Frank Hennings Antwort ist interessant. Tatsächlich ist das Anhörungsverfahren - soweit ist das, was er schreibt, sachlich richtig - bislang zweigeteilt verlaufen. Nach einer ersten Anhörung ist der ursprüngliche Gesetzentwurf noch geringfügig verändert worden, um dann mit der Nummer 18/11498 als Drucksache zu erscheinen, nachdem er vom Kabinett ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden ist. Die geringsfügige Änderung betraf vor allem die Erhöhung des kinderbezogenen Familienzuschlags, der in der ursprünglichen Fassung des Finanzministeriums pro Kind bis zur Besoldungsgruppe A 8 um monatlich 100,- € erhöht werden sollte. Als Folge wäre daraufhin in der Eingangstufe der Besoldungsgruppe A 8 einem verheirateten Beamten mit zwei Kindern eine höhere Besoldung als einem entsprechenden in der Besoldungsgruppe A 9 gewährt worden, was im Finanzministerium offensichtlich niemandem aufgefallen war, da entsprechende Berechnungen - zumindest im Gesetzentwurf - nicht vorgenommen worden waren. Nach der Kritik an dieser evident sachwidrigen Regelung soll im aktuellen Gesetzentwurf nun die entsprechende Erhöhung bis zur Besoldungsgruppe A 9 vollzogen werden - diese Änderung wird dort stillschweigend vorgenommen -, was zur Folge hätte, dass nun dem genannten Beamten in der Besoldungsgruppe A 9 eine - wenn auch im Ganzen gesehen "nur" um 6 Cent - höhere Besoldung gewährt werden würde als einem entsprechenden der Besoldungsgruppe A 10, was im Kabinett offensichtlich niemandem aufgefallen ist, da entsprechende Berechnungen - zumindest im aktuellen Gesetzentwurf - weiterhin nicht vorgenommen worden sind. Damit ist nun auch diese aktualisierte Regelung evident sachwidrig und also verfassungswidrig, worauf die Landesregierung erneut hingewiesen worden ist.
Weitere substanzielle Änderungen zwischen der ersten und der aktuellen zweiten Anhörungsfassung finden sich nicht. Sofern die Juristen des Gesetzgebungs- und Beratungsdiensts (GBD) des Landtags den aktuellen Entwurf für verfassungskonform halten sollten - wie Frank Henning betont -, dann ist das sicherlich in Anbetracht der massiven verfassungsrechtlichen Verstöße, die auch der aktuelle Entwurf beinhaltet, umfassend schriftlich von ihm vollzogen worden und wird dann diese Stellungnahme des GBD übermorgen sicherlich dem Ausschuss für Haushalt und Finanzen vorgelegt und danach veröffentlicht. Der aktuellen Einladung ist das bislang zwar nicht zu entnehmen (vgl. TOP 6 a unter
https://www.landtag-niedersachsen.de/parlamentsdokumente/tagesordnungen_ausschuesse/18_wp/afhuf/Einl-165-Si-We_am_07.09.2022.pdf); aber das wird dann bestimmt noch nachgeholt. Schließlich könnten sich sicherlich auch die Juristen des GBD die vielen Verfassungsverstöße gar nicht merken, wenn sie sie nicht schriftlich festhalten würden. Es dürfte dann zugleich interessant werden, wie sie sie sachlich entkräften haben sollen - oder wie Frank Henning schreibt: "Die regierungstragenden Fraktionen haben sich der Auffassung der Juristen des GBD und des Ministeriums angeschlossen, dass eine verfassungskonforme Regelung gefunden wurde, daher wird der Gesetzentwurf im September auch mit meiner Stimme beschlossen."
Da der Gesetzentwurf weder eine Bemessung des Grundsicherungsniveaus noch der Mindest- und gewährten Nettoalimentation vornimmt, kann er bereits prozedural keinen Bestand vor dem Bundesverfassungsgericht haben, da sämtliche geplanten Entscheidungen nicht über den Rang von zufälligen Einzelmaßnahmen hinausgelangen. Denn ohne entsprechende Berechnungen kann nicht geprüft werden, ob die Mindestalimentation erreicht wird. Darüber hinaus würde die einem verheirateten Beamten mit zwei Kindern in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe gewährte Nettoalimentation die Mindestalimentation um deutlich mehr als 400,- € unterschreiten, sofern nicht ein sog. "Familienergänzungszuschlag" eingeführt werden würde, den allerdings der Wissenschaftliche Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtag als verfassungswidrig betrachtet hat. Da der GBD das nach Darstellung Frank Hennings anders sehen muss, dürfte es interessant sein, wie jener GBD die sachlich schlagende Kritik des genannten Wissenschaftlichen Diensts entkräften möchte. Auch geht mit jener geplanten Regelung eine sog. "mittelbare Geschlechterdiskriminierung" einher, die als solche verfassungswidrig ist. Auch das dürfte - da sie ebenso umfassend begründet worden ist - nur in einer recht umfangreichen Betrachtung als nicht verfassungswidrig zu entkräften versucht werden können. Insofern dürfte auch diese offensichtlich umfassende schriftliche Betrachtung des GBD sehr interessant werden, was sich ebenso hinsichtlich der unzureichenden Prozeduralisierung des Eingriffs in das Alimentationsprinzips verhält und in den in ihren Folgen nicht absehbaren unterschiedlichen Anhebungen der jährlichen Sonderzahlungen sowie entsprechend in der Streichung erster Erfahrungsstufen nicht anders ist.
Man darf also der umfassenden Darlegung des GBD mit Spannung entgegensehen.