Autor Thema: [BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern  (Read 507025 times)

SwenTanortsch

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #465 am: 04.11.2022 11:45 »
Die Stellungnahme zeigt ein weiteres Mal präzise, dass der von Schleswig-Holstein begonnene Dammbruch des verfassungswidrig ausgestalteten Abrückens vom Alleinverdienermodell nun zum ersten Mal dazu genutzt wird, die sowieso schon seit mindestens 15 Jahren verfassungswidrig ausgestaltete Besoldung und Alimentation noch weiter abzusenken - und zwar in einem Besoldungsrechtskreis, der über die Jahre bundesweit mit den höchsten Fehlbetrag zwischen der Mindest- und gewährten Nettoalimentation aufweist, welcher also in allen Jahren ausnahmslos über 20 % gelegen hat. Genau darin liegt auch hier das rechtsstaatsgefährdende Moment verborgen, von dem unlängst Ulrich Battis gesprochen hat.

Aloha

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #466 am: 04.11.2022 12:36 »
Eine aus meiner Sicht sehr kompakte und plausible Berechnung des Verletzens der Mindestbesoldung bis mindesten A10/A11, zusätzlich belegt mit zahlreichen Kuriositäten der geplanten Änderungen. Dreist empfinde ich die Antwort des Ministeriums auf die erste Stellungnahme vom Richterverein im August:
Hingegen ist entsprechend den im Gesetzentwurf geschilderten gesellschaftlichen Entwicklungen die Mehrverdiener-Familie als neue Bezugsgröße aus hiesiger Sicht gut geeignet, um die gesellschaftliche Realität abzubilden. Dies nicht zuletzt auch im Hinblick auf das Grundsicherungsrecht, welches seitens des Bundesverfassungsgerichts als Vergleichsgröße herangezogen wird. Denn dort wird im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft eine noch viel stärkere Berücksichtigung von weiterem Einkommen und sogar vorhandenem Vermögen vorgenommen.
Mit anderen Worten: Beamte können froh sein, dass man nicht alle Familien-Einkünfte und -Vermögen bei der Besoldung berücksichtigt.

InVinoVeritas

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #467 am: 04.11.2022 12:50 »
Was schätzt ihr wird der Entwurf nochmal überarbeitet oder trotz der kritischen Stellungnahmen aus dem Beteiligungsverfahren einfach in den Landtag eingebracht und so durchgeprügelt?

Und gibt es Erfahrungen zu ähnlichen Entwürfen in der Historie der bayerischen Gesetzgebung unter vor allem CSU und FW?

SwenTanortsch

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #468 am: 04.11.2022 13:55 »
Was schätzt ihr wird der Entwurf nochmal überarbeitet oder trotz der kritischen Stellungnahmen aus dem Beteiligungsverfahren einfach in den Landtag eingebracht und so durchgeprügelt?

Und gibt es Erfahrungen zu ähnlichen Entwürfen in der Historie der bayerischen Gesetzgebung unter vor allem CSU und FW?

Es hat seit 2020 - seit der letzten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - letztlich ausnahmslos alle Besoldungsgesetzgeber nicht die in allen Gesetzgebungsverfahren dargelegte Kritik in ihrer Substanz interessiert, so wie auch die vormalige Kritik des BRV hier mit einer moralischen Begründung nicht beachtet wird. Denn das von Aloha zitierte moralische Urteil, "die Mehrverdiener-Familie als neue Bezugsgröße" sei "aus hiesiger Sicht gut geeignet, um die gesellschaftliche Realität abzubilden", könnte man nun moralphilosophisch untersuchen - als Argument in einer Gesetzesbegründung ist es allerdings kategorial fehl am Platze, da es dort nicht um die moralische Frage geht, ob etwas gut oder schlecht sei, sondern ob die Begründung sachgerecht ist oder nicht. Es ist offensichtlich solch ideologisches Spinnertum, das den verfassungsrechtlichen Auftrag an den Gesetzgeber vergessen zu haben scheint und also nicht in der Lage ist, diesem Auftrag sachlich gerecht zu werden, das sich in allen Rechtskreisen wie Mehltau über Gesetzgebungsverfahren legt. Ideologen haben keinen Grund, etwas an ihren Sichtweisen zu ändern, da (wie der gute alte Luhmann festgehalten hat) ihr Denken nicht auf das zielt, was nicht nicht ist, sondern auf das, was auch anders sein könnte. Wer also in einer Gesetzesbegründung davon ausgeht, dass etwas "gut geeignet" und nicht "sachlich geeignet, weil als Argument sachlich richtig" ist, zeigt, dass er sachlich ungeeignet ist, Gesetzgebungsverfahren zu vollziehen, auch wenn er vom Souverän mit dem Recht dazu ausgestattet ist. Auch hier zeigt sich der von Ulrich Battis unlängst hervorgehobene rechtsstaatsgefährdende Charakter solcherart betriebenen Gesetzgebungsverfahren. Es ist sachlich ungeeigneten Menschen nur mit Glück und also durch Zufall möglich, ihren rechtsstaatlichen Auftrag, sofern sie ihn erlangt haben, zu erfüllen - genau deshalb sieht unsere Verfassung im Beamtenwesen eine Bestenauswahl vor, nämlich um unter anderem vorzubeugen, dass ideologische Spinner den Rechtsstaat beschädigen - und genau deswegen, weil dort Spinnerei Sachrichtigkeit ersetzt, ist auch in Bayern nicht damit zu rechnen, dass am Gesetzentwurf noch substanzielle Änderungen vorgenommen werden würden.

"In der Höhe der Alimentation muss sich die besondere Qualität und Verantwortung eines Amtsträgers widerspiegeln [...]. Die Alimentation bildet die Voraussetzung dafür, dass sich der Beamte ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen und in rechtlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit zur Erfüllung der dem Berufsbeamtentum vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe, im politischen Kräftespiel eine stabile, gesetzestreue Verwaltung zu sichern, beitragen kann [...]. Insoweit entfaltet das Alimentationsprinzip (auch) eine Schutzfunktion für den Beamten [...]. Diese Grundsätze gelten auch für Richter. [...] Die richterliche Unabhängigkeit muss auch durch die Besoldung der Richter gewährleistet werden [...]. Die Art und Weise der Regelung von Besoldung und Versorgung des Richters sind von ganz erheblicher Bedeutung für das innere Verhältnis zu seinem Amt und für die Unbefangenheit, mit der er sich seine richterliche Unabhängigkeit bewahrt [...]. Durch die Festlegung der Besoldung in angemessener Höhe wird gewährleistet, dass der Richter unabhängig nach Gesetz und Gewissen entscheiden kann ([...] vgl. zur internationalen Perspektive zuletzt die Studie der European Commission for the Efficiency of Justice „European judicial systems – Efficiency and quality of justice“ des Europarates Nr. 26 <2018; Daten von 2016>, wonach sich die Richterbesoldung in Deutschland wie schon in den Vorjahren verglichen mit dem durchschnittlichen Bruttojahresgehalt am unteren Ende aller Mitgliedstaaten des Europarates bewegt)." (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 04. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, Rn. 87)

Dass die finanzielle Unabhängigkeit von Richtern und Beamten nicht mehr gewährleistet und offensichtlich auch nicht erwünscht ist - wäre sie erwünscht, würde der Gesetzgeber seiner verfassungsrechtlichen Pflicht nachkommen -, macht aus Beamten und Richtern entsprechend gebundene Menschen, die es in einem funktionierenden Rechtsstaat als Amtsträger nicht geben darf, um ihn als solchen zu erhalten. Neben dem Ziel, jährlich Personalkosten im Milliardenbereich einzusparen, dürfte die Auflösung von Unabhängigkeit eine von Ideologen gern gewünschte weitere Folge entsprechender Gesetzgebungsverfahren sein. Auch und insbesondere darin liegt der rechtsstaatsgefährdende Charakter solchen gesetzgeberischen Handelns.

InVinoVeritas

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #469 am: 04.11.2022 14:44 »
Dann ist das Beteiligungsverfahren eher ein Zustimm- oder Ignorierverfahren. Alleine das BVerfG mag dann nach Jahren eine Korrektur erzwingen. Es ist dann eine willentliche Herauszögerungtaktik zur Einsparung.

Existiert denn irgendeine Partei, die ohne BVerfG Zwang verfassungsgemäß alimentieren möchte oder ist es durch die Reihen hinweg populärer daran schön zu sparen?

magnifico

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #470 am: 04.11.2022 15:10 »
Der Bayerische Richterverein hat zwischenzeitlich noch mal "nachgelegt":

https://www.bayrv.de/fileadmin/Bayerischer-Richterverein/Dokumente/Stellungnahmen/22-01_Stellungnahme2_GesetzentwurfBesoldungsanpassungBVerfG2022.pdf

Nicht mehr ganz so "angriffslustig" wie beim "ersten Aufschlag", dafür ganz schön zahlenreich ... wenn es stimmt, was dort ausgerechnet wird, ist es wohl so, dass "ganz unten" in der Tabelle (A 3, verh., 2 Kd.) nach der Maßgabe der Rechtsprechung des BVerfG fast volle 10.000,00 € Jahres(netto-)einkommen fehlen.

Fast schon verständlich, dass man das im BayStMFH nicht "wahr haben" will - es dürfte einmal mehr gelten, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.

"Gegenläufig" rechnet die Stellungnahme nun explizit vor, dass selbst in der BesGr A 10 der notwendige Abstand zur vergleichbaren Grundsicherungsempfänger-Familie immer noch nicht erreicht wird - und zwar, da wollte man offenbar den "sichersten Weg" gehen, selbst mit dem neuen Orts- und Familienzuschlag Stufe 2, OK VII (=München).

Man vermisst fast schon ein "q.e.d." bezüglich des Vorwurfs, dass selbst das neue Gesetz nicht verfassungskonforme Zustände herzustellen vermag.

Ziemlich "aufs Korn" wird nun die "Umorientierung" hin zu kinderreichen Familien genommen, wobei die Kritik unter anderem lautet:

Wieso steigt der Orts- und Familienzuschlag für Familien mit einem und zwei Kinder von 2020 bis 2023 deutlich stärker als der für Familien mit drei und vier Kindern? Und wieso werden die Steigerung der Lebenshaltungskosten jenseits der (reinen) Wohnkosten, die sicherlich in München anders ausgefallen ist als in den eher "peripheren Landesteilen", quasi mit der Wohnkostensteigerung gleichgesetzt? Lebensmittel, Strom und Gas werde auch außerhalb Münchens teurer.

Persönlich gefällt mit der Vorwurf der klammheimlichen Aufgabe von der vielzitierten "Heimatstrategie", nachdem praktisch alle nicht in München (und engster Umgebung) wohnenden (verheirateten) Richter und Beamte künftig ihre Kollegen in der Landeshauptstadt subventionieren müssen.

Da wird recht unmissverständlich dargelegt, das wohl so gut wie jeder verheiratete früher oder später, insbesondere, wenn er/sie derzeit noch berücksichtigungsfähige Kinder hat, in den neuen Orts- und Familienzuschlag "absacken" wird.

Da werden sich, wenn das alles so stimmt, selbst all diejenigen "freuen" dürfen, die immerhin noch in Gegenden der Mietenstufe VI wohnen (wohl z. B. Städte wie Erding, Freising oder Wolfratshausen oder Gemeinden in den Kreisen Fürstenfeldbruck oder Starnberg):

 Dort sollen künftig immerhin noch knapp über 60,00 € statt der bisherigen fast 150,00 € ankommen ... aber auch das ist, das kann man zu rechtfertigen versuchen wie man will, nichts anderes als eine Besoldungskürzung.

SwenTanortsch

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #471 am: 04.11.2022 15:29 »
@ InVinoVeritas
In einzelnen Rechtskreisen kommt es ab und an dazu, dass sich verschiedene Parteien im Verabschiedungsverfahren enthalten, noch seltener kommt es zur Ablehnung. Grund hierfür, also für die Ablehnung, dürfte jedoch i.d.R. bislang nicht das Interesse an der Gewährleistung des Verfassungsrechts gewesen sein, sondern kurzfristige Interessen, wie bspw. vor Wahlen einen entsprechenden Anschein von Verfassungstreue zu gewährleisten. Von daher ist Ulrich Battis auch diesbezüglich zuzustimmen, der davon ausgeht, dass hier ein konzertiertes Verhalten der Parteien vorliegt. Es verwundert von daher nicht, dass nach dem Schleswig-Holsteiner Dammbruch Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und nun auch Bayern das Alleinerverdienermodell abschaff(t)en, ohne dabei auch nur in weiteren Ansätzen die gesellschaftlichen Realitäten in ihrer Komplexität zur Kenntnis zu nehmen (auch darin zeigt sich der Ideologiecharakter des Handelns). Entsprechend ist nun davon auszugehen, dass bald weitere Gesetzgeber dem Vorbild Bayern folgen und also eine ein weitere verfassungswidrige Absenkung unter das derzeitige Besoldungsniveau vornehmen werden, was in Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen noch nicht der Fall gewesen ist.

Das ideologische Momentum zeigt sich dabei auch und gerade in dieser kumulativen Radikalisierung, die autokratischen Regierungsformen gemein ist, da ein Rechtsstaat solche Radikalisierungsprozesse nicht kennt. Denn in Rechtsstaaten binden die Akteure ihr Handeln an das Recht, sodass für solch immer radikalisiertere Entrechtlichungen des öffentlichen Raums kein Platz ist. Entsprechend ist das konzertierte Handeln durchaus in den internationalen Diskurs der Krise der Demokratie einzuordnen, wie sie insbesondere Levitsky und Zibart mit ihrem Bestseller "Wie Demokratien sterben" neu angeregt haben. Solcherart konzertierte Rechtsstaatsverletzungen sind ein typisches Beispiel dafür, wenn sie wiederkehrend auftreten und dabei regelmäßig bestimmte gesellschaftlichen Gruppen betreffen, dass das politische System auf den Weg in einer defekte Demokratie ist. Dabei liegt die politische Dummheit dieses Handelns in den 17 Besoldungsrechtskreisen insbesondere darin, dass die Entrechtlichung des öffentlichen Raums gerade die gesellschaftlichen Gruppen und Akteure trifft, die verfassungsrechtlich für die Rechtsprechung und Durchsetzung des Rechts verantwortlich sind. Auch deshalb dürfte Ulrich Battis davon ausgehen, dass hier der Weg für eine Verfassungskrise geebnet wird bzw. dass diese mittlerweile offensichtlich bereits vorhanden ist - spätestens nachdem nun seit 2020 ausnahmslos in allen Rechtskreisen wissentlich und willentlich der verfassungswidrige Zustand aufrechterhalten und in Anbetracht der aktuellen Wirtschaftskrise noch einmal deutlich verschärft worden ist. Denn der Status Quo der Verfassungswidrigkeit vollzogen sich in den 2010er Jahren in einer bis 2020 properierenden Wirtschaftslage. Nun treffen die die allergrößten Teile der gesellschaftlichen Akteure betreffenden Realverluste diese Gruppe erneut besonders, wie das auch in den Krisen der 2000er Jahre der Fall gewesen ist. Die Bewältigung der vielgstaltigen aktuellen Krise wird nicht allein durch ein engagierten öffentlichen Dienst zu gewährleisten sein - ohne ihn dürfte sie allerdings nicht zu meistern sein. Da helfen auch nicht alles Bäumeumarmen und ideologiegesättigte Ankündigungen.

InVinoVeritas

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #472 am: 04.11.2022 15:55 »
Danke für die Ausführungen.

Das klingt aber traurig und nicht mehr repräsentativ. Es muss ja trotzdem noch einen Grund zur Hoffnung geben, dass unsere 17 Besoldungsgesetzgeber zur Vernunft gebracht werden. Zur Not durch die Judikative.

Der Bundesverband des Richtervereins schlägt gar eine grundsätzliche Besoldungsreform zurück zum Bund vor mit ortsspezifischen Zulagen, so wie ich es verstanden habe.

Es kann doch hoffentlich nicht endlos möglich sein die Rechtsprechung zu ignorieren. Wenngleich das stmfh natürlich in Ihren Ausführungen an den brv behauptet, es halte die Rechtsprechung ein. Offensichtlich gibt es divergierende Wirklichkeiten.

SwenTanortsch

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #473 am: 04.11.2022 16:22 »
"Divergierende Wirklichkeiten" ist ein schönes Synonym (das meine ich nicht ironisch) für das, was die Besoldungsgesetzgeber anstellen. Ins Englische übersetzt, könnte man das auch Fake News nennen: Denn tatsächlich gibt es hinsichtlich der Rechtslage keine divergierende Wirklichkeiten, da die seit 2012 vom Bundesverfassungsgericht vollzogene Rechtsprechung eindeutig ist. Die Verfassungskrise liegt nun auch darin begründet, dass die Besoldungsgesetzgeber faktisch weiterhin nicht die zunehmend ausdifferenzierte Besoldungsrechtsprechung des Bundesverfassungsgericht anerkennen, sondern stattdessen an ihren divergierenden Wirklichkeiten rumfeilen. Damit vollzieht sich dann das, was Ulrich Battis aktuell als Beschädigung des Bundesverfassungsgericht bezeichnet. Auch von daher dürfte weiterhin die angekündigte Entscheidung über die Bremer Vorlagebeschlüsse auf sich Warten lassen. Denn es ist davon auszugehen, dass das Bundesverfassungsgericht mit jener Entscheidung den weiten Entscheidungsspielraum, über den der Gesetzgeber verfügt, noch weiter einschränkt, um im Anschluss erneut zur Kenntnis zu nehmen, was dann geschieht.

Wenn dann besoldungsrechtlich der Zustand des permanenten Verfassungsbruchs weiterhin von den Gesetzgebern aufrechterhalten werden sollte, ist davon auszugehen - denke ich -, dass es nicht mehr allzu lange dauern wird, bis hinsichtlich dem sächsischen oder dem Gesetzgeber von Berlin vergangenheitsbezogene Vollstreckungsanordnungen nach § 35 BVerfGG vollzogen werden, wie ich das in der Vergangenheit auf den sie betreffenden Seiten begründet habe.

lotsch

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #474 am: 04.11.2022 16:39 »
Folgerichtig wäre es jetzt, wenn der Bayer. Richterverein (am besten zusammen mit dem Bayer. Beamtenbund) einen Ratschlag herausgeben würde, wie man sich als Beamter, Richter und Versorgungsempfänger richtig verhält, um seinen Rechtsanspruch auf eine verfassungsgemäße, amtsangemessene Alimentation geltend zu machen, und zwar für die Haushaltsjahre 2020, 2021 und 2022, für die der Freistaat Bayern auf die haushaltnahe Geltendmachung der amtsangemessenen Alimentation verzichtet hat.

lotsch

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #475 am: 04.11.2022 19:28 »
Anders als die Regierung des Saarlandes in ihrer Stellungnahme ausführt, kann der Dienstherr nicht erwarten, dass Beamte der untersten Besoldungsgruppe ihren Wohnsitz „amtsangemessen“ in dem Ort wählen, der landesweit die
niedrigsten Wohnkosten aufweist. (aus dem Beschluss des Zweiten Senats vom 4. Mai 2020
- 2 BvL 4/18 - )

Ein Beispiel wie willkürlich die Besoldungsgesetzgeber schon immer versucht haben, die Beamtenbesoldung klein zu rechnen.

Entsprechen könnte das BVerfG eines Tages über das BayBesG 2023 folgendermaßen urteilen:
Anders als die Regierung des Freistaats Bayern in ihrer Stellungnahme ausführt, kann der Dienstherr nicht erwarten, dass der Partner des Beamten der untersten Besoldungsgruppe eine Tätigkeit ausübt, mit der er 20.000,00 € brutto zum Familieneinkommen beiträgt, damit er "amtsangemessen" leben kann. >:(

Bastel

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #476 am: 04.11.2022 20:38 »
Anders als die Regierung des Saarlandes in ihrer Stellungnahme ausführt, kann der Dienstherr nicht erwarten, dass Beamte der untersten Besoldungsgruppe ihren Wohnsitz „amtsangemessen“ in dem Ort wählen, der landesweit die
niedrigsten Wohnkosten aufweist. (aus dem Beschluss des Zweiten Senats vom 4. Mai 2020
- 2 BvL 4/18 - )

Ein Beispiel wie willkürlich die Besoldungsgesetzgeber schon immer versucht haben, die Beamtenbesoldung klein zu rechnen.

Entsprechen könnte das BVerfG eines Tages über das BayBesG 2023 folgendermaßen urteilen:
Anders als die Regierung des Freistaats Bayern in ihrer Stellungnahme ausführt, kann der Dienstherr nicht erwarten, dass der Partner des Beamten der untersten Besoldungsgruppe eine Tätigkeit ausübt, mit der er 20.000,00 € brutto zum Familieneinkommen beiträgt, damit er "amtsangemessen" leben kann. >:(

20.000€… Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Die haben keine Skruppel…

Aloha

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #477 am: 04.11.2022 22:09 »
Soviel zu 20000€:

https://www.bmfsfj.de/blob/83858/928434dae7d841aadc5d2b0ef137573b/20160307-studie-mitten-im-leben-data.pdf?fbclid=IwAR1gt6YnFoZMu3SyAZTCwwPNDMuUj4Leb1Wdb6U06JObnQ7npNstk67Dk_M&mc_cid=fa78678aa9&mc_eid=44da3f7e3f

Von den verheirateten Frauen zwischen 30 und 50 Jahren haben 19 Prozent kein eigenes Einkommen und insgesamt 63 Prozent unter 1000 Euro.

InVinoVeritas

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #478 am: 04.11.2022 22:26 »
Ohja und demnach nur 6% der verheirateten Frauen über 2000 Euro.

Also deutlich mehr als 63 % bis ca. 90 % der verheirateten Frauen bringen weniger als 20.0000 Euro mit ein.... okay es handelt sich nicht nur um Beamtenpartner... es wird da
aber wahrscheinlich nicht sonderlich anders sein....

Naja laut dem Gesetzentwurf stmfh spiegelt das Miteinbringen von 20.000 Euro die Wirklichkeit wider...

Danke für die Quelle

Aloha

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #479 am: 04.11.2022 23:22 »
Gerne. Schöne Arbeit eines Bundesministeriums von 2016, die jenseits ideologischer Wunschvorstellungen zumindest eine realistische Argumentationsbasis liefert.