Dass sie bei den Unterkunftskosten 600 Euro ansetzen, kann man ihnen kaum vorwerfen, da sie eine entsprechende Auskunft von der Bundesagentur für Arbeit erhalten haben. Da stehen sogar weniger drin. Sie haben sie in meinem Prozess vorgelegt. Als ich dann die Zahlen in der DÖV sah, war ich etwas überrascht, da die auch von der Bundesagentur kommen sollen. Irgendwo ist da also der Wurm drin.
Die BfA legt dem Gesetzgeber auf Anfrage ihre Statistik zur Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in der jeweils vollzogenen "Aktualisierung der Auswertung zum Verfahren einer verfassungsrechtlichen Prüfung des Bundesbesoldungsgesetzes (Vorgang 2 BvL 4/18)" vor, zuletzt mit dem Erstellungsdatum vom 13.05.2022 mit den entsprechenden Jahresdurchschnittswerten für 2021. Diese Statistik enthält dann für jedes Bundesland fünf von der Kategorie her identische 95 %-Perzentile, die dann mit Beträgen gefüllt sind. Für die Nr. 13 Mecklenburg-Vorpommern sieht das entsprechend so aus:
"13 Mecklenburg Vorpommern
95 %-Perzentil: Kosten für Unterkunft und Heizung insgesamt 850 €
95 %-Perzentil: laufende Kosten für Unterkunft und Heizung 838 €
95 %-Perzentil: laufende Unterkunftskosten 550 €
95 %-Perzentil: laufende Heizkosten 180 €
95 %-Perzentil: laufende Betriebskosten 187 €"
Da sozialrechtlich die kalten Unterkunftskosten unabhängig von den Kosten für die Heizung zu betrachten sind, können die ersten beiden Perzentile nicht herangezogen werden. Da sozialrechtlich weiterhin mindestens kalte Unterkunftskosten und die Betriebskosten zu gewähren sind, sind in der Statistik grundsätzlich das dritte und fünfte Perzentil heranzuziehen, um die kalten Unterkunftskosten zu bemessen. Im Anschluss sind dann die Heizkosten zu ermitteln. Da hier ggf. von unangemessen zu hohen Kosten ausgegangen werden muss - sozialrechtlich muss der tatsächliche Bedarf gedeckt werden, sofern er zu rechtfertigen ist -, kann hier das vierte Perzentil ebenfalls nicht herangezogen werden. Deshalb stellt das Bundesverfassungsgericht, sofern kein regionaler Heizspiegel vorliegt, auf den Heizspiegel für Deutschland ab. Vgl. zur Methodik in der aktuellen Entscheidung die Rn. 50 ff.
Der Gesetzgeber ist folglich gezwungen, aus den fünf Perzentilen die sachgerechten auszuwählen, also die Nr. 3 und 5. Der Wurm steckt nun darin, dass man in Mecklenburg-Vorpommern die Nr. 5 offensichtlich vergessen hat. Genau das muss man einem Gesetzgeber allerdings vorwerfen, da ihn das Bundesverfassungsgericht verpflichtet, realitätsgerechte Beträge bei seinen Bemessungen zu beachten. Unterkunftskosten, die keine Betriebskosten beinhalten, sind aber nicht realitätsgerecht, da sie das geltende Sozialrecht nicht hinreichend beachten.
@ NordWest
In der Berechnung sind der BEG-Anteil und die PKV-Kosten voneinander zu trennen. Der BEG-Anteil ist steuerliche absetzbar und also bei der Steuerberechnung zu beachten. Nach der mir vorliegende Auskunft des PKV-Verbands (Stand: 30. Juni 2021) lag er 2021 bei 510,77 €. Die PKV-Kosten betrugen nach der Auskunft 633,70 €. Ich vermute, dass man in den Berechnungen noch weitere Haken findet, wenn man sich den Gesetzentwurf en detail anschaut. Das dürfte allerdings gar nicht mehr nötig sein, weil der dargestellte sachliche Fehler den Entwurf für sich genommen bereits evident sachwidrig macht, worauf ich an eurer Stelle in Mecklenburg-Vorpommern eure Gewerkschaften aufmerksam machen würde. Denn ist nicht unbedingt gesagt, dass deren Juristen den sachlichen Fehler entdecken. Denn ihnen liegen die von mir genannten Statistiken und Daten nicht unbedingt vor (ohne dass ich das von hier beurteilen könnte).