Das mit der nicht möglichen Verzinsung möchte ich noch nicht unterschreiben. Es ist für Beamte auch noch nicht geklärt, ob ihnen keine Verzugspauschale nach § 288 (5) BGB zusteht, Für Arbeitnehmer ist dies geklärt, sie erhalten diese Pauschale nicht, aber eben noch nicht für Beamte. Ich selbst führe gerade ein Verfahren, bei dem dies geklärt werden soll, ob bei Fürsorgepflichtversetzungen die Verzugspauschale und eine Verzinsung zusteht. Solange das nicht geklärt ist, sollte man dies einfach einmal verlangen. Hier kommt nämlich EU-Recht ins Spiel. Ich zeige euch hier mal ein paar Gedanken von mir an meinen Anwalt.
Zu Rd.Nr. 16:
Art. 4 Abs. 4 BayBesG bezieht sich nur auf Verzugszinsen. Die Behauptung, dass sich dies auch auf § 288 Abs. 5 BGB (Verzugspauschale) bezieht ist nicht korrekt. Trotz des Art.4 Abs. 4 BayBesG konnten Beamte auch bisher Beitreibungskosten gem. § 162 VwGO geltend machen, nur nicht pauschaliert.
Zu Rd.Nr. 17:
Es handelt sich nicht um Verzugszinsen, sondern um eine Beitreibungskostenpauschale, die auf der RICHTLINIE 2011/7/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, fußt. In Abs. 16 S. 1 dieser Richtlinie heißt es, dass durch diese Richtlinie kein Gläubiger verpflichtet werden soll, Verzugszinsen zu fordern.
(19) Eine gerechte Entschädigung der Gläubiger für die aufgrund eines Zahlungsverzugs des Schuldners entstandenen Beitreibungskosten ist erforderlich, um von der Überschreitung der Zahlungsfristen abzuschrecken. In den Beitreibungskosten sollten zudem die aufgrund des Zahlungsverzugs entstandenen Verwaltungskosten und die internen Kosten enthalten sein; für diese Kosten sollte durch diese Richtlinie ein pauschaler Mindestbetrag vorgesehen werden, der mit Verzugszinsen kumuliert werden kann. Die Entschädigung in Form eines Pauschalbetrags sollte dazu dienen, die mit der Beitreibung verbundenen Verwaltungskosten und internen Kosten zu beschränken. Eine Entschädigung für die Beitreibungskosten sollte unbeschadet nationaler Bestimmungen, nach denen ein nationales Gericht dem Gläubiger eine Entschädigung für einen durch den Zahlungsverzug eines Schuldners entstandenen zusätzlichen Schaden zusprechen kann, festgelegt werden. (20) Neben einem Anspruch auf Zahlung eines Pauschalbetrages für interne Beitreibungskosten sollte der Gläubiger auch Anspruch auf Ersatz der übrigen, durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten Beitreibungskosten haben. Zu diesen Kosten sollten insbesondere Kosten zählen, die dem Gläubiger durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens entstehen.
Aus Art. 6 der o.g. Richtlinie geht klar hervor, dass es sich um eine Entschädigung für Beitreibungskosten handelt.
Zu Rd.Nr. 18:
Richtig ist es, dass es sich bei dem Zweck der Pauschale um einen Ausgleich der Beitreibungskosten handelt. Diese Beitreibungskosten konnten auch bisher gem. § 162 VwGO durch Beamte geltend gemacht werden und sind von einer Zinserhebung unabhängig zu betrachten. Der einzige Unterschied ist es, dass diese Kosten jetzt pauschalisiert sind.
Zu Rd.Nr. 19 und 20:
1) Der EuGH hat in verschiedenen Urteilen wiederholt darauf hingewiesen, dass nach EU-Recht Beamte als Arbeitnehmer zu betrachten sind.
Der EuGH hat in seiner Vorbemerkung zum Fall Kreuziger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Einzelne seine nach EU-Recht bestehenden Ansprüche unabhängig davon geltend machen kann, ob der Staat in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber oder als Hoheitsträger (Dienstherr von Beamten) handelt. In dem einen wie dem anderen Fall muss nämlich verhindert werden, dass der Staat aus der Nichtbeachtung des Unionsrechts Nutzen ziehen kann.
Es kommt somit grundsätzlich nicht auf den Status (als Beamter und/oder Angestellter) an, sobald, wie hier, ein Bezug zum EU-Recht besteht.
Die Vergleichbarkeit von Beschäftigten ist von allgemeiner Bedeutung für alle Sachverhalte, in denen der allgemeine Grundsatz der Gleichbehandlung des Unionsrechts gemäß Art. 20 EU-GRCh anzuwenden ist, was daraus folgt, dass nationales Recht gem. Art. 51 Abs. 1 EU-GRCh – objektiv – der Durchführung von Unionsrecht dient, auch wenn kein ausdrücklicher Bezug darauf erfolgen sollte. Im Recht der Mitgliedstaaten vorgenommene Statuseinteilungen sind insoweit als solche daher ohne Relevanz; denn eine Differenzierung ist nur in Bezug auf die jeweilige Beschäftigungsbedingung und einen objektiven Unterschied in der Aufgabenstellung rechtfertigungsfähig. Eine Vergleichbarkeit besteht schon dann, wenn Arbeitnehmer und Beamte in den gleichen Aufgabenfeldern eingesetzt werden und die gleiche berufliche Verantwortung haben, wie das bei Lehrkräften, den meisten Kommunalbeschäftigten, aber auch in vielen anderen Verwaltungsbereichen einschließlich der in Ministerien Tätigen der Fall ist (a. a. O.). (vgl. von Roetteken, jurisPR-ArbR 29/2019 Anm.)
2). Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber Arbeitnehmer aus dem Kreis der Gläubiger iSv. § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB bewusst ausnehmen und insoweit bewusst zwischen unterschiedlichen Gruppen von Gläubigern, dh. hier Verbrauchern differenzieren wollte, sind nicht ersichtlich. Sie ergeben sich weder aus der Systematik der Bestimmung noch aus den Gesetzesmaterialien, insbesondere hat eine Bereichsausnahme für Arbeitsverhältnisse keinen Anklang im Wortlaut der Bestimmung gefunden (zu diesen Kriterien vgl.: BVerfG 4. Juli 2018 - 1 BvR 3041/13 -; 6. Juni 2018 - 1 BvL 7/14 ua. - Rn. 73, 74).
Für die An¬wend¬bar¬keit von § 288 Abs.5 BGB zu¬guns¬ten von Ar¬beit¬neh¬mern in Fällen des Lohn¬ver¬zugs spre¬chen fol¬gen¬de Über¬le¬gun¬gen:
• Ar¬beit¬neh¬mer sind "Gläubi¬ger ei¬ner Ent¬gelt¬for¬de¬rung". Denn sie ha¬ben ei¬nen An¬spruch auf Zah¬lung von Lohn bzw. Ge¬halt, das der Ar¬beit¬ge¬ber für die er¬hal¬te¬ne Ar¬beits¬leis-tung be¬zah¬len muss.
• Der Ar¬beit¬ge¬ber ist kein Ver¬brau¬cher, son¬dern Un¬ter¬neh¬mer im Sin¬ne von § 14 Abs.1 BGB. Da¬nach ist Un¬ter¬neh¬mer je¬de "natürli¬che oder ju¬ris¬ti¬sche Per¬son oder ei¬ne rechtsfähi¬ge Per¬so¬nen¬ge¬sell¬schaft, die bei Ab¬schluss ei¬nes Rechts¬geschäfts in Ausübung ih¬rer ge¬werb¬li¬chen oder selbständi¬gen be¬ruf¬li¬chen Tätig¬keit han¬delt."
Außerdem ist §288 Abs. 5 BGB die jüngere Regel und hat somit nach der juristischen Methodenlehre Vorrang und verdrängt die ältere Regel.
Vor die¬sem Hin¬ter¬grund hätte der Ge¬setz¬ge¬ber, bei Er¬lass des § 288 Abs.5 BGB des¬sen Un¬an-wend¬bar¬keit im Ar¬beits¬recht aus¬drück¬lich klar¬stel¬len müssen, wenn er denn ge¬wollt hätte, dass Ar¬beit¬neh¬mern kei¬ne 40-Eu¬ro-Pau¬scha¬le zu¬ste¬hen soll. Ei¬ne sol¬che Klar¬stel¬lung fin¬det sich aber in den Ge¬set¬zes¬ma¬te¬ria¬li¬en nicht (Ar¬beits¬ge¬richt Köln, Ur¬teil vom 14.02.2019, 8 Ca 4245/18, Ur¬teil, Leit¬satz 4.).
Weiter heißt es in dem Ur¬teil des Ar¬beits¬ge¬richts Köln (Rn.108 bis 111):
"Ein Ge¬richt kann ei¬ne bun¬des¬ge¬setz¬li¬che Norm nicht ein¬fach un¬an¬ge¬wen¬det la¬sen (...) In¬so-fern hat auch jüngst der 1. Se¬nat des Bun¬des¬ver¬fas¬sungs¬ge¬richts (...) ent¬schie¬den, dass rich-ter¬li¬che Rechts¬fort¬bil¬dung den kla¬ren Wil¬len des Ge¬setz¬ge¬bers nicht über¬ge¬hen und durch ein ei¬ge¬nes Re¬ge¬lungs¬mo¬dell er¬set¬zen darf (...). Im Zwei¬fels¬fall ist ei¬ne ge¬setz¬li¬che Re¬ge¬lung so an¬zu¬wen¬den, wie sie im Ge¬setz steht."
Fa¬zit: Es ist zwar kei¬ne wirt¬schaft¬lich sehr be¬deut¬sa¬me Fra¬ge, ob Ar¬beit¬neh¬mer bei Zah¬lungs-ver¬zug des Ar¬beit¬ge¬bers die 40-Eu¬ro-Pau¬scha¬le gemäß § 288 Abs.5 BGB ver¬lan¬gen können oder nicht. Das Ar¬beits¬ge¬richt Köln hat aber zu¬recht deut¬lich ge¬macht, dass es bei die¬ser Fra-ge ums Prin¬zip geht, nämlich um die Ge¬set¬zes¬bin¬dung der Jus¬tiz. (ARBEITSRECHT AKTUELL // 19/118 Hensche Rechtsanwälte)
Zu Rd.Nr. 23:
Es wäre vom Gericht zu prüfen, ob Art. 4 Abs. 4 BayBesG aufgrund der o.g. EU-Richtlinie mit EU-Recht und mit § 288 Abs. 5 BGB vereinbar ist. (siehe Art.7 Nachteilige Vertragsklauseln und Praktiken) Wir verweisen auf den Grundsatz, Bundesrecht bricht Landesrecht hin. § 288 Abs. 5 und die Richtlinie 2011/7/EU sind als höherwertiges Recht zu bevorzugen. Aus diesem Grunde beantragen wir auch eine ordnungsgemäße Verzinsung.
Falls unionsrechtliche Bedenken vorliegen und diese entscheidungserheblich sind, regen wir an, die diesbezügliche Rechtsfrage dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahren vorzulegen