Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 8678894 times)

clarion

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20670 am: 11.11.2025 06:51 »
Wir drehen uns im Kreis und das unterhöhlt mein Vertrauen im Rechtsstaat, ebenso wie ich im dienstlichen Umfeld die Verwaltungsgerichte erlebe. Ein Kläger, der gegen einen von uns erlassenen Verwaltungsakt klagt, klagt seit Frühjahr 2021. Ein paar Schriftsätze wurden getauscht und seit über drei Jahren gibt es keine Neuigkeiten mehr. Bei einem anderen Verwaltungsakt mit sofortiger Vollziehung, liegt bei Gericht ein Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Das ist eine Eilsache. Woche um Woche vergeht und man hört nichts vom Gericht.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20671 am: 11.11.2025 07:47 »
Wir drehen uns im Kreis und das unterhöhlt mein Vertrauen im Rechtsstaat, ebenso wie ich im dienstlichen Umfeld die Verwaltungsgerichte erlebe. Ein Kläger, der gegen einen von uns erlassenen Verwaltungsakt klagt, klagt seit Frühjahr 2021. Ein paar Schriftsätze wurden getauscht und seit über drei Jahren gibt es keine Neuigkeiten mehr. Bei einem anderen Verwaltungsakt mit sofortiger Vollziehung, liegt bei Gericht ein Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Das ist eine Eilsache. Woche um Woche vergeht und man hört nichts vom Gericht.

Damit sind wir m.E. am zentralen Punkt der Sache angelangt, dass nämlich der zunehmend auch in der Bundesrepublik praktizierte exekutive Ungehorsam - der sich in unserem Thema mit legislativen Ungehorsam paart - auf eine zunehmend überlastete Justiz trifft, während gleichzeitig die von Legislative und Exekutive erlassene Fülle an regulatorischen (Detail-)Regelungen fortgeführt wird, als sei alles in bester Ordnung. Damit aber läuft der Rechtsstaat zunehmend leer, sodass das Vertrauen in den Rechtsstaat schwindet.

Wenn nun nicht geringe Teile der politische Klasse meint, dass eigene Problem - nämlich das Ergebnis des Wahlverhaltens nicht geringer Teil der Bevölkerung, das die je eigenen Handlungsoptionen verringert - könne oder müsse man lösen, indem man der Bevölkerung das eigene Handeln und also die eigene Politik nur besser erkläre (damit also auch wir Dödels das verstehen), dann ist ja offensichtlich - zumindest in unserem Thema -, dass es da nichts zu erklären gibt. Denn die exorbitanten Familienzuschläge sind in jenen Höhen, in den sie in den weit überwiegenden Rechtskreisen gewährt werden, niemandem zu erklären, da sie verfassungswidrig sind, was in der politischen Klasse auch jeder weiß, wenn er es wissen will, so wie dort auch jeder weiß, der es wissen will, dass seit Jahr und Tag die Grundgehaltssätze aller Richter und Beamten spürbar anzuheben sind und dass nicht geringe Teile der Beamten in den unter(st)en Besoldungsgruppen seit Jahr und Tag unterhalb des realitätsgerechten Grundsicherungsniveaus alimentiert werden. Wer also der Bevölkerung nur besser erklären wolle, wieso er oder sie seit Jahr und Tag zielgerichtet verfassungswidrig im Besoldungsrecht handelt, sollte sich herzlich dazu eingeladen sehen, das auch zu tun. Da aber das nicht möglich ist, ohne sich selbst in die Gefahr der offensichtlichen Lüge zu bringen - denn das Sprechen gezielter Unwahrheit wird auch im politischen Geschäft als Lüge bezeichnet, auch wenn der Begriff juristisch fehl geht -, finden wir auch in unserem Thema permanente Ablenkungsmanöver, mit denen man die politische Lüge fortsetzen wie auch von ihr ablenken möchte, um so vom eigenen verfassungsrechtlichen Ungehorsam nicht ereilt zu werden.

Da diese Struktur nicht nur in unserem Thema so sein wird, darf man sich also nicht wundern, wenn immer größere Teile der Bevölkerung eine Alternative wählen, die in großen Teilen ihrer Funktionärsebene keine ist.

Das Bundesverfassungsgericht kann nun diese schwärende Wunde des Verfassungsrechts offenlegen, wozu es meiner Meinung nach sich in der Pflicht sieht, da es durch den in den letzten 20 Jahren vollzogenen Rechtsprechungswandel im Besoldungsrecht den bundesdeutschen Richtern und Beamten vor Augen geführt hat, in welch starkem Maße sie sich unteralimentiert zeigen (ohne diesen Rechtsprechungswandel der letzten 20 Jahre würde es die von mir beschriebene Gewissheit nicht geben), es wird nun also den Tiger Alimentationsprinzip zubeißen lassen müssen, um so zu zeigen, dass er keiner aus Papier sei, oder es lässt diese Wunde weiter schwären, machte sich also spätestens dann mit zum Problem, zu dem es bis heute bereits geworden ist, indem es zwischen Mai 2020 und Ende September/Anfang Oktober 2025 zu keiner weiteren Entscheidung gelangt ist.

Diese lange Dauer zwischen der letzten und der nun offensichtlich gefällten ist im Sinne des effektiven Rechtsschutzes - darauf spielst Du zurecht an, clarion - erklärungsbedürftig und die Latte zur Erklärung liegt auch hier - für den Zweiten Senat - in Anbetracht des seit spätestens der Jahreswende 2021/22 offensichtlich zielgerichteten legislativen Ungehorsams sehr hoch. Entsprechend bin auch ich nun gespannt, wie uns der Hüter der Verfassung den heutigen Rechtsstaat am Beispiel des Berliner Besoldungsrechts 2010 bis 2015 erklären wird. Davon wird maßgeblich abhängen, wie es in unserem Thema über kurz oder lang weitergeht. In ein paar Wochen wissen wir also diesbezüglich mehr.

kimonbon

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20672 am: 11.11.2025 07:47 »
Vielleicht wartet das BvG wie das hier ausgeht und beschäftigt sich dann mit uns hahahaaaaa  https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/bsw-neuauszaehlung-bundestagswahl-100.html

NelsonMuntz

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20673 am: 11.11.2025 07:52 »
@Swen:

Vielen Dank für Deine ausführlichen Erläuterungen. Vieles davon hast Du mir (und anderen) natürlich schon mal erläutert, ich habe mir den Einwurf dennoch mal erlaubt, weil ich auch den Eindruck habe, dass es an der ein oder anderen Stelle eventuell etwas überhöhte Erwartungen (in unterschiedliche Richtungen) gibt.

Für mich ganz persönlich ist (unter den gegebenen Rahmenbedingungen wie z.B. dem Kindergeld und dem Ehegattensplitting) die Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation insbesondere beim Vergleich 1k zu 4k am herausforderndsten. Ganz simplifiziert gesprochen: Der 4k-Beamte muss/soll einen annähernd gleichen Lebensstandard erreichen können wie der 1k-Beamte, aber eben ohne eine signifikante Erhöhung der Bruttobesoldung durch Familienzuschläge. Je kleiner die Besoldungsgruppe, desto größer wird dieses "Problem". Hier kann man natürlich weiter philosophieren, was man konkret unter "annähernd" verstehen darf, oder ob dieser vergleichbare Lebensstil nur den Beamten selbst oder auch seine gesamte Familie erfasst. Das sind (in meinen Augen) offene Fragen, deren Beantwortung aber ganz sicher nicht zu einer allumfassenden Zufriedenheit führen wird.

Aber am Rande: Ich kann den oftmals gelesenen Zorn und Enttäuschung bei Euch immer besser nachvollziehen - So eine Tarifrunde bei den TB verläuft ja zumeist auch nicht mit herausragenden Ergebnissen, aber wenigstens findet sie nach 4 Monaten ein Ende ;)

Ich drück die Daumen :)!


SwenTanortsch

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« Antwort #20674 am: 11.11.2025 08:20 »
Das sind schöne Worte, Nelson, für die ich mich bei Dir bedanke!

Zugleich bringst Du ein zentrales Problem, wie es sich aus der Besoldungsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt, auf den Punkt. Es ist m.E. nur zu lösen, indem man diese Rechtsprechung ernstnimmt und sich also von der sachlich nicht zu rechtfertigenden Verkürzung dieser Rechtsprechung auf das Mindestabstandsgebot löst, wie sie die Besoldungsgesetzgeber seit 2021 vollziehen, indem sie die Mindestalimentation zu einer Art scheinbaren archimedischen Punkt des Besoldungsrechts machen, was diese - wie gestern und auch in den Jahren davor dargelegt - nicht ist.

Da sich irgendwann in diesen Tagen der 20. Jahrestag meiner ersten Unterschrift unter einem entsprechenden Widerspruchsschreiben jährt und der Widerspruch also schon lange volljährig ist und nun - finde ich - auch langsam mal auf eigenen Beinen stehen kann, bin auch ich gespannt, was uns nun erwartet, nachdem ich in den letzten sieben Jahren seit dem 30. Oktober 2018 recht viel Zeit und Arbeit in das Thema gesteckt habe. Das verflixte siebente Jahr ist nun zum Glück ja zwischenzeitlich um, was ich als gutes Zeichen werte...

xap

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20675 am: 11.11.2025 08:32 »
Wenn du schreibst dein Widerspruch sei inzwischen volljährig, lässt das für mich inzwischen nur einen Schluss zu:

Es verbietet sich für Beamte jede Zurückhaltung ggü. Dienstherr und Gerichtsbarkeit. Jedem anderen würde hier Betrug unterstellt, nur leider backen sich die DH ihre Gesetze selbst. Das Maß des Vertrauensbruch ist schon lange voll.

Rentenonkel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20676 am: 11.11.2025 08:45 »

"Art. 33 Abs. 5 GG, der heute auch im Zusammenhang mit den in Art. 6 GG und im Sozialstaatsprinzip enthaltenen Wertentscheidungen der Verfassung zu sehen ist, verlangt, daß in der Lebenswirklichkeit die Beamten ohne Rücksicht auf die Größe ihrer Familie 'sich annähernd das gleiche leisten' können." (BVerfGE 44, 249, LS 3).

Und weiter:

"Art. 33 Abs. 5 GG, der heute auch im Zusammenhang mit den in Art. 6 GG und im Sozialstaatsprinzip enthaltenen Wertentscheidungen der Verfassung zu sehen ist, verlangt aber, daß jedenfalls in der Lebenswirklichkeit die Beamten ohne Rücksicht auf die Größe ihrer Familie 'sich annähernd das gleiche leisten' können. Führt eine Regelung eindeutig evidentermaßen dazu, daß die Familie wegen der größeren Zahl der Kinder und der mit ihrem Unterhalt und ihrer Erziehung verbundenen Ausgaben - also regelmäßig für die Jahre, in denen sie zum Haushalt gehören - auf den Abschluß eines Bausparvertrags, auf die Anschaffung der üblichen Haushaltsmaschinen, auf die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen, auf Urlaub verzichten und sich im Zuschnitt ihres Privatlebens, beispielsweise bei dem Kauf von Bekleidung, Einschränkungen auferlegen muß, also in diesem Sinne bescheidener leben muß als der - beamten- und besoldungsrechtlich gleich eingestufte - ledige Beamte, kinderlos verheiratete Beamte oder die Beamtenfamilie mit einem oder zwei Kindern, so ist der Grundsatz amtsangemessener Alimentierung für jene Familie mit größerer Kinderzahl verletzt." (BVerfGE 44, 240, 267 f.)

Das Bundesverfassungsgericht hat seitdem nicht erkennen lassen, dass es von diesem Grundsatz abweichen wollte. Entsprechend habe ich vorhin auf Art. 3 Abs. 1 GG abgestellt.

Zumindest Art. 3 und 6 GG gelten auch für alle anderen Beschäftigten und nicht nur für Beamte.

Bereits an anderer Stelle hat das BVerfG mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass das Existenzminimum nicht besteuert werden darf. Leider hat der Gesetzgeber beim steuerlichen Existenzminimum auch immer auf den Existenzminimumsbericht verwiesen, bei der Grundsicherung allerdings für das soziale Existenzminimum höhere Beträge angesetzt.

Das führt eigentlich unweigerlich zu dem Schluss, dass, auch wenn das nicht Gegenstand der Klage war, nicht nur bei Beamten mit Kindern, sondern bei allen Berufstätigen mit Kindern, der Gesetzgeber Kinder bei der steuerlichen Betrachtung zu wenig berücksichtigt und so bei Familien oft das Existenzminimum besteuert wird, was dazu führt, dass Familien zunehmend verarmen und auf bedarfsorientierte Leistungen angewiesen sind.

Während die Tatsache, Kinder in die Welt zu setzen, Privatsache ist, ist es gesamtgesellschaftlich nicht egal, wie viele Kinder es gibt. Um ein Funktionieren der Gesellschaft dauerhaft zu stabilisieren, und so auch die freiheitlich demokratische Grundordnung zu gewährleisten, bedarf es eigentlich einer Geburtenrate von 2,1. Tatsächlich liegt sie aktuell bei 1,3x mit abnehmender Tendenz. Nach zwei Generationen hat sich dann die bundesdeutsche Bevölkerung in etwa halbiert. Zuwanderung kann das abschwächen, schafft allerdings neue Herausforderungen.

Wenn also Familien sich zunehmend gegen Kinder entscheiden, weil sie andernfalls ihren Lebensstil und Lebensstandard exorbitant zurück schrauben müssten, kann man sich auch die Frage stellen, ob es tatsächlich "goldene" Beamtenkinder braucht.

Bezogen auf die Zahl der Familien in Deutschland betrug der Anteil von kinderreichen Familien vergangenes Jahr 13 Prozent. Aus Kindersicht ist es jedoch deutlich anders. Etwa jedes vierte Kind wächst in einer kinderreichen Familie auf, hat also zwei oder mehr Geschwister. Fast die Hälfte der Kinder hat ein Geschwisterkind und nur etwa 30 % der Kinder haben keine Geschwister.

Erstaunlich ist noch eine andere Zahl: Etwa 30 % der Familien mit 2 Kindern möchten ein drittes Kind haben, aber nur etwa 10 % davon trauen sich auch, diesen Schritt zu gehen. Es sind insbesondere finanzielle Gründe, die unzureichende Berücksichtigung beim Sozialrecht, Benachteiligung bei Wohnraumsuche und die Vereinbarkeit von Mehrkindfamilie und Beruf, weshalb sie auf das 3. Kind verzichten. Dabei profitiert die Gesellschaft fiskalisch von kinderreichen Familien, wenn die Kinder einen höheren Bildungsstand erreichen. Deswegen ist es nicht überrraschend, dass verhältnismäßig viele Kinder in Deutschland in Armut leben und die Eltern sich Urlaub und die anderen Dinge, die das BVerfG angesprochen hat, nicht leisten können.

Daher fordert der Verband kinderreicher Familien unter anderem mehr steuerliche Entlastungen der Kinder. Erhöhung des Kindergeldes für das dritte Kind um 100€ und eine spürbare Erhöhung der Kinderfreibeträge/Kindergeld zusätzlich zum Ehegattensplitting.

Die Möglichkeiten, Familien mit Kindern zu unterstützen, sind auch in der Politik hinlänglich bekannt. Das BVerfG weist auch ausdrücklich darauf hin, dass es dem Gesetzgeber unbenommen ist, für alle Familien etwas zu verändern.

Auch wenn es einige Überlegungen dazu gab (Familiensplitting, zeitweise höheres Kindergeld abgestuft nach der Anzahl der Kinder, Kindergrundsicherung) hat sich bisher dazu politisch nichts getan. Daher stelle ich mir unabhängig von unserem verfahren mittlerweile die Frage, ob der Gesetzgeber mit der aktuellen Politik bezogen auf die steuerliche Behandlung von Kindern den Pflichten aus Art. 6 GG in verfassungskonformer Weise ausreichend nachkommt.

Unabhängig von den Stellschrauben, an denen der Gesetzgeber gesamtgesellschaftlich drehen könnte, um auch darüber dem Ziel einer aA näher zu kommen, gibt es im Rahmen seines weiten Ermessensspielraumes dennoch noch ein paar andere Stellschrauben als nur die Erhöhung der Grundbesoldung bei den Beamten.

Beispielhaft sei hier eine Erhöhung der Beihilfesätze oder eine Reform der Erfahrungsstufen genannt. Auch aus dem Grund sind meine Erwartungen lediglich vorsichtig optimistisch.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20677 am: 11.11.2025 09:06 »
Hallo Swen, das Bundessozialgericht hat entschieden, dass neben dem Bürgergeld auch Tilgungsraten eines Hauses übernommen werden,  soweit hier der Verlust der Immobilie droht und bereits der Großteil getilgt wurde. Hier bezog sich das BSG auf die Übernahme von Tilgungsraten bei Kaufverträge, soweit bereits 93 Prozent geleistet wurden. Meine Frage wäre, ob solche Zusatzleistungen bei der Berechnung der aA in irgendeiner Form mit anzuführen wären? Hoffe, dass ihr die Bombenräumung im Lockviertel kurzweilig überstanden habt. ;-)

Da wir es hier mit zwei unterschiedlichen Rechtsgebieten zu tun haben und das Bundesverfassungsgericht regelmäßig den qualitativen Unterschied zwischen der Grundsicherung, die als staatliche Sozialleistung den Lebensunterhalt von Arbeitsuchenden und ihren Familien sicherstellt, und dem Unterhalt, der erwerbstätigen Beamten und Richtern geschuldet ist, betont, gehe ich davon aus, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat, Tom. Der Beamte hat allein die Verantwortung für sein erdientes Eigentum, wie er ebenfalls voll verantwortlich dafür ist, Tilgungsraten von Krediten selbst zu erfüllen, solange die von ihm eingegangene Sachlage selbstverschuldet ist.

@ xap

Diese Sicht auf die Dinge kann ich gut nachvollziehen. Und genau mit dieser Empfindung, die Du im letzten Satz schreibst, dürftest Du nicht allein sein. Auch das - so darf man hoffen - sollte ein Verfassungsorgan im Blick haben, das in Person des mittlerweile sich im Ruhestand befindenden ehemaligen Berichterstatters ausgeführt hat, "dass dem Grundsatz der zeitnahen Erledigung unter Berücksichtigung des Verfahrenseingangs und der Gesamtdauer der Verfahren hohe Bedeutung zuzumessen ist. Auch ist dem Senat - durchaus schmerzlich - bewusst, dass das Warten der betroffenen Klägerinnen und Kläger der Ausgangsverfahren auf eine verbindliche Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der relevanten Rechtsgrundlagen belastend und, gemessen am Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes, rechtfertigungsbedürftig ist." (Beschluss vom 21.12.2023 - 2 BvL 3/19 - Vz 3/23 -, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2023/12/vb20231221_vz000323.html, Rn. 8 )

Dem eigenen Schmerz sollte man hinreichend Abhilfe geleistet haben können, indem man als Senat auch die letzten fünf Jahre zur Genüge in die Betrachtung des Rechtsgebiet mit einbezogen hat. Ansonsten hätte man - denke ich - von entsprechenden Schmerzbekundungen Abstand nehmen dürfen. Denn nicht jeder wollte Beileidsbekundungen am offenen Grab, schätze ich.

Der Kläger, um den es in der brandenburgischen Vorlage geht, hat jene Klage im Jahr 2004 anhängig gemacht. Sie ist zwischenzeitlich also selbst nach altem Recht volljährig.

Der Senat dürfte also sicherlich Anlass haben, nach der Veröffentlichung der zwischenzeitlich offensichtlich ergangenen Pilotentscheidung die von ihm angekündigte Beschleunigung der Entscheidung über die anhängigen Verfahren auch zu vollziehen. Denn ansonsten dürfte die heute noch im hohen zweistelligen Bereich liegende Zahl aus 14 Bundesländern in nicht mehr allzu ferner Zukunft dreistellig aus 17 Bundesländern sein. Wie das allerdings im Rahmen effektiven Rechtschutzes gerechtfertig werden könnte, bliebe mir unerklärlich.

Aber gut, zu unken nützt m.E. nichts. Wichtiger dürfte es sein, das, was der Senat als Hüter der Verfassung auch uns in der anstehenden Entscheidungsbegründung schreiben wird, sachlich zur Kenntnis zu nehmen. Sehr viel andere Möglichkeiten haben wir nicht.

Rheini

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Tchekko123

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20679 am: 11.11.2025 09:28 »
Beim Kindergeld sollte man jedoch bedenken, dass man nicht gezwungen kann werden kann, dieses zu beantragen.
Wie will man dann den Kinderfreibetrag in die Netto Berechnung einbeziehen ?

Es ist korrekt, dass niemand gezwungen werden kann, das Kindergeld zu beantragen. Jedoch greift nach der Systematik des EStG der Kinderfreibetrag nur, wenn dieser steuerlich günstiger ist, als das Kindergeld. Dies ist nur der Fall, wenn das zu versteuernde Einkommen entsprechend hoch (und damit weit entfernt von den 115% der Grundsicherung) ist.
Soweit ein Steuerpflichtiger das Kindergeld nicht beantragt und der Kinderfreibetrag nicht günstiger ist, geht er (vereinfacht gesagt) komplett leer aus, da der Anspruch auf Kindergeld ausreicht. Vgl Par. 31 EStG. Auf die Ausschlussfrist des Par. 66 Abs 3 EStG gehe ich zur Vereinfachung nicht ein.

Stempelritter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20680 am: 11.11.2025 10:28 »
Während die Tatsache, Kinder in die Welt zu setzen, Privatsache ist, ist es gesamtgesellschaftlich nicht egal, wie viele Kinder es gibt. Um ein Funktionieren der Gesellschaft dauerhaft zu stabilisieren, und so auch die freiheitlich demokratische Grundordnung zu gewährleisten, bedarf es eigentlich einer Geburtenrate von 2,1. Tatsächlich liegt sie aktuell bei 1,3x mit abnehmender Tendenz. Nach zwei Generationen hat sich dann die bundesdeutsche Bevölkerung in etwa halbiert. Zuwanderung kann das abschwächen, schafft allerdings neue Herausforderungen.
(...)
Daher fordert der Verband kinderreicher Familien unter anderem mehr steuerliche Entlastungen der Kinder. Erhöhung des Kindergeldes für das dritte Kind um 100€ und eine spürbare Erhöhung der Kinderfreibeträge/Kindergeld zusätzlich zum Ehegattensplitting.
Ich fordere zusätzlich einen Rechtsanspruch auf 2,1 gesunde Kinder/Bürger.

matthew1312

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20681 am: 11.11.2025 10:29 »
Beim Kindergeld sollte man jedoch bedenken, dass man nicht gezwungen kann werden kann, dieses zu beantragen.
Wie will man dann den Kinderfreibetrag in die Netto Berechnung einbeziehen ?

Es ist korrekt, dass niemand gezwungen werden kann, das Kindergeld zu beantragen. Jedoch greift nach der Systematik des EStG der Kinderfreibetrag nur, wenn dieser steuerlich günstiger ist, als das Kindergeld. Dies ist nur der Fall, wenn das zu versteuernde Einkommen entsprechend hoch (und damit weit entfernt von den 115% der Grundsicherung) ist.
Soweit ein Steuerpflichtiger das Kindergeld nicht beantragt und der Kinderfreibetrag nicht günstiger ist, geht er (vereinfacht gesagt) komplett leer aus, da der Anspruch auf Kindergeld ausreicht. Vgl Par. 31 EStG. Auf die Ausschlussfrist des Par. 66 Abs 3 EStG gehe ich zur Vereinfachung nicht ein.
§ 66 Abs. 3 EStG ist weggefallen.

Achtung: Die Beantragung von Kindergeld.ist zwingend notwendig, um überhaupt in den Genuss des Kinderfreibetrages zu kommen. Ein böser Fallstrick!

Nautiker1970

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20682 am: 11.11.2025 11:13 »
Neues aus Hamburg:

https://www.gew-hamburg.de/themen/tarif-besoldung/2025-11/petition-besoldung-und-versorgung-in-hamburg-fair-und-verlaesslich

Soweit ist es nun schon gekommen, Besoldung und Versorgung als Gegenstand von Petitionen...

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20683 am: 11.11.2025 11:46 »
Die abschließende These ist eine recht freie Interpretation, die an Rechtsprechung zu erhärten wäre. Denn ansonsten bleibt sie ein reines Postulat, das als solches generell und also auch in diesem Falle zumeist nicht weiterführt.

Du hast natürlich völlig Recht. Ich kann und möchte keinesfalls der anstehenden BVerfG-Entscheidung vorgreifen. Umso gespannter bin ich auf den Inhalt. Denn nach meinem Verständnis hat sich in den letzten Jahren bezüglich der Zuschläge für die ersten beiden Kinder eine gewisse "Regulierungslücke" aufgetan (für die ausschließlich die Besoldungsgesetzgeber verantwortlich zeichnen!):

- Zum Zeitpunkt der letzten BVerfG-Entscheidung (im Mai 2020) waren die Zuschläge für die ersten beiden Kinder in allen 17 Besoldungskreisen "moderat" und eindeutig als Nebenkomponenten der Besoldung ausgestaltet, so dass sie nach meinem Verständnis in Einklang mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums standen.
- Erst im Anschluss bzw. als Reaktion auf die genannte Entscheidung haben diverse Bundesländer damit begonnen, absurde Zuschlagsorgien zu feiern, die nach meiner persönlichen Einschätzung das Leistungsprinzip und die Ämterwertigkeit verhöhnen und somit Art. 33 GG widersprechen.
- Entsprechend wäre es schön, wenn das BVerfG im anstehenden Pilot-Beschluss diesbezüglich Stellung beziehen würde, um die klaffende Regulierungslücke wieder zu schließen.


Harren wir also in freudiger Erwartung der bunten Päckchen, die uns der Weihnachtsmann Herr Maidowski hoffentlich unter den Tannenbaum legen wird!

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20684 am: 11.11.2025 11:49 »
Ich bekomme das nur abgebildet, wenn ich erhebliche Familienzuschläge implementiere, oder aus dem "ein wenig Verzicht" "einen deutlichen Verzicht" machen muss.

Dabei ist zu beachten, dass das Steuerrecht einen gewissen Ausgleich schafft (der vermutlich noch ausgeprägter gestaltet werden sollte, da stimme ich Rentenonkel ausdrücklich zu):

1.) Ein lediger und kinderloser A3/1 bekommt inklusive Abschlag aktuell ein Bruttogrundgehalt von 2.788,20 €. Laut hiesigem Rechner entspricht dies einer Nettobesoldung von 2.422,70 € (abzüglich PKV).
2.) Ein verheirateter und alleinverdienender A3/1 mit zwei Kindern bekommt ein Bruttogehalt von 3.298,37 €. Laut Rechner entspricht dies inklusive 510 € Kindergeld einer Nettobesoldung von 3.630,71 € (abzüglich PKV).

Der 4K-Beamte bekommt also zurzeit netto gut 1.200 Euro mehr als der 1K-Beamte (ohne Berücksichtigung der individuellen PKV).


Würde man jetzt beispielsweise das Grundgehalt und die Familienzuschläge jeweils um 20% anheben, sähe es wie folgt aus:
1.) Der 1K-Beamte bekäme dann 3.345,84 € brutto bzw. 2.814,76 € netto (abzüglich PKV).
2.) Der 4K-Beamte bekäme dann 3.958,04 € brutto bzw. 4.127,21 € netto (inklusive Kindergeld, abzüglich PKV).

Das Nettogehalt des 1K-Beamten würde also um 392,06 Euro steigen, während es beim 4K-Beamten ein Plus von 496,50 Euro wäre..