Autor Thema: [BW] 4-Säulen-Programm  (Read 156244 times)

Ozymandias

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Antw:[BW] 4-Säulen-Programm
« Antwort #195 am: 04.11.2022 13:38 »
Zitat
....
Es handle sich um ein sehr gutes Vorhaben, das deutschlandweit Anerkennung finde.
Die CDU-Fraktion stimme dem Gesetzentwurf zu.

Ein Abgeordneter der Fraktion der SPD bringt vor, die SPD-Fraktion begrüße den
Gesetzentwurf grundsätzlich. Ihn interessiere noch, welche Steigerungsraten bei
den Tarifabschlüssen das Finanzministerium aktuell und mittelfristig einplane.

Ein Abgeordneter der Fraktion der FDP/DVP erklärt, mit dem Haushaltsbegleitge-
setz 2013/14 sei es auch zu einer Verschlechterung des Beihilfebemessungssatzes
für Beamte mit mehr als einem Kind gekommen. Seine Fraktion begrüße, dass die
von ihr immer wieder geforderte Rücknahme dieses Schritts nach dem vorliegen-
den Gesetzentwurf nun erfolgen solle.

Durch die beabsichtigte Anhebung der Eingangsämter im mittleren und im ge-
hobenen Dienst fielen die bisherigen unteren Besoldungsgruppen weg. Dieses
Vorgehen lasse sich nicht wiederholen. Die Anpassungen endeten beim höheren
Dienst. Dadurch komme es nun doch zu einer Stauchung des Tarifs, vor der das
Bundesverfassungsgericht schon gewarnt habe. Die neu vorgesehenen Erhöhungs-
beträge zu den kinderbezogenen Familienzuschlägen für das erste und das zweite
Kind seien degressiv bis Besoldungsgruppe A 13 ausgestaltet. Hierbei stelle sich
die Frage, ob das Gebot des Abstands zwischen den Besoldungsgruppen noch ein-
gehalten werde. Der gerade angesprochene Schritt sei eventuell verfassungswidrig.
Dies bedürfe einer Klärung.

Ein Abgeordneter der Fraktion der AfD bemerkt, die AfD habe sich im Plenum
schon positiv zu dem Gesetzentwurf geäußert und werde diesem zustimmen. Al-
lerdings erachte seine Fraktion die Einhaltung des Abstandsgebots hinsichtlich der
Besoldungsgruppen im höheren Dienst als problematisch und sehe in dieser Hin-
sicht in Zukunft noch Änderungen für notwendig an.

Der Beamtenbund und ver.di sprächen für die anstehenden Tarifverhandlungen
von Mehrforderungen, die sich zwischen 10 und 20 % bewegten. Insofern interes-
siere auch ihn, welche Tarifsteigerungen das Finanzministerium einplane.

Ein Abgeordneter der Fraktion GRÜNE führt aus, seine Fraktion begrüße das Vier-
säulenmodell. Er danke der Landesregierung, dass sie die Umsetzung der einschlä-
gigen Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zügig angegangen sei und nicht
auf Klagen seitens der Beamtenschaft gewartet habe.


...
Die Staatssekretärin im Ministerium für Finanzen äußert sich erfreut darüber, dass
der Gesetzentwurf auf breite Zustimmung stoße. Sie fährt fort, die Landesregie-
rung gehe in der mittelfristigen Finanzplanung von Tarifsteigerungen in Höhe von
2,3 % aus
. Um gleich dem möglichen Einwand zu begegnen, dies werde in den
nächsten Jahren nicht ausreichen, weise sie darauf hin, dass der Entwurf des Dop-
pelhaushalts 2023/2024 auch eine Rücklage von 1 Milliarde € umfasse, um Risi-
ken durch Inflation, Energiepreis- und Tarifsteigerungen abzufedern



....Insoweit sei die Landesregierung nach wie vor davon überzeugt, dass sie einen
sehr guten Gesetzentwurf vorgelegt habe.



https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP17/Drucksachen/3000/17_3401_D.pdf


Interessant sind auch die Meinungen der Regierung zum Abstandsgebot, das ich jetzt nicht reinkopiert habe.

Bei 10% Inflation mit 2,3% Erhöhung planen ist natürlich auch lustig. Und natürlich darf das Selbstlob nicht fehlen.  ;D

Aloha

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Antw:[BW] 4-Säulen-Programm
« Antwort #196 am: 04.11.2022 13:50 »
Das mit dem Abstandsgebot ist ja spannend argumentiert: Man habe halt Freiheiten zur Neugestaltung (wobei Rahmenbedingungen des Bundesverfassungsgericht von 2017 nicht näher betrachtet werden).

Und die Opposition erkennt natürlich auch die wesentlichen Probleme im Gesetzentwurf:
Der Abgeordnete der Fraktion der SPD fragt, ob die vorgesehenen Verbesserungen im Besoldungsbereich beispielsweise auch Bediensteten zugutekämen, die im Landtag als Saaldiener tätig seien. >:( ::) :'( ;D

Versuch

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Antw:[BW] 4-Säulen-Programm
« Antwort #197 am: 05.11.2022 09:39 »
Danke für den Link.

"Von dem Abgeordneten der Fraktion der FDP/DVP seien Zweifel geäußert worden, dass die Landesregierung die Reform hinsichtlich des Abstands zwischen den Besoldungsgruppen verfassungsgemäß ausgestaltet habe. Das Bundesverfassungsgericht führe in einem Beschluss aus dem Jahr 2017 aus: Das Abstandsgebot untersagt dem Besoldungsgesetzgeber ungeachtet seines weiten Gestaltungsspielraums, den Abstand zwischen verschiedenen Besoldungsgruppen dauerhaft einzuebnen,– jedoch sollte auch folgender zweite Teil dieses Satzes beachtet werden soweit der Gesetzgeber nicht in dokumentierter Art und Weise von seiner Befugnis zur Neueinschätzung der Ämterwertigkeit und Neustrukturierung des Besoldungsgefüges Gebrauch macht. Zudem heiße es in einer Randnummer noch: Das Abstandsgebot zwingt den Gesetzgeber allerdings nicht, einen einmal festgelegten Abstand zwischen den Besoldungsgruppen absolut oder relativ beizubehalten. Vielmehr kann er ein bestehendes Besoldungssystem neu strukturieren und auch die Wertigkeit von Besoldungsgruppen zueinander neu bestimmen. Insoweit sei die Landesregierung nach wie vor davon überzeugt, dass sie einen sehr guten Gesetzentwurf vorgelegt habe. "

Kann man diese Argumentation mit Sicherheit verneinen und warum?

Ozymandias

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Antw:[BW] 4-Säulen-Programm
« Antwort #198 am: 05.11.2022 10:02 »
Man hat die angebliche Neustrukturierung mit den gestiegenen Anforderungen begründet.  z.B. weil man ja jetzt alles "digital" machen muss.  ;D ;D ;D Und man das mit dem Niveau im mittleren Dienst und gehobenen Dienst nicht erwarten konnte, vom höheren Dienst hingegen konnte man erwarten, auf dem Stand der Technik zu bleiben.

So ähnlich stand es im längeren Gesetzentwurf. Ich halte es nicht für eine Neustrukturierung.

Zitat
Erweist sich die Grundlage dieses Gesamtkonzepts als verfassungswidrig, weil für die unterste(n) Besoldungsgruppe(n) die Anforderungen des Mindestabstandsgebots missachtet wurden, wird der Ausgangspunkt für die darauf aufbauende Stufung in Frage gestellt. Der Besoldungsgesetzgeber ist danach gehalten, eine neue konsistente Besoldungssystematik mit einem anderen Ausgangspunkt zu bestimmen." (BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 – 2 BvL 4/18 –, BVerfGE 155, 1-76, Rn. 48).

Man stuft einfach alle Leute höher, weil man das Mindestabstandgebot verletzt und macht daraus eine angebliche Neustrukturierung.

Das Land verfügt  zwarüber das Recht der Neubewertung von Ämtern und ist damit berechtigt, untere Besoldungsgruppen zu streichen – dabei muss jedoch ein sachlicher Grund gegeben sein; der mangelnde Abstand zum Grundsicherungsniveau ist jedoch keiner.
Der mangelnde Abstand zum Grundsicherungsniveau war jedoch der Grund der Ämteranhebungen und nicht eine Neustrukturierung des Besoldungsgefüges.

So sehe ich es und so ähnlich steht es in meinem Klageentwurf, aber ist natürlich schwer aus der Welt zu schaffen. Das Besoldungsgefüge wird trotzdem dadurch eingeebnet.

Mit dem Bürgergeld ab dem 01.01.2023 kann man gleich weitermachen mit den Ämteranhebungen..... vielleicht lässt das BVerfG die Sache einmal durchgehen, aber irgendwann ist der Drops gelutscht, aber die Landesregierungen sind ja weiterhin kreativ bezüglich der Alimentation...

lotsch

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Antw:[BW] 4-Säulen-Programm
« Antwort #199 am: 05.11.2022 11:00 »
Mich wundert es ja, dass Bayern die Besoldungsstufen nicht anhebt und es beim Eingangsamt A 3 belässt. Jetzt kann man nur spekulieren, warum sie das so machen.
1. Die Bayern sind schlauer (denke ich nicht)
2. Die Bayern denken, dass die Anhebung der Besoldungsstufen sowieso keinen Bestand vor dem BVerfG haben und man später nur unheimlich Ärger haben wird, das alles wieder zu korrigieren. (könnte sein)
3. Die Bayern haben erkannt, dass es kostengünstiger ist, weiterhin in A 3 einzustellen und außerdem hat man mit dem Fiktivlohn in Höhe von 20.000,00 € Brutto schon eine gute Möglichkeit "erfunden", um die restlichen Besoldungsstufen zu drücken. (so wird es sein).


Ozymandias

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Antw:[BW] 4-Säulen-Programm
« Antwort #200 am: 05.11.2022 12:15 »
Gut möglich, dass BW diese Hochstufungen um die Ohren fliegen wird, da diese sich nicht rückgängig machen lassen, wenn das BVerfG daran etwas auszusetzen hat.

Inbesondere auch, da es A2, A3 und co. noch in der Versorgung gibt und eine Rechtssprechung zur Versorgung noch aussteht. Die Akzessiorietät wird zwar bleiben, aber wer weiß was da raus kommt.

Versuch

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« Antwort #201 am: 05.11.2022 20:43 »
Man hat die angebliche Neustrukturierung mit den gestiegenen Anforderungen begründet.  z.B. weil man ja jetzt alles "digital" machen muss.  ;D ;D ;D Und man das mit dem Niveau im mittleren Dienst und gehobenen Dienst nicht erwarten konnte, vom höheren Dienst hingegen konnte man erwarten, auf dem Stand der Technik zu bleiben.

So ähnlich stand es im längeren Gesetzentwurf. Ich halte es nicht für eine Neustrukturierung.

Zitat
Erweist sich die Grundlage dieses Gesamtkonzepts als verfassungswidrig, weil für die unterste(n) Besoldungsgruppe(n) die Anforderungen des Mindestabstandsgebots missachtet wurden, wird der Ausgangspunkt für die darauf aufbauende Stufung in Frage gestellt. Der Besoldungsgesetzgeber ist danach gehalten, eine neue konsistente Besoldungssystematik mit einem anderen Ausgangspunkt zu bestimmen." (BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 – 2 BvL 4/18 –, BVerfGE 155, 1-76, Rn. 48).

Man stuft einfach alle Leute höher, weil man das Mindestabstandgebot verletzt und macht daraus eine angebliche Neustrukturierung.

Das Land verfügt  zwarüber das Recht der Neubewertung von Ämtern und ist damit berechtigt, untere Besoldungsgruppen zu streichen – dabei muss jedoch ein sachlicher Grund gegeben sein; der mangelnde Abstand zum Grundsicherungsniveau ist jedoch keiner.
Der mangelnde Abstand zum Grundsicherungsniveau war jedoch der Grund der Ämteranhebungen und nicht eine Neustrukturierung des Besoldungsgefüges.

So sehe ich es und so ähnlich steht es in meinem Klageentwurf, aber ist natürlich schwer aus der Welt zu schaffen. Das Besoldungsgefüge wird trotzdem dadurch eingeebnet.

Mit dem Bürgergeld ab dem 01.01.2023 kann man gleich weitermachen mit den Ämteranhebungen..... vielleicht lässt das BVerfG die Sache einmal durchgehen, aber irgendwann ist der Drops gelutscht, aber die Landesregierungen sind ja weiterhin kreativ bezüglich der Alimentation...

Du gehst also von einer Klage aus?
Und hast den Klageentwurf selbst verfasst?

Laut deinen Ausführungen könnte  das BVerfG der Argumentation der Landesregierung also sogar folgen?
Laut Sven dachte ich bisher, dass ist eher unmöglich.

Ozymandias

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« Antwort #202 am: 05.11.2022 22:08 »
Ich habe während meiner Prüfung, ob sich so ein Rechtsstreit lohnt, gleich einen groben Klageentwurf entworfen.
Weil ich nicht aus dem Urlaub kommen will und dann sowas in kurzer Zeit schreiben möchte.

Ja selber verfasst, mit Hilfe von Vorlagen, weil es sich mit Anwaltskosten nicht rechnet.

Ich teile den Optimismus von Sven nicht. Keine Ahnung wie viel Gerichtsverfahren er schon gewonnen hat.
Aber gerade die unteren Instanzen weisen gerne Klagen ab, die viel Arbeit machen und nehmen den Amtsermittlungsgrundsatz (im Verwaltungsgerichtsweg Untersuchungsgrundsatz) nicht ganz ernst. Da wird immer der Behörde geglaubt und nicht dem Kläger. Leider selber schon erlebt, wie ein Gericht Lügen einer Behörde ungeprüft ins Urteil schreibt.

Bis zum BVerfG ist es auch ein weiter Weg. Man muss die Rechtskraft eines möglichen Widerspruchsbescheids hemmen und hoffen, dass das BVerfG rechtzeitig ein vernünftiges Urteil spricht, wenn man selber noch beim Verwaltungsgericht rumhängt.

Im  Verfahren zur Doppelbesteuerung von Renten hatte ein Finanzgericht (FG Kassel) eine solche festgestellt, aber da es eine Bagatelle gewesen war, trotzdem die Klage abgewiesen. Recht haben und recht bekommen sind in Deutschland eben immer noch zwei Sachen.


SwenTanortsch

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Antw:[BW] 4-Säulen-Programm
« Antwort #203 am: 05.11.2022 22:49 »
Vor Gott und auf hoher See sind wir in Gottes Hand, Versuch. Wenn es auch schon wieder etwas länger her ist, dass ich mich mit dem Gesetzentwurf beschäftigt und also höchstwahrscheinlich schon wieder viel zu viel vergessen habe, halte ich es nach wie vor für völlig ausgeschlossen, dass dieses "Vier-Säulen-Modell" vor den vom Bundesverfassungsgericht entworfenen "Zwei-Säulen-Modell" zur Prüfung des verfassungskonformen Charakters eines Besoldungsgesetzes Bestand haben könnte. Die Deutlichkeit, mit der sich Ulrich Battis unlängst hinsichtlich des sächsischen Gesetzgebungsverfahren geäußert hat, könnte man auch hier anbringen. Auch Baden-Württemberg wird in Anbetracht eines Fehlbetrags von 26,0 % zwischen der Mindest- und gewährten Nettoalimentation im Jahre 2020 nicht umhinkommen, die Grundgehaltssätze erheblich anzuheben, wie eine Prüfung anhand der Mindestbesoldung ergibt (die der Gesetzgeber wie alle anderen Gesetzgeber seit 2020 in Verkennung ihrer prozeduralen Pflichten ebenso außer Acht gelassen haben, obgleich sie Eingang in einen Leitsatz der letzten bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung gefunden hat):

"Beim systeminternen Besoldungsvergleich ist neben der Veränderung der Abstände zu anderen Besoldungsgruppen in den Blick zu nehmen, ob in der untersten Besoldungsgruppe der gebotene Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau eingehalten ist. Ein Verstoß gegen dieses Mindestabstandsgebot betrifft insofern das gesamte Besoldungsgefüge, als sich der vom Gesetzgeber selbst gesetzte Ausgangspunkt für die Besoldungsstaffelung als fehlerhaft erweist. Die indizielle Bedeutung für die verfassungswidrige Ausgestaltung der zur Prüfung gestellten Besoldungsgruppe ist dabei umso größer, je näher diese an der Grenze zur Mindestbesoldung liegt und je deutlicher der Verstoß ausfällt." (LS. 5)

Nimmt man nun eine solche Prüfung für Baden-Württemberg vor, kann es prozedural offensichtlich nicht mehr gerechtfertigt werden, die Grundgehaltssätze nicht anzuheben, da sich die Besoldungsordnung A im Prüfverfahren bis weit in den gehobenen Dienst als verletzt entpuppt.

Zugleich dürften wir - so schätze ich, je länger ich mich mit der Materie beschäftigen - nach der nächsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erwarten, dass die Besoldungsgesetzgeber nach und nach von ihrem Recht zur Ämterneubewertung Gebrauch machen werden. Denn dadurch, dass sie weit überwiegend untere Besoldungsgruppen offensichtlich sachwidrig - also mit dem ausschließlichen und darin nicht sachgerechten Ziel, so das Mindestabstandsgebot zu gewährleisten - gestrichen haben, dürfte die Rückkehr zu einer verfassungskonformen Alimentation langfristig nun noch einmal deutlich teurer werden, als wenn man sogleich in spätestens den letzten beiden Jahren zu ihr zurückgekehrt wäre. Sofern nun diese Neustrukturierung mit einer Ämterneubewertung einhergehen sollte (was ich heute vermute), wird man - sofern man dann endlich wieder verfassungskonform vorgehen wollte - darauf einigen Gehirnschmalz verwenden müssen. Und verwendete man dann nicht genügend Gehirnschmalz oder hätte weiterhin das maßgebliche Ziel, mittels verfassungswidriger Gesetzgebung über Gebühr Personalkosten einzusparen, ginge ich bald wieder gen Karlsruhe. Und da sich Baden-Württemberg dort bereits 2018 getummelt hat und da ihm dort u.a. bereits eine ungenügende Prozeduralisierung vorgeworfen worden ist, müsste auch jenes Land dann, sofern es aus den Rechtsprechungen des Bundesverfassungsgerichts keine hinreichend sachgerechten Schlüsse zöge, irgendwann damit rechnen, dass ihm Vollstreckungsanordnungen nach § 35 BVerfGG ins Haus ständen. Die Wahrscheinlichkeit hierfür wären dort derzeit - schätze ich - noch geringer als in Sachsen oder Berlin, aber deutlich höher als in all jenen Ländern, über deren Besoldungsgesetze seit 2012 noch nicht vom Bundesverfassungsgericht verhandelt worden ist.

@ Ozymandias
Ich glaube nicht, dass ich übermäßig optimistisch bin, auch stelle ich hier zumeist nur die Rechtslage dar, wie sie sich mir darstellt und enthebe mich jeder Vermutung über konkrete Klageverfahren (die ich weiterhin für mich selbst nicht führe, da mir das zu stressig ist), sondern leiste hier zumeist nur Argumente für sie - jedoch sind die Verwaltungsgerichte daran gebunden, die Direktiven des Bundesverfassungsgerichts zu beachten und haben sie in der Logik ihrer Aufgabe auch jedes Interesse daran, das zu tun (anders als die Besoldungsgesetzgeber). Und da heute weiterhin alle 17 Besoldungsgesetzgeber insbesondere das Mindestabstandsgebot verfehlen, ist die Sachlage seit 2020 eine andere als vor 2020, als es die aktuelle Entscheidung noch nicht gab. Nicht umsonst haben bislang die drei Verwaltungsgerichte, die sich seit 2020 mit Klagen beschäftigen mussten - das VG Hamburg, das OVG Schleswig-Holstein und der Hessische VGH - in aller gebotenen Deutlichkeit Vorlagebeschlüsse gefasst und begründet. Sofern Klageschriften formell korrekt und sachlich hinreichend begründet sind, dürfte es heute keinem Verwaltungsgericht möglich sein, eines der heute gültigen Besoldungsgesetze nicht mit einem freundlichen Gruß als Vorlagebeschluss gen Karlsruhe zu senden.

Und nichtsdestotrotz gilt der erste Satz dessen, was ich eingangs geschrieben habe. Deshalb würde ich mir durchaus überlegen, einen Anwalt zu nehmen, sofern Du nicht bereits entsprechende Klagen geführt hast. Der Teufel steckt im Detail - trotz aller mittlerweile schlüssig vorbereiteten Musterklageschriften.

Ozymandias

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Antw:[BW] 4-Säulen-Programm
« Antwort #204 am: 06.11.2022 11:19 »
Da muss man schon einen Anwalt finden, der sich reinhängt. Diese Sorte gibt es bei den Streitwerten aber nicht.

Und mit den Anwaltskosten wird der Rechtsstreit für hohe Besoldungsgruppen uninteressant, da das Kosten-Chancen-Verhältnis für mich nicht mehr stimmt.

Ich mache es lieber selber und auch für gewisse Familienmitglieder, ansonsten würde sich das zeitlich gar nicht lohnen.

Jedenfalls tut sich in BW relativ wenig, was Besoldungsklagen anbelangt. Auch eine Normenkontrollklage ist trotz der Bedenken von FDP und AfD bzgl. Abstandsgebot nicht geplant. Wenn das nicht verletzt ist, sind Klagen von höheren Besoldungsgruppen in BW von Anfang chancenlos und BW wird das 4-Säulen-Modell hartnäckig verteidigen.

Wie schon bei abgesenkten Eingangsbesoldung (BW hat verloren), oder der Spitzberechnung beim Kindererziehungsergänzungszuschlag (BW hat die NZB verloren).

SwenTanortsch

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Antw:[BW] 4-Säulen-Programm
« Antwort #205 am: 06.11.2022 12:31 »
Ich kann das gut verstehen, denn ebenso richtig ist, dass man in Klageverfahren damit rechnen sollte, dass man die Hauptarbeit zum größten Teil selbst macht - es sei denn, man findet einen Anwalt, der sich tatsächlich bereits umfassender in der Materie auskennt. Jene sind aber selten.

Andererseits steckt der Teufel aber im Detail - und zwar eher bezüglich formellen Rechts als dem materiellen. Hinsichtlich letzterem ist das "Klagefeld" spätestens nach der aktuellen bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung recht übersichtlich, weil seit 2015 ein 2020 weitgehend komplettiertes und übersichtliches Prüfprogramm vorliegt, das mit ein wenig Aufwand gezielt abgearbeitet werden kann (auch dafür benötigt man keinen Anwalt), und weil es heute womöglich schon ausreichte, nicht mehr alle Parameter der ersten Prüfungsstufe zu betrachten, sondern die Verletzung des absoluten Alimentationsschutzes nachzuweisen und das dann also anhand der beiden Abstandsgebote des vierten Prüfparameters aufzuzeigen, um so dann die Verletzung auch des relativen Alimentationsschutzes nachzuweisen, also die Verletzheit der gesamten Besoldungsordnung - nicht umsonst ist so unlängst auch der Hessische VGH vorgegangen (ich würde allerdings hinsichtlich einer Klage nicht empfehlen, so vorzugehen, sondern tatsächlich das volle Programm der Prüfung aller drei Prüfungsstufen vornehmen).

Das m.E. gewichtigste Argument für einen Anwalt hinsichtlich Besoldungsrechtsklagen wäre für mich entsprechend vor allem: Auch Richter sind Juristen und also von ihrem Selbstverständnis her als mit zwei Prädikatsexamina ausgestattet vielfach davon überzeugt, dass ein Laie für sich keinen Prozess führen kann, sodass man nicht ausschließen kann, dass man auf Richter stößt, die den Fall anders betrachten, wenn er von einem Laien vorgebracht, als wenn er anwaltlich vertreten wird. In Anbetracht dessen, dass die Verletzung des Mindestabstandsgebots in allen Rechtskreisen seit spätestens seit 2008 so groß ist, dass es sich kein Verwaltungsgericht heute leisten könnte, eine hinlänglich begründete Klage materiell abzuweisen (auch Gerichte unterliegen der Kontrolle durch die (Fach-)Öffentlichkeit; und kein Richter oder Gericht möchte sich schriftlich in Fachveröffentlichungen festgehaltenem Kopfschütteln aussetzen), sehe ich ebenfalls gute Chancen, eine Klage auch ohne Anwalt zu einem Erfolg zu führen. Aber anders sieht das hinsichtlich des formellen Rechts aus. Hier könnte schon ein Formfehler ausreichen, um die Zulässigkeit der Klage zu bezweifeln, sodass der Fall dann gar nicht erst zur Entscheidung angenommen werden würde - und das dürfte von der Wahrscheinlichkeit eher, so vermute ich, geschehen, wenn kein Anwalt die Vertretung übernimmt als mit einem Anwalt. Es dürfte durchaus (Verwaltungs-)Gerichte in Deutschland geben, die innerlich die Nasen rümpften (sofern man diese innerlich rümpfen könnte), wenn sie sich nun in einem Rechtskreis wiederholt mit nicht anwaltlich vertretenen Klageschriften beschäftigen sollten, schätze ich.

Dir alles Gute für das Klageverfahren: Wenn ich Deine Beiträge hier im Forum richtig lese, bist Du auf einem guten Weg!

ebse

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Antw:[BW] 4-Säulen-Programm
« Antwort #206 am: 06.11.2022 13:32 »
Sagt mal,
wie ist es bei euch? Seid ihr von Seiten des Arbeitgebers oder der Gewerkschaften in irgendeiner Weise informiert worden, wie es bei euch jeweils ab 01.12. aussieht?

Meine Frau ist Landesbeamtin in BW und hat weder vom Dienstherr, noch von der Gewerkschaft irgendwelche Infos bisher erhalten....
Mal die Dezember Abrechnung abwarten, ob sie da "befördert" würde. Kinderzuschläge dürfte sie nicht betreffen, da ich Bundesbeamter bin und diese erhalte....war da auch nicht noch eine Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes im Raum?

Grüße
ebse

BlauesBlau

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Antw:[BW] 4-Säulen-Programm
« Antwort #207 am: 06.11.2022 14:26 »
Hallo zusammen, ich bin schon seit einiger Zeit stiller Mitleser und den sehr aktiven Forenmitgliedern (allen voran Swen Tanortsch) sehr dankbar für die Fülle an Informationen.

Das Abstandsgebot zwischen den Besoldungsgruppen ist ein hergebrachter Grundsatz der Beamtenbesoldung. Laut Bundesverfassungsgericht darf sich der Abstand zwischen zwei Besoldungsgruppen (innerhalb von 5 Jahren) nicht um mehr als 10 Prozent verringern.

Wieso hat das Bundesverfassungsgericht den Zeitraum von 5 Jahren gewählt? (anderer Parameter der anderen Prüfstufen haben Zeiträume von 15 Jahren).
Wenn ich mir die Endstufen (Brutto für BW im Jahr 2009) der Besoldungsstufen A 5 (Stufe 8: 25.766 €) und A14 (Stufe 12: ca. 58.000 €) anschaue ergibt sich ein Abstand von ca. 125 %.
Im Jahr 2022 sieht das ganze wie folgt aus (BW): A5 (Stufe 10: 35.600 €) und A14 (Stufe 12: 75.300 €).
Hier zeigt sich ein Abstand von ca. 111,5 %.
Nehmen wir den Abstand von 2009 als Maßstab der 10 % Regel so ergibt sich (125 % * 0,9  112,5 %). Der Abstand hätte laut Bruttobesoldung von 2009 nicht den Abstand von 112,5 % unterschreiten dürfen. Im Jahr 2022 liegt der Abstand allerdings nur noch bei 111,5 %.
[Wobei hier zu beachten wäre, dass im Jahr 2009 A2 die Anfangsbesoldung war (Jahresbrutto Endstufe 22.866 €), das Abstandsgebot also nochmals deutlicher „verletzt“ ist]
Wäre hier nicht eigentlich schon ein weiterer Parameter gerissen, oder zielt der relativ kurze Zeitraum von 5 Jahren drauf ab, dass der Abstand zwischen Besoldungsgruppen mit der Zeit deutlich eingeebnet werden darf (weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers)?

@Swen Tanortsch: Vor diesem Hintergrund würde mich auch deine These interessieren, inwieweit du dir eine Ämterneubewertung vorstellen könntest. Tatsächlich ist es so, dass die Professorenbesoldung durch die Änderung auf das W-System mit deutlich geringeren Grundgehaltsätzen auskommen muss – eine Orientierung gab es dann an A15 (W2) bzw. A16 (W3), wobei die älteren C3/C4 Grundgehälter deutlich höher lagen/liegen.
Könnte eine Ämterneubewertung dann wie bei der Professorenbesoldung zu deutlich niedrigeren Grundgehältern führen – wobei es ja bestimmt einen Bestandsschutz für Kolleginnen und Kollegen geben müsste?!?   

Grüße
blauesblau

SwenTanortsch

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Antw:[BW] 4-Säulen-Programm
« Antwort #208 am: 06.11.2022 16:21 »
Das sind jetzt mehrere Fragen, BlauesBlau - und ich versuche, sie mal für meine Verhältnisse möglichst kurz zu beantworten.

In der bundesverfassungsgerichtlichen Besoldungsrechtsprechung muss man zwischen materiellen und indiziellen Bedingungen unterscheiden: Die materiellen Bedingungen umfassen am Ende die vom Dienstherrn gewährte Netto-Alimentation; sie beschreiben als Ganze die dem Beamten real vom Dienstherrn gewährte Zuwendung, entsprechend hebt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung hervor: "Bezugspunkt ist das Gehalt als Ganzes" (Rn. 73). Die indiziellen Bedingungen beschreiben hingegen das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Prüfprogramm, mit dem also geprüft werden kann und soll, ob eine gewährte Alimentation verfassungskonform ist oder nicht. Diese Prüfung erfolgt anhand von Bruttobestandteilen der Besoldungsordnung. Die materielle und die indizielle Dimension sind in der Betrachtung von Besoldungsgesetzen streng zu trennen: "Die Parameter [der ersten Prüfungsstufe, also der indizielle Gehalt der Prüfung; S.T.] sind weder dazu bestimmt noch geeignet, aus ihnen mit mathematischer Exaktheit eine Aussage darüber abzuleiten, welcher Betrag für eine verfassungsmäßige Besoldung erforderlich ist. Ein solches Verständnis würde die methodische Zielrichtung der Besoldungsrechtsprechung des Senats verkennen." (Rn. 30)

Die 10 % Abstand, die im Zeitraum von zehn Jahren zu betrachten sind, sind Teil des Prüfprogramms, also Teil des vierten Prüfparameter und stellen insofern eine indizielle Bedingung dar. Ist der Abstand zwischen zwei Besoldungsgruppen innerhalb von fünf Jahren um mehr als 10 % verringert worden, so liegt ein Indiz für eine verfassungswidrige Alimentation vor; wieso genau dieser Wert und jener Zeitraum zur Prüfung herangezogen worden ist, hat das Bundesverfassungsgericht nicht weiter begründet (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 05. Mai 2015- 2 BvL 17/09 -, Rn. 112). Da also der Wert und Zeitraum "nur" ein Indiz für eine verfassungswidrige Alimentation im Rahmen der ersten Prüfungsstufe darstellt, folgt daraus, dass es dem Besoldungsgesetzgeber materiell durchaus gestattet ist, die Abstände zwischen Besoldungsgruppen in jedem Zeitraum auch unterhalb von fünf Jahren um deutlich mehr als 10 % zu verringern - solange er am Ende materiell allen Amtsträgern eine ihrem Amt angemessene Alimentation gewährt, soll heißen: Es ist ihm gestattet eine Ämterneubewertung bis hin zu einer völligen Neustrukturierung des Besoldungsgefüges vorzunehmen. Entscheiden ist dabei allerdings, dass er das sachlich begründet, es muss also ein sachlicher Grund gegeben sein (und Personalkosteneinsparungen stellen keinen bzw. nur einen innerhalb eines gleichheitsgerecht vollzogenen Einsparungsrahmens innerhalb einer Zeit der Haushaltskonsolidierung dar, der entsprechend begründet ist). Dabei hat er insbesondere zu beachten, dass die vom absoluten Alimentationsschutz umfasste Mindestalimentation als der absolut niedrigste materielle Nettobetrag einer eventuell verfassungskonformen Alimentation bei der Besoldung des am niedrigsten besoldeten Beamten der Besoldungsordnung A nicht unterschritten wird. Der "Mindestabstand wird unterschritten, wenn die Nettoalimentation (unter Berücksichtigung der familienbezogenen Bezügebestandteile und des Kindergelds) um weniger als 15 % über dem Grundsicherungsniveau liegt" (Rn. 47).

Nun gehen wir mal der Einfachheit halber davon aus, dass der Gesetzgeber jenem Beamten die Mindestalimentation gewährt und dass dies diesbezüglich zu einem verfassungskonformen Ausgangspunkt führt (was nicht der Fall sein muss, denn auch die Gewährung einer Nettoalimentation genau auf Höhe der Mindestalimentation muss nicht zu einer amtsangemessenen Alimentation führen; aber das ist jetzt ein anderes Thema). Nun kann der Gesetzgeber von diesem Ausgangspunkt aus die Besoldungssystematik unter Beachtung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums neu strukturieren; er hat dabei allerdings entsprechend unter anderem die Ämterwertigkeit zu beachten: "Durch die Anknüpfung der Alimentation an innerdienstliche, unmittelbar amtsbezogene Kriterien wie den Dienstrang soll sichergestellt werden, dass die Bezüge entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit der Ämter abgestuft sind. Gleichzeitig kommt darin zum Ausdruck, dass jedem Amt eine Wertigkeit immanent ist, die sich in der Besoldungshöhe widerspiegeln muss. Die Wertigkeit wird insbesondere durch die Verantwortung des Amtes und die Inanspruchnahme des Amtsinhabers bestimmt. Die „amts“-angemessene Besoldung ist notwendigerweise eine abgestufte Besoldung" (Rn. 43).

Insofern gehe ich davon aus, dass die Besoldungsgesetzgeber, wenn sie sich gezwungen sehen, die Mindestalimentation entsprechend meinen letzten Ausführungen anzuerkennen (und also auch die jeweils durchzuführende Prüfung der Mindestbesoldung als  - indizellen - Teil des vierten Prüfparameters durchführen), nun die von ihnen in fast allen Besoldungsrechtskreisen in den letzten 15 Jahren verstümmelte Besoldungsordnung A neubewerten werden: Denn durch die in vielen Fällen Verstümmelung (eine solche liegt m.E. vor, sofern untere Besoldungsgruppen ohne hinreichende sachliche Begründung ersatzlos gestrichen worden sind, also i.d.R. um den Fehlbetrag zwischen der Mindest- und gewährten Nettoalimentation zu verringern) der Besoldungsordnung A wird in dem Moment, wo die Besoldungsgesetzgeber eine nun wieder amtsangemessene Alimentation in der untersten Besoldungsgruppe gewähren, dieses Unterfangen deutlich teurer, als wenn sie in der Vergangenheit die bestehenden Besoldungsgruppen nicht angetastet hätten.

Nehmen wir hier das Extrembeispiel Baden-Württemberg: Durch die Dienstrechtsreform vom 09.11.2010 ist zum 01.01.2011 der einfache Dienst entfallen und wurden die Beamten der Besoldungsgruppen A 2 bis A 4 in die Besoldungsgruppe A 5 übergeleitet. Durch das nun geplante "Vier-Säulen-Modell" soll am Ende die Besoldungsgruppe A 7 zur niedrigsten werden - unabhängig davon, dass damit Beamte ohne entsprechende Qualifikation bis zu fünf Besoldungsgruppen nach oben geklettert sind (was ihnen von meiner Seite gegönnt sein soll, juristisch aber ohne hinreichende Begründung zweifelhaft ist), wird so am Ende - davon ist auszugehen - zunächst einmal nicht mehr die Ämterwertigkeit beachtet worden sein, was sich als verfassungswidrig heraustellen dürfte. Zugleich wird das Bundesverfassungsgericht dann zukünftig prüfen - sofern es entsprechend angerufen werden wird -, ob diese Ämterwertigkeit zukünftig wieder hergestellt werden wird, also Begründungen für die dann entweder weiterhin oder neuen Abstände zwischen den Besoldungsgruppen im Sinne der Ämterwertigkeit erwarten. Solche Begründungen dürften aber - so vermute ich - schwerfallen, wenn nun in der Besoldungsgruppe A 7 Beamte mit völlig unterschiedlichen Schul-, Ausbildungs- und bisherigen Dienstqualifikationen gänzlich gleichwertig besoldet werden.

Entsprechend sollten sich die Dienstherrn gezwungen sehen, sofern sie zu einer verfassungskonformen Alimentationspraxis zurückkehren wollten, eine sachgerechte Ämterneubewertung und darin eine Neustrukturierung der Besoldungsordnung(en) vorzunehmen - vermutlich werden sie dabei versuchen, um weiterhin (nun ggf. noch verfassungskonform) Personalkosten einzusparen, die Abstände zwischen den verschiedenen Besoldungsgruppen möglichst so gering zu halten, dass damit eben weniger Kosten anfallen. Eventuell werden dabei (das ist ebenfalls nur eine Vermutung) auch Veränderungen in den bzw. innerhalb der Laufbahngruppen vorgenommen werden - egal allerdings, wie die Besoldungsgesetzgeber dann vorgehen (wollen), wollen sie eine wieder verfassungskonforme Besoldungssystematik entwickeln und darin die Personalkosten noch verfassungskonform gering halten, werden sie gehörigen Gehirnschmalz aufwenden müssen, um zu einer für sie dann passablen Lösung zu gelangen. Und um ehrlich zu sein: Darauf freue ich mich schon heute diebisch, da ich davon ausgehe, dass ich das mit großer Freude betrachten werde; denn ich gehe davon aus, dass jenem Unterfangen wegen der vielfach sachwidrigen Verstümmelungen wiederkehrend eine nicht zu unterschätzende Komplexität inhärent sein wird; diese haben sich die Besoldungsgesetzgeber selbst zuzuschreiben: Volkstümlich ausgedrückt - sie werden auch diese Suppe auslöffeln müssen, die sie sich selbst eingebrockt haben. Versuchen sich die Gesetzgeber allerdings erneut, sich ohne sachliche Gründe weiterhin in die Büsche zu schlagen, dürfte es zu einem Treppenwitz der Geschichte werden, dass in den Medien Jahr für Jahr berichtet wird, dass Karlsruhe schon wieder dieses und jenes Besoldungsgesetz kassiert hat - denn wie in der Vergangenheit schon geschrieben: Es ist davon auszugehen, dass mit Abschluss der neuen Besoldungsdogmatik im Anschluss Entscheidungen über Vorlagebeschlüsse schneller geschehen werden als bislang. Vielleicht wird es dann ja zu einer Art Volkssport oder man entwickelt eine Lotterie, auf dass man also sonnabends neben der Ziehung der Lottozahlen wetten kann, welches Besoldungsgesetz in dieser Woche als erstes wieder die Karlsruher Zusatzzahl (die heißt heute Superzahl, fällt mir gerade ein) bilden wird. Auch erhalten dann eventuell Finanzminister ab dem fünften oder siebten verfassungswidrigen Besoldungsgesetz innerhalb einer Legislaturperiode den Ehrentitel "Ein echter Karlsruher" mit dem Ehrenrecht verliehen, bei Eintritt in den Ruhestand von der DB einen generellen Freifahrtschein vom Ruhesitz in den Schloßbezirk 3 zu erhalten.

Sofern nun Grundgehaltssätze, die verfassungskonform auf höherem Niveau als zuvor liegen sollten, zukünftig prozentual gegenüber anderen und niedrigeren Grundgehaltssätzen abgesenkt werden würden und das sachgerecht begründet werden würde, würde es keinen Bestandsschutz geben - denn sofern eine Neustrukturierung sachgerecht erfolgt, gibt es keinen Bestand, der geschützt werden müsste. Zugleich sollte insbesondere im Hochschulbereich - also in einem besondere Leistungsmerkmal aufweisenden Bereich des öffentlichen Diensts - eine stärkere Gewichtung von Grundeghältern und leistungsbezogenen Besoldungskomponenten möglich sein als bspw. im mittleren oder gehobenem Dienst, denke ich. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht in seiner ersten Entscheidung zur neuen Besoldungsdogmatik einige bemerkenswerte Ausführungen gemacht. Es lohnt sich, als Hochschullehrer diese Entscheidung vom 14.02.2012 - 2 BvL 4/10 - gründlich zu lesen (als Finanzminister übrigens auch): https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2012/02/ls20120214_2bvl000410.html.

Poincare

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Antw:[BW] 4-Säulen-Programm
« Antwort #209 am: 07.11.2022 22:22 »
Sagt mal,
wie ist es bei euch? Seid ihr von Seiten des Arbeitgebers oder der Gewerkschaften in irgendeiner Weise informiert worden, wie es bei euch jeweils ab 01.12. aussieht?

Meine Frau ist Landesbeamtin in BW und hat weder vom Dienstherr, noch von der Gewerkschaft irgendwelche Infos bisher erhalten....
Mal die Dezember Abrechnung abwarten, ob sie da "befördert" würde. Kinderzuschläge dürfte sie nicht betreffen, da ich Bundesbeamter bin und diese erhalte....war da auch nicht noch eine Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes im Raum?

Grüße
ebse

Da das Gesetz mind. bis zum 9.11. nachmittags nicht beschlossen ist, gibt es nichts zu informieren! Eine Vorabinfo gab es auf der LBV Seite schon im August. Wenn der Landtag es am Mittwoch durchwinkt, wird es sicherlich nach und nach Informationen geben, aber ich gehe wohl eher von Nachzahlungen aus, als einer direkten Änderung der Dezemberabrechnung.
Beihilfebemessungssatz würde sich laut Gesetz erst zum 1.1.23 ändern. Die PKV ist bereits informiert (zumindest meine wusste Bescheid und hat das schon im Hinterkopf).