... Euch liegen doch alle Mailadressen und auch die Adressen eure Direktkandidaten eures Wahlkreise vor. Die freuen sich, auf ihr potenzielle Wähler zu stoßen; denn die brauchen sie jetzt.
In blindes Vertrauen auf die Vorlagenersteller wird das Stimmvieh im Parlament doch nach der Formel knapp über grundsicherndem Regelbedarf gleich Mindestalimentation gleich höchste amtsangemessene Alimentation durchvotieren und besonders auf den kommenden Beschluss ohne Debatte achten, der nach § 15 (3) AbgG zu Beginn der 18. Wahlperiode für die Dauer der Wahlperiode die jährliche Anpassung der Abgeordnetenbezüge sichert. Nichts da mit Nullrunde mehr und schön zur Hälfte an den Verbrauchspreisindex gekoppelt. Darf sich ein Abgeordneter für einen an ihn wendenden Untergeordneten einsetzen, wenn die Bruttomonatsbezüge der A 15er zu 2% sich bei seinen Bezügen nachgeordnet auswirken oder ist das bereits nach § 108e StGB Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern?
Das ist nicht meine Erfahrung mit politischen Mandatsträgern. Sicherlich dürfte auch bei ihnen der Prozentsatz von Opportunisten nicht geringer sein als im Rest der Bevölkerung. Auch gebietet der mit einer parlamentarischen Demokratie einhergehende Fraktionszwang wiederkehrende Anpassungsprozesse, die nicht selten wider besseren Wissens vollzogen werden - jedoch sind sämtliche unserer Politiker dennoch zunächst einmal Menschen aus Fleisch und Blut und also in weit überwiegendem Maße zum Zuhören fähig. Woran es ihnen dabei wiederkehrend gebricht, ist ein ausreichendes Fachwissen, das über ihr eigenes (Fach-)Wissen hinausgeht. Das ist aber wenig verwunderlich, da die Gesetzgebung alle Bereiche unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit abbildet - es kann folglich nicht die Super-Abgeordneten geben, die sich in allen Bereichen unserer sozial differenzierten Welt auskennten und dann in weiser Voraussicht widerkehrend vernünftige Entscheidungen treffen würden. Und wenn wir ehrlich sind, würde es uns nicht anders gehen, wenn wir an ihrer Stelle wären, würden wir also wiederkehrend ähnlich opportunistisch handeln (was wir in unserem eigenem Leben oft genug tun), handelten wir ebenso angepasst und ohne ausreichendem Wissen - so wie wir das ebenfalls wiederkehrend in unserem Leben tun.
Auch und gerade deshalb gibt es Lobbyismus: Denn der wirkt auf die Politik ein, indem er sie mit Wissen versorgt, das unter eigenen Interessen präsentiert wird. Die Politik ist dabei genau auf diese Lobbyisten angewiesen, um zu eigenen Meinungen zu kommen - denn Kern jeden Lobbyismus ist zunächst einmal der Wissensvorsprung des Lobbyisten, egal, ob es sich dabei um Firmenvertreter, Mitgliedern von Nicht-Regierungsorganisationen oder Wissenschaftlern handelt, die ebenso mit Interessen an die Politik herantreten.
Darin liegt also ein wichtiger Teil politischen Arbeitens (neben weiteren wichtigen Teilen): im Austausch von Wissen mit Lobbyisten - und darin unterscheidet sich ein "guter" von einem "schlechten" Politiker: Der gute wird sich nicht sogleich gemein mit einem Lobbyisten machen, der seine eigene Meinung bestätigt.
Und so verstanden gibt es hier im Forum - davon gehe ich aus - mittlerweile einige Lobbyisten, die sich nämlich deutlich besser in der Materie auskennen als der einfache Abgeordnete, dem es als solchem kaum zum Vorwurf gemacht werden kann, dass er sich in der Komplexität des Besoldungsrechts nicht ausreichend genug auskennte, um zu "guten" Entscheidungen zu kommen, da er im Laufe einer Legislaturperiode in der Regel nur ein bis zwei Mal über das jeweilige Besoldungsgesetz bzw. dessen Anpassung abstimmen muss. Es wäre fahrlässig, wenn er seine Zeit dafür verschwenden würde, sich ins Besoldungsrecht einzuarbeiten - jedenfalls solange er kein entsprechender Fachpolitiker wäre und selbst die haben in ihren Fachgebieten genug anderes zu betrachten, um halbwegs den Überblick über ihre Entscheidungen zu haben oder zu behalten. Deshalb die Lobbyisten.
Der langen Rede kurzer Sinn: Wenn man Abgeordnete mit der eigenen Meinung konfrontiert, sie auf die Probleme hinweist und das argumentativ unterfüttert, wird das ganz sicherlich nicht sogleich dazu führen, dass sie sich gegen das stellen werden, was ihre Fraktion beschließt - aber auch bei ihnen sind Denkprozesse nicht ausgeschlossen und je häufiger diese angestoßen und je häufiger sie bei mehreren von ihnen angestoßen werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Wirkung entfalten kann. Genau deshalb ist es wichtig, vor Fraktionsentscheidungen auf Politiker einzuwirken, die gleichfalls nur Menschen sind - und das ist ein mühsamer Prozess und kostet Zeit: Aber wenn nicht jener Lobbyist auf die Politik einwirkt, wirkt halt der andere auf ihn ein. Genau deshalb lassen sich die verschiedenen Interessengruppen ihren Lobbyismus so viel kosten - denn auch sie betreiben letztlich nichts anderes als Politik, bohren also stark und langsam, soll heißen: wiederkehrend die Bretter, die die Welt bewegen und haben dabei, sofern sie es sich von ihren Ressourcen leisten können, nicht nur einen Mandatsträger im Blick. Das kann man als nicht "gut"heißen - ändern wird man es in einer parlamentarischen Demokratie nicht, da ihr Rückgrat der Austausch von Informationen ist und deshalb also zwangsläufig zu Lobbyismus führen muss.
Wer so verstanden nicht mitbohrt, kann sich beklagen - wird aber in der Regel noch nicht einmal mit seinen Klagen Gehör finden, da da viel zu viele Lobbyisten davor sind, die allesamt ebenso das Gehör des Mandatsträgers erlangen wollen.
Wer mitspielt, wird meistens verlieren, solange er oder sie nicht über gehörige Manpower verfügt - aber wer nicht mitspielt, hat schon verloren.