Autor Thema: Wen zum VG einladen müssen? Wie kann man Schwerbehinderte "umgehen"?  (Read 5427 times)

gerda

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Hallo,

unsere neue Chefin wollte unbedingt folgenden Stellenanzeigentext veröffentlichen lassen:

Unsere Stadt sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt einen Verwaltungsfachangestellten im Bereich Grundstücks- und Gebäudemanagement, Personalwesen und Eigenbetriebe

Für diese Aufgaben suchen wir eine Verwaltungskraft mit einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung im Bereich der Verwaltung mit Erfahrung im kommunalem Bereich, einem sicheren Umgang mit den üblichen IT-Anwendungen, freundliches Auftreten, Teamfähigkeit und Zuverlässigkeit.

Die Vergütung erfolgt bei Erfüllung der persönlichen tarifrechtlichen Voraussetzungen nach dem TVöD bis Entgeltgruppe 9 c.

Sie wollte damit möglichst viele Bewerber und potentielle Arbeitnehmer ansprechen.

Wir hatten Sie schon darauf hingewiesen, dass wir mit dieser Ausschreibung mind. alle Schwerbehinderten einladen müssen, die offensichtlich nicht ungeeignet sind. Mehrarbeit ...

Und es sieht wohl so aus, als wenn wir Recht hatten und nun alle Schwerbehinderten einladen müssen, da keiner offensichtlich ungeeignet ist.

Nach einer Woche liegen uns unzählige Bewerbungen vor und eben verdammt viele von Schwerbehinderten, was irgendwie keine Überraschung ist.

Beispiel:

Wir haben hier z. B. eine Bewerberin, gelernte Vfa, Mitte 40, ein Dutzend Stellen, viele befristet, viele total sachfremd und, oder in der Privaten, im Schnitt gute Arbeitszeugnisse, vor 5 Jahren eine mehrmonatige Weiterbildung mit Note 1 im Bereich Personalwesen abgeschlossen, danach noch 1, 2 Weiterbildungen in Arbeitsrecht, auch mit gut bis sehr gut abgeschlossen, dafür aber überhaupt keine Berufserfahrung im Personalbereich, auch keine Berufserfahrung bzgl. Eigenbetriebe und Grundstücks- und Gebäudemanagement. Sie hat von den letzten 20 Jahren gerade mal die letzten 2 Jahre in 2 Kommunen gearbeitet, je im Einwohnermelde-/Passamt, Bürgerbüro und je befristet. In den Jahren davor war sie 1,5 Jahre bei einer größeren Behörde befristet angestellt und davor eben viele Jahre in der Privaten.

Die würden wir Sachbearbeiter von der Personalabteilung nicht einladen wollen, müssen wir aber, da offensichtlich eben nicht ungeeignet, wie unser Vorgesetzter uns mitgeteilt hat. Sie hat zwar keine Berufserfahrung in den Bereichen, hat aber wiederholt bewiesen, dass sie z. B. Personalwesen kann und sie hat eben auch wiederholt bewiesen, dass sie sich schnell und erfolgreich in neue Aufgabengebiete einarbeiten kann, wie z. B. zuletzt in 2 verschiedenen Kommunen im Bürgerbüro, was je nicht ganz ohne ist, wenn man bzgl. Einwohner- und besonders Passwesen vorher noch nie Berufserfahrung gesammelt hat.

Uns stellt sich die Frage, wie wir aber um eine Einladung von z. B  dieser Bewerberin und anderen ähnlichen Bewerbern herumkommen können, ohne dass wir eine AGG-Klage befürchten müssen?

Wie seht ihr das bitte?

Müssen wir z. B. diese Bewerbin vom Gesetz und der aktuellen Rechtsprechung nach einladen?

Danke.

MfG

Johann

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Alles was schwerbehindert und nicht offensichtlich ungeeignet ist, wird eingeladen. Viel Spaß bei den Vorstellungsgesprächen.

Bastel

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Alles was schwerbehindert und nicht offensichtlich ungeeignet ist, wird eingeladen. Viel Spaß bei den Vorstellungsgesprächen.

Ansonsten bildet Rückstellungen für die Klagen  ;D

Und beschuldigt die Leute nicht des AG-Hoppings.

Schokobon

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Die Person hört sich doch passend für die Stelle an.
Wäre doch schade sowas nicht eingeladen zu haben.
Oder worum geht es hier?

tumnus

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Warum wollt Ihr sie nicht einladen, ob wohl sie geeignet sein könnte?

veeam

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Wenn ich als Personalstelle nicht in der Lage bin einheitliche Vorgaben für Ausschreibungstexte zu definieren, braucht man sich im Nachgang nicht beschweren.

Nach meinem Verständnis sind Stellen beschrieben und bewertet bevor sie ausgeschrieben werden. Ansonsten ist von solchen AGs grundsätzlich eh abzuraten. Wer also Verwaltungsstellen nach EG9b und höher ausschreibt und trotzdem herzlich alle mit persönlicher Qualifikation von EG 5 bis EG9a einlädt, ist selber schuld.

Organisator

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Wer also Verwaltungsstellen nach EG9b und höher ausschreibt und trotzdem herzlich alle mit persönlicher Qualifikation von EG 5 bis EG9a einlädt, ist selber schuld.

Nicht schuld, war ja Ziel der Übung:

Sie wollte damit möglichst viele Bewerber und potentielle Arbeitnehmer ansprechen.

Und damit Ziel erreicht.

veeam

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Wer also Verwaltungsstellen nach EG9b und höher ausschreibt und trotzdem herzlich alle mit persönlicher Qualifikation von EG 5 bis EG9a einlädt, ist selber schuld.

Nicht schuld, war ja Ziel der Übung:

Sie wollte damit möglichst viele Bewerber und potentielle Arbeitnehmer ansprechen.

Und damit Ziel erreicht.

Kann man so oder so sehen. Wir haben einen Aufgabenkatalog mit fest definierten Aufgaben und Zeitanteilen, diese wiederum sind auf die vorhandenen Stellen verteilt. Sollte sich aufgrund von Mehrbedarf oder anderen Anforderungen nichts an diesem Katalog verändern, reden wir immer von einer sich ergebenden Stelle aus Bestand X zu Bedarf Y mit Aufgabe(n) Z.

Wenn man also nicht bis zum Schluss wünsch Dir was oder Roulette mit den Aufgaben spielen möchte, sollte der AG schon sehr genau wissen was er für Aufgaben auf dieser ausgeschriebenen Stelle unterbringen möchte. Wenn sich danach eine Bewertung nach EG9b oder 9c ergibt, kann man auch direkt nach einer entsprechenden persönlichen Qualifikation in der Ausschreibung verlangen und siebt dadurch schon einen Großteil (unter anderem auch die offensichtlich ungewollte Bewerberin) der potentiellen Arbeitnehmer aus. Wenn man aber offen lässt, ob man Aufgaben nach EG5, 7, oder 9c vergibt, ja, dann hat man das wirklich erreicht.  :D Eine ordentliche Personalstelle hätte das aber bei begründbaren Bedenken so nicht annehmen und veröffentlichen müssen.

Fäncy

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Was hättet ihr denn in die Stellenausschreibung schreiben wollen, dass sich keine Schwerbehinderten darauf hätten bewerben können? "Der Bewerber muss sich einer medizinische Tauglichkeitsprüfung unterziehen und 100 m in unter 10 Sekunden laufen." Oder wie?

Jetzt mal ehrlich: Wenn die Bewerberin ungeeignet ist wird sich das spätestens im Vorstellungsgespräch herausstellen. Und nach der gelieferten Stellenbeschreibung wüsste ich nicht wieso jemand mit einem Holzbein (um es mal bildlich zu machen) diese Stelle nicht vollumfänglich ausüben können sollte.  :P

XTinaG

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Es geht nicht darum, Schwerbehinderte von vornherein auszuschließen, sondern darum, daß man im öffentlichen Dienst nicht offensichtlich ungeeignete schwerbehinderte Bewerber zum Vorstellungsgespräch einladen muß. Und zwar auch solche, die überhaupt keine Chance auf den Job haben. Zwischen "nicht offensichtlich ungeeignet" und "ziehen wir ernsthaft in Erwägung" liegen nunmal Welten. Je nach Gewichtung des Vorstellungsgesprächs hat derjenige ohnehin keine Chance, egal wie er sich im Vorstellungsgespräch anstellt. Einladen muß man trotzdem.

Organisator

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Was hättet ihr denn in die Stellenausschreibung schreiben wollen, dass sich keine Schwerbehinderten darauf hätten bewerben können?

Bei den genannten Tätigkeiten sicherlich nichts. Allerdings hat Veeam zutreffend beschrieben, wie der Bewerberkreis zweckmäßig eingegrenzt werden kann. Und damit auch der Kreis der Schwerbehinderten.

MH

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Personen mit einem SB haben auch ihre Berechtigung. Aber wenn man gute Leute gehen lassen muss, da ein SB bevorzugt wird, hat es leider einen "Nachgeschmack". Das ist uns vor 2 Jahren passiert.

WasDennNun

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Dann war der SB nicht genauso gut wie die guten Leute die man hat gehen lassen und man hat sich in der Einschätzung getäuscht?
Oder hat man nicht den Mumm gehabt zu dokumentieren, dass der Sb zwar geeignet aber eben nicht der gleichwertige war.

MH

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Dann war der SB nicht genauso gut wie die guten Leute die man hat gehen lassen und man hat sich in der Einschätzung getäuscht?
Oder hat man nicht den Mumm gehabt zu dokumentieren, dass der Sb zwar geeignet aber eben nicht der gleichwertige war.
Mhh schwer zu beantworten.
Laut Personaler war er genauso fachlich und auch mit seinem Vorkenntnissen auf gleichem Level + SB. Schafft aber leider nur die Hälfte an Arbeit des alten Kollegen und braucht auch durch uns "Unterstützung" da er körperlich eingeschränkt arbeiten kann. Das kostet uns Zeit. Fachlich und inhaltlich aber auf den gleichen Niveau, wie quasi der Vorgänger. Schwer zu beschreiben..

clarion

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@gerda, wer so ausschreibt, hat es nicht anders verdient. Man kann nur empfehlen, alle nicht offensichtlich Ungeeigneten einzuladen. Was spricht gegen die Dame, deren Fall konkreter beschrieben steht? Dass sie oft gewechselt hat oder länger in der Privatwirtschaft war? Ansonsten ist sie offensichtlich doch ziemlich geeignet und hat in Teilbereichen sogar Berufserfahrung.

@MH, dass zwei Bewerber exakt gleich gut sind, kommt doch eigentlich nie vor, oder? Und ja ich bin durchaus der Ansicht, dass man bei gleicher Eignung der Peron mit dem SBA den Vorzug geben sollte, auch wenn aufgrund der Körperbehinderung manches langsamer von der Hand geht. Für die Behinderung kann die Person nichts. Und die gleiche Eignung können Behinderte oft nur mit einem größeren Aufwand erreichen als Nichtbehinderte und allein das verdient schon Respekt.