Evtl kopier ich hier Mal den entsprechenden Betrag rein.
https://www.berliner-besoldung.de/wp-content/uploads/2022/02/Besoldungsrechtliche-Entwicklungen-in-Bund-und-Laendern-Februar-2022.pdfAb Seite 37-39
d) Nordrhein-Westfalen
Die nordrhein-westfälische Landesregierung plant im Frühjahr 2022 ein Paket von drei gesetzlichen
Regelungen, „welches neben der Übertragung der Tarifeinigung auf den Beamten- und Richterbe-
reich auch die Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Alimentation der
vierköpfigen Familie (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2020 – 2 BvL 4/18)“
vorsehe.297 Sie interpretiert damit aber bereits im Vorfeld ihrer Maßnahmen die genannte bundesver-
fassungsgerichtliche Rechtsprechung ebenfalls sachlich problematisch, da diese nicht die „Alimen-
tation der vierköpfigen Familie“ behandelt, sondern unter anderem Direktiven zur Bemessung der
Mindestalimentation erstellt, die Beachtung finden müssen bei der Prüfung des verfassungskonfor-
men Gehalts des jeweils zu betrachtenden Besoldungsgesetzes. Der verfassungskonforme Gehalt
kann dabei nicht auf die vierköpfige Beamtenfamilien verkürzt werden, da es verfassungsrechtlich
keine Regelungen geben kann, die die amtsangemessene Alimentation auf vierköpfige Beamten-
und Richterfamilien begrenzen könnten (vgl. zur prinzipiellen Problematik oben S. 10 f.).
Ohne dass jenes „Gesetzespaket“ hier im Detail betrachtet werden könnte, lässt sich die Problema-
tik der geplanten Regelungen bereits an wenigen Beispielen exemplifizieren.298 So plant ebenfalls
die nordrhein-westfälische Landesregierung der in einem hohen Maße gegebenen Unteralimentati-
on299 in Fortführung der gerade skizzierten fehlerhaften Betrachtung ab Dezember 2022 durch stark
erhöhte Familienzuschläge zu begegnen, die darüber hinaus sowohl nach Besoldungsgruppen als
auch regional differenziert werden sollen.300 Während die Differenzierung nach Besoldungsgruppen
insgesamt nur zu marginalen Unterschieden führt, hat die Differenzierung der Familienstufen nach
dem Wohnort, aufbauend auf den Wohngeldstufen des Wohngeldgesetzes, stark unterschiedliche Fa-
milienzuschlagsbeträge je Kind zur Folge.301 Bislang weisen die Familienzuschläge in der ersten
Stufe eine Höhe von 143,16 € auf und in der zweiten und dritten jeweils einheitlich 130,87 €.302 Die
geplante Neuregelung sieht in der ersten Stufe der Besoldungsgruppen A 7 und A 8 unabhängig vom
Wohnort 147,18 € vor, an einem Wohnort der Mietenstufe I in der zweiten 134,53 € und in der drit-
ten 362,08 €; an einem Wohnort der Mietenstufe VI (der höchsten in Nordrhein-Westfalen) sollen in
der zweiten Familienstufe 548,09 € und in der dritten 780,03 € gewährt werden. Während also an
einem Wohnort der Mietenstufe I die beiden ersten Familienstufen entsprechend der Tarifeinigung
im Öffentlichen Dienst der Länder um jeweils 2,8 % angehoben werden, erfährt die entsprechende
dritte Familienstufe eine Anhebung um rund 177 %. An einem Wohnort der Mietenstufe VI erfolgteine Anhebung der zweiten Familienstufe um rund 319 % und der dritten um rund 496 % gegenüber
2021.
Eine sachliche Rechtfertigung für diese Entscheidungen ist dabei dem Gesetzentwurf nicht zu ent-
nehmen.303 Spätestens die stark ungleiche Behandlung des zweiten gegenüber dem ersten Kind hätte
aber differenziert betrachtet und gerechtfertigt werden müssen, da hier offensichtlich ein System-
wechsel vorliegt, dessen Notwendigkeit sachlich zu begründen gewesen wäre, da Systemwechsel in
besonderem Maße mit Unsicherheiten behaftet und für Prognoseirrtümer anfällig sind, weshalb ge-
rade sie der besonderen prozeduralen Sorgfalt bedürfen, da vom Gesetzgeber, wenn er von der einen
auf eine andere Gestaltungsvariante übergeht, zu beachten ist, dass neben den vom Alimentations-
prinzip gestellten Anforderungen auch den sonstigen verfassungsrechtlichen Vorgaben Genüge ge-
tan wird.304 Ohne eine solche Begründung liegt hier aber offensichtlich sowohl ein Verstoß gegen
die den Besoldungsgesetzgeber treffenden Prozeduralisierungspflichten als auch gegen Art. 3 Abs. 1
GG vor. Darüber hinaus bleibt ebenfalls unklar, wieso die regionale Differenzierung an den Famili-
enzuschlag gebunden wird. Sind doch im Verlauf der letzten Jahre die Unterkunftskosten in Nord-
rhein-Westfalen nicht nur für mehrköpfige Familien, sondern generell stark angestiegen.305 Auch
von daher ist davon auszugehen, dass die geplante Regelung als elementarer Verstoß gegen Art. 3
Abs. 1 GG zu betrachten ist, da die stark erhöhten Familienzuschläge nur für einen kleinen Teil der
Beamten Verbesserungen bieten, von denen deutlich größere Teil vorsätzlich ausgeschlossen wer-
den. Zugleich liegt den gerade dargelegten Entscheidungen keine konkrete Bemessung der Mindest-
und Nettoalimentation zu Grunde, was als eine weitere Verletzung der prozeduralen Pflichten zu be-
trachten ist.306 Als Konsequenz führen die geplanten Regelungen dazu, dass ebenfalls verheirateten
Anwärtern mit zwei Kindern an einem Wohnort, der der Mietenstufe VI unterliegt, entsprechende
Familienzuschläge in Höhe von 927,31 € gewährt werden sollen.307 Damit wird der Anwärtergrund-
betrag in Höhe von 1.349,78 € allerdings um rund 69 % erhöht.308 Eine solche Regelung führte inso-
fern zu einer Art Nebenbesoldung, die sich ganz sicher nicht hinsichtlich des Leistungsprinzips und
des allgemeinen Gleichheitssatzes sachgerecht begründen ließe, da auch hier offensichtlich keine
Gleichbehandlung im Sinne des Leistungsprinzips erfolgt. Darüber hinaus sieht es das Bundesver-
fassungsgericht als praktisch selbstverständlich an, dass der Kindesunterhalt einer Familie mit ei-
nem oder zwei Kindern ganz überwiegend aus den allgemeinen, d.h. „familienneutralen“ Gehaltsbe-
standteilen bestritten werden kann, weshalb die hinzutretenden kinderbezogenen Gehaltsbestandtei-
le erheblich unterhalb der Beträge bleiben können, die die Rechtsordnung als Regelsätze für den
Kindesunterhalt als angemessen erachtet und veranschlagt.309 Auch das verdeutlicht den verfas-
sungswidrigen Gehalt der geplanten Regelung.
Am Ende basiert das Fundament insgesamt auf einem offensichtlich vorsätzlich falschen Verständ-
nis der Besoldungsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Jener Vorsatz lässt sich daran ab-
lesen, dass die entsprechende Gesetzesbegründung die zu beachtende Rechtsprechung des Bundes-
verfassungsgerichts zur Bemessung des Grundsicherungsniveaus zunächst umfassend referiert, um
sie dann allerdings hinsichtlich der Unterkunftskosten gezielt falsch anzuwenden.310 Die maßgeblichen bundesverfassungsgerichtlichen Direktiven betrachten hinsichtlich der kalten Unterkunftskos-
ten das 95 %-Perzentil als Grundlage einer realitätsgerechten Bemessung des Grundsicherungsni-
veaus und weisen eine am Wohngeld orientierte Methodik explizit zurück, da sich der Besoldungs-
gesetzgeber einer aus dem Alimentationsprinzip ergebenden Verpflichtung nicht mit Blick auf Sozi-
alleistungsansprüche entledigen kann.
311 Jenes 95 %-Perzentil betrug in Nordrhein-Westfalen im
Jahr 2020 1.000,- €.312 Darüber hinaus ist es dem Besoldungsgesetzgeber nach der realitätsgerecht
vorgenommenen Bemessung des Grundsicherungsniveaus, der Mindest- und der tatsächlich ge-
währten Nettoalimentation gestattet, anhand der Mietenstufen des Wohngeldgesetzes die Besoldung
regional zu differenzieren.313 Er darf also eine sich an den Mietenstufen orientierende Abstufungen
der Besoldung vornehmen, muss dafür aber zuvor erst einmal auch hinsichtlich der Unterkunftskos-
ten eine realitätsgerechte Basis schaffen. Denn auf dieser Basis hat eine nachfolgend vorgenomme-
ne Besoldungsdifferenzierung neben den vom Alimentationsprinzip gestellten Anforderungen auch
den sonstigen verfassungsrechtlichen Vorgaben Genüge zu tun.314 Damit hat der Besoldungsgesetz-
geber hinsichtlich der Beachtung realitätsgerechter Unterkunftskosten Sorge zu tragen, dass die von
ihm vorgenommene Regelung nicht zu einer offensichtlichen Verzerrung der Besoldungsstruktur
mit der Folge führe, dass vielfach eine (regionale) Einebnung sowohl der Wertigkeit von Ämtern als
auch der Staffelung von Gehältern zu erwarten wäre.315 Dem Gesetzespaket sind aber an keiner Stel-
le entsprechende Bemessung zu entnehmen. Dahingegen wird sachwidrig sogleich auf die Mieten-
stufen abgestellt.316 Das dürfte einer der zentralen Gründe dafür sein, dass die verpflichtend zu er-
folgende Bemessung des Grundsicherungsniveaus und der Mindestalimentation sowie die Gegen-
überstellung der gewährten Nettoalimentation unterlassen wird.317 Denn die Wohngeldsätze insbe-
sondere in den unteren Mietenstufen verfehlen das 95 %-Perzentil erheblich, wodurch keine reali-
tätsgerechte Betrachtung der kalten Unterkunftskosten möglich ist. So liegt beispielsweise der
Höchstbetrag für eine vierköpfige Familie in der Mietenstufe I bei 568,- € und damit um mehr als
40 Prozent unterhalb des 95 %-Perzentils.318
Die Kosteneinsparungen durch die offensichtlich ebenfalls nicht gleichheitsgerecht vollzogene Be-
soldungsanpassung fallen genauso wie in Baden-Württemberg immens aus. So geht die Landesre-
gierung davon aus, dass durch „die Neuregelung der Alimentation von Familien mit einem oder
zwei Kindern […] für den Landeshaushalt ab dem Jahr 2022 Mehrausgaben von jährlich rd. 445,3 €
Mio. Euro“ entstehen würden.319 Zugleich hebt sie Mehrkosten von rund 56 Mio. € durch die Erhö-
hung der Besoldungs- und Versorgungsbezüge um 2,8 % im Dezember 2022 hervor.320 Auf dieser
Grundlage ist davon auszugehen, dass durch eine einprozentige Erhöhung der Grundgehaltssätze
monatliche Mehrkosten von rund 20,- Mio. € bzw. jährlich 240 Mio. € entstehen würden. Da von ei-
ner Lücke von rund 20 % zwischen der Mindest- und tatsächlich gewährten Nettoalimentation auszugehen ist,321 würde also eine Anhebung der Grundgehaltssätze zu Mehrkosten von knapp fünf
Mrd. € führen; sie würden dann also mehr als zehn Mal so hoch liegen, worin sich der extreme Ver-
stoß gegen das allgemeine Gleichheitsgebot bricht. Da das Land 2022 von Einnahmen und Ausga-
ben von rund 87,5 Mrd. € ausgeht,322 benutzt es also weiterhin die ihm unterworfenen Beamten mit-
tels eines „Sonderopfers“ zur Haushaltskonsolidierung.