Autor Thema: [Allg] Beamte mit drei + X Kindern durch BVG Urteil höhere Zuschläge ?  (Read 3495 times)

stingmb

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Hi Leute,

mir geht es speziell um den Beschluss vom 04. Mai 2020 (2 BvL 6/17 u.a. -) vom Bundesverfassungsgericht. Das stellt fest, das die Besoldung der Richter und Staatsanwälte in NRW (2013 bis 2015) teilweise als verfassungswidrig zu niedrig war. Betroffen von dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind all jene mit drei oder vier Kindern.


Fazit des BVG-Beschlusses:

Die Zuschläge müssen ab dem dritten Kind höher ausfallen.

Richtern und Beamten müssen ab dem dritten Kind Zuschläge erhalten, welche ihr Nettoeinkommen so erhöhen, dass ihnen für jedes dieser Kinder mindestens 115 % des grundsicherungsrechtlichen Gesamtbedarfs nach dem SGB II zur Verfügung steht.

Das Gericht hat auch genau aufgeführt wie viel  diese 115 % des Grundsicherungsbedarfs sind. Und zwar hätten das im Jahr 2015 genau 499,49€ (Netto Zuschlag) monatlich für das dritte Kind sein müssen und für jedes weitere Kind noch mal dieser Betrag.

(Der Gesetzgeber des Landes Nordrhein-Westfalen hat spätestens zum 31.07.2021 eine verfassungskonforme Regelung zu treffen.)

Gilt dieser Beschluss nun auch für alle Beamten in den anderen Bundesländern ? Von den Gewerkschaften hab ich da noch nix gefunden, das die auf eine Umsetzung/Anpassung drängen. Weil die Aktuellen Zuschläge bei der A-Besoldung sind ja Brutto fürs dritte Kind nur so um die 370€, wenn das nun durch diesen BVG Beschluss auch mal Netto knapp 500€ werden sollen, ist das ja nicht gerade wenig und wenn man bedenkt, das diese festgelegten 499,49€ ja für das Jahr 2015 waren, heisst das, aktuell müsste es ein noch höherer Betrag sein, da ja Grundsicherungsbeträge sich in der Regel auch von Jahr zu Jahr erhöhen ?
« Last Edit: 28.08.2020 03:15 von Admin2 »

Pepper2012

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Widersprechen, d. h. verfassungskonforme Alimentation einfordern unter Hinweis auf das genannte Urteil, und dann wieder hinlegen  ;)

SwenTanortsch

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Hi Leute,

mir geht es speziell um den Beschluss vom 04. Mai 2020 (2 BvL 6/17 u.a. -) vom Bundesverfassungsgericht. Das stellt fest, das die Besoldung der Richter und Staatsanwälte in NRW (2013 bis 2015) teilweise als verfassungswidrig zu niedrig war. Betroffen von dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind all jene mit drei oder vier Kindern.


Fazit des BVG-Beschlusses:

Die Zuschläge müssen ab dem dritten Kind höher ausfallen.

Richtern und Beamten müssen ab dem dritten Kind Zuschläge erhalten, welche ihr Nettoeinkommen so erhöhen, dass ihnen für jedes dieser Kinder mindestens 115 % des grundsicherungsrechtlichen Gesamtbedarfs nach dem SGB II zur Verfügung steht.

Das Gericht hat auch genau aufgeführt wie viel  diese 115 % des Grundsicherungsbedarfs sind. Und zwar hätten das im Jahr 2015 genau 499,49€ (Netto Zuschlag) monatlich für das dritte Kind sein müssen und für jedes weitere Kind noch mal dieser Betrag.

(Der Gesetzgeber des Landes Nordrhein-Westfalen hat spätestens zum 31.07.2021 eine verfassungskonforme Regelung zu treffen.)

Gilt dieser Beschluss nun auch für alle Beamten in den anderen Bundesländern ? Von den Gewerkschaften hab ich da noch nix gefunden, das die auf eine Umsetzung/Anpassung drängen. Weil die Aktuellen Zuschläge bei der A-Besoldung sind ja Brutto fürs dritte Kind nur so um die 370€, wenn das nun durch diesen BVG Beschluss auch mal Netto knapp 500€ werden sollen, ist das ja nicht gerade wenig und wenn man bedenkt, das diese festgelegten 499,49€ ja für das Jahr 2015 waren, heisst das, aktuell müsste es ein noch höherer Betrag sein, da ja Grundsicherungsbeträge sich in der Regel auch von Jahr zu Jahr erhöhen ?

Im Verfahren 2 BvL 6/17 u.a. hat das Bundesverfassungsgericht die Alimentation von kinderreichen Richtern und Staatsanwälten im Land Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2013 bis 2015 für verfassungswidrig erklärt. Es entschied auch diesbezüglich rechtskräftig über einen Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 31.01.2019 – 2 C 29.17 u.a.); der BVerfG-Beschluss als solcher hat, da der Streitgegenstand die nordrhein-westfälische Alimentation war, keine unmittelbare Rechtswirkung über NRW hinaus, ist aber mittelbar von allen deutschen Besoldungsgesetzgebern zu beachten, nämlich sofern sie mit Blick auf die Gegenwart oder Vergangenheit dazu gerichtlich aufgefordert werden bzw. zukünftig, sobald ein neues Besoldungsanpassungsgesetz beschlossen wird. Der BVerfG-Beschluss orientiert sich mit einer zentralen Ausnahme über weite Strecken anhand der Begründungsebenen und an der Bestimmungsmethodik des Vefahrens 2 BvL 4/18.

Wie in den Anmerkungen zu jenem Verfahren dargelegt, orientiert sich das Verfassungsgericht bei der Bemessung der Mindestalimentation seit jeher an der vierköpfigen Beamtenfamilie, die „eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße, nicht Leitbild der Beamtenbesoldung“ darstellt (BVerfG, Beschluss vom 04.05.2020 – 2 BvL 4/18 – Rn. 47 bzw. ähnlich Beschluss vom 04.05.2020 - 2 BvL 6/17 - Rn. 37). Da sich die bisherige judikative Praxis des Besoldungsrechts historisch an der vierköpfigen Beamtenfamilie ausgerichtet hat, wird sie als weitergeführte „Bezugsgröße“ kontinuiert, um so die bisherige Rechtsprechung fortführen zu können.

Die vierköpfige Beamtenfamilie als Bezugsgröße bedeutet allerdings nicht, dass sich das Alimentationsprinzip – also die Verpflichtung des Dienstherrn, den Beamten und seine Familie lebenslang amtsangemessen zu alimentieren – nur auf Beamte mit maximal zwei Kindern erstreckt. Demgemäß hebt das Gericht im Sinne seiner ständigen Rechtsprechung hervor, dass ausnahmslos alle Beamte das Recht auf eine amtsangemessene Alimentation haben und dass ihnen deshalb insbesondere nicht zugemutet werden kann, dass sie für den Unterhalt ihres dritten und weiterer Kinder auf die familien-neutralen Bestandteile, also insbesondere das Grundgehalt, zurückgreifen müssen, um den Bedarf ihrer Kinder zu decken. Eine damit verbundene, ggf. mit wachsender Kinderzahl fortschreitende Auszehrung jener Bestandteile ist als Folge des Alimentationsprinzips verfassungsrechtlich nicht gestattet (BVerfG, Beschluss vom 04.05.2020 – 2 BvL 6/17 – Rn. 30).

Das Verfassungsgericht folgt bei der Bemessung mit Ausnahme der Unterkunftskosten seiner im Verfahren 2 BvL 4/18 entwickelten Berechnungsmethodik, erstellt aber eben für jene Unterkunftskosten - das ist der zentrale Unterschied - ein anderes Modell, da die dort zugrunde gelegten BA-Daten für die Berechnung von Zuschlägen zu grob ausfallen (ebd., 2 BvL 6/17, Rn. 47 ff. wie auch im Folgenden). Unter diesem Fokus – also unter einer anderen Zweckstellung, nämlich die Höhen eines Zuschlags und nicht die Alimentation als Ganze zu orientieren – entwickelt es ein Wohnkostenmodell, das maßgeblich auf die Mietenstufen des Wohngeldgesetzes abstellt und deshalb für das jeweilige Bundesland die aus ihnen resultierenden Höchstwerte mit dem Argument zugrunde legt, dass von Richtern und Beamten nicht erwartet werden kann, die Auswahl ihres Wohnorts automatisch an durchschnittlichen Wohnkosten auszurichten.

Unter Anwendung dieser Methodik entschied das Bundesverfassungsgericht für das Jahr 2013, für das streitgegenständlich eine nordrhein-westfälische Richterfamilie mit drei Kindern zu betrachten war, dass eine monatliche Unteralimentation von mindestens 95,91,- € auszugleichen ist. Für die Jahre 2014 und 2015, für die streitgegenständlich eine fünfköpfige nordrhein-westfälische Richterfamilie zu betrachten war, entschied es, dass eine Mindestalimentation von pro Monat insgesamt mindestens 181,77 € und 184,61 € auszugleichen ist (ebd., Rn. 85 ff). Das Land Nordrhein-Westfalen hat wie das Land Berlin bis zum 31.07.2021 für eine verfassungskonforme Regelung der Besoldungsordnung R zu sorgen (ebd., Tenor).

Was folgt aus dem Beschluss?

1. Anders als im Verfahren 2 BvL 4/18 erscheint es schwierig, allgemeine Prognosen, die über das Land Nordrhein-Westfalen hinausgehen, anzustellen. Denn da es sich bei dem Familienzuschlag – bezogen auf die Gesamtzusammensetzung der Alimentation – um eine Detailregelung handelt, kann dieser innerhalb des rechtlichen Rahmens von Bundesland zu Bundesland verhältnismäßig unterschiedlich ausfallen. Formal gilt auch für kinderreiche Beamtenfamilien das, was für jeden Familienbestandteil der Besoldung gilt, nämlich dass diejenigen Zuschläge, einschließlich des Kindergeldes, um die sich die Bezüge des Beamten beim ersten und zweiten Kind erhöhen, nicht geeignet sind, den zusätzlichen Bedarf, der der Beamtenfamilie beim ersten und zweiten Kind erwächst, auch nur annähernd auszugleichen (Beschluss des Zweiten Senats vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - Rn. 56).

2. Nichtsdestotrotz scheint es recht wahrscheinlich, dass die Familienzuschläge auch aller anderen Bundesländer und des Bundes nicht verfassungskonform geregelt sind. Denn die zu beachtenden Bedingungen, die bei der Bemessung des sozialhilferechtlichen Grundsicherungsniveaus nicht außer Acht gelassen werden dürfen, sind mit hoher Wahrscheinlichkeit von keinem Besoldungsgesetzgeber beachtet worden; so dürfte bislang kein Besoldungsgesetzgeber auf die jeweils zu beachtende höchste Mietenstufe abgestellt haben, auch dürften die im Verfahren 2 BvL 4/18 geregelten Bestimmungsmethodiken für die Heizkosten sowie die Bedarfe für Bildung und Teilhabe bislang von keinem Besoldungsgesetzgeber beachtet worden sein, sodass mit recht hoher Wahrscheinlichkeit keiner der aktuellen Familienzuschläge ab der Stufe 4 (verheiratet und drei Kinder) formell und/oder materiell verfassungskonform sein dürfte.

3. Zugleich macht es die vom Verfassungsgericht vorgenommene Bindung der Bestimmung der Unterkunftskosten an die Mietenstufen eventuell möglich, dass gegenwärtig und in Zukunft die Familienzuschläge für Beamte mit mehr als zwei Kindern zwischen den Ländern stärker variieren könnten. Das wird sich eventuell zeigen, wenn nun zunächst der Bund gezwungen sein wird, den Beschluss im Zuge der Ende des Jahres anstehenden Verabschiedung des neuen Besoldungsanpassungsgesetzes auf seine Berechnungen anzuwenden, bzw. wenn NRW im Gefolge des aktuellen Beschlusses bis zum Sommer des nächsten Jahres entsprechend vorgeht (der vom Bund mit Blick auf die Unterkunftskosten zu beachtende Höchstwert dokumentiert sich in der Mietenstufe VII, für NRW in der Mietenstufe VI).

4. Denn die Anwendung der neuen Methodik (oder einer anderen Methodik, die entsprechend ebenfalls zu einer realitätsgerechten Anpassung des Familienzuschlags ab der Stufe 4 - verheiratet und drei Kinder - führt) sollte womöglich zukünftig zu einer größeren Spreizung der entsprechenden Familienzuschläge zwischen den Ländern führen. Nachfolgend liste ich mal die höchste Mietenstufe im jeweiligen Land und den aktuellen Familienzuschlag für die Stufe 4 für einen Beamten der Bes.-Gr. A 13 (Erfahrungsstufe 6; jene spielt allerdings keine Rolle) auf (vgl. als Muster für NRW https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/nw?id=beamte-nrw&g=A_13&s=6&f=4&zulageid=10.1&zulageid=10.2&z=100&zulage=&stkl=3&r=0&zkf=):

Land     höchste Mietenstufe     Familienzuschlag (pro Monat)
BW                   VII                             820,89 €
BY                    VII                             769,40 €
BE                    IV                              765,81 €
BB                    V                               707,58 €
HB                    IV                              770,67 €
HH                    VI                              749,48 €
HE                    VII                             746,96 €
MV                    IV                              736,27 €
NI                     VI                              726,43 €
NW                   VI                              793,91 €
RP                     VI                              896,31 €
SL                     IV                              806,59 €
SN                    III                              902,17 €
ST                     III                             782,06 €
SH                    VII                             757,67 €
TH                    IV                              827,98 €
Bund                 VII                             802,40 €

4. Wegen der neuen Bestimmungsmethodik sollte es folglich angeraten sein, gegen die aktuelle Besoldung Widerspruch einzulegen, da auch hier ansonsten eventuelle Ansprüche, die sich aus einer Unteralimentation ergeben, zum Ende des Kalenderjahrs verfallen.

5. Das beigefügte Muster sollte die Kriterien für einen statthaften Rechtsbehelf erfüllen. Jedoch ersetzen diese Zeilen insgesamt keine Rechtsberatung durch einen Anwalt. Im Zweifelsfall ist es immer sinnvoll, eine professionelle Rechtsberatung einzuholen. Darüber hinaus sollte es wahrscheinlich sein, dass die maßgeblichen Gewerkschaften und Verbände bis zum Ende des Jahres Musterwiderspruchsschreiben zur Verfügung stellen werden.




[Name, Vorname]                                 [Ort, Datum]
[Adresse]
[Beschäftigungsbehörde]
[Personalnummer]



An
[Adresse der zuständigen Bezügestelle – (s. Gehaltsabrechnung)]




Antrag auf Anpassung des Familienzuschlags ab dem dritten Kind für das Haushaltsjahr 2020 und die folgenden Jahre




Sehr geehrte Damen und Herren,

das Bundesverfassungsgericht hat in seinem aktuellen Beschluss vom 04.05.2020 (2 BvL 6/17 u.a.) die in seinen früheren Verfahren entwickelten verfassungsrechtlichen Maßstäbe aktualisiert, da die Regelungen zu der als Vergleichsmaßstab herangezogenen sozialen Grundsicherung seither grundlegend umgestaltet worden sind und auch bei der Berechnung des Nettoeinkommens von Beamten und Richtern neue Aspekte berücksichtigt werden mussten.

Auf dieser Grundlage hat es die Besoldungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zur Alimentation von kinderreichen Richtern und Staatsanwälten für teilweise verfassungswidrig erklärt. Die vom Verfassungsgericht vorgenommenen Vergleichsberechnungen zeigen, dass die Besoldung der Richter und Staatsanwälte der Besoldungsgruppe R 2 in Bezug auf das dritte Kind im Jahr 2013 und in Bezug auf das dritte und vierte Kind in den Jahren 2014 und 2015 den verfassungsgebotenen Mindestabstand von 15 Prozent zur Grundsicherung nicht eingehalten hat.

Da der alimentationsrechtliche Mehrbedarf auch im Land [Land einfügen] bislang nicht ausreichend beachtet worden ist, lege ich gegen die mir für mein drittes [hier ggf. weitere Kinder einfügen] Kind[er] gewährte Besoldung für das Jahr 2020 Widerspruch ein, da ich davon ausgehe, dass die mir für mein drittes [bzw. weitere] Kind[er] gewährte Besoldung nicht ausreichend ist.

Zugleich beantrage ich die Gewährung einer amtsangemessenen Besoldung für diese Kind[er], die also den in dem o.g. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2020 festgelegten Grundsätzen entspricht.

Aus verfahrensökonomischen Gründen bitte ich darüber hinaus darum, bis zur endgültigen höchstrichterlichen Entscheidung meinen Antrag ruhen zu lassen sowie auf die Einrede der Verjährung zu verzichten und mir dies entsprechend schriftlich zu bestätigen.

Mit freundlichen Grüßen