Autor Thema: Betrug? - Arbeitsvorgänge Tätigkeitsdarstellung und -bewertung - Justiz  (Read 3318 times)

Lo sa

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Hallo an alle,

wenn man vor 20 Jahren eine TDB ausgehändigt bekommt, bei der eine Seite (laufende Nr. 7 "Arbeitsvorgänge") fehlt, kann man wohl davon ausgehen, dass hier in betrügerischer Absicht aus rein fiskalischen Interessen seitens des Arbeitgebers gehandelt wurde, oder?
Bei sämtlichen Angestellten dieser Behörde ist das hier der Fall.
Hochgekocht ist dies natürlich erst nach dem 2018-er Urteil des BAG, nachdem sich einmal jeder mit den Begriffen "auszuübenden Tätigkeit, Arbeitsvorgang, TDB"  beschäftigte.
Dieses Dokument ist fortlaufend, nach Nr. 6 kommt Nr. 8 und die wichtigste Seite ("Arbeitsvorgänge" mit Nr. 7) fehlt, womit praktisch bewiesen ist, dass man eben prozentuale Einzeltätigkeiten anstatt Arbeitsvorgänge bewerten wollte. Die Folgen daraus bestätigen nun natürlich die Urteile des BAG vom 09.09.2020. Die Justiz ist offenkundig selbst Schuld an der Misere.

Meine explizite Frage:
Da es natürlich enorm ärgerlich ist, dass man erst Jahre später diesen Aspekt bemerkt hat, frage ich mich, ob hier nicht ein Betrug seitens der Geschäftsleitung vorliegt, da man wissentlich eine Seite eines zusammenhängenden Dokumentes weglässt, um die richtige Entgeltgruppe eben nicht "festzustellen", weil man sie nicht feststellen wollte!

Sicherlich dürfte hier wohl eine Anweisung vom Finanzministerium vorgelegen haben, die Personalausgaben möglichst niedrig zu halten, aber der Haushalt darf ja wohl nicht zu betrügerischen Handlungen seitens der Personaler führen!!!
Denn wenn doch die Rechtsmeinung des Arbeitgebers zur Eingruppierung auf einer in der Personalakte befindlichen Tätigkeitsdarstellung und -bewertung beruht, die dem Schema des 22 BAT-O/12 TV-L folgt, ist es doch äußerst fraglich, warum man dann absichtlich diese eine (wichtigste!!!) Seite unterschlagen hat???

Ich frage mich tatsächlich, ob eine Strafanzeige gegen die seinerzeit Handelnden in Betracht gezogen werden kann. Die Verjährung ist wahrscheinlich bereits eingetreten.

Meine Klage habe ich erstinstanzlich gewonnen, meine Ansprüche also gesichert (Berufung wurde natürlich eingelegt durch das Land). Aber muss man sich einen solchen Betrug über soviele Jahre tatsächlich bieten lassen? Von Versehen kann jawohl keine Rede sein. Man ärgert sich natürlich auch selbst, dass man all die Jahre gutgläubig vertraut hat, denn die Anwendung von Recht hat man bei seinem Arbeitgeber Justiz nicht in Frage gestellt.

Danke

 


Lars73

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Es bestand und besteht keine Notwendigkeit die Arbeitsvorgänge den Beschäftigten zu übermitteln.

Das alleine ist kein Indiz für eine betrügerische Absicht. Gibt es andere Hinweise für bewusst falsche Eingruppierungen?

Gerade die in der BAG-Entscheidung behandelte Sachverhalt hatte vorher tatsächlich Interpretationsspielraum beinhaltet.

Spid

  • Gast
Solange der AG seiner Nachweispflicht aus dem NachwG nachgekommen ist, sehe ich nicht, daß die fehlende Seite, auf der er seine Rechtsmeinung zu den Arbeitsvorgängen festgehalten hat, derlei Rückschlüsse zuließe.

Lo sa

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Naja, die fehlende Seite ist ja nun einmal die wichtigste gewesen.
Die Einzeltätigkeiten (auch so im Dokument benannt) aus der lfd. Nr. 5 wurden unter 8. bewertet, aber nicht die Arbeitsvorgänge, denn es wurden keine gebildet.
Das Dokument gibt selbst vor, dass die Arbeitsvorgänge von Nr. 7! in Nr. 8 sodann bewertet werden!
Man bewertete aber die Einzeltätigkeiten aus Nr. 5!
Schon anhand des Dokumentes musste man doch schon damals gewusst haben, was man falsch macht.
Genau dies wurde durch ja durch das BAG klargestellt, dass man keine Einzeltätigkeiten sondern Arbeitsvorgänge bewertet.
Aber damit wird man sich wohl abfinden müssen, dass man durch diese absichtlich falsch erlangte "Rechtsmeinung" des Arbeitgebers über Jahre hinweg betrogen wurde. Weil das nun viele zum klagen ermunterte, will man ja nun schnell mal den Begriff Arbeitsvorgang ändern, wirklich lächerlich.
Man schafft Stellen, deren Wertigkeit man doch eigentlilch kennt (siehe oben), ruht sich über Jahre darauf aus, dass niemand seine Ansprüche gerichtlich geltend macht und beschwert sich jetzt darüber, dass es tatsächlich doch passiert.
 
Obendrein dann noch die Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe. Wenn ein Stellenplan eines Finanzministers nur die E6 vorgibt, hat der Arbeitsplatz auch nur E6-wertig zu sein! Damit es dann trotzdem passt, macht man eben Arbeitsschritte zu Arbeitsvorgängen. Ein Hoch auf den Haushalt und dessen Sklaven :-) Die Justiz hätte in Betracht ziehen sollen, Arbeitsplätze vorher und tarifgerecht zu bewerten und vor allem die Begriffe Arbeitsschritt und Arbeitsvorgang auseinanderhalten zu können. Jeder Arbeitsplatz ist für sich zu betrachten.
Aber gut, das übernehmen jetzt dann eben die Arbeitsgerichte nach und nach.

Spid

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Der AG kann sich seine Rechtsmeinung zur Eingruppierung bilden, wie er lustig ist - ebenso wie Du frei bist, Dir Deine Rechtsmeinung so zu bilden, wie Du möchtest.

WasDennNun

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Naja, die fehlende Seite ist ja nun einmal die wichtigste gewesen.
Die Einzeltätigkeiten (auch so im Dokument benannt) aus der lfd. Nr. 5 wurden unter 8. bewertet, aber nicht die Arbeitsvorgänge, denn es wurden keine gebildet.
Das Dokument gibt selbst vor, dass die Arbeitsvorgänge von Nr. 7! in Nr. 8 sodann bewertet werden!
Man bewertete aber die Einzeltätigkeiten aus Nr. 5!
Und was passiert, wenn der AG die Seite 7 nachliefert (oder mitgeliefert hätte) mit den Arbeitsvorgängen, die alle fehlerhaft mit EGx bewertet wurden und man deswegen auf die fehlerhafte Eingruppierung gekommen ist?
Wäre es dann Betrug?

Doch nur, wenn man nachweisen könnte, dass der AG wusste, dass er (edit) sich fehlerhaft eine Rechtsmeinung zur Eingruppierung bildeteingruppiert. Und bewußt zu niedriges Entgelt auszahlt.
Also Stelle eine Strafanzeige und lasse die Polizei entsprechende Beweissicherung und Analysen durchführen, ob da der AG tatsächlich nicht aus Doofheit,Faulheit, sondern weil er betrügen wollte so gehandelt hat.

Spid

  • Gast
Der AG gruppiert überhaupt nicht ein. (edit) auch auf die Fehlerhaftigkeit der Rechtsmeinung kommt es hinsichtlich des Betrugs nicht an, sondern vielmehr darauf, ob er über die Eingruppierung irrt oder vielmehr täuscht.
« Last Edit: 06.10.2021 12:33 von Spid »

Lo sa

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Ja das haben wir nun mittlerweile getan und lassen deshalb nach und nach die Arbeitsgerichte per Urteil über eine "Rechtsmeinung" der Arbeitgeber entscheiden... ;)
Danke und Gruß

Lo sa

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Übrigens gibt es diese Seite nicht, es gab sie auch nie. Auch in übergeordneten Behörden weiß man von nichts! Trotz regelmäßiger Geschäftsprüfungen fiel das natürlich nicht auf, welch ein Wunder. Die Bewertung unter 8. erfolgte ausschließlich aus den Einzeltätigkeiten aus Nr. 5. Dies belegen schon die prozentualen Anteile...
Die seinerzeit handelnde verantwortliche Person ist bereits in Pension...also hat man nur Schulterzucken zu erwarten.
Weiterhin sind in den meisten Bereichen der Justiz überhaupt keine Bewertungen vorhanden. Man kann also davon ausgehen, dass eine Eingruppierung bzw die Rechtsmeinung dazu nur anhand des unzureichenden Stellenplans erfolgte. Man ist aber nicht anhand Stellenplan sondern anhand der auszuübenden Tätigkeit eingruppiert.
Die Klageflut hat bereits begonnen. Daher die erwünschte Änderung des Arbeitsvorgangs seitens der TdL in den Tarifverhandlungen ab Freitag.

Spid

  • Gast
Der AG ist zwar aufgrund der durch ihn zu bewirkenden Hauptleistung für die Eingruppierungsmitteilung, also eine Ersteinschätzung der zutreffenden Eingruppierung einschließlich Mitteilungspflicht gegenüber dem AN, zuständig - aber auch das hat nur deklaratorische Bedeutung. AN und AG sind Vertragspartner auf Augenhöhe in einer gewöhnlichen zivilrechtlichen Beziehung.Wie hast Du Dir denn zwanzig Jahre lang Deine Meinung zur Eingruppierung gebildet?

Lo sa

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Tja so wie es allen erzählt wurde. Der Anteil der schwierigen Tätigkeiten der Protokollnotizen war angeblich ausschlaggebend. Dass dies eigenständige Arbeitsvorgänge sind, wurde allen suggeriert. Und ehrlich gesagt, stellte niemand die Rechtsanwendung von Tarifvertragsrecht gerade bei der Justiz in Frage.
Erst nach der 2018er BAG Entscheidung ist man mal aufgewacht. Insbesondere die Zusammenhangstätigkeiten nach 22 BAT/12 TVL spielen ja für Geschäftsstellenverwalter und Servicekräfte eine große Rolle. Ich bearbeite ja nicht nur die Beispiele der Protokollnotizen, sondern die Akte umfassend und vollständig und deshalb sind es bei mir eben nur Arbeitsschritte. Je nach Zuschnitt der Stelle kann es bei jemand anderem ja wieder ein Arbeitsvorgang sein.
Man ärgert sich auch wirklich gnadenlos, dass man sich nicht früher damit befasst hat. Selbst Schuld eigentlich.

Spid

  • Gast
Eben. Du hast also ebenso wie der AG hinsichtlich der Eingruppierung geirrt.

Lo sa

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Völlig richtig. Nur die TdL lässt kein Irren bei der Eingruppierung gelten, sondern belästigt Karlsruhe mit einer Verfassungsbeschwerde, da das BAG ja angeblich in die Tarifautonomie eingegriffen haben soll - nicht mehr zu überbieten. Geld darf das nicht kosten, was die Arbeitgeber mit ihrem "Irren" verursacht haben. Auch die Tarifverhandlungen werden darunter leiden müssen.

Bastel

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Warum sollte die Tarifverhandlung darunter "leiden"?

Lo sa

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Weil die Justiz bzgl der BAG Entscheidung, die die TdL nicht akzeptieren will, der Grund für die Änderung des Begriffs Arbeitsvorgang ist. Es ist doch bekannt, dass im TVL Bereich das gleiche gefordert wird, wie schon im TVÖD Bereich.
Die TdL gab bekannt, dass es keinen Tarifabschluss geben wird, wenn nicht der Arbeitsvorgang geändert wird.
Verdi ist deshalb schon seit Monaten darüber höchst verärgert.