Autor Thema: Tarifverhandlungen und die Inflation  (Read 732249 times)

daseinsvorsorge

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3510 am: 15.10.2022 09:56 »
Wie würde das eigentlich aussehen, wenn sich irgendwann genug Akademiker finden würden, die eine eigene Gewerkschaft gründen um für >E9 zu verhandeln? ....Könnte Verdi das blockieren?
Marburger Bund macht das ja zB für die Ärzte

Es muss lediglich belegt werden, dass die Interesen aller Arbeitnehmergruppen nicht ernsthaft und wirksam berücksichtigt sind.

Dumdidum

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3511 am: 17.10.2022 09:14 »
Also ich glaube mittlerweile, dass es mittel- und langfristig keinen Sinn macht mit den aktuellen TVÖD-Entgelttabellen. Durch die Mindestbeiträge und Verdis Arbeit für die EG 1 - EG 8 rücken die Gruppen einfach nur immer enger zusammen. In vielen Entgeltgruppen macht die nächste EG "gerade mal" 50/60 Euro netto aus. Für das Geld würde sich auch nicht jeder wegbewerben wollen.

Ingenieuren und ITlern wird hier gerne Sozialneid vorgeworfen, aber mit dem aktuellen Mindestlohn von 12 Euro landet man irgendwo bei 2000-2200 Euro Brutto! Hiervon profitieren laut Bundesregierung 6 (!) Millionen Menschen in Deutschland. Im TVÖD liegen aktuell ausnahmslos alle hierüber. Mit zunehmender Berufserfahrung in EG 2 liegt man im ÖD 40% über dem erst seit kurzem so "hohen" Mindestlohn. Das muss man sich mal vorstellen. Und hier werden noch 500 Euro Mindestbeitrag gefordert.

Ich glaube es wäre sinnvoll, dass der TVÖD aufgeteilt wird und ab EG 9/10 separat verhandelt wird. In der freien Wirtschaft verdient man im Niedriglohnsegment teilweise deutlich unter TVÖD und in den Akademiker-Berufen deutlich über dem TVÖD.

Hier wird auch gerne mal mit dem Sozialneid argumentiert, dass die höheren Entgeltgruppen mehr vom Kuchen abhaben wollen. Aber das möchte ich noch etwas relativieren. Wenn es bspw eine Milliarde Euro für Lohnerhöhungen gibt, machen pauschal 10 Prozent insgesamt weniger für die Arbeitgeber aus, als 500 Euro für alle! Es gibt nunmal deutlich mehr Angestellte in den EG 2-9 als in EG 10-15.

Man könnte jetzt erahnen, dass ich etwas höher eingruppiert bin, aber das sind nunmal auch Fakten! Ich möchte niemandem zu nahe treten und weiß auch, dass niedrigere Lohngruppen von den Energiepreisen schlimmer betroffen sind. Aber im Vergleich gehts diesen auch besser als vergleichbaren Arbeitnehmern in ähnlichen Jobs.

Genau deswegen ist auch kaum jemand in höheren EG Verdi-Mitglied!


Queen of Spades

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3512 am: 17.10.2022 09:38 »
Wie würde das eigentlich aussehen, wenn sich irgendwann genug Akademiker finden würden, die eine eigene Gewerkschaft gründen um für >E9 zu verhandeln? Die TVöD Tabelle würde dann ja quasi oben abgeschnitten und Verdi verhandelt für diese nicht mehr. Schaffung eines neuen Tarifs. Aber wie würde das ablaufen? Könnte Verdi das blockieren?
Marburger Bund macht das ja zB für die Ärzte
Wir kennen die Zeiten der ötv..
Das waren noch Typen!
In Krisenzeiten..immer noch ein paar Prozente für den öffentlichen Dienst herausgeholt...
Was jetzt für Leute bei ver.di komba und co sitzen.
Erschreckend..
Wir sagen jetzt schon vorher.., eine enttäuschende Tarifrunde 2023 wird es geben.
Eine "hohe" Einmalzahlung plus bescheidende tabellenwirksame Erhöhung wirds geben..
Rechnet man das dann durch wird es Reallohnverlust geben...
Nur mal zur Info: Die Lebensmittelpreise werden > Frühjahr erst noch steigen..
Die Preissteigerungen bisher sind erst der Anfang....
Das explodiert im Frühjahr 2023 erst...

Warte doch einfach mal ab! So wie alle anderen auch.
Die Forderung ist klar. Lohnerhöhung von 10,5% bei 12 Monaten Laufzeit

Eine Einmalzahlung ist von AN Seite aus nicht ins Gespräch gebracht worden und wurde (so weit ich das lesen konnte) auch entschieden abgelehnt.

Herbert Meyer

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3513 am: 17.10.2022 09:42 »
Zitat

Warte doch einfach mal ab! So wie alle anderen auch.
Die Forderung ist klar. Lohnerhöhung von 10,5% bei 12 Monaten Laufzeit

Eine Einmalzahlung ist von AN Seite aus nicht ins Gespräch gebracht worden und wurde (so weit ich das lesen konnte) auch entschieden abgelehnt.

Worauf warten? Darauf, dass die Arbeitgeberseite auf die Forderung von 10,5 Prozent antwortet "Hier haben Sie 20 Prozent, damit Ihre Kaufkraft zumindest annähernd erhalten bleibt". Ist das die Hoffnung, auf die Verdi baut?


Rumo1895

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3514 am: 17.10.2022 10:11 »
Wie würde das eigentlich aussehen, wenn sich irgendwann genug Akademiker finden würden, die eine eigene Gewerkschaft gründen um für >E9 zu verhandeln? Die TVöD Tabelle würde dann ja quasi oben abgeschnitten und Verdi verhandelt für diese nicht mehr. Schaffung eines neuen Tarifs. Aber wie würde das ablaufen? Könnte Verdi das blockieren?
Marburger Bund macht das ja zB für die Ärzte

Stichwort Tarifeinheitsgesetz - wenn Verdi (wie die EVG) die vertragliche Übereinkunft kippt dass das Gesetz keine Anwendung findet hat der Marburger Bund (oder vielmehr die AG-Seite) schnell ein (noch größeres) Personalproblem. Und es kann ja kaum im Interesse von Verdi sein den metaphorischen Kuchen mit einer zweiten Gewerkschaft zu teilen die explizit die oberen EG mit guten Tarifergebnissen bei Laune halten möchte.

JesuisSVA

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3515 am: 17.10.2022 11:02 »
Dann müsste Verdi aber jeweils auf Betriebsebene nachweisen, dass sie in dem jeweiligen Betrieb mehr Mitglieder hat. In so manchem Betrieb kann aber bereits ein Mitglied reichen, um mehr Mitglieder als Verdi zu haben.

Acastus

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3516 am: 17.10.2022 11:38 »
Die Forderungen hätten viel höher sein müssen. Ist doch eh klar das Verdi 10.5 % nicht durchsetzten und auch der Mindestbetrag nicht bei 500 Euro liegen wird.

Prinzipiell bin ich jetzt erstmal gespannt wie die Verhandlungsrunden laufen und was drumherum passiert.

Queen of Spades

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3517 am: 17.10.2022 11:52 »
Die Forderungen hätten viel höher sein müssen. Ist doch eh klar das Verdi 10.5 % nicht durchsetzten und auch der Mindestbetrag nicht bei 500 Euro liegen wird.

Prinzipiell bin ich jetzt erstmal gespannt wie die Verhandlungsrunden laufen und was drumherum passiert.

Da bin ich in beiden Punkten voll bei Dir!

Zumindest, wenn die Prognosen der Inlation eintreffen. Sollte es, entgegen der Erwartung, bei 2% landen, wären die 10% doch top ;-)


Bastel

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3518 am: 17.10.2022 11:55 »
Bis März passiert hier ja nichts mehr ;D

Queen of Spades

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3519 am: 17.10.2022 13:02 »
Wahrscheinlich.

Grundsätzlich würde mich mal interessieren, ob VERDI jemals ihre Forderung korrigiert haben. Mal angenommen der Fall tritt ein, dass die Inlation auf 20-25% schießt. Bleibt man dann stoisch bei den 10,5%? Hat es, nicht in dieser extremen Form, jemals Fälle gegeben wo eben die Forderung nachjustiert wurde?

Thomasmueller

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3520 am: 17.10.2022 13:05 »
Zitat
Ich glaube es wäre sinnvoll, dass der TVÖD aufgeteilt wird und ab EG 9/10 separat verhandelt wird. In der freien Wirtschaft verdient man im Niedriglohnsegment teilweise deutlich unter TVÖD und in den Akademiker-Berufen deutlich über dem TVÖD.

Ja, so sieht das aus.

Im Moment bin ich als ITler noch im ÖD, weil ich die dort gegebenen Privilegien (geregelter Urlaub, geregelte und flexible Arbeitszeit, relativ sicheres Arbeitsverhältnis, etc.) gegen die bessere Bezahlung in der freien Wirtschaft eintausche.

Aber so langsam kommt der Moment, wo das Verhältnis nicht mehr stimmt und sich viele Kollegen (einschl. mir) umorientieren. Das liegt auch daran, dass die AG in der freien Wirtschaft im Rahmen des Fachkräftemangels die Priviliegien des ÖD langsam aber sicher übertrumpfen. Da gibt es kostenlose Mahlzeiten, mehr HomeOffice, Dienstwagen, 35 Arbeitsstunden, Prämien und auch 30 Tage Urlaub.

Ein Bekannter von mir arbeitet mit beinaher gleicher Qualifikation bei T-Systems und verdient dort etwa 20.000€ mehr(!) als ich. Mit proaktiver Bewerbung hätte ich binnen 4 Wochen einen neuen AG bei dem ich statt 5.559,-€ (EG13 / 4) zum Einstieg etwa 7.000€ im Monat verdienen würde. Dafür müsste ich 35 Wochenstunden arbeiten, hätte > 35 Tage Urlaub, potentielle Aufstiegsmöglichkeiten und keine Personalverantwortung mehr.

Ich prognostiziere 5% auf 2 Jahre und eine Einmalzahlung gestaffelt nach EG (2000€ für 1 - 9, 1500€ für 10 - 11, 1000€ für 12 - 15).

Wie auch immer - sollte ich mit EG13 bei diesen Tarifverhandlungen wieder als Verlierer darstehen (wovon ich aktuell ausgehe), dann ist meine Karriere im ÖD beendet.

Bastel

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3521 am: 17.10.2022 13:05 »
Was sollte das bringen? Sie setzen weder 10  noch 20 Prozent durch.

Selbst wenn Sie 50 Prozent fordern, gibts nicht mehr al 5  ;D

Philipp

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3522 am: 17.10.2022 13:07 »
Wahrscheinlich.

Grundsätzlich würde mich mal interessieren, ob VERDI jemals ihre Forderung korrigiert haben. Mal angenommen der Fall tritt ein, dass die Inlation auf 20-25% schießt. Bleibt man dann stoisch bei den 10,5%? Hat es, nicht in dieser extremen Form, jemals Fälle gegeben wo eben die Forderung nachjustiert wurde?

Das ist wie bei Gehaltsverhandlungen in Kleinen.

Wenn die Inflation wirklich nochmal deutlich anzieht, wird die Arbeitgeberseite wahrscheinlich schnell einschlagen und lieber die 10,5 nehmen als nachher um 20% verhandeln zu müssen.
Wäre dann ein klassischer Fall von "zu niedrig gepokert".

Queen of Spades

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3523 am: 17.10.2022 13:08 »
Tja, lieber Thomas.

1. Reisende soll man nicht aufhalten. Wenn das Gras so viel grüner auf der anderen Seite ist! Gute Reise
2. Hoffentlich gehört die zukünftige Bude dann nicht zu denen, die das Jahr 2023 nicht überleben werden.

Entscheidungen müssen getroffen werden.

Zitat
Ein Bekannter von mir arbeitet mit beinaher gleicher Qualifikation bei T-Systems und verdient dort etwa 20.000€ mehr(!) als ich. Mit proaktiver Bewerbung hätte ich binnen 4 Wochen einen neuen AG bei dem ich statt 5.559,-€ (EG13 / 4) zum Einstieg etwa 7.000€ im Monat verdienen würde. Dafür müsste ich 35 Wochenstunden arbeiten, hätte > 35 Tage Urlaub, potentielle Aufstiegsmöglichkeiten und keine Personalverantwortung meh

aber bei dem Knallerangebot würde ich nicht mal die Tarifrunde und dessen Ergebnis abwarten. Abflug :)

Thomasmueller

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3524 am: 17.10.2022 13:22 »
Lieber Queen of Spades,

ich hoffe Sie gehören dann nicht auch zu dem Menschen, die im gleichen Atemzug die mangelnde Digitalisierung in Deutschland - und hier allem Voran in den Behörden und Schulen - kritisieren. Oder haben Sie sich schon einmal gefragt, warum sich Deutschland hier so schwertut?

Als Involvierter kann ich Ihnen versichern, dass die Gehälter der ITler im ÖD hierbei eine maßgebliche Rolle spielen und am Ende des Tages zu deutlich höheren Investitionskosten der Kommunen und Städt führt. Viele IT-Fachverfahren und Dienstleistungen werden nämlich (aufgrund von Personal-/Fachkräftemangel) ausgeschrieben und zu horrenden Investitions-/Servicepreisen eingekauft. Würde der ÖD vor allem Anwendungsentwickler besser bezahlen, würden diese Kosten verringert umgelegt.

Gleiches gilt für das bundesweite und kommunale E-Government. Hier werden jährlich hunderte Millionen € in Consultants, Softwarefirmen und Systemhäuser versenkt, weil die öffentlichen Arbeitsgeber mit den Konditionen kein eigenes Personal aquirieren und binden können.

Wenn Sie also das nächste mal für die Beantragung eines Reisepasses, für die Anmeldung eines PKW, für die Ummeldung des Wohnortes oder die Beantragung einer Umbaumaßnahme zum Amt fahren und dort im Warteraum sitzen dürften und satte Gebühren zahlen dürfen - denken Sie an mich.