Ich stelle mal folgenden Widerspruch zur Diskussion - ich gehe aktuell nicht auf den vorliegenden Entwurf ein, da er erstens noch nicht als Gesetz verabschiedet wurde (vll. gibt es ja noch Änderungen) und zum zweiten erst für die Folgejahre gelten soll:
---------------
Absender nicht vergessen(!)
Hessische Bezügestelle (HBS) (ggf. ändern wenn nicht zutreffend)
Friedrich-Ebert-Straße 106
34119 Kassel
Antrag auf amtsangemessene Alimentation für das Kalenderjahr 2022
Geschäftszeichen_______________________________________________________
(auf dem Bezügenachweis oben rechts)
Sehr geehrte Damen und Herren,
unter Beachtung des Grundsatzes zur „zeitnahen Geltendmachung“ besoldungsrechtlicher Ansprüche beantrage ich vorsorglich, mir rückwirkend ab dem 1. Januar 2022 und für die Folgejahre eine Besoldung zu zahlen, die den Grundsätzen der amtsangemessenen Alimentation entspricht.
Mit Urteil vom 05.05.2015 (2 BvL 17/09 u.a.) hat das Bundesverfassungsgericht die Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppe R 1 in Sachsen-Anhalt in den Jahren 2008 bis 2010 als mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar erklärt und dabei die Kriterien konkretisiert, nach denen die Besoldung von Richtern und Staatsanwälten auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation zu überprüfen ist.
Mit seinen Entscheidungen zur A-Besoldung verschiedener Bundesländer (2 BvL 5/13 u.a.) hat das Bundesverfassungsgericht am 17.11.2015 die Prüfparameter weiter konkretisiert und um ein Abstandsgebot zum sozialhilferechtlichen Existenzminimum ergänzt, ohne hier zunächst noch eine operationalisierte Berechnungsmethode zur Bestimmung jenes Minimums vorzulegen. Diese Methodik hat es mit seinem Beschluss vom 04.05.2020 (2 BvL 4/18) nun rechtskräftig konkretisiert.
Mit Beschluss vom 23.05.2017 (2 BvR 883/14 u.a.) hat es dem Abstandsgebot als hergebrachtem Grundsatz des Berufsbeamtentums Verfassungsrang zugewiesen, um in seinem Urteil vom 16.10.2018 (2 BvL 2/17) noch einmal besonders hervorzuheben, dass Beamte nicht stärker als andere Berufsgruppen zur Haushaltskonsolidierung herangezogen werden dürfen; zugleich hat es den Blick dabei und noch einmal besonders auf die nötigen prozeduralen Anforderungen sowie die Gesamtwirkung, die in der jeweiligen Gesetzesbegründung besonders zu beachten ist, gelenkt.
Mit seinem aktuellen Beschluss vom 04.05.2020 (2 BvL 4/18) hat es die Prozedurarlisierungspflichten des Besoldungsgesetzgebers noch einmal konkretisiert und diese als „zweite Säule“ des Alimentationsprinzips insoweit konkretisiert, dass ein Verstoß gegen die dem Besoldungsgesetzgeber obliegenden Prozeduralisierungspflichten zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes führt, unabhängig davon, ob sich zuvor Anhaltspunkte für eine Verletzung des absoluten oder relativen Alimentationsschutzes ergeben haben (vgl. ebd., Rn. 96). Darüber hinaus hat es den prozeduralen Zusammenhang der drei Prüfungsstufen und die damit verbundenen Pflichten des Besoldungsgesetzgebers weiter konkretisiert (vgl. ebd., sechster Leitsatz und Rn. 84 f.). Schließlich hat es mit Blick auf das Mindestabstandsgebot die Bemessung der Mindestalimentation, welche als solche einen mindestens 15%igen Abstand zum sozialgesetzlichen Grundsicherungsniveau aufweisen muss, präzisiert (vgl. ebd., Rn. 46-71).
Die hessischen Beamtinnen und Beamten sind seit Jahren von der Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst abgehängt. Im Jahr 2015 wurde die Besoldung gar nicht, zum 1. Juli 2016 lediglich um 1 % (mindestens 35 Euro) erhöht. Dagegen wurden die Entgelte der Tarifbeschäftigten des Landes Hessen zum 1. März 2015 um 2 % und zum 1. April 2016 um 2,4 % (mindestens 80 Euro für die Entgeltgruppen bis EG 9) erhöht. Die - zeitlich verzögerte - Übertragung des Tarifergebnisses 2017 mit einer Erhöhung der Bezüge ab dem 1. Juli 2017 um 2 % (mindestens 75 Euro) und die Erhöhungen 2018, 2019, 2020 und 2021 können die Defizite aus den Vorjahren nicht kompensieren und auch im Kalenderjahr 2021 zu einer Unteralimentation führen. Daher mache ich hiermit vorsorglich meinen Anspruch für das Jahr 2022 geltend.
Darüber hinaus gibt es zu der Vermutung Anlass, dass es in der Prozeduralisierung der notwendigen ersten Prüfungsstufe mehrfach fehlerhaft ist und dass es auf Basis der aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18) insbesondere eine verfassungswidrig zu gering bemessene Mindestalimentation zur Grundlage der Besoldungsanpassung macht.
Zuletzt stellte der VGH Kassel am 30.11.2021 (Az. 1 A 863/18) in großen Teilen die Verfassungswidrigkeit der Besoldung vor allem in den unteren und mittleren Besoldungsklassen fest.
Hiermit lege ich Widerspruch gegen meine mir gewährte Besoldung im Kalenderjahr 2022 ein. Zugleich beantrage ich unter Hinweis auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Gewährung einer den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechenden amtsangemessenen Besoldung für das Jahr 2022, die also der Prüfmethodik des Bundesverfassungsgerichts und damit dem Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation entspricht.
Aus verfahrensökonomischen Gründen bitte ich darüber hinaus darum, bis zur endgültigen höchstrichterlichen Entscheidung meinen Antrag ruhen zu lassen sowie auf die Einrede der Verjährung zu verzichten und mir dies entsprechend schriftlich zu bestätigen.
Mit freundlichen Grüßen