Autor Thema: Tarifverhandlungen und die Inflation  (Read 738726 times)

Flying

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3525 am: 17.10.2022 13:28 »
Lieber Queen of Spades,

ich hoffe Sie gehören dann nicht auch zu dem Menschen, die im gleichen Atemzug die mangelnde Digitalisierung in Deutschland - und hier allem Voran in den Behörden und Schulen - kritisieren. Oder haben Sie sich schon einmal gefragt, warum sich Deutschland hier so schwertut?

Als Involvierter kann ich Ihnen versichern, dass die Gehälter der ITler im ÖD hierbei eine maßgebliche Rolle spielen und am Ende des Tages zu deutlich höheren Investitionskosten der Kommunen und Städt führt. Viele IT-Fachverfahren und Dienstleistungen werden nämlich (aufgrund von Personal-/Fachkräftemangel) ausgeschrieben und zu horrenden Investitions-/Servicepreisen eingekauft. Würde der ÖD vor allem Anwendungsentwickler besser bezahlen, würden diese Kosten verringert umgelegt.

Gleiches gilt für das bundesweite und kommunale E-Government. Hier werden jährlich hunderte Millionen € in Consultants, Softwarefirmen und Systemhäuser versenkt, weil die öffentlichen Arbeitsgeber mit den Konditionen kein eigenes Personal aquirieren und binden können.

Wenn Sie also das nächste mal für die Beantragung eines Reisepasses, für die Anmeldung eines PKW, für die Ummeldung des Wohnortes oder die Beantragung einer Umbaumaßnahme zum Amt fahren und dort im Warteraum sitzen dürften und satte Gebühren zahlen dürfen - denken Sie an mich.

Weil sie der einzige Mensch sind, der diese Dinge bearbeitet?
Es wird auch nach ihnen Menschen geben, die die Vorzüge des öD (sicherer Job, Flexibilität etc.) schätzen und ihre Stelle besetzen werden.

Wenn das Angebot auf dem freien Markt so viel besser ist, verstehe ich nicht warum sie nicht wechseln.

xap

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3526 am: 17.10.2022 13:32 »
[Edit Admin2: Beleidigung] Stellen im öD können im Bereich IT eben NICHT ausreichend nachbesetzt werden, wenn Leute erstmal verschwinden. Die Problematik ist hier schon viele Male dargelegt worden. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was es daran nicht zu verstehen gibt.
« Last Edit: 18.10.2022 02:40 von Admin2 »

JahrhundertwerkTVÖD

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3527 am: 17.10.2022 13:55 »
Es ist ja nicht nur der IT-, sondern auch der Ingenieurbereich und qualifizierte Führungskräfte.

Ich habe ja gelernt das Verdi nur für seine Mitglieder verhandelt. Bin ich dabei.
Warum Verdi bewusst gegen Führungskräfte, It-ler und Ingenieure verhandeln darf, habe ich leider immer noch nicht verstanden.

Hinzu kommt, dass auch den AG die Situation völlig am Allerwertesten vorbei geht.

Tolle Zukunftsaussichten für den öffentlichen Dienst.

Herbert Meyer

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3528 am: 17.10.2022 13:59 »
Derzeit erlebe ich das Grauen auch wieder beim BAFA: Aufgrund des niedrigen Digitalisierungsgrads müssen dort wohl im Gegensatz zur KfW alle eingehenden Anträge händisch abgearbeitet werden. Statt Stunden (Software bei der KfW) dauert es drei bis fünf Monate (Sachbearbeiter beim BAFA), bis Rückmeldung zu einem Antrag erfolgt. Der absehbar schlechte Tarifabschluss wird diese Dysfunktionalitäten noch verstärken und Deutschland im internationalen Vergleich weiter abhängen. Aber dafür wurden dann Dreimarkfuffzig gespart.

Thomasmueller

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3529 am: 17.10.2022 14:04 »
Zitat
Weil sie der einzige Mensch sind, der diese Dinge bearbeitet?

Ja, da gibt es reichlich andere. Ich habe ja auch nichts gegenteiliges behauptet.

Zitat
Es wird auch nach ihnen Menschen geben, die die Vorzüge des öD (sicherer Job, Flexibilität etc.) schätzen und ihre Stelle besetzen werden.

Ja, ggf. wird man die Stelle im dritten oder vierten Anlauf mit einem "akzeptablen" Bewerber besetzen können. Bis dahin sind allerdings locker 6 Monate vergangen. Wenn der neue MA sehr gut ist, bzw. durch sein Know-How sein Marktwert steigt, ist er nach 6 - 12 Monaten dann wieder weg und das Spiel beginnt von vorne. Deswegen bewegen wir uns in Deutschland bei der Digitalisierung im Kreis. Das geht sogar so weit, dass IT FK im ÖD ihre MA bewusst(!) nicht umfangreich Fortbilden, bzw. die Kosten nicht übernehmen. Eine singuläre Qualifikation der MA steigert die Bindung.

Zitat
Wenn das Angebot auf dem freien Markt so viel besser ist, verstehe ich nicht warum sie nicht wechseln.

Das habe ich ausgeführt.

Thomasmueller

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3530 am: 17.10.2022 14:20 »
Zitat
Derzeit erlebe ich das Grauen auch wieder beim BAFA: Aufgrund des niedrigen Digitalisierungsgrads müssen dort wohl im Gegensatz zur KfW alle eingehenden Anträge händisch abgearbeitet werden. Statt Stunden (Software bei der KfW) dauert es drei bis fünf Monate (Sachbearbeiter beim BAFA), bis Rückmeldung zu einem Antrag erfolgt. Der absehbar schlechte Tarifabschluss wird diese Dysfunktionalitäten noch verstärken und Deutschland im internationalen Vergleich weiter abhängen. Aber dafür wurden dann Dreimarkfuffzig gespart.

Ja, dass ist eine Auswirkung der Vernachlässigung der EG > 10 und vor Allem der IT. Anstatt 5 ITler > EG11 zu bezahlen werden 30 SB in EG9a eingestellt, bzw. eine Softwarefirma mit hunderttausenden Euro mit der Entwicklung einer Software zur Prozessunterstützung beauftragt.

Das scheinen viele hier im Forum nicht zu verstehen: Die IT erfüllt den primären Zweck komplizierte Prozesse zu vereinfachen, bzw. zu automatisieren um Bearbeitungsaufwand, Zeit und somit Geld zu sparen. Habe ich keine IT-(Fachkräfte), bleiben Prozesse komplex, sind aufwändig, dauern lange und kosten Geld. Das dürfen wir aktuell in Deutschland erleben.

Die öffentliche Hand in Deutschland könnte jedes Jahr Milliarden Euro Software-/Wartungsvertragskosten und Personal einsparen, wenn sie ein ernsthafter Konkurrent zur freien Wirtschaft darstellen würde. Wenn man so will, haben die Gewerkschaften maßgeblich (negativen) Einfluss auf die digitale Entwicklung in Deutschland.
« Last Edit: 17.10.2022 14:26 von Thomasmueller »

Alfi

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3531 am: 17.10.2022 14:23 »
Das ist natürlich wie erwähnt individuell und jeder kann sich das selbst berechnen.
Die 5,7% waren zur Veranschaulichung.
Und sind weit entfernt von der Realität. Und flips Rechnung 45% abziehen von den 10,5 ist halt falsch.

Bei einem 50T€ Bruttogehalt haben wir locker mehr als 8,2% Nettolohnsteigerung, als Single und höchster Steuerklasse.
Selbst ein 80T€ öD Grossverdiener hat da noch mehr Nettolohnsteigerung als die Veranschaulichung.
Und die Masse wird da noch mehr Nettolohnsteigerung haben!

Hatte mich auch gewundert als ich das lass und direkt nachgerechnet. Bei mir wären die 10,5 % Brutto = 8,77 % Netto.

daseinsvorsorge

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3532 am: 17.10.2022 15:10 »
Es ist ja nicht nur der IT-, sondern auch der Ingenieurbereich und qualifizierte Führungskräfte.

Ich habe ja gelernt das Verdi nur für seine Mitglieder verhandelt. Bin ich dabei.
Warum Verdi bewusst gegen Führungskräfte, It-ler und Ingenieure verhandeln darf, habe ich leider immer noch nicht verstanden.

Hinzu kommt, dass auch den AG die Situation völlig am Allerwertesten vorbei geht.

Tolle Zukunftsaussichten für den öffentlichen Dienst.

Warum sollte sich verdi grundsätzlich gegen eine Aufwertung von technischen Berufen aussprechen ?- siehe Pflege + SuE

Und die AGs könnten dies zum Verhandlungsgegenstand machen, ohne dessen Lösung sie keinem neuen Tarifvertrag zustimmen - tun sie aber nicht.

WasDennNun

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3533 am: 17.10.2022 15:29 »
Es ist ja nicht nur der IT-, sondern auch der Ingenieurbereich und qualifizierte Führungskräfte.

Ich habe ja gelernt das Verdi nur für seine Mitglieder verhandelt. Bin ich dabei.
Warum Verdi bewusst gegen Führungskräfte, It-ler und Ingenieure verhandeln darf, habe ich leider immer noch nicht verstanden.

Hinzu kommt, dass auch den AG die Situation völlig am Allerwertesten vorbei geht.
Weil das ein reines AG Problem und verdi in der Tat am Arsch vorbeigehen kann.

Der AG bezahlt doch schon willig, dass doppelte für ITler, nur sind die nicht seine Angestellten.
Leider braucht es einen langen Atem, dass selbst der BRH diese Geldverschwendung erkennt und anprangert.

Und das dieses auch mal vom Grunde auf durch Fehlerkultur und analyse aufgearbeitet wird.
Aber solange die Kaspervereine wie ITZ Bund nur paperware in Form von Lastenheften ausspeien, werden sie halt von den Firmen mit dysfunktionaler Software verarscht.

WasDennNun

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3534 am: 17.10.2022 15:30 »
Das ist natürlich wie erwähnt individuell und jeder kann sich das selbst berechnen.
Die 5,7% waren zur Veranschaulichung.
Und sind weit entfernt von der Realität. Und flips Rechnung 45% abziehen von den 10,5 ist halt falsch.

Bei einem 50T€ Bruttogehalt haben wir locker mehr als 8,2% Nettolohnsteigerung, als Single und höchster Steuerklasse.
Selbst ein 80T€ öD Grossverdiener hat da noch mehr Nettolohnsteigerung als die Veranschaulichung.
Und die Masse wird da noch mehr Nettolohnsteigerung haben!

Hatte mich auch gewundert als ich das lass und direkt nachgerechnet. Bei mir wären die 10,5 % Brutto = 8,77 % Netto.
Bei mir als „Grossverdiener“ nur 6,6

Flying

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3535 am: 17.10.2022 15:32 »
Zitat
Wenn das Angebot auf dem freien Markt so viel besser ist, verstehe ich nicht warum sie nicht wechseln.

Das habe ich ausgeführt.

Stimmt - das habe ich übersehen. Sorry.

Queen of Spades

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3536 am: 17.10.2022 15:51 »
Lieber Queen of Spades,

Wenn Sie also das nächste mal für die Beantragung eines Reisepasses, für die Anmeldung eines PKW, für die Ummeldung des Wohnortes oder die Beantragung einer Umbaumaßnahme zum Amt fahren und dort im Warteraum sitzen dürften und satte Gebühren zahlen dürfen - denken Sie an mich.

1. Liebe
2. Nein! Wer gut vernetzt ist wartet nicht

Ganz von der Thematik aber mal ab. Es ist kein ITler exklusives Problem. Mit meinen Fähigkeiten müsste ich auch besser bezahlt werden (wer denkt das nicht von sich?) und dennoch überwiegen die Vorzüge vom öD bei weitem. Das muss jeder für sich entscheiden. In ihrem Fall jedoch, der starken Lohnsteigerung und dem saftigen Gras. Ich wäre weg. Sicherheit etc bla bla. Ich wäre weg! Oder man ist doch nicht so gut und die Firmen wollen einen nicht?!

Zitat
Ja, dass ist eine Auswirkung der Vernachlässigung der EG > 10 und vor Allem der IT. Anstatt 5 ITler > EG11 zu bezahlen werden 30 SB in EG9a eingestellt, bzw. eine Softwarefirma mit hunderttausenden Euro mit der Entwicklung einer Software zur Prozessunterstützung beauftragt.

Mit der Logik gewinnt man keinen Blumentopf. Schon gar nicht im ö.D. Ich persönlich würde auch Bereiche aufstocken die Geld "reinholen" und nicht stiefmütterlich behandeln. Aber wie so oft ist es auch Politik ;-)


Und wer weiß. Vielleicht kennt der Bürgermeister oder ein Dezernent evtl. den Inhaber der Softwarefirmaa. Vielleicht ist es der Schwager, der dringend Aufträge braucht. Oder ein Freund. Alles ist möglich :-)

daseinsvorsorge

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3537 am: 17.10.2022 16:03 »
Dann müsste Verdi aber jeweils auf Betriebsebene nachweisen, dass sie in dem jeweiligen Betrieb mehr Mitglieder hat. In so manchem Betrieb kann aber bereits ein Mitglied reichen, um mehr Mitglieder als Verdi zu haben.

Tja- so einfach könnte es sein, um verdi herauszukicken. Scheitert aber leider daran, dass sich niemand bereit erklärt, eine andere Gewerkschaft zu gründen. Und wo es keine andere Gewerkschaft gibt, braucht verdi auch keinen Nachweis zu führen. SCHADE

Kaiser80

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3538 am: 17.10.2022 16:07 »

Und wer weiß. Vielleicht kennt der Bürgermeister oder ein Dezernent evtl. den Inhaber der Softwarefirmaa. Vielleicht ist es der Schwager, der dringend Aufträge braucht. Oder ein Freund. Alles ist möglich :-)

Genau, scheiß auf div Vergabeverordnungen...

JesuisSVA

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #3539 am: 17.10.2022 16:07 »
Dann müsste Verdi aber jeweils auf Betriebsebene nachweisen, dass sie in dem jeweiligen Betrieb mehr Mitglieder hat. In so manchem Betrieb kann aber bereits ein Mitglied reichen, um mehr Mitglieder als Verdi zu haben.

Tja- so einfach könnte es sein, um verdi herauszukicken. Scheitert aber leider daran, dass sich niemand bereit erklärt, eine andere Gewerkschaft zu gründen. Und wo es keine andere Gewerkschaft gibt, braucht verdi auch keinen Nachweis zu führen. SCHADE
Da es ja bereits weit mehr als eine weitere Gewerkschaft gibt, sind Deine Ausführungen wie immer von größter Ahnungslosigkeit und Unvermögen geprägt.