@SwenTanortsch und emdy
Natürlich ist eine Kampagne - wie wir sie in Teilen (!) bei den Kandidatinnen gesehen haben - nicht akzeptabel. Das sind ja die bewusst diffamierenden extremistischen Kräfte. Und da stimmt ich dir, SwenTanortsch, vollkommen zu. Jedoch darf man m.E. nicht vergessen, dass viele Entscheidungen vom BVerfG politisch sind. Deswegen finde ich es auch nicht richtig, nur von sachlicher Kritik zu sprechen, wenn sie sich auf die juristische Qualifikation bezieht. Es ist doch durchaus berechtigt, sich auch mit den politischen Ansichten der Kandidaten auseinanderzusetzen. Mir gefiel eine Ansicht einer Kandidatin (zu einem Thema, das medial weniger Beachtung gefunden hat) auch überhaupt nicht. Das war so, weil ich zum einen politisch anderer Ansicht bin und zum anderen auch juristisch ein anderes Ergebnis überzeugender finde. Bei berechtigter oder jedenfalls nachvollziehbarer Kritik vorschnell von einer Kampagne zu sprechen, schadet uns langfristig nur.
Im Sinne der Debattenkultur sollten wir einfach mal wieder akzeptieren, dass es ganz viele unterschiedliche Meinungen gibt. Das klingt abgedroschen, aber die Polarisierung klappt doch derzeit so gut, weil das eine politische Spektrum dem anderen politischen Spektrum unterstellt, radikal zu sein, ob nun links oder rechts.
Und dir, emdy, stimme ich auch zu, dass der Frust über das BVerfG natürlich auch wegen der langen Verfahrensdauer besteht. Bei mir wäre dieser noch größer gewesen, wenn ich nicht regelmäßig und gut begründet von Swen gelesen hätte, dass wir bald mit einer Entscheidung rechnen können. Im Kern haben wir bei einigen Verfahren aber schon ein Problem mit dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes, weil die ureigenste Aufgabe einfach nicht angemessener Zeit erledigt wird. Da muss man das BVerfG auch kritisieren dürfen. Auch wenn natürlich Gründlichkeit vor Schnelligkeit geht, müssen die Verfahren zügig abgearbeitet werden und wenn es wegen des BVerfGG nur eine gewisse Anzahl an Senaten und Richtern gibt, dann muss die Arbeit eben mit dem vorhandenen Personal abgearbeitet werden. Da würde mir mehr Problembewusstsein von den entsprechenden Stellen wünschen.
Ich stimme Dir auch da vollumfänglich zu, Nordlex, wenn ich auch nicht davon sprechen würde, dass die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts politischen
seien, sondern vielmehr sagen würde, dass sie politischen
wirkten, also als Entäußerung eines Gerichts und damit Teil der judikativen Gewalt Auswirkungen auf die anderen Gewalten haben oder haben können und damit eben auch politische Auswirkungen haben können. (Nebenbei: Dieser Beitrag ist mal wieder länger, für mich ist er - da ich hier Teile meiner Methodik kurz anreiße - durchaus von Bedeutung, so wie ich davon ausgehe, dass die nachfolgenden Gedanken Nordlex interessieren werden; für die meisten dürften eher die Darlegungen an seinem Ende von Interesse sein, da ich dort das, was ich allgemein sagen möchte, insbesondere auch am aktuellen ZBR-Beitrag exemplifiziere, das könnte - schätze ich - den einen oder anderen mehr interessieren als meine methodischen Ausführungen). Das gilt letztlich für alle judikative Gewalt, aber in der Regel für Obergerichte noch einmal besonders und für das Bundesverfassungsgericht als Höchstgericht, das als einziges Verfassungsorgan über das Normverwerfungsmonopol verfügt und deshalb als solches dem Instanzenzug enthoben ist, noch einmal in besonderer Art und Weise.
Insbesondere politikwissenschaftliche Arbeiten unterstellen dabei nicht selten dem Bundesverfassungsgericht - wie nicht selten Gerichten als solchen -, dass sie eine (politische) Entscheidung bereits vor ihrer Bearbeitung im Kopf haben würden und sich danach nur noch die jeweiligen juristischen Begründungen suchen würden. Unabhängig davon, dass nicht zuletzt das Bundesverfassungsgericht die Auswirkung seiner Entscheidungen sicherlich mitbedenken wird und wegen des Normverwerfungsmonopols von Fall zu Fall noch einmal besonders mitbenken muss, wäre hier allerdings eine Art politische Agenda (die Du nicht unterstellst) nicht wirklich möglich, da die acht Richter eines Senats selbst in ihren nicht zuletzt auch politischen Lebenseinstellungen viel zu unterschiedlich sind und weil die methodische Entscheidungsfindung in beiden Senaten traditionell auf Konsens ausgerichtet ist. Auch das führt wiederkehrend zu Dauer bis zur Entscheidungsfindung, da man also methodisch versucht, die Dialektik von These(n) und Gegenthese(n) zu einem möglichen Ausgleich zu führen, dem sich am Ende der Senat als Ganzes anschließen kann. Es war so verstanden wenig überraschend, dass es das Bundesverfassungsgericht war, das der Jurisprudenz in der Welt im Verlauf seines Bestehens die Methode der praktischen Konkordanz geschenkt hat. Zugleich führt diese Methodik aber auch dazu, dass die Senate in der Regel keine (partei-)politische Agenda verfolgen können (die Du ihnen wie gesagt auch nicht unterstellst), da das zu keiner in einem hohen Maße einstimmigen Entscheidung führen könnte.
Darüber hinaus nimmst Du mich offensichtlich als eine Art Apologet des Bundesverfassungsgerichts wahr, was ich verstehen kann, es aber nicht trifft, sondern vielmehr meinem methodischen Vorgehen geschuldet ist. Soll heißen, ich versuche, die besoldungsrechtliche Thematik aus der neueren Dogmatik zum Besoldungsrecht zu verstehen, und zwar nicht, weil ich sie (moralisch) für gut oder als (sachlich) richtig ansehe, sondern weil sie nun einmal sachlich gegeben und wegen des Normverwerfungsmonopols des Bundesverfassungsgerichts auch nur alleinig von ihm selbst zu ändern ist und da sie mit seiner Alleinkompetenz, die Verfassung rechtskräftig auszulegen, maßstabsbildend ist und also an der Sache - der Dogmatik - nicht wirklich in dem Sinne zu rühren ist, wie das andere - und ich im Einzelnen ebenfalls - gerne anders hätten. Dass sie also anders wäre, wäre folglich auch bei mir in verschiedenen Teilen der Dogmatik gerne der Fall - da das aber so nicht ist, betrachte ich es als nutzlos, darüber zu spekulieren. Denn das führte m.E. methodisch tendenziell oder nicht selten auch deutlich darüber hinaus eher dazu, die verfassungsrechtliche Sachlage, wie sie von den beiden Senaten qua Rechtsprechung ausgeformt worden ist, zu verfehlen. In dem Fall diskutiert man dann tendenziell eher über eigene Wünsche und Hoffnungen, was legitim und auch durchaus notwendig ist, sich aber so als Ansprechspartner eher an politische Entscheidungsträger wenden sollte, da diese die Gesetze machen, und nicht an das Bundesverfassungsgericht, das hingegen seine Kontrollfunktion ausübt und damit allenfalls oder wiederkehrend ex negativo Einfluss auf politischer Entscheidungen ausübt, ansonsten aber keine Wünsche und Hoffnungen erfüllen kann, weil diese sich in der Gesetzgebung finden müssen, nicht aber in deren Kontrolle, die also keine Gesetze macht, sondern sie entweder verfassungsrechtlich bestätigt oder verwirft.
Im Rahmen dieses methodischen Vorgehens bin ich dabei aber eben kein Apologet des Bundesverfassungsgerichts, sondern arbeite mich kritisch an der traditionellen und neueren Rechtsprechung ab. So gehe ich bspw. mit allen drei neueren Beiträgen in der ZBR d'accord, die also im aktuellen Heft sowie denen aus dem Dezember und Januar erscheinen werden und die jeweils grundlegende aktuelle Probleme darstellen, die sich entweder aus der neueren Dogmatik ergeben oder mit ihr verbunden sind. Da diese drei Beiträge - wenn ich das richtig sehe - in sich durchaus als eine Einheit verstanden werden können, die für sich und zusammengenommen auf grundlegende methodische Probleme, die im Rahmen der neueren Rechtsprechung m.E. vorhanden sind, hinweisen, diese sachlich herauspräparieren und so ihren Problemgehalt im Rahmen der tatsächlichen Verhältnisse offenbar werden lassen, bin ich bspw. ebenfalls weiterhin völlig einer Meinung mit einer Stellungnahme, die nicht im Rahmen der Berliner Pilotverfahren, sondern im Rahmen eines der beiden andere Rechtskreise betreffenden Verfahrens, die weiterhin für 2025 angekündigt sind, im Frühjahr dieses Jahres erstellt worden ist und die nun also grundlegende methodische Konsequenzen jener Probleme reflektieren.
In dieser Stellungnahme ist nun - wenn ich das weiterhin richtig sehe - also eine grundlegende methodische Kritik formuliert, die darüber hinaus an dem je besonderen Fall des Klägers im Ursprungeverfahren entwickelt wird, um so seiner Klage, über die das betreffende Fachgericht alsbald zu entscheiden hat, im Rahmen der Vorlage, über die nun zunächst der Zweite Senat entscheiden will, eine vertiefte Begründetheit zu verschaffen. Beides sollte - denke ich - der Zweite Senat nicht so ohne Weiteres ausklammern können und wird das auch nicht tun, was nicht automatisch heißt, dass er das genauso sehen wird, wie das jene Stellungnahme und die genannten drei Beiträge betrachten - aber ihm ist ja bewusst, dass die drei Beiträge nun nach und nach erscheinen werden bzw. dass dessen erster nun gerade erschienen ist und dass daraus nun auch öffentlich Fragen an die neuere Rechtsprechung ableitbar sind, die sachlich zu beantworten sein werden - wenn ggf. auch noch nicht jetzt, so doch spätestens im Verlauf der nächsten Zeit.
Wäre ich also Apologet des Bundesverfassungsgerichts und würde folglich dessen Rechtsprechung blind folgen, würde ich sicherlich nicht diese Stellungnahme mitsamt ihres m.E. für Teile der neueren Dogmatik problematischen Gehalts als sachgerecht ansehen, sondern müsste sagen, dass jene Stellungnahme zweck- oder inhaltslos sei, da maßgebliche ihrer sachlich aufgeworfenen Probleme im Rahmen der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts so noch nicht formuliert worden sind. Da ich aber die Argumentation der Stellungnahme mindestens der Sache nach als sachgerecht betrachte, folge ich dieser Argumentation und gehe davon aus, dass sich auch der Zweite Senat mit dem Inhalt und also den dort ausgeführten Problemen und (methodischen) Problematiken wird auseinandersetzen müssen - jedenfalls sofern sich die Probleme und (methodischen) Problematiken für ihn ebenfalls so darstellen, wie sie in der Stellungnahme entwickelt sind, sofern sich die Stellungnahme also auch für das Bundesverfassungsgericht als sachlich erweist.
Ergo: Ich betrachte die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht unkritisch, beteilige mich aber aus verschiedenen Gründen regelmäßig eher nicht an der für mich im Forum nicht immer, aber wiederkehrend nachvollziehbaren Kritik insbesondere hinsichtlich der Verfahrensdauern. Ein wichtiger sachlicher Punkt, wieso ich mich daran nicht beteilige, ist, dass mir bspw. beim Lesen der drei genannten ZBR-Beiträge wie auch der genannten Stellungnahme die Komplexität der Probleme allein schon an jenen verhältnismäßig engen Thematiken oder Detailregelungen des "Pflichtenhefts" klar wird, wie sachlich schwierig folglich eine sachgerechte Pilotentscheidung, die also nachhaltige Wirkung entfalten muss, inhaltlich auszugestalten sein wird (oder - davon müssen wir heute ausgehen - sein musste, denn die Entscheidungsbegründung sollte nun ausformuliert vorliegen).
Um das kurz am aktuellen Beitrag anzureißen: Wenn nicht nur den 15-jährigen Betrachtungszeitraum bildende Jahre und die mit ihnen verbundenen Daten entscheidungserheblich sein können, sondern insbesondere auch aus jenem 15-jährigen Betrachtungszeitraum herausfallende, sodass ihre Ausklammerung zu gravierenden statistischen Verzerrungen führen kann (vgl. wie gesagt die Rn. 33 der aktuellen Entscheidung;
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html), die folglich ggf. die Aussagekraft eines Vergleichs nachhaltig erschüttern können, dann muss man darauf als Senat eine methodische Antwort finden, die ggf. - das schlägt der Beitrag am Ende
hilfsweise vor - in der zeitlichen Ausdehnung des Betrachtungszeitraums liegen könnte. Allerdings zeigt der Beitrag zugleich als Quintessenz, dass die Auswahl eines Basisjahrs grundsätzlich und damit grundlegend maßgebliche Bedeutung für die statistische Betrachtung hat oder haben kann, sodass eine solche
hilfsweise Betrachtung keine regelmäßige oder regelmäßig hinreichende Antwort sein kann (denke ich), was sich spätestens dann als offensichtlich zeigt, wenn man den dritten Beitrag aus dem kommenden Januar hinzuzieht, der ja zum Thema hat und also das vertieft, was hier auf der S. 7 f. nur angerissen wird:
https://www.thueringer-beamtenbund.de/fileadmin/user_upload/www_thueringer-beamtenbund_de/pdf/2025/Schriftliche_Zusammenfassung_Teilnehmerunterlagen.pdf Soll heißen, wenn ich es richtig sehe, hat allein die Frage nach der Auswahl eines sachgerechten Basisjahrs im Rahmen der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen komplexen Problemgehalt, der nach einer hinreichenden - also sachlichen, was bedeutet: als Folge der Einheit der Rechtsordung im Rahmen der neueren Dogmatik zum Besoldungsrecht - Antwort verlangt. Und allein das ist - wenn ich das nicht falsch sehe - ein solch komplexes sachliches Problem, dass ich froh bin, dass ich es nicht lösen muss.
Der langen Rede kurzer Sinn: Die methodischen Probleme, die der Zweite Senat genauso vorfinden dürfte wie die ganz praktisch besoldungsrechtlichen - nämlich ein seit spätestens 2020 offensichtlich konzertiert vollzogener Verfassungsbruch im Besoldungsrecht -, sowie die schwierige ökonomische Situation, in der sich die Bundesrepublik seit 2020 befindet (was zum Zeitpunkt der Entscheidungen vom 4. Mai 2020 nicht absehbar gewesen ist), die also die Durchsetzung der neueren Rechtsprechung ganz maßgeblich mit behindert haben wird und also als ein politisches Faktum vom Bundesverfassungsgericht mit in Rechnung gestellt werden dürfte, sodass es sich mindestens nur umso mehr Gedanken machen dürfte, mit welchen Mitteln es nun seiner Rechtsprechung hinreichenden Nachdruck verleihen kann, beinhalten auf so vielen verschiedenen Ebenen Probleme, das ich meine Aufgabe vordringlich darin liegen sehe,
diese Probleme zu beschreiben und mir darüber Gedanken zu machen und weniger in eine nachvollziehbare, meiner Meinung nach aber sachlich in den meisten Fällen nicht weiterführende Kritik an das Bundesverfassungsgericht einzuschwenken, und zwar insbesondere auch deshalb, weil ich weiterhin - wie auch oben kurz angerissen - davon ausgehe, dass (bei allem Nachvollzug) der tatsächliche Adressat jener Kritik die politischen Verantwortungsträger sind oder sein sollten; denn sie haben uns in die gänzlich verfahrene Situation hineingeritten, um dann wie der ehemalige Berliner Finanzsenator den eigenen Schutt, den man zu Genüge hinterlassen hat, ans Bundesverfassungsgericht zu delegieren (siehe das, was ich dazu vor ein paar Tagen geschrieben bzw. zitiert habe).