Formal-rechtlich handelt es sich tatsächlich um zwei Stränge, da das Bundesverfassungsgericht seit jeher im Alimentationsprinzip zwei Stränge unterscheidet, die darauf basieren, dass der Dienstherr verpflichtet ist, den Beamten und seine Familie lebenslang amtsangemessenen zu alimentieren:
1. Das Bundesverfassungsgericht geht nun davon aus, dass der Dienstherr den Beamten mit seiner ihm zu gewährenden
Nettoalimentation so alimentiert, dass jener damit eine bis zu vierköpfige Familie amtsangemessen unterhalten kann.
2. Sofern der Beamte mehr Kinder hat, hat der Dienstherr den sog.
alimentative Mehrbedarf zu beachten, da es dem Beamten nicht zugemutet werden kann, für den Unterhalt weiterer Kinder auf die familien-neutralen Bestandteile seines Gehalts - also insbesondere das Grundgehalt - zurückzugreifen. Entsprechend ist der alimentative Mehrbedarf zu beachten, da die Familienzuschläge für die beiden ersten Kinder zwangsläufig zur Deckung nur ihrer Bedarfe mit beitragen. Das Bundesverfassungsgericht fasst seine ständige Rechtsprechung in den ersten beiden Leitsätzen der aktuellen Entscheidung vom 04. Mai 2020 - 2 BvL 6/17 u.a - wie folgt zusammen (
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000617.html):
" Der Dienstherr ist aufgrund des Alimentationsprinzips (Art. 33 Abs. 5 GG) verpflichtet, seinen Richtern und Beamten sowie ihren Familien einen amtsangemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Deshalb kann bei der Beurteilung und Regelung dessen, was eine amtsangemessene Besoldung ausmacht, die Anzahl der Kinder nicht ohne Bedeutung sein. Sind die Grundgehaltssätze so bemessen, dass sie zusammen mit den Familienzuschlägen bei zwei Kindern amtsangemessen sind [erster Strang; ST.], darf Richtern und Beamten nicht zugemutet werden, für den Unterhalt weiterer Kinder [zweiter Strang; ST.] auf die familien-neutralen Bestandteile ihres Gehalts zurückzugreifen.
Der Besoldungsgesetzgeber darf bei der Bemessung des zusätzlichen Bedarfs, der für das dritte und jedes weitere Kind entsteht [zweiter Strang; ST.], von den Leistungen der sozialen Grundsicherung ausgehen, muss dabei aber beachten, dass die Alimentation etwas qualitativ Anderes ist als die Befriedigung eines äußersten Mindestbedarfs. Ein um 15 % über dem realitätsgerecht ermittelten grundsicherungsrechtlichen Gesamtbedarf eines Kindes liegender Betrag lässt diesen Unterschied hinreichend deutlich werden (Bestätigung von BVerfGE 44, 249; 81, 363; 99, 300)."
Das Bundesverfassungsgericht geht hinsichtlich des ersten Strangs bislang weiterhin davon aus, dass dem Beamten eine Grundbesoldung gewährt wird, die es ihm ermöglicht, eine bis zu vierköpfige Familie zu ernähren, sodass die Familienzuschläge nur eine ergänzende Funktion haben. Ab dem dritten Kind ist das Grundgehalt aber im Sinne des zweiten Strangs nicht mehr hinreichend, sodass für das dritte und jedes weitere Kind der alimentative Mehrbedarf
gesondert zu betrachten ist. Folge des zweiten, gerade zitierten Leitsatz ist nun, dass die Familienzuschläge ab dem dritten Kind deutlich höher ausfallen müssen als die für die ersten beiden Kinder, da alles andere zum Aufzehren der familen-neutralen Besoldungsbestandteile - also insbesondere des Grundghalts - führen müsste.
Folge dieser Rechtsprechung ist nun, dass der Beamte im Widerspruchsverfahren i.d.R. sowohl die amtsangemessene Höhe der ihm gewährten Nettoalimentation (also des ersten Strangs) als auch die des alimentativen Mehrbedarfs (also des zweiten Strangs) mit einem jeweils eigenen Widerspruch einfordern muss, sofern er Zweifel an ihnen hat. Denn tatsächlich kann die gewährte Alimentation amtsangemessen sein, aber nicht der gewährte alimentative Mehrbedarf - oder aber es kann der gewährte alimentative Mehrbedarf amtsangemessen sein, nicht jedoch die gewährte Alimentation.
Zugleich kommt es auf die vom Dienstherrn geschaffene Rechtslage an. Das Gericht aus Ozy's Zitat - das VG Münster - stellt nun darauf ab, dass der Dienstherr in diesem Fall darauf verzichtet habe, dass der alimentative Mehrbedarf gesondert zu bewiderspruchen gewesen wäre, sodass hier nun ein Widerspruch ausgereicht habe, der sich gegen die Höhe der Alimentation als Ganzes im Sinne des ersten Strangs gerichtet habe, um damit auch den alimentativen Mehrbedarf im Sinne des zweiten Strangs mit einzubeziehen: "Dass solche Anträge zu Recht dahingehend auszulegen sind, dass auch die Gewährung höheren Familienzuschlags begehrt wird, entspricht im Übrigen der Erlasslage des Beklagten
(vgl. Erlass vom 15. Dezember 2021 - B 2020 - 14.3 - IV A 6)."
Da aber ein Erlass wie der im Zitat hervorgehobene eher nicht die Regel sein wird, ist die Wahrscheinlichkeit weiterhin hoch, dass Gerichte einen Widerspruch, der sich nur gegen die Höhe der gewährten Alimentation im Sinne des ersten Strangs richtet, nicht auch auf den alimentativen Mehrbedarf im Sinne des zweiten Strangs erstrecken und entsprechende Klagen als nicht statthaft oder unbegründet zurückweisen.
Entsprechend sollte nun zunächst die Rechtslage geprüft werden, wie sie sich ab 2018 in Baden-Württemberg dargestellt hat. Wie das VG Münster im genannten Zitat ausführt, habe der Erlass vom 15.12.2021 eine Rechtslage im Sinne des Klägers geschaffen. In dem Erlass heißt es in der Ziff. 1.1:
"Ein über die gesetzlich zustehende Besoldung hinausgehender Anspruch auf Besoldung für das dritte Kind und weitere Kinder im oben genannten Sinne ist als schriftlich geltend gemacht anzusehen, wenn ein schriftlicher Antrag/Widerspruch vorliegt, [...]
1.1.2 mit dem die Nichtamtsangemessenheit der Alimentation im Allgemeinen geltend gemacht wird" (
https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=1&gld_nr=2&ugl_nr=20320&bes_id=49234&val=49234&ver=7&sg=2&aufgehoben=N&menu=; der ERlass stammt offensichtlich vom 06.07.2022 und nicht vom 15.12.2021; ggf. ist er am 06.07.2022 auch noch einmal hier identisch erneut worden).
Damit konnte sich der Dienstherr im genannten Verfahren nicht darauf zurückziehen, dass der alimentative Mehrbedarf hätte gesondert bewidersprucht werden müssen, da er die Rechtslage so ausgestaltet hat, dass ein gesonderter Widerspruch nicht nötig gewesen ist, solange eine amtsangemessene Alimentation als Ganze eingefordert worden ist. Sofern es diesen Erlass aber nicht gegeben hätte, hätte sich ihm die Rechtslage jedoch höchstwahrscheinlich so dargestellt wie gerade skizziert: Ohne einen statthaften Rechtsbehelf verfallen Ansprüche nach Ablauf der Frist.
Entsprechend würde ich nun entweder bei der Besoldungsstelle nachfragen oder über einen Anwalt prüfen lassen, wie die Rechtslage ab 2018 hisichtlich des Widerspruchsverfahrens ausgesehen hat, insbesondere, welche Gesetze und Erlasse der Ablehnung des Widerspruchs zugrundeliegen.