Ich habe die Drucksache gestern nur kurz überflogen. Wenn ich es richtig sehe, hat sich zur Anhörungsfassung bis auf graduelle Änderungen nichts grundlegend verändert. Die in der Anhörungsfassung dargelegten Maßnahmen waren:
1. Anhebung der jährlichen Sonderzahlung in den Besoldungsgruppen A 5 bis A 8 von 920,- € auf 1.200,- € und ab A 9 aufwärts von 300,- € auf 500,- € (Art. 1, Ziff. 2a). Erhöhung der Sonderzahlung für die ersten beiden Kinder von bislang 170,- € auf 250,- € (Art. 1, Ziff. 2b).
2. Wegfall der ersten Erfahrungsstufe in den Besoldungsgruppen A 5 bis A 7 und entsprechende Überleitung der betroffenen Beamten (Art. 1 Ziff. 3).
3. Erhöhung des kinderbezogenen Familienzuschlag um monatlich 100,- € pro Kind bis einschließlich der Besoldungsgruppe A 8 (Art. 1 Ziff. 5).
4. Einführung eines offensichtlich gestaffelten "Familienergänzungszuschlags" von indiziell brutto mindestens mehr als 440,- € pro Monat (Art. 1 Ziff. 1) in der niedrigsten Erfahrungsstufe der untersten Besoldungsgruppe (netto dürfte der Betrag bei mindestens rund 330,- € liegen). Dieser Wert muss selbstständig berechnet werden, da die Begründung weder das Grundsicherungsniveau noch die Mindestalimentation bemisst. Da zumindest die Kosten für Bildung und Teilhabe sowie für die Sozialtarife deutlich zu gering bemessen werden - die KiTa-Gebühren für die ersten drei Lebensjahre werden gezielt vernachlässigt -, wird der sog. "Familienergänzungszuschlag" in der Realität deutlich höher liegen müssen (in der Realität netto um mindestens rund 100,- €).
Die letzte Anmerkung weist bereits darauf hin, dass der Entwurf vielfach nicht sachgemäß prozeduralisiert ist, was das geplante Gesetz bereits für sich genommen verfassungswidrig macht. Darüber hinaus führt, wie hier schon zurecht angemerkt wurde (ich weiß nicht mehr genau von wem), die geplante Regelung dazu, dass ein verheirateter Beamter mit zwei Kindern in der Eingangsstufe der Besoldungsgruppe A 8 am Ende pro Monat brutto rund 15,- € mehr Gehalt erhalten wird als ein entsprechender Beamter in der Besoldungsgruppe A 9, was evident verfassungswidrig ist. Schließlich sollte der sog. "Familienergänzungszuschlag" in der Realität mittelbar geschlechterdiskriminierend sein, da er hinsichtlich von Art. 3 GG die sogenannte "neue" Formel des ersten Senats des Bundesverfasungsgerichts nicht beachtet, nach der das Gleichheitsgrundrecht "vor allem dann verletzt [ist], wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten" (Nußberger, in: Sachs-Battis, GG, 8. Aufl., 2018, Art. 3, Rn. 8 ff.). All das wird umfassend in der bereits genannten Stellungnahme gezeigt und dort jeweils umfassend begründet, weshalb's am Ende gut 60 Seiten geworden sein dürften, denke ich. Diese dürfte der Landesregierung bekannt sein, da sie offensichtlich in Hannover zirkuliert, nicht umsonst sieht sich die Landesregierung in der Begründung gezwungen, auf der S. 13 von Nds. Drs. 18/11498 unter der Nr. 4 gegenüber der Anhörungsfassung einen neuen Absatz einzufügen:
"Der Gesetzentwurf unterscheidet insbesondere bezüglich des Familienergänzungszuschlags weder
zwischen alleinverdienenden noch zwischen hinzuverdienenden Frauen und Männern. Die Alleinver-
dienerfamilie stellt heute nicht mehr das bevorzugte Lebensmodell in der gesamtgesellschaftlichen
Realität dar. Auf Grundlage allgemeiner statistischer Auswertungen ist heute vielmehr die Doppel-
oder Hinzuverdienerehe als gesellschaftliches Grundmodell anzusehen. Der vorgesehene Famili-
energänzungszuschlag ist aufgrund seiner Höhe nicht geeignet, Frauen und Männer von der Aus-
übung einer beruflichen Tätigkeit abzuhalten. Allenfalls in Einzelfällen könnte es für den hinzuverdie-
nenden Ehe- oder Lebenspartner finanziell günstiger sein, den Umfang ihrer oder seiner Tätigkeit zu
verringern oder diese ganz aufzugeben."
Da die allgemeinen statistischen Auswertungen weiterhin fehlen, einzige statistische Auswertung eine allgemeine Presseerklärung des statistischen Bundesamts ist, dahingegen sämtliche differenzierte Daten des Sozialministeriums nicht betrachtet werden, ist der gerade zitierte behauptende Zusatz sachlich weiterhin ungenügend, um eine so weitgehende rechtliche Regelung wie die Aufgabe des "Alleinverdienerprinzips" und die Einführung eines sog. Familienergänzungszuschlags vornehmen zu wollen, was am Ende die familienbezogenen Bezügebstandteile von derzeit monatlich rund 437,- € um indiziell mindestens knapp 650,- € (in der Realität wird dieser Wert deutlich höher liegen, s.o.) auf über 1.080,-, also um mehr als 150 %, erhöhen soll, sodass die familienbezogenen Besoldungskomponenten einer vierköpfigen Famile am Ende mindestens 30 % betragen - derzeit sind es rund 15 %.