Ein Chaos wofür insbesondere die wählende Bevölkerung gegenüber seinen Politikern kaum Verständnis zeigen würde.
Dann bin ich aber auch auf das Verständnis der noch wertschöpfenden Erwerbstätigen gespannt, die selber nicht mehr wissen wie sie über die Runden kommen sollen oder ihren überschaubaren Wohlstand schwinden sehen, wenn gleichzeitig diejenigen, die von ihren Steuergeldern alimentiert werden meinen unteralimentiert zu sein.
Vielleicht ist der heraufziehende länger angelegte Abschwung der seit Jahrzehnten sehr stark von Exportüberschüssen und billiger Energie abhängigen Privatindustrie ja die Nadel, die den Traumballon jetzt zum Platzen bringt. Wenn der Kuchen zum Umverteilen kleiner wird, aber gleichzeitig immer mehr von ihm Naschen wollen, bleiben halt irgendwann nur noch Krümel übrig. Und dann stehen da ja noch die Pensionslasten mit drei- bis vierstelligen Milliardenkosten die nächsten Jahrzehnte im Raum.
Vielleicht müssen aktive Beamte sich ja doch mal solidarischer mit den aktiven Versorgungsempfängern ihrer Zunft zeigen, indem sie auf Alimentationssteigerungen verzichten und die eigenen Pensionsansprüche nicht mehr ganz so üppig ausfallen. Da hilft dann womöglich auch kein Urteil von obersten Gerichten mehr, da das auch keinen größeren Kuchen backen kann.
Das sehe ich allerdings grundlegend anders. Auf wen genau du dich mit „wertschöpfenden Erwerbstätigen“ beziehst, erschließt sich mir nicht, allerdings sehen wir ja in den aktuellen Tarifverhandlungen verschiedenster Branchen (Luftfahrt, Metall/Elektro) welch enorme Steigerungen nötig sind, wirtschaftlich durchaus durch die Unternehmen getragen werden können und demnach auch Einigungen erzielt werden.
Nur weil wir von Steuergeldern alimentiert werden (im Übrigen tragen wir diese ja selbst nicht unerheblich mit) rechtfertigt sich doch in keinem Fall, dass wir stärker zurückstecken oder mehr unter einer Inflation leiden sollen als nichtbeamtete Branchen und andere Arbeitnehmer. Zum einen haben wir, wenn man sich die Lohnentwicklung seit den 1970er Jahren ansieht schon exorbitant geringer von Entgeltsteigerungen profitiert als die Privatwirtschaft (siehe etwa die entsprechenden Vergleiche, die diese Seite zur Verfügung stellt) und Sonderopfer erbracht. Zum anderen erschließt sich mir die Grundidee dahinter schon nicht. Nur weil bspw. Brückenbau heute teurer ist als vor 15 Jahren, würde doch auch niemand auf die Idee kommen, vom Staat zu verlangen zur Einsparung jetzt einfach nur noch 85% der Brückenkosten zu bezahlen und erwarten dafür eine neue/gleich gute Brücke zu bekommen. Ganz im Gegenteil, jeder würde begreifen, dass er dann eben gar keine Brücke mehr bekommt. Da ist für jeden selbstverständlich, dass eben der Preis bezahlt werden muss, den der Markt verlangt. Und gerade die Beamten im höheren und gehobenen Dienst sind auch auf dem freien Arbeitsmarkt sehr gefragte, hoch bezahlte und gut ausgebildete Kräfte, denen kaum ein Abstieg drohen würde. Im Gegenteil sind sie aufgrund des Fachkräftemangels gefragt wie nie. Zeigt sich also der Staat weiterhin so knausrig für gut ausgebildetes Personal den marktüblichen Preis zu bezahlen, werden sich natürlich weiter Beamte zu besseren Arbeitsbedingungen (wozu im Übrigen auch für Beamte keineswegs nur die Bezüge zählen) in die Wirtschaft abwerben lassen. Nicht ohne Grund wächst die Lücke der unbesetzten Stellen im öffentlichen Dienst immer weiter und wird auch zeitnahe zu ganz erheblich spürbaren Problemen führen.
Die Unteralimentation ist übrigens auch eine durch das BVerfG und seine aufgestellten Maßstäbe feststehende Tatsache und nicht - wovon du auszugehen scheinst - eine ungerechtfertigte Meinung der Staatsbediensteten.
Auch wird der „Kuchen zum umverteilen“ keineswegs kleiner, vielmehr ist er in den vergangen Jahren stetig gewachsen und der Anteil daran, der auf die Ausgaben für den öffentlichen Dienst entfällt, ist unverändert niedrig. Die Personalkosten bleiben weitgehend inflationsbereinigt seit 1970 stabil, im selben Zeitraum hat die Staatsverschuldung dagegen erheblich zugenommen. Das spricht doch sehr dafür, dass die Kosten des öffentlichen Dienstes darauf keinen signifikanten Einfluss haben.
Inwiefern sich aktive Beamte im Hinblick auf Versorgungsempfänger solidarisch zeigen würden, wenn sie ihrerseits auf Erhöhungen verzichten, leuchtet mir absolut nicht ein; vielmehr wäre genau das Gegenteil der Fall.
Auch das Argument zu den hohen Pensionsansprüchen und Rückstellungen ist nur heiße Luft. Schließlich liegt es doch nicht am einzelnen Beamten, wie seine Ansprüche finanziert werden, noch kann man ihn dafür verantwortlich machen, dass sich der Staat (sinnvoll oder nicht) für die eine oder andere Art entschieden hat diese Ansprüche zu bedienen. Das klingt für mich so, als sollte in deinen Augen den Beamten zukünftig weniger geleistet werden, weil die Ansprüche in der Vergangenheit bereits eine Höhe von xy erreicht hätten und im Obligo stehen. Danach dürften dann aber auch alle anderen Staatsausgaben nicht mehr stattfinden, wenn sie in der Vergangenheit über Rückstellungen oder Neuverschuldung geleistet wurden. Das ist doch Quatsch. Natürlich ist das System der Pensionsrückstellungen nicht nachhaltig und politisch motiviert, indem es gegenwärtige Verpflichtungen unbekümmert in die Zukunft verschiebt. Aber das ist doch auf dem Mist der Politik gewachsen. Im Übrigen müsstest du dann auch die 30% der Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung ablehnen, die jährlich durch Bundesmittel getragen werden (alleine dieses Jahr rund 100 Mrd. €)
Abschließend noch ein Denkanstoß: Wie viele Beamte würden wohl weiterhin im Staatsdienst verbleiben, wenn man ihre (ohnehin schon gekürzten) Pensionsansprüche weiter absenken würde? Schon heute ist es für jeden Beamten eine rein mathematische Rechnung, ob auf ein höheres Monatsgehalt in der freien Wirtschaft zugunsten von später höheren Pensionsansprüche verzichtet wird (die Lücke ist im Übrigen nicht so hoch wie man meint mit einer betrieblichen AV). So viel Spielraum bleibt da nicht, bevor es wirtschaftlich keinen Sinn macht Beamter zu werden und dafür ja auch erhebliche Nachteile neben wenigen Vorteilen in Kauf zu nehmen, die unmittelbar auf das Gehalt einwirken (höhere Wochenarbeitszeit, Streikverbot, Ortsgebundenheit, Treuepflichten, kein Verhandlungsspielraum, Abhängigkeit vom Besoldungsgesetzgeber).