Hab zunächst vielen Dank für Deine Worte, Kirk, über die ich mich freue; denn sofern es mir gelingt, trotz oder manchmal auch wegen der Länge meiner Beiträge das komplexe Thema ein wenig klarer zu machen, erreiche ich eines meiner Ziele.
Weiterhin bleibt mir unklar, woher die Ansicht stammt, dass auch zu Niedersachsen eine Entscheidung bis Ende März fallen solle bzw. diese zeitnah bevorstehe. Insofern bin ich weiterhin unschlüssig, ob hier nicht eher eine Fehlinterpretation vorliegt. Denn ich sehe zunächst einmal keinen Grund, wieso das Bundesverfassungsgericht zeitgleich über die für das letzte Jahr angekündigte Entscheidung zu den fünf bremische Vorlagebeschlüssen 2 BvL 2/16 u.a., die das VG Bremen im März 2016 verkündet hat, und die weiterhin nicht angekündigten zwei niedersächsischen Vorlagebeschlüsse 2 BvL 10/17 u.a befinden sollte, welche letztere beide das Bundesverwaltungsgericht Ende Oktober 2018 gefällt hat und die den Zeitraum 2005 bis 2012 (indirekt auch 2013) sowie 2014 und 2015 betrachten.
Wie schon in der Vergangenheit mehrfach geschrieben, hat das Bundesverfassungsgericht m.E. gezielt die fünf bremischen Vorlagebeschlüsse im letzten Jahr zur Entscheidung ausgewählt. Denn in jenen Entscheidungen wird zunächst sowohl über die Alimentation der Besoldungsordnung A anhand der Besoldungsgruppen A 6 bzw. A 7, A 11 und A 13 entschieden als auch über die R- und C-Besoldungsordnung anhand der Besoldungsgruppen R 1 und C 3. Damit besteht für das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit, die drei Besoldungsordnungen ggf. in ihrem Zusammenhang hinsichtlich des jeweils zu betrachtenden Klagezeitraum 2013 und 2014 zu betrachten. Es sollte wahrscheinlich sein, dass hierzu in der Entscheidungsbegründung Anmerkungen erfolgen werden, schätze ich, das also eine Verbindung nicht zuletzt hinsichtlich des Abstandsgebots zwischen den Besoldungsgruppen geucht und hergestellt wird. Darin - so vermute ich - dürfte einer der sachlichen Gründe liegen, wieso das Bundesverfassungsgericht sich im Frühjahr 2022 die bremischen Vorlageverfahren zur Entscheidung ausgesucht hat.
Darüber hinaus hat das VG Bremen in drei Fällen, nämlich in jenen die Besoldungsgruppe R 1, C 3 und A 13 betreffend, eine materiell unzureichende Alimentation erkannt, nachdem drei der fünf Parameter der ersten Prüfungsstufe - nicht aber die Betrachtung der Mindestalimentation (nach Maßgabe der Bemessung des Grundsicherungsniveaus auf durchgehender Grundlage von Regelsätzen, wie das seit der aktuellen Entscheidung vom 04. Mai 2020 so nun obsolet ist) - die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation indiziert hatten, was auf der zweiten Prüfungsstufe erhärtet worden ist und durch die dritte nicht auszuschließen war. Es ist zu vermuten, dass das Bundesverfassungsgericht diese Entscheidungen bestätigen wird und dabei seine aktuelle Entscheidung hinsichtlich der Bemessung des Grundsicherungsniveaus und der gewährten Nettoalimentation zur Anwendung bringen wird - damit sollte es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ebenso den Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau als in eklatanter Weise verletzt ansehen, was wegen jener eklatanten Verletzung des absoluten Alimentationsschutzes noch einmal umso gewichtiger ist oder wäre. Denn neben der Verletzung von grundrechtsgleichem Recht sind nun auch mindestens in einer nicht geringen Zahl an Einzelfällen ebenfalls schwere Grundrechtsverletzungen zu verzeichnen; als solches ist die gezielte Alimentationspraxis des sich in einem Sonderrchtsverhältnis befindenden Beamten zu begreifen, der (gemeinsam mit seiner Familie) unterhalb des Grundsicherungsniveaus alimentiert wird und anders als Grundsicherungsempfänger von entsprechenden Sozialleistungen ausgeschlossen bleibt (wie bspw. den kostenlosen KiTa-Platz für unter dreijährige Kinder). Interessant dürfte es werden, ob das Bundesverfassungsgericht dabei seine aktuelle Rechtsprechung zur Mindestbesoldung präzisiert, was sehr erfreulich wäre, da damit dann vermutlich die Bedeutung des vierten Prüfparameters der ersten Prüfungsstufe weiterhin präzisiert werden würde, also die beiden Abstansgebote in ihrem Zusammenhang. Damit wäre ein indizielles Mittel gegeben, um den Grad der Verletzung der Besoldungsordnung A zu betrachten, womit zugleich die Frage klärbar wäre, dass oder inweifern Grundgehaltssätze zu erhöhen wären, um den Qualitätserhalt der öffentlichen Verwaltung zu sichern. Soweit also die materielle Dimension der entsprechenden drei Entscheidungen, die die Besoldungsordnungen A, R und C betreffen. Auch deshalb - so vermute ich - wird das Bundesverfassungsgericht genau jene Vorlagebeschlüsse im Frühjahr 2022 zur Entscheidung ausgesucht haben, nachdem man auch in Karlsruhe erkennen musste, wie die Entscheidung 2 BvL 4/18 von den Gesetzgebern bis dahin gezielt missverstanden worden ist.
Darüber hinaus sind ebenso die beiden weiteren Entscheidungen zur Besoldungsordnung A von Interesse, die Besoldungsgruppe A 6 bzw. A 7 betreffend sowie die Besoldungsgruppe A 11. Denn das Verwaltungsgericht hat 2016 in jenen beiden Fällen nur zwei der fünf Parameter der ersten Prüfungsstufe als überschritten angesehen (ebenso ebenfalls nicht die Verletzung des Mindestabstandsgebots) und war daraufhin nicht in die Betrachtung der weiteren Prüfungsstufen eingetreten, was es nach 2020 so (unabhängig von der Betrachtung des Mindestabstandsgebots) nicht mehr getan hätte. Materiell ist also in diesen Fällen diesbezüglich nichts Neues von der angekündigten Entscheidung zu erwarten; hier wird es materiell, so ist begründet zu vermuten, um eine Anwendung der Rechtsprechung nicht zuletzt des 04. Mais 2020 gehen, durch die die sog. "Drei-Paremeter-Regel" zur ersten Prüfungsstufe obsolet geworden ist.
Darüber hinaus hat es aber auch in diesen beiden Fällen einen erheblichen Verstoß gegen die den Gesetzgeber treffenden Begründungspflichten konstatiert und deshalb zwei Vorlagen formuliert, die die Verfassungswidrigkeit der Norm erkannte, eben aus prozeduralen Gründen. Es wird sich in diesen beiden Fällen nun zeigen müssen, ob das Bundesverfassungsgericht dem folgt, was aus zweierlei Gründen von Interesse ist: Erstens ist die sachliche Begründung des Verwaltungsgerichts hier eher dünn. Womöglich wird das Bundesverfassungsgericht deshalb der jeweiligen Vorlage nicht folgen, und zwar nicht, indem es die Fälle sachlich zurückweist, sondern indem es die Entscheidungserheblichkeit nicht prüfen kann. Damit würde es nun die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht zum ersten Mal an seine Begründungspflichten erinnern. Zweitens wird es dem Verwaltungsgericht womöglich auch in diesen Fällen folgen, obgleich eine sachlich eher dünne Begründung hinsichtlich der Verletzung der prozeduralen Pflichten des Gesetzgebers vorliegt - die Wahrscheinlichkeit für diesen zweiten Fall ist durch die aktuelle Entscheidung zur Parteienfinanzierung offensichtlich gestiegen, so wie ich das Ende des letzten Monats auf der Seite der Bundesbeamten begründet habe. Damit läge - sofern nun die dort dargelegten Ausführungen zu den Begründungspflichten des Gesetzgebers hinsichtlich der Parteienfinanzierung weitgehend auf die der Besoldungsgesetzgebung übertragen werden würden (was ich zumindest in weitgehender Form für wahrscheinlich erachte) - für die Gesetzgeber der worst case hinsichtlich der "zweiten Säule" des Alimentationsprinzips vor. Denn hinsichtlich der von der Entscheidung vom 24. Januar - 2 BvF 2/18 - präzisierten Pflichten sind die Anforderungen an den Gesetzgeber so hoch, dass offensichtlich keines der seit spätestens 2021 vollzogenen Gesetzgebungsverfahren prozedural Bestand haben könnte, denke ich. Deshalb habe ich in der Vergangenheit wiederholt hervorgehoben, dass die bremischen Verfahren ein wichtige Bedeutung hinsichtlich der Prozeduralisierungspflichten des Gesetzgebers haben werden. Es wird jetzt interessant werden, ob und ggf. wie weit das Bundesverfassungsgericht in der anstehenden Entscheidung 2 BvL 2/16 u.a. hinsichtlich der prozeduralen Pflichten des Gesetzgbers den Begründungen der Entscheidung 2 BvF 2/18 folgt. Die Wahrscheinlichkeit dafür dürfte meines Erachtens nicht gering sein, nicht umsonst ist an wichtigen Stellen der Entscheidung 2 BvF 2/18 der direkte Bezug zur Entschedung 2 BvL 4/18 gesucht worden. Sofern das Gericht die in der Entscheidung 2 BvF 2/18 dargelegten prozeduralen Pflichten des Gesetzgebers weitgehend auf die Besoldungsgesetzgebung übertragen sollte, wäre der weite Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers auch prozedural recht erheblich eingeschränkt. Denn viele der für ihn - dem Gesetzgeber und Dienstherrn - wünschenswerten Entscheidungen wären dann nicht mehr so einfach prozeduralisierungsfähig, da bzw. wenn keine entsprechenden Bedarfe konkret nachweisbar wären, wie sie dann auch hinsichtlich der familienbezogenen Besoldungskomponenten nötig wären.
Mit alledem haben die beiden niedersächsischen Entscheidungen so zunächst einmal wenig zu tun. An ihnen kann auf den ersten Blick relativ wenig Neues geklärt werden, was nicht schon bereits oder gerade bereits hinsichtlich der bremischen Fälle geklärt werden kann. Insofern gibt es sachlich meines Erachtens so betrachtet keinen tieferen keinen Grund, die bremische mit der niedersächsischen Entscheidung zeitlich zu verknüpfen. Entsprechend hat das Bundesverfassungsgericht im Frühjahr 2022 auch nicht eine entsprechende Verknüpfung (implizit) gesucht, indem es ebenso eine Entscheidung in den beiden niedersächsischen Fällen angekündigt hätte. Was passieren könnte, wäre, das neue Direktiven anhand der bremischen Fälle erlassen werden und sie dann direkt auf die niedersächsischen angewendet werden würden - aber bislang sehe ich dafür weiterhin erst einmal keine direkten Grund. Insofern beruht die in Hannover zu findende konkrete Furcht vor einer anstehenden Entscheidung eventuell ihren Grund nach in einer generellen Furcht und wäre dann nur eine Chimäre - also dass die Entscheidung nun anstände. Denn die sachliche Furcht vor jener Entscheidung ist mehr als berechtigt berechtigt. Die beiden bundesverwaltungsgerichtlichen Vorlageentscheidungen des Jahres 2018 halten sich von ihrer Begründung so eng an der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2017, das die Vorlage für die Entscheidung 2 BvL 4/18 darstellte, dass keine andere Entscheidung des Bundesverfassungsgericht erwartbar wäre als die Reproduktion jener aktuellen Entscheidung 2 BvL 4/18 in seiner Begründung der Fälle 2 BvL 10/17 u.a.
Sofern es sich um keine Chimäre handelte, dass eine Entscheidung zu Niedersachsen anstände, könnte ich mir noch eine andere Konstellation vorstellen - aber das ist ebenfalls eine reine Vermutung auf Grundlage ggf. einer Chimäre: nämlich dass ähnlich wie die Entscheidung 2 BvL 6/17 vom 04. Mai 2020, die einen Tag nach der Entscheidung 2 BvL 4/18 verkündet worden ist, ggf. im Anschluss an die Entscheidungen 2 BvL 6/16 u.a. eine Entscheidung in den beiden Vorlageverfahren 2 BvL 10/17 u.a. gefällt werden könnte. Denn bislang hat das Bundesverfassungsgericht ja noch keine Terminvorschau für das Jahr 2023 getätigt. Dann würde ich mich aber ebenso fragen, worauf die Information beruhen sollte, dass nun tatsächlich jene Entscheidung vor der Tür stände. Denn zwar könnte die Entscheidung genauso wie die zur bremischen Besoldung bereits gefällt worden sein, ohne dass bereits über die schriftliche Begründung abgestimmt worden wäre (die beiden Entscheidungen vom 04.05. 2020 sind an jenem Tag gefallen, die über die Begründung jener Entscheidungen jeweils knapp drei Monate später, nämlich Ende Juli 2020; so könnte es nun ebenfalls bereits der Fall sein). Aber eigentlich dringt eher selten etwas aus Karlsruhe nach draußen.
Darüber hinaus ist die Entscheidung zu Niedersachsen aus vor allem zwei Gründen von einigem Interesse, die ich eventuell hierin nächster Zeit mal betrachten werden, wenn ich dafür die Zeit finde: Erstens geht es hier zentral um den Rechtschutz, nicht umsonst steht eine verfassungswidrige Unteralimentation seit 2005 im Raum, also einen Zeitraum betreffend, der für nicht wenige der Kolleginnen und Kollegen (mehr als) die Hälfte ihre aktiven Beamtenlebens umfasst. Zweitens geht es darum, dass die bundesverfassungsgerichtliche Entscheidung des Jahres 2015, Niedersachens Alimentation des Jahrs 2005 betreffend, zu korrigieren ist; denn diese kann nur Gültigkeit inter partes beanspruchen, also für jenen damals betrachteten Einzelfall. Auf Grundlage der aktuellen Entscheidung 2 BvL 4/18 wird nun die Alimentation des Jahres 2005 anders zu betrachten sein - 2015 hatte das Bundesverfassungsgericht die niedersächsische Alimentation des Jahres 2005 als gerade noch verfassungskonform betrachtet. Nach der Entscheidung des Jahres 2020 stellt sich das nun anders dar, da nun von einer eklatanten Verletzung des absoluten Alimentationsschutzes im Jahr 2005 auszugehen ist.
Der langen Rede kurzer Sinn: Für uns wäre es sehr erfreulich, wenn es alsbald auch eine Entscheidung über die niedersächsische Alimentation ab 2005 geben würde. Ob es dazu wirklich noch im Frühjahr kommen wird (das Gerücht sagt, bis spätestens Ende März), werden wir sehen. Bis Ende März sind es ja nur noch gut sechs Wochen.