Autor Thema: TV-L: Anspruch auf vollzeitnahe Teilzeit?  (Read 4123 times)

DiVO

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Antw:TV-L: Anspruch auf vollzeitnahe Teilzeit?
« Antwort #15 am: 22.02.2022 11:52 »
Die im Rahmen der Verkürzung angestrebte Verteilung könnte ggfs. auch aus anderen Gründen vom Arbeitgeber abgelehnt werden. Die Verlängerung der werktäglichen Arbeitszeit über acht Stunden hinaus auf bis zu zehn Stunden ist gem. ArbZG eine Ausnahme. Hier wären es ständig 8,75 Stunden pro Arbeitstag.

§ 3 ArbZG trifft hierzu eine eindeutige Aussage, die 8,75 Stunden an vier Arbeitstagen pro Woche nicht entgegensteht.

XTinaG

  • Gast
Antw:TV-L: Anspruch auf vollzeitnahe Teilzeit?
« Antwort #16 am: 22.02.2022 11:56 »
Die sehr eindeutige Aussage in § 3 ArbZG lautet: "Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten." Die in Satz 2 getätigte Kann-Regelung erlaubt es dem Arbeitgeber, die Arbeitszeit auf bis zu 10 Stunden zu verlängern. Das Arbeitszeitgesetz ist eine Arbeitsschutznorm. Die Anwendung der Kann-Regelung steht also genau dann offen, wenn davon ausgegangen werden kann, daß ie dauerhafte Beschäftigung über 8 Stunden hinaus dem Arbeitsschutz nicht abträglich ist.

Fragepudel

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Antw:TV-L: Anspruch auf vollzeitnahe Teilzeit?
« Antwort #17 am: 22.02.2022 12:34 »
Auch dazu gibt es vom BAG ein interessantes Urteil (18. August 2009 - 9 AZR 517/08). Hintergrund:

Der Kläger beantragte seine wöchentliche Arbeitszeit (40 h) ab 1. Mai 2007 um vier Stunden zu verringern und auf Montag bis Donnerstag zu verteilen (36 h). Also 9 Stunden täglich. Dem AG gefiel die Verteilung auf 4 Tage nicht und dargelegt, der Betriebsrat lehne eine Abweichung von dem vereinbarten Organisationskonzept - dh. der Begrenzung auf einen achtstündigen Arbeitstag und dem darauf beruhenden System der Vertrauensarbeitszeit.

Der AN hatte Erfolg mit seiner Klage. Zitat vom BAG in der Begründung:

"Der Arbeitnehmer ist nicht auf das vertraglich vereinbarte Modell der Arbeitszeitverteilung beschränkt. § 8 TzBfG begründet nicht nur für die Verringerung der Arbeitszeit, sondern auch für ihre Verteilung bis zu den Grenzen des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) einen Anspruch auf Vertragsänderung (vgl. Senat 16. Dezember 2008 - 9 AZR 893/07 - Rn. 29 mwN zu der in Rspr. und Schrifttum geführten Kontroverse, AP TzBfG § 8 Nr. 27 = EzA TzBfG § 8 Nr. 23). Der Kläger kann deshalb nicht nur eine proportionale Verkürzung der Arbeitszeit an fünf Tagen von Montag bis Freitag verlangen. Er hat Anspruch darauf, in der Viertagewoche von Montag bis Donnerstag zu arbeiten."

Die Hürden sind offensichtlich hoch für AG. Sicher gibt es begründete Fälle die eine Ablehnung erlauben. So ganz einfach wird es aber in den meisten Fällen vermutlich nicht. Gute Karten für AN mit Wunsch nach vollzeitnaher 4-Tage-Woche.


XTinaG

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Antw:TV-L: Anspruch auf vollzeitnahe Teilzeit?
« Antwort #18 am: 22.02.2022 13:31 »
In dem Verfahren hat sich die Beklagte lediglich darauf berufen, § 3 Satz 1 ArbZG stünde als Verbotsnorm der gewünchten Verteilung entgegen. Das tut die Norm jedoch nicht, wie das BAG zutreffend ausführt. Die Beklagte hatte es unterlassen, sich auf ihre arbeitsschutzrechtliche Verantwortung aus der Anwendung der Kann-Norm in § 3 Satz 2 ArbZG zu berufen. Die Festlegung der werktäglichen Arbeitszeit auf nicht mehr als 8 Stunden in Satz 1 begründet die Vermutung, daß eine darüber hinausgehende Beanspruchung die Kräfte des Arbeitnehmers überspannt. Denn sonst gäbe es diese Regelung nicht. Wendet der Arbeitgeber die Kann-Regelung us Satz 2 an, so muß er dies bei jeder Anwendung berücksichtigen. Bei vier aufeinanderfolgenden Tagen ist auch nicht ohne weitere Feststellungen davon auszugehen, daß die drei dann folgenden Ruhetage diese Überspannung ausgleichen. Vielmehr dürfte sich das Risiko eines Schadenseintritts am zweiten, dritten und vierten Tag in Folge erhöhen. Diese Vorbringung ließe sich lediglich gutachterlich entkräften.

Fragepudel

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Antw:TV-L: Anspruch auf vollzeitnahe Teilzeit?
« Antwort #19 am: 22.02.2022 14:43 »
Ich verstehe, das ist Schade. Gibt es dieses Modell demnach so gar nicht im ÖD?

Welche Rolle spielt hierbei konkret die maximal zulässige Gesamtarbeitszeit von 48 Wochenarbeitsstunden? Umgerechnet auf eine 6-Tage-Woche (als Grundlage für die 48 h gem. ArbZG) werden die täglich zulässigen 8 Stunden bei 4-Tage-Woche mit 35 h rechnerisch ja nicht überschritten. Ich kenne ehemalige Studienkollegen die außerhalb vom ÖD dieses Modell erfolgreich mit dem AG vereinbart haben.

Hätte das BAG im diskutierten Urteil nicht auch formal den Verstoß gegen das ArbZG ankreiden müssen im Rahmen der Urteilsfindung?

Lars73

  • Gast
Antw:TV-L: Anspruch auf vollzeitnahe Teilzeit?
« Antwort #20 am: 22.02.2022 14:54 »
Natürlich gibt es solche Modelle. Aber man muss sich mit dem Arbeitgeber einigen.

Das BAG musste es nicht prüfen, da es nicht per se unzulässig ist. Solche Aspekte hätten in der Tatsacheninstanz vorgebrecht werden müssen. Danach war diese Frage nicht mehr relevant.

XTinaG

  • Gast
Antw:TV-L: Anspruch auf vollzeitnahe Teilzeit?
« Antwort #21 am: 22.02.2022 14:57 »
Ich habe nur ausgeführt, wie man mit einiger Aussicht auf Erfolg ein solches Begehren ablehnen kann. Und warum das referenzierte Urteil nicht geeignet ist, meine Argumentation zu entkräften.

Die Schutzvorschrift legt keine Wochenarbeitszeit fest, sondern eine werktägliche Höchstarbeitszeit von 8 Stunden, die auf bis zu 10 Stunden täglich ausgedehnt werden kann. Mithin muß es ja grundsätzlich nicht gut sein, mehr als 8 Stunden an einem Tag Tag zu arbeiten. Die Kann-Regelung des Satzes 2 eröffnet dem Arbeitgeber die Möglichkeit, das dem Arbeitnehmer dennoch zuzumuten. Er muß dann aber von sich aus prüfen, ob er damit weiterhin dem Arbeitsschutz genüge tut.

Im Parteienprozeß befaßt sich das Gericht in erster Linie mit den Vorträgen der Parteien. Die Beklagte hat aber nicht vorgetragen, es gebe arbeitsschutzrechtliche Bedenken. Sie hat nur einen möglichen Verstoß gegen § 3 Satz 1 ArbZG vorgetragen. Ein solcher liegt aber, wie das BAG auch festgestellt hat, nicht vor, weil ja gem. Satz 2 ausgeglichen werden kann. Zur Püfung, ob man aus Arbeitsschutzgründen überhaupt dauerhaft auf Satz 2 zurückgreifen könne, fehlte es am Parteienvortrag bereits in der Tatsacheninstanz.

WasDennNun

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Antw:TV-L: Anspruch auf vollzeitnahe Teilzeit?
« Antwort #22 am: 22.02.2022 15:13 »
Ich verstehe, das ist Schade. Gibt es dieses Modell demnach so gar nicht im ÖD?
Wo kein Kläger, da kein Beklagter.
Wenn man sich also auf ein 9h Tag einigt, dann geht dass natürlich. Selbst eine 40h Woche auf 4 Tage kann man machen.
Ob da der AG gegen Arbeitsschutzrecht verstößt, sei da mal hingestellt.

Nur hat man eben keinen Rechtsanspruch auf eine solche Verteilung, sofern der AG eben meint, er wolle dir die Verteilung nicht zugestehen, weil der AG der Meinung ist, dass er es nicht mit dem Arbeitsschutz vereinbaren kann.