Autor Thema: Bewerbungsverfahren höherer Dienst  (Read 1833 times)

Lüftologin

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Bewerbungsverfahren höherer Dienst
« am: 04.02.2022 12:07 »
Hallo,

ich habe eine Frage zum Bewerbungsverfahren (s.o.):

Voraussetzung in der Stellenausschreibung: dienstliche Beurteilung und Laufbahnspezifik (muss).

Die dienstliche Beurteilung bescheinigt jahrelangen Dienst in der entsprechenden Laufbahn. Nun wurde nachträglich das 20 Jahre alte Zeugnis über das zweite Staatsexamen angefordert.

Begründung: sehr viele Bewerbungen.

Meine konkreten Fragen:

a) Wenn jetzt trotz sehr guter Dienstbeurteilung das weniger gute Staatsexamenszeugnis zur Beurteilung herangezogen wird, dann negiert das doch erstens 20 Jahre Entwicklung im Dienst und zweitens sind die Zeugnisse von damals doch gar nicht vergleichbar mit jüngeren Zeugnissen (verkürztes Referendariat und [sorry] Noteninflation). Was spielt beim Bewerberinnenauswahlverfahren die übergeordnete Rolle?

b) Müssen (nicht sollen) alle Bewerber*innen, die die Muss-Voraussetzungen erfüllen, zu einem Gespräch eingeladen werden? Und wenn ja:

c) Ich wurde zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Kann ich jetzt davon ausgehen, dass das eine Pro-Forma-Veranstaltung ist, weil ja alle Bewerber*innen eingeladen werden müssen, die die Muss-Voraussetzungen erfüllen, oder darf ich mir noch Hoffnungen machen?

Die Stelle erscheint mir wie für mich gemacht, als hätte ich 20 Jahre auf diese Stelle gewartet (übrigens keine Höherstufung für mich). Mir ist diese Stelle wirklich sehr wichtig.

Vielen Dank für Antworten.

Lars73

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Antw:Bewerbungsverfahren höherer Dienst
« Antwort #1 am: 04.02.2022 12:54 »
a) Das hängt von den definierten Kriterien ab. Bei Bestandsbeamten speilt die Beurteilung eine zentrale Rolle. Kompliziert ist es bei Verfahren welche für verschiedene Zielgruppen offen sind.
Z.B. bei Juristenstellen ist es durchaus üblich ein bestimmte Mindesexamensnote zu fordern. Das kann durchaus zulässig sein.

b) Nein

c) Hoffnung kann man sich immer machen.

Organisator

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Antw:Bewerbungsverfahren höherer Dienst
« Antwort #2 am: 04.02.2022 12:55 »
zu a)
Manche Personaler finden es wichtig, möglichst viele Zahlen und Fakten zu haben, um die Auswahlentscheidung nach aus deren Sicht objektiven Kriterien machen zu können. Ob das so sinnvoll ist, sei mal dahingestellt. Ich würde eine aktuelle Beurteilung so deutlich schwerer gewichten, dass was von vor 20 Jahren hinten runterfällt.

zu b und c)

Nein, müssen sie nicht. Man kann auch unter sehr vielen formell geeigneten Bewerbern nach Aktenlage eine Vorauswahl treffen, wer eingeladen wird. Das dies so geschehen ist, würde ich auch bei dir unterstellen.

One

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Antw:Bewerbungsverfahren höherer Dienst
« Antwort #3 am: 04.02.2022 12:57 »
Antwort

a) Es ist jetzt Glaskugel, aber ich gehe davon aus, dass dein Staatsexamenszeignis nicht im Rahmen des Leistungsvergleichs angefordert wurde, sondern zur Prüfung, ob du die geforderte Laufbahnbefähigung besitzt. Dies wird regelmäßig insbesondere dann gemacht, wenn man sich auf Aufstiegsstellen oder in andere Geschäftsbereiche bzw. zu anderen Dienstherrn bewirbst. Das wird in meiner Behörde ebenso gehandhabt.

Und bevor einer fragt, ja, ich habe schon Fälle erlebt (zum Glück nicht bei mir), wo bei sowohl externen als auch internen Bewerbern im Rahmen von Auswahlverfahren festgestellt wurde, dass diese Personen eigentlich gar nicht die Laufbahnbefähigung besitzen, aber seit Jahren in dieser Laufbahn verbeamtet sind. Extremfall war eine Person, die bereits seit mehr als 20 Jahren in der Laufbahn tätig und bereits mehrfach befördert war und sich auf ein Aufstiegsverfahren in den hD beworben hatte. Da hat man dann Spaß als Personalverwaltung...

b) Korrekt.

c) Siehe b). Damit ist einzig zum Ausdruck gebracht, dass du die obligatorischen Voraussetzungen der Ausschreibung erfüllst. Dies ist aber keine Pro Forma Veranstaltung, sondern Teil der Bestenauslese. Der Dienstherr muss sich über alle Bewerber, die die notwendigen Voraussetzungen erfüllen ein Bild machen und diese bewerten sowie in eine wertende Rangfolge bringen. Es liegt an dir, in dem Auswahlverfahren so zu "performen", dass du die Konkurrenz hinter dir lässt, ggf. sogar dienstlich besser beurteilte Konkurrenz.

Es ist möglich, auch dienstlich besser beurteilte Konkurrenz in einem Auswahlverfahren "auszustechen", sofern der dienstliche Benotungsunterschied nicht zu groß ist - Die Rechtsprechung geht von einem Unterschied nicht größer als ein voller Notenpunkt aus - und eine entsprechend binnendifferenzierte Notenbetrachtung orientiert an den definierten Anforderungen der Ausschreibung stattfand.

Da die Verwendung für dich anscheinend besonders erstrebenswert ist, solltest du dies als Motivation nutzen und dich entsprechend auf das Auswahlverfahren/Auswahlgespräch vorbereiten. Deine Chancen sollten nicht schlechter oder besser stehen, als die der anderen eingeladenen Konkurrenten.       

Lüftologin

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Antw:Bewerbungsverfahren höherer Dienst
« Antwort #4 am: 04.02.2022 13:42 »
Zitat
Z.B. bei Juristenstellen ist es durchaus üblich ein bestimmte Mindesexamensnote zu fordern. Das kann durchaus zulässig sein.

Müsste das dann aber nicht in der Stellenausschreibung explizit so genannt werden?

Zitat
b) Korrekt.
<--->
Zitat
b) Nein
/
Zitat
zu b und c) Nein, müssen sie nicht.


--> Gibt es dazu einen Paragrafen / Rechtssprechung?

Zitat
Man kann auch unter sehr vielen formell geeigneten Bewerbern nach Aktenlage eine Vorauswahl treffen, wer eingeladen wird. Das dies so geschehen ist, würde ich auch bei dir unterstellen.

--> Danke, das gibt mir Hoffnung und ich lege mich ins Zeug.


Lüftologin

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Antw:Bewerbungsverfahren höherer Dienst
« Antwort #5 am: 04.02.2022 13:52 »
Zitat
Extremfall war eine Person, die bereits seit mehr als 20 Jahren in der Laufbahn tätig und bereits mehrfach befördert war und sich auf ein Aufstiegsverfahren in den hD beworben hatte. Da hat man dann Spaß als Personalverwaltung...

 :o

Das gibt es echt? Krass.

Bei mir geht es nicht um ein Aufstiegsverfahren, sondern um einen Wechsel des Geschäftsbereichs.

One

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Antw:Bewerbungsverfahren höherer Dienst
« Antwort #6 am: 04.02.2022 14:06 »

Zitat
b) Korrekt.
<--->
Zitat
b) Nein
/
Zitat
zu b und c) Nein, müssen sie nicht.


--> Gibt es dazu einen Paragrafen / Rechtssprechung?


Ich konkretisiere einmal aus meiner Sicht.

Ein Bewerber ist einzuladen, wenn er die im Ausschreibungstext benannten obligatorischen Anforderungen erfüllt und sich sonst keine qualitativen Leistungsabstufungen zwischen den Bewerbern ergeben, die für eine Bestenauslese herangezogen werden können.

D.h. in einem fiktiven Bewerberfeld gibt es 20 Bewerber, die die obligatorischen Anforderungen des Ausschreibungstextes erfüllen. Von diesen 20 Bewerbern sind 10 mit der Bestnote, 10 mit einer weniger guten Note in der maßgeblichen dienstlichen Beurteilung bewertet. Dann ist es legitim bzw. rechtlich nicht zu beanstanden, dass man sich in einem weiteren Auswahlverfahren/in Auswahlgesprächen nur die 10 Personen mit den Bestnoten anschaut und die 10 Personen mit den weniger guten dienstlichen Beurteilungsnoten "aussiebt".

Gleiches gilt für eine qualitative Abstufung z.B. aufgrund des Amtes, welches ein Bewerber inne hat.

Der Teufel liegt aber oftmals im Detail: Die Noten müssen uneingeschränkt vergleichbar sein, vergleichbare Beurteilungszeiträume abbilden, etc. Eine Vergleichbarkeit herzustellen ist insbesondere bei offenen Ausschreibungen mit Bewerbern aus verschiedenen Ressorts/Dienstherrn aufgrund unterschiedlicher Beurteilungssystematiken oftmals nur schwer realisierbar. Dadurch werden Vorauswahlen oftmals auch angreifbar.

One

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Antw:Bewerbungsverfahren höherer Dienst
« Antwort #7 am: 04.02.2022 14:23 »

--> Gibt es dazu einen Paragrafen / Rechtssprechung?


Nachtrag bzw. Zitat aus interner Sammlung:

Der Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) verlangt, den Leistungsstand in erster Linie anhand unmittelbar leistungsbezogener Kriterien zu ermitteln. Dies sind grundsätzlich dienstliche Beurteilungen, denen im Regelfall besondere Bedeutung zukommt, weil vor allem sie Auskunft darüber geben, ob der jeweilige Bewerber nach Eignung, Befähigung und Leistung für die zu besetzende Stelle in Betracht kommt. Auswahlgespräche, die nur einen punktuellen Eindruck vermitteln und daher von beschränkter Aussagekraft sind, können das Bild, das sich aus dienstlichen Beurteilungen oder vergleichbaren Leistungsnachweisen ergibt, nur abrunden. Ihr Einsatz ist daher auf solche Fälle begrenzt, in denen der Dienstherr auf der Grundlage der vorrangigen Auswertung der dienstlichen Beurteilungen rechtsfehlerfrei von einem Qualifikationsgleichstand mehrerer Bewerber ausgeht oder sonst eine verlässliche Grundlage für einen Leistungsvergleich nicht herstellbar ist.

- vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Dezember 2005 - 6 B 1845/05 -, juris, Rn. 3 ff., und vom 25. August 2014 - 6 B 759/14 -, juris, Rn. 30 f., m. w. N.; ebenso Schnellenbach, Konkurrenzen im öffentlichen Dienst, 2. Aufl. 2018, Anhang 2 Rn. 137; zur Nachrangigkeit des Kriteriums "Auswahlgespräch" vgl auch OVG NRW, Beschluss vom 25. Oktober 2010 - 1 B 901/10 -, juris, Rn. 21 -

Namentlich wäre es offensichtlich rechtsfehlerhaft, einen Qualifikationsgleichstand zwischen einem mit der Spitzennote beurteilten Bewerber und einem solchen Bewerber anzunehmen, dessen Leistung und Befähigung insgesamt nur mit der um eine volle Notenstufe schlechteren Gesamtnote "A2" bewertet worden ist.

Zu solchen Fällen vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19. März 2019 - 1 B 1301/18 -, juris, Rn. 17 ff., und vom 29. Mai 2018 - 6 B 462/18 -, juris, Rn. 14 f, m. w. N.