wie stark die Arbeitsgeberbeiträge für die GKVen im selben Zeitraum gestiegen sind.

Wir müssen hier aber auch ehrlich sein...

Wir sollten dankbar sein, dass wir die Möglichkeit mit der PKV und Beihilfe haben. Wenn es Sozialleistungskürzungen geben wird, die bei einer Deindustrialisierung bzw. Abschwung der deutschen Wirtschaft notwendig sind, dann wird das auch die Leistungen der GKV treffen. Wer es jetzt noch in die PKV schafft, schützt sich selbst vor den willkürlichen Entscheidungen der Regierung, die 20 Jahre lang untätig ein System nicht reformieren wollten, welches zum Scheitern verurteilt war.

Als Beamter bist du diesen willkürlichen Entscheidungen aber dennoch zu 50% ausgesetzt. Denn was die Beihilfe übernimmt unterscheidet sich auch von dem was die PKV übernimmt.

beamtenjeff

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17977 am: 28.08.2025 11:26 »
1198 Seiten und ich weiß noch immer nicht, ob das alle Bundesbeamte betrifft oder nur kinderreiche Familien in Mietstufe X, deren eineiige Zwillinge am 29.02. geboren wurden

betrifft uns alle. die kinderreichen aber besonders.

Da aktuell doch viele wieder in das Thema neu einsteigen, erlaube ich mir einen Versuch das Ganze knapp und verständlich (ohne viele Seiten dazwischen) nochmal darzustellen. Ich greife dabei auch Punkte von Swen auf (danke):

1. Ausgangspunkt: Alimentationsprinzip

* Beamte haben Anspruch auf amtsangemessene Alimentation (Art. 33 Abs. 5 GG).

* Maßstab: Ein verheirateter Beamter mit zwei Kindern in der Eingangsstufe A-Besoldung muss mindestens 15 % über dem Grundsicherungsniveau liegen.

* Dieses Abstandsgebot gilt inzwischen für die gesamte Besoldung, nicht nur für den familienbezogenen Mehrbedarf.

2. Aktuelle Entscheidung des BVerfG

* Problem: Bund und Länder haben die Mindestabstände bisher anhand des Existenzminimumberichts mit pauschalen Werten berechnet.

* Entscheidung:
 **Regelleistungen (für Erwachsene & Kinder) -> Pauschalen sind zulässig.
 **Unterkunft, Heizung, Bildung/Teilhabe -> Pauschalen sind zu niedrig, nicht realistisch -> verfassungswidrig.

* Folge: Das Grundsicherungsniveau liegt tatsächlich höher als bisher angesetzt -> viele Besoldungstabellen (Bund & Länder) sind verfassungswidrig zu niedrig.

* Druck: Der Gesetzgeber muss realistische Werte (Mietspiegel, Heizspiegel etc.) verwenden und die Besoldung nachbessern.

3. Historische Entwicklung - drei Leitentscheidungen

* 1977: Erste Klatsche -> familienbezogene Bestandteile ab 3. Kind verfassungswidrig. Gesetzgeber bessert nur zögerlich nach.

* 1990: Gericht stellt wieder Verfassungswidrigkeit fest, betont Pflicht zur zeitnahen Anpassung. Nachzahlungen nur für Kläger/Widerspruchsführer.

* 1998: Präzisierung: 15 %-Mindestabstand über Grundsicherung beim Mehrbedarf. Gericht muss mit Vollstreckungsanordnung (§ 35 BVerfGG) eingreifen, weil der Gesetzgeber über Jahrzehnte untätig blieb.

* 2020: Sprung von der Einzelfrage zum gesamten Alimentationsprinzip -> 15 %-Abstandsgebot gilt jetzt für das gesamte System der Beamtenbesoldung.

-> Das zeigt ein wiederkehrendes Muster: Gesetzgeber ignoriert oder verschleppt die Vorgaben des BVerfG, bis Karlsruhe gezwungen ist, härter durchzugreifen.

4. Was das für heute bedeutet

* Historisch betrachtet: Der Gesetzgeber reagiert meist nur minimalistisch - kleine Nachzahlungen, lange Verzögerungen, abgespeckte Lösungen.

* Mit der aktuellen Entscheidung droht erneut eine solche Entwicklung.

* Besonders gefährdet: Länder wie Niedersachsen, Berlin, Sachsen, Baden-Württemberg, die schon jetzt deutlich unter verfassungsgemäßem Niveau liegen.

* Das BVerfG könnte wieder zu einer Zwangsanordnung nach § 35 BVerfGG greifen, wenn Politik weiter zögert.

5. Praktische Konsequenzen für Sie/dich

* Widerspruch einlegen ist entscheidend:
**Nur so sichert man seine Ansprüche auf mögliche Nachzahlungen.
**Ohne Widerspruch -> vermutlich kein rückwirkender Anspruch, selbst wenn später alles angehoben wird.

*Betroffen sind alle Besoldungsgruppen, weil die Besoldung hierarchisch aufeinander aufbaut.

* Absehbar: Umsetzung durch den Gesetzgeber wird lange dauern und möglichst kostenschonend erfolgen.

wizzard

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17978 am: 28.08.2025 11:32 »
Danke, Beamtenjeff

Finanzer

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17979 am: 28.08.2025 11:45 »
@beamtenjeff: Mit der Zusammenfassung haben Sie mehr zum Kampf beigetragen als so manche Gewerkschaft.

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17980 am: 28.08.2025 12:18 »
[...]

Du weißt aber schon, dass es ein dreistufiges Prüfungsschema gibt, oder?

- Auf der ersten Stufe wird anhand von fünf Parametern ein Orientierungsrahmen für eine grundsätzlich verfassungsgemäße Ausgestaltung der Alimentationsstruktur und des Alimentationsniveaus ermittelt. Dein genanntes 15%-Mindestabstandsgebot ist dabei lediglich eine Teilfrage bei einem der fünf Parameter.
- Auf der zweiten Stufe wird eine Gesamtabwägung unter Berücksichtigung weiterer alimentationsrelevanter Kriterien durchgeführt.
- Auf der dritten Stufe wird untersucht, ob eine etwaige Unteralimentation "im Ausnahmefall" verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann.

beamtenjeff

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17981 am: 28.08.2025 12:29 »
[...]

Du weißt aber schon, dass es ein dreistufiges Prüfungsschema gibt, oder?

- Auf der ersten Stufe wird anhand von fünf Parametern ein Orientierungsrahmen für eine grundsätzlich verfassungsgemäße Ausgestaltung der Alimentationsstruktur und des Alimentationsniveaus ermittelt. Dein genanntes 15%-Mindestabstandsgebot ist dabei lediglich eine Teilfrage bei einem der fünf Parameter.
- Auf der zweiten Stufe wird eine Gesamtabwägung unter Berücksichtigung weiterer alimentationsrelevanter Kriterien durchgeführt.
- Auf der dritten Stufe wird untersucht, ob eine etwaige Unteralimentation "im Ausnahmefall" verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann.

Jetzt wo du es schreibst, klingelt da was... ;D
Gut dass du es noch erwähnt hast! Was sind die anderen 4 Parameter?

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17982 am: 28.08.2025 12:36 »
1.) Vergleich der Besoldungsentwicklung mit der Entwicklung der Tarifentlohnung im öffentlichen Dienst
2.) Vergleich mit dem Nominallohnindex
3.) Vergleich mit dem Verbraucherpreisindex
4.) Systeminterner Besoldungsvergleich (-> hier wird auch das Mindestabstandsgebot geprüft)
5.) Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und anderer Länder

tunnelblick

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17983 am: 28.08.2025 13:06 »
Erstmal vielen Dank für die Zusammenfassung!


5. Praktische Konsequenzen für Sie/dich

* Widerspruch einlegen ist entscheidend:
**Nur so sichert man seine Ansprüche auf mögliche Nachzahlungen.
**Ohne Widerspruch -> vermutlich kein rückwirkender Anspruch, selbst wenn später alles angehoben wird.


Wie genau legt man Widerspruch ein? Wie lange geht das dann zurück oder erst ab Datum des Widerspruchs?
Vermutlich ist das schon beantwortet worden, aber vllt wäre es nicht schlecht, wenn das in der Nähe der tollen Zusammenfassung stehen würde.

Danke schon mal vorab!

BWBoy

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17984 am: 28.08.2025 13:41 »
jährlich bei der Stelle die deine Besoldung zahlt. Am besten nachweisbar über Fax oder förmliche Zustellung. Es muss in dem Haushaltsjahr eingereicht werden für dass du der Besoldung widersprechen möchtest. Rückwirkend geht nicht so wirklich.

Ein möglicher Widerspruch könnte wie folgt aussehen:


Zitat
     

Antw:[Sammelthread] - Amtsangemessene Alimentation
« Antwort #94 am: 15.11.2023 16:16 »

    Zitat

Widerspruch des vbob für das Jahr 2023

Vielen Dank an xap für die Bereitstellung des Musterwiderspruchs!


——————————————————————————————————-

Absender

Mustertext Widerspruch gegen Besoldung
An die
zuständige Bezügestelle (bitte individuell anpassen)

Datum
Personalnummer: ………………………..
Antrag auf Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation

Sehr geehrte Damen und Herren,

Beamtinnen und Beamte haben Anspruch auf Erhalt einer jeweils amtsangemessenen Alimentation nach Art. 33 Abs. 5 GG.

Dazu hat das Bundesverfassungsgericht in grundlegenden und umfassenden Entscheidungen (vgl. nur Bundesverfassungsgericht, Zweiter Senat, Beschluss vom 17. November 2015 zur sog. A-Besoldung – Az.:2 BvL 5/13) ausdrückliche und verbindliche Festlegungen getroffen. Diese Vorgaben hat es in seiner Entscheidung vom 04. Mai 2020 (vgl. BVerfG 2 BvL4/18) zur Besoldung von Richterinnen und Richtern in Berlin ausdrücklich bestätigt, konkretisiert und die Berechnungsparameter präzisiert. Dabei wurde insbesondere das Abstandsgebot zum allgemeinen Grundsicherungsniveau als ein eigenständiger hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums hervorgehoben.

Den mit Art. 33 GG vorgegebenen und durch Rechtsprechung ausgeschärften Vorgaben ist der Besoldungsgeber Bund auch in 2023 bislang nicht nachgekommen.

Im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes gehe ich davon aus, dass die mir gewährte Besoldung nicht ausreichend ist, sodass ich gegen diese Widerspruch einlege und beantrage, mir eine amtsangemessene Besoldung zu gewähren, die den in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2015 sowie aus dem Jahr 2020 aufgestellten Parametern und damit dem Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation entspricht.

(Optional:

Die Gewährung einer amtsangemessenen Besoldung für diese(s) Kind(er), die den im Urteil vom Bundesverfassungsgericht vom 4. Mai 2020 (2 BvL6/17 u.a.) festgelegten Grundsätzen entspricht.)
Gleichzeitig bitte ich bis zur verfassungsgemäßen Umsetzung der Entscheidung durch den für meine Besoldung zuständigen Gesetzgeber meinen Antrag ruhen zu lassen, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten und mir das zu bestätigen.

Mit freundlichen Grüßen