Sollte man den Familienergänzungszuschlag aufgrund einer Ermächtigung im NBesG mittels Rechtsverordnung ausgestalten, könnte er dann nicht unmittelbar mit Hilfe des Normenkontrollantrages nach § 47 VwGo angegriffen
werden? Das wäre doch mal was, dann könnte man das Vorhaben vor dem OVG leichter in die ewigen Jagdgründe schicken, als ein formelles Landesgesetz. Die Besoldung wäre damit weiterhin offensichtlich verfassungswidrig.
Bestünde diese Möglichkeit, wäre die Vorgehensweise, den Zuschlag nicht als formelles Gesetz auszugestalten, nahezu dämlich seitens des Gesetzgebers.
Das ist eine interessante Idee, deren Prüfung ich mal vorantreiben werde. Denn zwar hat der Gesetzgebungs- und Beratungsdiensts des Landtags (GBD) auf der Ausschusssitzung am vergangenen Mittwoch ausgeführt, dass seiner Meinung nach die im Gesetzentwurf im vierten Absatz des neuen § 36a geregelte Verordnungsermächtigung sachgerecht und zulässig sei. Da es hierzu - wenn ich es richtig sehe - keine vergleichbare bundesverfassungsgerichtliche Entscheidung gibt, lässt sich die Frage aber zunächst einmal wohl nicht hinreichend klären.
Da das Finanzministerium auf unklarer Grundlage aktuell von nur noch vier Anspruchsberechtigten ausgeht, denen der Familienergänzungszuschlag gewährt werden müsse, muss zunächst einmal jedoch davon auszugehen sein, dass es intern eine völlig unzureichende Bemessung des Grundsicherungsniveaus und der Mindestalimentation vorgenommen haben wird - sofern es solche Berechnungen nun endlich vorgenommen hätte; denn diese fehlen im Gesetzentwurf, was ihn für sich genommen prozedural unzureichend und damit verfassungswidrig macht -; genau diese könnte also entsprechend Deines Vorschlags angegriffen werden, da auf Grundlage der genannten Information des Finanzministeriums davon auszugehen ist, dass der Familienergänzungszuschlag materiell unzureichend gewährt werden soll.
Dabei dürfte weiterhin nicht ganz unerheblich sein, dass der geplante Familienergänzungszuschlag mit einer indiziellen Höhe von mindestens mehr als 440,- € in der niedrigsten Erfahrungsstufe der untersten Besoldungsgruppe, wie er in der genannten Untersuchung bemessen wird, nicht hinreichend sein dürfte, da der Gesetzentwurf offensichtlich von zu niedrigen Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie der Sozialtarife ausgeht, was in der Untersuchung ebenfalls beleuchtet und begründet wird. Darüber hinaus plant der Gesetzentwurf Beamte mit nur einem Kind von dem materiellen Gut auszuschließen, sodass diese in Anbetracht der Höhe dieses Guts gegenüber Beamten mit zwei Kindern unzulässig benachteiligt werden würden, was ebenfalls verfassungsrechtlich nicht haltbar sein dürfte. Auch plant die Landesregierung offensichtlich, den Familienergänzungszuschlag nach Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen differenziert zu gewähren, woraus als Folge resultierte - darauf hat der GBD in der vorletzten Sitzung berechtigt hingewiesen -, dass damit sämtliche betroffene Beamte in identischer Höhe alimentiert werden würden. Eine identische Alimentation bis einschließlich zur Besoldungsgruppe A 9/3 - denn auch diese verfehlt offensichtlich ohne diesen Familienergänzungszuschlags noch die Mindestalimentation, ohne dass auch das bislang im Gesetzgebungsverfahren anhand konkreter Berechnungen beleuchtet worden wäre - ist aber ebenfalls evident sachwidrig, da sie unstatthaft zu gewährende Abstände zwischen den unterschiedlich wertigen Ämtern einebnet. Als evident sachwidrige Regelung führt sie aber zwangsläufig dazu, dass die Norm verfassungswidrig ist.
Darüber hinaus wird sich die Anspruchsberechtigung eben nicht auf nur vier Fälle reduzieren lassen, da in den Besoldungsgruppen A 5 bis A 9 im Kernhaushalt derzeit über 11.000 Beamte alimentiert werden, von denen eine gehörige Zahl mehrere Kinder haben wird, sodass die offensichtlich betroffene Fallzahl in die Tausende gehen dürfte, worauf meines Wissens in einer aktuellen Vorlage, die gestern allen Abgeordneten zugänglich gemacht worden ist, begründet hingewiesen wurde.
Und schließlich dürfte es sich beim geplanten Familienergänzungszuschlag um eine mittelbar geschlechterdiskriminierende Regelung handeln, die als solche ebenfalls verfassungswidrig wäre. Auch dieser Nachweis wird umfassend in der genannten Untersuchung geführt, die im Auftrag der GEW Niedersachsen erstellt und der aktuellen Vorlage beigefügt worden ist sowie als solche die Grundlage für die Stellungnahme des DGB darstellt. Damit ist auch diese Betrachtung den Abgeordneten nicht erst seit gestern bekannt oder könnte ihnen zumindest bekannt sein, sofern sie sich thematisch damit auseinandergesetzt haben. Genau darauf zielt in Teilen offensichtlich auch die Frage an die Landtagspräsidentin ab; denn es dürfte schon erstaunlich sein, dass zumindest die weiblichen Abgeordneten in den Fraktionen eine solch frauenfeindliche Regelung ohne Weiteres akzeptierten. Denn von jenem Familienergänzungszuschlag werden potenziell vor allem Frauen von Beamten und weniger Männer von Beamtinnen betroffen sein, da es in einem überbordend hohen Maße vor allem Frauen sind, die nach der Geburt von Kindern ihre Berufstätigkeit einschränken, sodass die Regelung mittelbar gezielt auf sie zugeschnitten ist. Denn sofern sie ihre Teilzeittätigkeit aufgeben, um den Familienergänzungszuschlag zu erhalten, werden durch eine solche als "Herdprämie" wirkende gesetzliche Regelungen die nach wie vor deutlich geringeren beruflichen Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten von Frauen noch einmal beeinträchtigt, ihre eigenständige Existenz- und Alterssicherung erschwert, die geringeren Chancen auf berufliches Fortkommen und bessere Bezahlung als Folge von Erwerbsunterbrechungen weiterhin verschlechtert. Die geplanten rechtlichen Einwirkungen zementieren mittelbar entsprechend nicht nur ökonomische, finanzielle und partizipative Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, sondern dürften ebenso die heute weiterhin hohe Disparität in der unbezahlten Betreuungsarbeit noch weiter zulasten von Frauen verschärfen.
All das ist aber nach der sogenannten "neuen Formel" des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts verfassungswidrig, nach der das Gleichheitsgrundrecht „vor allem dann verletzt [ist], wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten" (Nußberger, in: Sachs-Battis, GG, 8. Aufl., 2018, Art. 3, Rn. 8 ff.). Auch das wird in der genannten Unteruchung noch einmal recht umfassend auf über sechs Seiten anhand recht umfangreicher Datenerhebung betrachtet und dabei auch thematisiert, dass sich die Landesregierung 2018 noch deutlich gegen ein sogenanntes "Landeserziehungsgeld" gewandt hat, das damals die AfD vorgeschlagen hatte, um nun - kaum überspitzt formuliert - eine nicht ganz unähnliche Regelung hinsichtlich der eigenen Landesbeamten einführen zu wollen, was nicht ohne argumentative Verrenkungen vonstatten geht, die so betrachtet kaum als schlüssige Begründungen betrachtet werden könnten. Eine nicht sachgerechte Begründung ist aber prozedural nicht hinreichend und mündet als solche ebenso in der Verfassungswidrigkeit.
Der langen Rede kurzer Sinn: Allein der sogenannte Familienergänzungszuschlag soll für sich genommen bereits so problematisch gesetzlich eingeführt werden, ist darüber hinaus ebenfalls kaum prozeduralisiert, basiert nämlich weitgehend nur auf einer pointiert wahrgenommenen Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts, und konterkariert wichtige die Gleichstellung der Geschlechter betreffende Ziele, die sich die Landesregierung in Bekundungen und Handlungen der Vergangenheit zueigen gemacht hat, sodass er keinerlei Chancen hat, vor einem Gericht Bestand zu haben. Darüber hinaus ist er allerdings nur eines - wenn auch offensichtlich das empörendste, da es eine reaktionäre Wirkung entfalten wird, die in der Praxis vielen Frauen von Beamten bis in den gehobenen Dienst ihre Gleichberechtigungsrechte zu einem nicht geringen Teil mittelbar nimmt - von vielen Problemen, die so offensichtlich verfassungswidrig sind, dass das jedem, der sich auch nur ein wenig in der Materie oder zumindest in unserer Rechtsordnung auskennt, nicht verborgen bleiben kann.
Insofern sollte tatsächlich geklärt werden, ob es formell zulässig ist, gegen die geplante Verordnung im Sinne des § 47 VwGO vorzugehen (formelles Recht ist leider komplex). Das sollte auf jeden Fall geprüft werden - nicht umsonst hebt die VwGO unter § 47 (2) 1 hervor, dass der Antrag, sofern er denn zulässig wäre, sich auch auf zukünftig noch zu erlassene Rechtsvorschriften erstrecken kann. Sofern er also zulässig wäre, könnte er theoretisch direkt nach der Verabschiedung des Gesetzes gestellt werden, da dann ja eine entsprechend zu erwartende Verordnung nötig wäre, um eine amtsangemessene Alimentation zu gewähren. Denn ohne diese Verordnung bliebe das Gesetz per se materiell verfassungswidrig.