Autor Thema: Datenschutz weniger wert als Arbeitsrecht?  (Read 3035 times)

tschina

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Datenschutz weniger wert als Arbeitsrecht?
« am: 07.12.2021 13:04 »
Guten Tag zusammen,

wir saßen heute mit der Berufsschulklasse bei mehreren öffentlichen Sitzungen vor dem Arbeitsgericht.

In einem Verfahren ging es darum, dass eine schwerbehinderte  Bewerberin nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden ist, obwohl sie hätte eingeladen werden müssen, da sie nicht offensichtlich ungeeignet war. Daher verklagte sie die Behörde auf eine Entschädigungszahlung.

Die Beklagte wurde von irgendeiner Versicherung vertreten, die dem Richter mitteilte, dass die Klägerin nicht unbekannt ist und die Versicherung bereits mehrere Verfahren gegen andere Behörden bestritt und sie von der Versicherung wiederholt Entschädigungszahlungen erhalten hat.

Der Richter fand das nicht uninteressant.

Es gab keine Einigung und es wird einen Kammertermin geben.

Was wir uns fragen: verstößt eine solche Einlassung der Beklagtenseite nicht gegen Datenschutz und vielleicht sogar gegen die Persönlichkeitsrechte der Klägerin und dürften somit nicht relevant sein?

Darf eine solche Info überhaupt zugelassen werden und mit in die Entscheidungsfindung mit einfließen?

Leider finde ich auf Anhieb nicht die Aufzeichnung darüber, dass es ja kein Indiz ist, wenn jemand mehrere AGG-Verfahren führt oder geführt habt. Vielleicht habt ihr da auch die Quelle?

Gerade deswegen dürfte es doch vollkommen irrelevant sein, ob es noch andere Verfahren gab oder gibt!?

Weiß da bitte jemand von euch Bescheid?

Lieben Dank.

LG

XTinaG

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Antw:Datenschutz weniger wert als Arbeitsrecht?
« Antwort #1 am: 07.12.2021 13:17 »
Welchen Zusammenhang sollte es zwischen Datenschutz/Persönlichkeitsrechten und Relevanz geben?

Im Parteienprozeß tragen die Parteien vor, was sie für relevant halten und wovon sie Kenntnis haben. Das Gericht würdigt die Parteienvorträge und spricht Recht.

Bastel

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Antw:Datenschutz weniger wert als Arbeitsrecht?
« Antwort #2 am: 07.12.2021 13:20 »
Warum soll es ein Problem sein, dass die Kägerin schon mehrere Verfahren bestritt?

Wenn die AGs alle so dumm sind und Sie nicht einladen? Selber Schuld...

was_guckst_du

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Antw:Datenschutz weniger wert als Arbeitsrecht?
« Antwort #3 am: 07.12.2021 14:35 »
..AGG Hopping wird von den Arbeitsgerichten nicht gerne gesehen...da fällt schonmal eine Entschädigung kleiner aus oder ganz weg...
Gruß aus "Tief im Westen"

Meine Beiträge geben grundsätzlich meine persönliche Meinung zum Thema wieder und beinhalten keine Rechtsberatung. Meistens sind sie ernster Natur, manchmal aber auch nicht. Bei einer obskuren Einzelfallpersönlichkeit antworte ich auch aus therapeutischen Gründen

MH

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Antw:Datenschutz weniger wert als Arbeitsrecht?
« Antwort #4 am: 07.12.2021 15:00 »
Ich vermute eher, dass sich bei Gericht nun die Frage gestellt wird, ob dahinter eine "Masche" steckt, oder nicht. Ich gehe zwar nicht davon aus, aber ausschließen kann man es natürlich auch nicht.

Denn ob die Bewerberin offensichtlich ungeeignet ist oder nicht, stellt erstmal der AG fest - wenn die Bewerberin anderer Meinung ist, muss das Gericht das klären. Letztendlich könnte sie sich ja auf "jede" Stelle bewerben, abwarten und bei einer Nichteinladung vor Gericht ziehen und es prüfen lassen ggf. bekommt sie dann eine Entschädigung.


maiklewa

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Antw:Datenschutz weniger wert als Arbeitsrecht?
« Antwort #5 am: 07.12.2021 16:13 »
Ich glaube nicht, dass der Richter das negativ bewerten wird.

Wenn die Klägerin die Ausführungen der Beklagten bestreitet, muss die Beklagte das beweisen und dann kann es sehr wohl um Datenschutz gehen, da vorherige Beklagte einwilligen müssen, dass da ein Anwalt von deren Verfahren berichten darf.

Wird dem Richter alles zu müßig sein.

Wenn die Aktenlage klar ist und der AG die Klägerin hätte einladen müssen, dann sind 1 - 2 Bruttos weg. PP! Je nach individuellem Fall entweder eher 1 oder 2 oder man trifft sich in der Mitte quasi bei 1,5. Ist son Standard, damit Richter bei gütlichen Einigungen am wenigsten zu tun haben.

Mehr Input über den Fall wäre interessant.

Ich saß selbst mal einem Fall bei, bei dem der Kläger Arbeit suchend war, sich auf einen Vermittlungsvorschlag beworben hatte, keine Einladung, Klage, Beklagte fuhr auch die Schiene AGG-Hopping, nur Indizien, keine Beweise, Richterin lachte sozusagen Beklagte aus, dennoch Kammertermin, 3 Bruttos. Eigentor!

effzehbäh

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Antw:Datenschutz weniger wert als Arbeitsrecht?
« Antwort #6 am: 07.12.2021 16:16 »
Ich glaube nicht, dass der Richter das negativ bewerten wird.

Wenn die Klägerin die Ausführungen der Beklagten bestreitet, muss die Beklagte das beweisen und dann kann es sehr wohl um Datenschutz gehen, da vorherige Beklagte einwilligen müssen, dass da ein Anwalt von deren Verfahren berichten darf.

Wird dem Richter alles zu müßig sein.

Wenn die Aktenlage klar ist und der AG die Klägerin hätte einladen müssen, dann sind 1 - 2 Bruttos weg. PP! Je nach individuellem Fall entweder eher 1 oder 2 oder man trifft sich in der Mitte quasi bei 1,5. Ist son Standard, damit Richter bei gütlichen Einigungen am wenigsten zu tun haben.

Mehr Input über den Fall wäre interessant.

Ich saß selbst mal einem Fall bei, bei dem der Kläger Arbeit suchend war, sich auf einen Vermittlungsvorschlag beworben hatte, keine Einladung, Klage, Beklagte fuhr auch die Schiene AGG-Hopping, nur Indizien, keine Beweise, Richterin lachte sozusagen Beklagte aus, dennoch Kammertermin, 3 Bruttos. Eigentor!

This!

carriegross

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Antw:Datenschutz weniger wert als Arbeitsrecht?
« Antwort #7 am: 07.12.2021 22:37 »
Wenn die AGs alle so dumm sind und Sie nicht einladen? Selber Schuld...

Zustimmung.

Ich möchte nicht wissen, wie viele Behörden noch immer, trotz besseren Wissens, nicht offensichtlich ungeeignete schwerbehinderte Bewerber bewusst nicht einladen und auf das Nichtwissen dieser Personen hoffen.

Über die abschließende Sinnhaftigkeit des AGGs möchte ich aber nicht diskutieren.

carriegross

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Antw:Datenschutz weniger wert als Arbeitsrecht?
« Antwort #8 am: 07.12.2021 22:40 »
..AGG Hopping wird von den Arbeitsgerichten nicht gerne gesehen...da fällt schonmal eine Entschädigung kleiner aus oder ganz weg...

Und AGG-Hopping ist auch so leicht beweisbar, oder!?

Selbst wenn die Klägerin schon Dutzende (dumme) Behörden verklagt hat, ist sie ni ht zwangsläufig eine AGG-Hopperin.

Ich kenne die Rechtsprechung, die die Azubine/TE meint. Darf aber jeder selbst nach googeln. ;-)

carriegross

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Antw:Datenschutz weniger wert als Arbeitsrecht?
« Antwort #9 am: 07.12.2021 22:42 »
Denn ob die Bewerberin offensichtlich ungeeignet ist oder nicht, stellt erstmal der AG fest - wenn die Bewerberin anderer Meinung ist, muss das Gericht das klären. Letztendlich könnte sie sich ja auf "jede" Stelle bewerben, abwarten und bei einer Nichteinladung vor Gericht ziehen und es prüfen lassen ggf. bekommt sie dann eine Entschädigung.

Der AG hat sich an den Text der Stellenausschreibung messen zu lassen. Erfüllt ein Bewerber dieses, ist dieser offensichtlich nicht ungeeignet.

was_guckst_du

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Antw:Datenschutz weniger wert als Arbeitsrecht?
« Antwort #10 am: 08.12.2021 07:28 »
Ich kenne die Rechtsprechung, die die Azubine/TE meint. Darf aber jeder selbst nach googeln. ;-)
...das wird sicherlich das Erste gewesen sein, was die TE gemacht hat... ::)
Gruß aus "Tief im Westen"

Meine Beiträge geben grundsätzlich meine persönliche Meinung zum Thema wieder und beinhalten keine Rechtsberatung. Meistens sind sie ernster Natur, manchmal aber auch nicht. Bei einer obskuren Einzelfallpersönlichkeit antworte ich auch aus therapeutischen Gründen

tschina

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Antw:Datenschutz weniger wert als Arbeitsrecht?
« Antwort #11 am: 08.12.2021 07:43 »
Ich kenne die Rechtsprechung, die die Azubine/TE meint. Darf aber jeder selbst nach googeln. ;-)
...das wird sicherlich das Erste gewesen sein, was die TE gemacht hat... ::)

Tatsächlich! ;-)

Aber ich habe es leider nicht gefunden. Weder in meinen Aufzeichnungen noch im Internet. Dabei war ich mir sicher, dass ich es mir notiert hatte.

Habt ihr bitte einen link für mich? ;-)

Dankeschön.

LG

Johann

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Antw:Datenschutz weniger wert als Arbeitsrecht?
« Antwort #12 am: 08.12.2021 15:51 »
Letztendlich könnte sie sich ja auf "jede" Stelle bewerben, abwarten und bei einer Nichteinladung vor Gericht ziehen und es prüfen lassen ggf. bekommt sie dann eine Entschädigung.
Moralisch ist das sicher ein Problem, gerade wenn man betrachtet, dass es diese Einladungspflicht ja nur aus moralischen Gründen gibt und es daher mies wäre, es auszunutzen.

Andererseits habe ich gehört, dass es Menschen geben soll, die ihren kompletten Lebensunterhalt von KFZ-Versicherungen betreiten lassen und damit seit Jahren durchkommen: Hochpreisiges KFZ kaufen für das es günstige Gebrauchtteile gibt, unschuldig verunfallen, von der gegenerischen Versicherung 3-10k je nach begutachteter Schadenshöhe steuerfrei einziehen, den Schaden für einen dreistelligen Betrag selbst (oder durch Schrauberkumpel) reparieren (lassen), repeat.

veeam

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Antw:Datenschutz weniger wert als Arbeitsrecht?
« Antwort #13 am: 09.12.2021 09:05 »
Letztendlich könnte sie sich ja auf "jede" Stelle bewerben, abwarten und bei einer Nichteinladung vor Gericht ziehen und es prüfen lassen ggf. bekommt sie dann eine Entschädigung.
Moralisch ist das sicher ein Problem, gerade wenn man betrachtet, dass es diese Einladungspflicht ja nur aus moralischen Gründen gibt und es daher mies wäre, es auszunutzen.

Wir sind irgendwann dazu übergegangen Menschen mit einem zu berücksichtigen Grad der Behinderung grundsätzlich immer einzuladen. Wer offensichtlich geeignet ist, hat erstmal auch ein Interesse an der Stelle. Wer offensichtlich ungeeignet ist sagt in der Regel von alleine wieder ab. Ersatztermine stellen wir auf Anfrage natürlich gerne, sofern jemand darum bittet. Diese Pauschalität hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass "alte Bekannte" sich irgendwann einfach nicht mehr beworben haben.

Johann

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Antw:Datenschutz weniger wert als Arbeitsrecht?
« Antwort #14 am: 09.12.2021 10:38 »
Wir sind irgendwann dazu übergegangen Menschen mit einem zu berücksichtigen Grad der Behinderung grundsätzlich immer einzuladen. Wer offensichtlich geeignet ist, hat erstmal auch ein Interesse an der Stelle. Wer offensichtlich ungeeignet ist sagt in der Regel von alleine wieder ab. Ersatztermine stellen wir auf Anfrage natürlich gerne, sofern jemand darum bittet. Diese Pauschalität hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass "alte Bekannte" sich irgendwann einfach nicht mehr beworben haben.

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