Autor Thema: Rückzahlungsverpflichtung für eine Weiterbildung  (Read 5052 times)

Mosati2019

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Hallo liebes Forum,

ich nehme an einer wissenschaftlichen Weiterbildung für die Dauer von 6 Monaten (Februar bis September 2021) teil und habe dafür einen Antrag auf Übernahme der Seminargebühren und bezahlte Freistellung bei meinem Arbeitgeber (Stadtverwaltung) beantragt.

Nun wurde mir eine Rückzahlungsverpflichtung vorgeschlagen, in der die Kosten zusammengestellt werden. Freistellung an 8 Arbeitstagen =  1.600€ und Übernahme der Seminargebühren = 2.200€

Für den Arbeitgeberaufwand von 3.800€ soll ich mich verpflichten:

1. die Kosten in vollem Umfang zurückzubezahlen, wenn ich innerhalb von 6 Monaten nach Abschluss ausscheide.
2. für jeden weiteren Monat der Beschäftigung nach Abschluss des Lehrgangs reduziert sich der Rückzahlungsbetrag um 1/30 der Gesamtsumme.
3. als Ende des Lehrgangs gilt der letzte Lehrgangstag.
4. sollte ich den Lehrgang vorzeitig abbrechen oder währenddessen ausscheiden, den bis zum Abbruch entstandenen Aufwand zurückzuzahlen.

Meine Fragen dazu:
1.1. Was passiert wenn ich z.B. 12 Monate nach Lehrgangsende kündige? Wieviel muss ich dann noch zurückbezahlen? Ab wann ist diese Verpflichtung erledigt?
2.1. warum werden die Arbeitstage Freistellung einkalkuliert? Habe ich nicht so oder so Anspruch auf 5 Tage für Fortbildung + 5 Tage über das Bildungszeitgesetz?
3.1. Wie wird die Dauer für eine Verpflichtung berechnet? Geht das nach Summe?

Was kann ich hier noch rausholen? Wie sind eure Erfahrungen mit solchen Rückzahlungsverpflichtungen?

Spid

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Antw:Rückzahlungsverpflichtung für eine Weiterbildung
« Antwort #1 am: 15.02.2021 22:50 »
Sofern es sich lediglich um 8 Tage Freistellung im Zeitraum handelt, solltest Du die Vereinbarung jedenfalls akzeptieren, da die 36-monatige Bindungsfrist unangemessen lang und die Rückzahlungsvereinbarung damit insgesamt unwirksam ist.

Mosati2019

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Antw:Rückzahlungsverpflichtung für eine Weiterbildung
« Antwort #2 am: 15.02.2021 23:02 »
Hallo Spid (du bist echt Gold wert!),

es handelt sich nach meiner Berechnung um insgesamt 16 Arbeitstage Freistellung...die Dame hat nur die Hälfte der Termine berücksichtigt in ihrer Aufstellung.

Ich finde die 36 Monate auch unangemessen lange für eine Weiterbildung von 6 Monaten...
Könnte ich auch nur die Seminargebühren beantragen und die Freistellung anders regeln?

Wo kann ich diese unangemessene Vereinbarung und Unwirksamkeit nachlesen? Gibt es dazu inzwischen Gerichtsbeschlüsse?

Spid

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Antw:Rückzahlungsverpflichtung für eine Weiterbildung
« Antwort #3 am: 15.02.2021 23:24 »
Warum solltest Du was anders regeln wollen? Die Rückzahlungsvereinbarung ist für Dich optimal ausgestaltet, weil sie so unwirksam ist. Die gefestigte Rechtsprechung des BAG dazu lautet, u.a. im Urteil vom 14.01.2009 - 3 AZR 900/07:
„Grundsätzlich gilt dabei Folgendes: Bei einer Fortbildungsdauer von bis zu einem Monat ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Bezüge ist eine Bindungsdauer bis zu sechs Monaten zulässig, bei einer Fortbildungsdauer von bis zu zwei Monaten eine einjährige Bindung, bei einer Fortbildungsdauer von drei bis vier Monaten eine zweijährige Bindung, bei einer Fortbildungsdauer von sechs Monaten bis zu einem Jahr keine längere Bindung als drei Jahre und bei einer mehr als zweijährigen Dauer eine Bindung von fünf Jahren. Abweichungen davon sind jedoch möglich. Eine verhältnismäßig lange Bindung kann auch bei kürzerer Ausbildung gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber ganz erhebliche Mittel aufwendet oder die Teilnahme an der Fortbildung dem Arbeitnehmer überdurchschnittlich große Vorteile bringt.“

Der AG hat bei seiner Ausgestaltung übersehen, daß es für die Bindungsfrist von 36 Monaten nicht einer sechsmonatigen Maßnahme, sondern vielmehr einer sechsmonatigen Freistellung für die Maßnahme bedürfte. Erhebliche Aufwendungen oder ungewöhnliche Vorteile sind auch nicht zu erkennen. Unterschreiben und vergessen.

Mosati2019

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Antw:Rückzahlungsverpflichtung für eine Weiterbildung
« Antwort #4 am: 16.02.2021 09:59 »
Sehr interessant! Aber die Stadtverwaltung wird doch so eine Verpflichtung nicht zum ersten Mal machen- kann mir nicht vorstellen, dass das nicht vorher rechtlich geprüft wurde?

„Der AG hat bei seiner Ausgestaltung übersehen, daß es für die Bindungsfrist von 36 Monaten nicht einer sechsmonatigen Maßnahme, sondern vielmehr einer sechsmonatigen Freistellung für die Maßnahme bedürfte.“ Gibt es dazu eine rechtliche Grundlage bzw. Quelle?

Für die Weiterbildung werde ich an 16 Arbeitstagen freigestellt... aber laut Zertifikat geht das gesamte Programm über eine Dauer von fast 7 Monaten. Also ich bin auch etwas irritiert über diese Form der Rückzahlungsverpflichtung.

Spid

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Antw:Rückzahlungsverpflichtung für eine Weiterbildung
« Antwort #5 am: 16.02.2021 10:00 »
Ich habe doch ein maßgebliches Urteil zitiert, aus dem das hervorgeht.

Mosati2019

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Antw:Rückzahlungsverpflichtung für eine Weiterbildung
« Antwort #6 am: 16.02.2021 10:05 »
Ja, aber „Fortbildungsdauer“ könnte man auch als Gesamtdauer der Maßnahme deuten, oder nicht?

Spid

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Antw:Rückzahlungsverpflichtung für eine Weiterbildung
« Antwort #7 am: 16.02.2021 10:06 »
Da steht „ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Bezüge“.

Mosati2019

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Antw:Rückzahlungsverpflichtung für eine Weiterbildung
« Antwort #8 am: 16.02.2021 10:19 »
Ahhh, verstehe  8) du hast ein sehr geschultes Auge für die Formulierungen! Cool danke, dann lasse ich die Vereinbarung noch um die weiteren 8 Tage ergänzen, damit ich da keinen Urlaub nehmen muss und unterschreibe dann  ;D

Mosati2019

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Antw:Rückzahlungsverpflichtung für eine Weiterbildung
« Antwort #9 am: 16.02.2021 12:37 »
Gesamtpersonalrat meinte gerade, dass an dieser Rückzahlungsverpflichtung nichts verwerflich sei und dieses Vorgehen z.B. bei den Verwaltungslehrgängen gängig sei. Er kennt das Urteil, meinte aber, dass die Stadtverwaltung diese Verpflichtung schon viele Jahre anwendet und diese rechtlich geprüft wurde.

Es steht mir nun frei zu wählen, ob ich nur die Gebühren (2.200€) + Urlaub ggf. Überstunden + 5 Tage über Bildungszeitgesetz dafür aufwende oder das ganze Paket mit Arbeitgeberaufwand (3.800€) und bezahlter Freistellung nehme.

Angenommen ich kündige in 1 Jahr, dann müsste ich bei der All Inklusive Variante viel mehr zurückzahlen...

EiTee

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Antw:Rückzahlungsverpflichtung für eine Weiterbildung
« Antwort #10 am: 16.02.2021 12:41 »
Sorry aber was der PR so sagt ist i.d.R. nicht sehr verlässlich. Lass es doch selber prüfen und berichte über das Ergebnis!

Spid

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Antw:Rückzahlungsverpflichtung für eine Weiterbildung
« Antwort #11 am: 16.02.2021 12:42 »
Du mußt überhaupt nichts zurückzahlen - siehe die Maßgaben im Urteil.

Personalräte unterliegen einer negativen Bestenauslese, da der einzige Anreiz ein erweiterter Kündigungs- und Versetzungsschutz ist - und wer braucht den wohl? Diese mindere Güte spiegelt sich auch in der unterirdischen Qualität solcher Ratschläge wider.

Lars73

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Antw:Rückzahlungsverpflichtung für eine Weiterbildung
« Antwort #12 am: 16.02.2021 12:46 »
Du müsstest wenn du ggf. vor Gericht ziehst nicht zurckzahlen. Der Vergleich mit dem Verwaltungslehrgang ist unzutreffend. Der Verwaltungslehrgang II sind z.B. rund 1000h.

Wer immer rechtlich geprüft hat wird entweder einen anderen Sachverhalt (Lehrgang mit 1000h) geprüft haben oder hat keine Arnung.

Spid

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Antw:Rückzahlungsverpflichtung für eine Weiterbildung
« Antwort #13 am: 16.02.2021 12:52 »
Vorliegend müßte der AG vor Gericht ziehen, um die Rückzahlung durchzusetzen.

Lars73

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Antw:Rückzahlungsverpflichtung für eine Weiterbildung
« Antwort #14 am: 16.02.2021 13:06 »
Naja er könnte natürlich versuchen die Forderung teilweise vom Gehalt abzuziehen. Dann müsste man klagen. Aber sonst natürlich der Arbeitgeber. Spätestens dann sollte der Arbeitgeber merken, dass eine Klage keine Aussicht auf Erfolg hat.