@ Kommunalbeamter
Ich habe derzeit noch keine Zeit, mir den Entwurf tiefergehend anzuschauen, habe bislang nur an zwei Stellen ein wenig tiefer hineingeschaut. Für Beamte mit Familien sind das tatsächlich - nach dem ersten Durchscrollen - deutliche Verbesserungen. Die ersten sehr deutlichen Problematiken, die mir dabei auffallen, sind aber auch nicht zu verkennen:
In Anhang 6 Anlage 13 (S. 82) werden die Familienzuschläge ab Dezember 2022 dargelegt. Hier zeigt sich wiederum, dass der auch in NRW gegebene massive Unteralimentation durch extrem erhöhte Familienzuschläge begegnet werden soll, die darüber hinaus regional differenziert werden. Damit aber wird nicht in Rechnung gestellt, dass in den letzten Jahren nicht nur die Unterkunftskoste für Familien massiv angestiegen sind, sondern dass das ein generelles Problem ist, unabhängig davon, dass die Familienzuschläge hier erneut durch ihre massive Erhöhung zu einer Art Nebenbesoldung werden. Das dürfte so kaum verfassungsrechtlichen Bestand haben können - insbesondere, weil es dazu (vielleicht habe ich es auch bislang übersehen) offensichtlich keine sachgerechte Begründung gibt.
In diesem Zusammenhang ist ebenfalls - und noch einmal verstärkt - von Interesse die nächste Anlage, nämlich die Anlage 13 zum Anhang 6 (S. 83). Hier zeigen sich jetzt die Tücken eines Vorgehens, dass den Familienstand mit dem Dienst- oder Wohnort verknüpft, um auf dieser Grundlage entsprechend die Besoldung zu differenzieren. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz folgt, dass vierköpfige Beamtenfamilien als wesentlich Gleiches gleich zu behandeln sind. Als Folge müssen nun auch die entsprechenden Familienzuschläge von Anwärtern mit Familie extrem erhöht werden. Damit aber kann hier schon nicht mehr von einer Nebenbesoldung gesprochen werden, sondern das dürfte schon eine Ersatzbesoldung sein: Denn der Anwärtergrundbetrag von 1.349,78 € in den Besoldungsgruppen A 5 bis A 8 (Anlage 12 zum Anhang 7 auf der S. 35) werden nun zum Dezember 2022 in Düsseldorf und Köln für einen verheirateten Beamten mit zwei Kindern um 927,31 €, also um knapp 70 % erhöht. Das wiederum kann ganz sicherlich hinsichtlich des Leistungsprinzips und dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht mehr sachgerecht begründet werden. Denn zwar sind Anwärter mit Familie hinsichtlich ihres Familienstands rechtlich als wesentlich ungleich gegenüber Anwärtern ohne Familie zu betrachten, können also hinsichtlich ihrer Familie anders behandelt werden. Allerdings sind Anwärter hinsichtlich ihres Anwärterstatus mit oder ohne Familie als Anwärter zunächst einmal als wesentlich Gleiches zu begreifen. So verstanden liegt hier ein elementarer Verstoß gegen das Leistungsprinzip als hergebrachtem Grundsatz des Berufsbeamtentums vor. Denn offensichtlich erfolgt hier keine Gleichbehandlung im Sinne des Leistungsprinzips mehr, die aber problemlos hergestellt werden könnte, indem eine moderate Differenzierung der Besoldung mittels Ortszuschlägen geregelt werden würde, während die ansonsten herzustellende besoldungsrechtlich gleiche Leistungsfähigkeit von Anwärtern, die sich in einem Ausbildungsverhältnisses das selbe Amt betreffend befinden, wie gehabt durch das gleiche Grundgehalt geregelt werden kann. Da so allerdings das offensichtliche Ziel ein weiteres Mal nur die Einsparung von Personalkosten vorliegt - ansonsten müssten die alle Beamten treffenden höheren Unterkunftskosten der letzten Jahre Beachtung finden -, liegt augenscheinlich kein sachlicher Grund für diese Regelung vor. Damit dürfte sie keinen Bestand vor den Gerichten haben können.
Und schließlich basiert das gesamte Fundament auf einem vorsätzlich falschen Verständnis der Besoldungsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Denn jenes hat in seiner aktuellen Entscheidung 2 BvL 4/18, Rn. 55 ff. das 95 %-Perzentil zur Grundlage der entsprechenden realitätsgerechten Bemessung des Grundsicherungsniveaus gemacht. Jenes betrug für NRW im Jahr 2020 1.000,- €. Auf dieser Basis ist das Grundsicherungsniveau als Grundlage zur Bemessung der Mindestalimentation zu berechnen. Später ist es dem Besoldungsgesetzgeber gestattet, anhand der Mietstufen des WoGG die Besoldung regional zu differenzieren (vgl. ebd., Rn. 61). Der Entwurf nimmt nun aber eben nicht das 95 %-Perzentil für die vierköpfige Bedarfsgemeinschaft zur Grundlage, sondern wechselt flugs in die aktuelle BVerfG-Entscheidung 2 BvL 6/17, um auf dessen hier nicht angezeigter Grundlage die in den unteren Mietenstufen deutlich geringeren Unterkunftskosten des Wohngeldgesetzes zu Grunde zu legen (vgl. im Entwurf auf S. 89 im ersten Absatz des Abschnitts cc). Dahingegen ist die Mindestalimentation realitätsgerecht zunächst einmal auf Grundlage des 95 %-Perzentils zu bemessen; danach können dann anhand der Mietenstufen des Wohngeldgesetzes ggf. Differenzierungen vorgenommen werden. Das dürfte einer der zentralen Gründe sein, wieso offensichtlich an keiner Stelle eine verpflichtend zu erfolgende Bemessung des Grundsicherungsniveaus und der Mindestalimentation sowie deren Gegenüberstellung der gewährten Nettoalimentation erfolgt (vgl. S. 96 ff.). Da aber alle drei Werte offensichtlich nicht ausgewiesen werden, liegt am Ende ein weiterer elementarer Verstoß gegen die vom Besoldungsgesetzgeber verpflichtend einzuhaltenden prozeduralen Anforderungen vor.
Vielleicht finde ich am Wochenende die Zeit, mir diesen Gesetzentwurf (bzw. diese Gesetzentwürfe) mal genauer anzuschauen. Die Strukturen der Missachtung des Bundesverfassungsgerichts scheint sich auch in diesem Gesetzgebungsverfahren in aller Deutlichkeit abzuzeichnen.