Autor Thema: Bewertung von Arbeitszeugnis  (Read 2261 times)

marielisa

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Bewertung von Arbeitszeugnis
« am: 01.10.2021 06:42 »
Hallo,

ich werde zum 31.10. aus dem aktuellen befristeten Arbeitsverhältnis ausscheiden und mir legte man bereits ein Zeugnis vor, ob ich damit zufrieden bin. Da ich damit noch nie Erfahrung hatte, was meint ihr zu diesen Schlussformulierungen?

Frau ... verfügt über umfassende Fachkenntnisse. Sie arbeitete stets zuverlässig und gewissenhaft. Auch starkem Arbeitsanfall war sie jederzeit gewachsen. Sie bewältigte ihren Arbeitsbereich selbstständig und sicher und war in der Lage, auch neue Sachverhalte und Zusammenhänge richtig zu erfassen und unzusetzen.

Die ihr übertragenen Arbeiten erledigte Frau ... stets zu unserer vollen Zufriedenheit. Ihr persönliches Verhalten war jederzeit einwandfrei. Bei Vorgesetzten und MitarbeiterInnen war sie geschätzt. Ihr Verhalten gegenüber Kunden war stets korrekt, freundlich und verbindlich.

Frau ... scheidet mit dem heutigen Tag aus. Aufgrund der Personalentwicklung zeichnet sich die Übernahme in ein unbefristestes Arbeitsverhältnis nicht ab, da keine entsprechende Planstelle vorhanden ist. Wir bedauern diese Entwicklung, danken ihr für ihre Arbeit und wünschen ihr für die Zukunft viel Erfolg und persönlich alles Gute.

Dankeschön.

LG

RsQ

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Antw:Bewertung von Arbeitszeugnis
« Antwort #1 am: 01.10.2021 08:37 »
Ich bin zwar ein Arbeitszeugnis-Profi, aber:

Subjektiv liest sich das zwar "gut", aber in "Arbeitgeber-Sprache" ist das vermutlich eher eine 2-3. Für ein richtig gutes Zeugnis muss das übertrieben klingen, bis es quietscht. Man erkennt das bspw. hier:

Zitat
stets zuverlässig und gewissenhaft

Da sollte dann bspw. etwas stehen wie:

Zitat
stets äußerst zuverlässig und absolut gewissenhaft

Oder auch:
Zitat
Wir bedauern diese Entwicklung außerordentlich

Aber hier gibt es sicher Leute, die das noch mehr im Detail vertiefen können.

Spid

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Antw:Bewertung von Arbeitszeugnis
« Antwort #2 am: 01.10.2021 08:51 »
Das war mal so, wie @RsQ schildert. Das System setzte aber voraus, daß der Schreibende und der Lesende das beide wissen - und man auch nur einen Deut auf das Arbeitszeugnis gibt. Tatsächlich hat sich das Ganze mittlerweile überlebt.

Bastel

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Antw:Bewertung von Arbeitszeugnis
« Antwort #3 am: 01.10.2021 08:55 »
Tatsächlich hat sich das Ganze mittlerweile überlebt.

Wie handhabt man das künftig?

Max

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Antw:Bewertung von Arbeitszeugnis
« Antwort #4 am: 01.10.2021 09:00 »
Im Internet findest du genügend Formulierungen mit denen du dein Zeugnis aufwerten könntest.
Der Aufwand lohnt aber fast nicht, so lange keine offensichtlich schlechten Formulierungen enthalten sind,  denn die wenigsten beziehen ein 08/15 Zeugnis in die Auswahlentscheidung wegen mangelnder Belastbarkeit ein.

Spid

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Antw:Bewertung von Arbeitszeugnis
« Antwort #5 am: 01.10.2021 09:03 »
Tatsächlich hat sich das Ganze mittlerweile überlebt.

Wie handhabt man das künftig?
Wieso künftig? Ich konnte den rein deutschen Fetisch für Arbeitszeugnisse nie nachvollziehen. Welchen Wert sollte etwas haben, das von einem Unbekannten verfaßt worden ist, über dessen Wertmaßstäbe man überhaupt nichts weiß, dessen Inhalt auch im Vergleich oder Aufhebungsvertrag vereinbart werden kann? Ich lese Arbeitszeugnisse bereits seit Jahren grundsätzlich nicht - und kenne auch niemanden von Relevanz, der dies täte.

ike

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Antw:Bewertung von Arbeitszeugnis
« Antwort #6 am: 01.10.2021 10:44 »
Tatsächlich hat sich das Ganze mittlerweile überlebt.

Wie handhabt man das künftig?
Wieso künftig? Ich konnte den rein deutschen Fetisch für Arbeitszeugnisse nie nachvollziehen. Welchen Wert sollte etwas haben, das von einem Unbekannten verfaßt worden ist, über dessen Wertmaßstäbe man überhaupt nichts weiß, dessen Inhalt auch im Vergleich oder Aufhebungsvertrag vereinbart werden kann? Ich lese Arbeitszeugnisse bereits seit Jahren grundsätzlich nicht - und kenne auch niemanden von Relevanz, der dies täte.

Das gefällt mir und macht einem Mut.

Bastel

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Antw:Bewertung von Arbeitszeugnis
« Antwort #7 am: 01.10.2021 11:21 »
Tatsächlich hat sich das Ganze mittlerweile überlebt.

Wie handhabt man das künftig?
Wieso künftig? Ich konnte den rein deutschen Fetisch für Arbeitszeugnisse nie nachvollziehen. Welchen Wert sollte etwas haben, das von einem Unbekannten verfaßt worden ist, über dessen Wertmaßstäbe man überhaupt nichts weiß, dessen Inhalt auch im Vergleich oder Aufhebungsvertrag vereinbart werden kann? Ich lese Arbeitszeugnisse bereits seit Jahren grundsätzlich nicht - und kenne auch niemanden von Relevanz, der dies täte.

Interessant, danke für die Ausführung.

RenRima

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Antw:Bewertung von Arbeitszeugnis
« Antwort #8 am: 01.10.2021 11:44 »
Das Arbeitszeugnis ist ne 2 bzw. "gut".

Kannst du damit was anfangen? Nein.

Ich werde von Agenturen regelmäßig gefragt ob ich ein AZ habe, auf die Frage welche Gewichtung dieses hätte, kommt sehr oft: eigentlich keine.

Die meisten AZ sind bei "gut". Ein AZ mit "sehr gut" wird als "selbst geschrieben" abgestempelt oder "weg gelobt"

AZ sind die selben Lügenblätter wie Fahrtenbücher (O-Ton eines Personalchefs eines Konzerns)

Isi

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Antw:Bewertung von Arbeitszeugnis
« Antwort #9 am: 01.10.2021 12:24 »
Ich bin zwar ein Arbeitszeugnis-Profi, aber:

Subjektiv liest sich das zwar "gut", aber in "Arbeitgeber-Sprache" ist das vermutlich eher eine 2-3. Für ein richtig gutes Zeugnis muss das übertrieben klingen, bis es quietscht. Man erkennt das bspw. hier:

Zitat
stets zuverlässig und gewissenhaft

Da sollte dann bspw. etwas stehen wie:

Zitat
stets äußerst zuverlässig und absolut gewissenhaft

Oder auch:
Zitat
Wir bedauern diese Entwicklung außerordentlich

Aber hier gibt es sicher Leute, die das noch mehr im Detail vertiefen können.

Wie von dir beschrieben & dann die Grußformel weggelassen hm? Dann wärs ne 6.

spid hats schon gesagt: Das ist überholt - Arbeitszeugnisse sind nur in soweit interessant, als dass sie zeigen wo der Beschäftigte eingesetzt war.

Zeussowitz

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Antw:Bewertung von Arbeitszeugnis
« Antwort #10 am: 01.10.2021 13:14 »
Ich hatte in vorheriger leitender Tätigkeit einen durch Arbeitsvertrag zugewiesenen Menschen (ich vermeide hier das Wort Mitarbeiter), der nachweislich eine FSJlerin sexuell belästigt, eine zweite sexuell genötigt hat.

Das formulierte Arbeitszeugnis mit schlechter Beurteilung wurde vom ArbG einkassiert. Formulierungen wie „einwandfreies Verhalten gegenüber Kollegen“ war ebenfalls nicht zulässig, da daraus auf das Verhalten gegenüber Frauen abgestellt werden konnte. Dem Menschen war ein Zeugnis mit der Mindestnote befriedigend (die Ironie dieser Formulierung im konkreten Kontext war dem Richter nicht aufgefallen übrigens) auszustellen. Das war der Moment wo mir spätestens klar wurde, dass diese Zeugnisse es nicht wert sind, dass für das Papier auf dem Sie stehen ein Baum gefällt wird.