Prof hier.
Deine Schwester ist noch in keinem Arbeitsverhältnis, der Professor hat nicht das Recht, Arbeitsverträge zu schließen. Bei einer Einstellung wird ein Antrag auf Einstellung an die Verwaltung der Universität geschickt, die dann den Vertrag ausstellt und den Hilfskräften zur Unterschrift zuschickt. Erst dann besteht das formale Arbeitsverhältnis. Der Professor sollte das wissen, er wird das wahrscheinlich auch Deiner Schwester kommuniziert haben und es werden entsprechende Informationen auf den Webseiten der Universität zu finden sein, dass es illegal ist, mit der Arbeit vor Vertragsbeginn zu beginnen. An meiner Universität gibt es jährliche Rundschreiben an alle Professoren, in denen das auch sehr klar kommuniziert wird. Beim Ausfüllen der Unterlagen für die Vertragsausstellung hat sie wahrscheinlich auch unterschrieben, dass diese Unterlagen noch kein Vertrag sind. Das ist zumindest bei uns so.
Es ist wichtig zu verstehen, woher diese Verwirrung kommt: In der Praxis sind die Abläufe gerade im Hilfskraftumfeld leider nicht ganz so glasklar wie in anderen Beschäftigungsumfeldern, weil es immer wieder vorkommt, dass Tätigkeiten vor Vertragsbeginn begonnen werden. Teilweise auch begonnen werden "müssen". Ein klassisches Beispiel ist, dass z.B. Übungsleiterinnen für eine Vorlesung schnell gebraucht werden, weil anstatt der geplanten 100 Leute 150 aufgetaucht sind. Da die Einstellung aber 6 Wochen dauert, das Semester aber schon nach 3.5 Monaten vorbei ist, kann es wegen derartiger Zwänge schon zu ... großzügigen ... Auslegungen des Arbeitsrechts kommen. Dies ist eines der klassischen Beispiele, wo der starre Rahmen des Arbeitsrechts mit den anderen Randbedingungen in Forschung und Lehre kollidiert.
Ich möchte hier den Prof nicht verteidigen, gerade auch, weil es leider viele Kollegen gibt, die die sowieso viel zu gering bezahlten Hilfskräfte ausnutzen. Aber man darf halt auch nicht vergessen, dass sehr viele Hilfskraftstellen den Mitarbeitern Freiheiten in der Zeiteinteilung usw. bieten, die andere Jobs nicht haben und dass die Beschäftigung von Studierenden, die gleichzeitig ein Vollzeitstudium absolvieren, etwas anderes ist, als die Vollbeschäftigung in anderen Sektoren. Zudem bieten Hilfskraftstellen häufig auch Qualifikationsmöglichkeiten um Umfeld des Studienfachs. Mit anderen Worten: wenn meine Hilfskräfte in den drei Wochen vor einer Klausur gar nichts machen, dann ist bei mir das auch ok, wenn sie die Zeit nacharbeiten, weil ich als Prof der Meinung bin, dass das Studium vorgeht, auch wenn das bei einem Vertrag mit festen wöchentlichen Arbeitszeiten eigentlich nicht geht (mit Ausnahme von Leuten, die Übungsgruppen betreuen, geht so etwas inhaltlich bei den typischen Hiwi-Jobs). Wenn man hier also als Hiwi zu sehr auf den rechtlichen Rahmenbedingungen herumpocht, dann bricht diese positive Flexibilität auch weg.
Sprich: was kann Deine Schwester machen?
1. Sie kann sich auf den rechtlich sauberen Standpunkt stellen und erst dann anfangen, wenn sie den Vertrag hat.
2. Sie kann versuchen, zu klagen. Da wird jeder erst einmal konsterniert sein, gefolgt von einem Vergleichsangebot. Danach wird sie aber keinen Hiwi-Job mehr bekommen.
3. Sie kann hier mitspielen, muss sich aber bewusst sein, dass sie sich rechtlich auf dünnem Eis bewegt und aufpassen, dass sie nicht mehr arbeitet, als bezahlt wird.
Ich empfehle Option 1 oder 3 zu wählen, wie 99% der anderen Hiwis. Und ich würde empfehlen, sich parallel über die studentische Vertretung (nicht die Gewerkschaften oder den Betriebsrat, da diese studentische Belange erfahrungsgemäß nicht verstehen) dafür einzusetzen, dass die Beschäftigung von Studierenden einen Rechtsrahmen bekommt, der auf der einen Seite die Interessen der Studierenden als Beschäftigten berücksichtigt, gleichzeitig aber nicht zu einer Reduktion der Flexibilität bei den Hiwi-Jobs in einem Masse führt, dass diese nicht mehr neben einem Studium ausgeübt werden können.