Autor Thema: Verhandlungsspielraum bei Stufenzuordnung  (Read 4235 times)

SJSM30

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Verhandlungsspielraum bei Stufenzuordnung
« am: 16.03.2022 08:23 »
Liebes Forum,
in den letzten Monaten habe ich sehr häufig nach hilfreichen Antworten in diesem Forum als stiller Mitlesender gesucht und diese auch meist gefunden :). Nun habe ich eine persönliche Frage, auf die ich nicht die exakt passende Hilfe gefunden habe.
Zur Zeit bin ich an einer Universität in NRW als wiss. Mitarbeiter tätig. Die Tätigkeit ist befristet und wird vermutlich nicht verlängert. Nun möchte ich mich auf eine Stelle an einer Bezirksregierung in NRW bewerben.
Natürlich ist das Tätigkeitsfeld hier ein anderes, da ich zuvor in Forschung und Lehre tätig war und nun eine Überwachungstätigkeit anstreben würde. Die einzige Gemeinsamkeit ist der vorausgesetzte Berufsabschluss und die Promotion.
In meiner Zeit als wiss. Mitarbeiter habe ich bisher die Stufe 4 E13 erreicht. Auch die neu angestrebte Stelle würde nach E13 vergütet. Eine Rückstufung wäre für mich bitter, jedoch bis zu einem gewissen Maße zu ertragen. Lediglich die Stufe 1 möchte ich ungern noch einmal durchlaufen. Meine Frage wäre:

1) Kann aufgrund des gleichen Berufsabschlusses und der Promotion eine Anrechnung förderliche Zeiten geltend gemacht werden?
2) Persönlich verstehe ich die einschlägige Berufserfahrung so, dass diese trotz des gleichen benötigten Berufsabschluss in meinem Fall aufgrund der veränderten Tätigkeit nicht anwendbar ist. Liege ich hier falsch?
3) Ich würde die Stufenzuordnung gerne bei einem Vorstellungsgespräch ansprechen. Kann mein Gegenüber mir eine verlässliche Zusage für eine höhere Stufe geben oder muss dieses zunächst geprüft werden?
3) Wie sind eure Erfahrungen bei solchen Verhandlungen? Habe ich überhaupt eine Chance die Stufe 1 zu umgehen?

Ich möchte sicherlich nicht unverschämt bei einem Vorstellungsgespräch wirken, jedoch wäre der Fall von E13 Stufe 4 auf E13 Stufe 1 sehr hart für mich und meine kleine Familie.

Ich danke schon einmal im Voraus für die Antworten :)

Lars73

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Antw:Verhandlungsspielraum bei Stufenzuordnung
« Antwort #1 am: 16.03.2022 09:00 »
1. Ja
2. Nein, einschlägige Berufserfahrung ist nicht zu erkennen.
3. Kommt darauf an. Im Regelfall braucht es eine Prüfung. Die kann ja auch davon abhängig sein ob andere Bewerber im Vorstellungsgespräch ähnlich gut waren etc. Der Normalfall ist, dass dies im Nachgang geklärt wird. Aber unbedingt vor Vertragsschluss.
3. (Erfahrungen) Kommt ein wenig auf die vorhandene Qualifikation an. IT, Ingenieure eigentlich sehr gute Chancen. Naturwissenschaften und Juristen meist auch ganz gut.  Geisteswissenschaften meist deutlich schlechter.
Man sollte die Verhandlungen mit Stufe 3 oder 4 starten.
Entscheidend ist, dass man bereit ist zu riskieren die Stelle nicht zu bekommen, will man für Stufe 1 nicht kommt.

SJSM30

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Antw:Verhandlungsspielraum bei Stufenzuordnung
« Antwort #2 am: 16.03.2022 09:12 »
Lieber Lars73,

danke für deine schnelle und deutliche Antwort. Es ist doch immer gut, wenn man sowas zu seinem spezifischen Fall hört. Ich werde es auf jeden Fall versuchen und auch das Risiko auf mich nehmen die Stelle aufgrund der Stufenzuordnung nicht zu bekommen. Ich bin tatsächlich Naturwissenschaftler. Deine Aussage diesbezüglich macht mir ein wenig Mut.

Viele Grüße

WasDennNun

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Antw:Verhandlungsspielraum bei Stufenzuordnung
« Antwort #3 am: 16.03.2022 09:52 »
zu 3) Wenn du es nicht ansprichst, wird kein Angebot von Anerkennung von förderlichen Zeiten kommen (können).
Da die Personaler etwas zum lochen und heften benötigen, damit sie behaupten können, dass diese Anerkennung notwendig ist.
wg. §16.2 Abs 4:
Unabhängig davon kann der Arbeitgeber bei Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist.

Also du musst durchblicken lassen, dass es eine Voraussetzung für dich ist, und wenn sie es nicht machen, und dass du dir das dann noch überlegen würdest, ob du die Stelle nimmst (letzteres außerhalb des VG Protokolle).

Auch kann hilfreich sein, wenn du schon eine Argumentation den naiven Kalkriesel Personalern mitlieferst, damit die nicht so viel Arbeit haben.

zu 3b) Ich bin promovierter Informatiker und habe stehts nicht eine Stufe bei einer Einstellung verloren (ok einschlägige Berufserfahrung lag immer vor, obwohl man mir dies einmal auch erst versagen wollte), die einen haben es via förderliche Zeiten gelöst, die anderen mussten dann noch die Zulage nach 16.5 draufsatteln um mich zu bekommen.

Derzeit bin ich derjenige, der diese Arbeit für die Personalerinnen macht und die Begründung schreibt warum der neu eingestellte Informatiker die Stufe X bekommen soll und haben muss, die er aufgrund von Berufserfahrungsjahren haben möchte oder weil sonst das Geld nicht reicht um ihn einzustellen.

Allerdings werden natürlich bei gleicher Eignung, derjenige genommen, der weniger haben will (ist aber bei uns in der IT in den letzten Jahren nicht vorgekommen, da die die für eine Stufe 1 gekommen wären, für ungeeignet gehalten wurden.)

Fazit: Wenn du es nicht ansprichst und deutlich machst "unter Stufe X komme ich nicht, so sieht der tarifliche Weg aus wie sie mir diese Stufe anbieten können" bekommst du die Stufe auch nicht. Hast aber das Risiko die Stelle nicht zu erhaschen.
Wenn du durchblicken lässt, dass du Stufe X erwartest und ansonsten dir das noch überlegen musst, kann es passieren, dass sie sagen: Wir können nur Stufe 1 anbieten, dann musst du antworten: Nein sie wollen nur Stufe 1 anbieten. Oder gibt es ein gleichguter Mitbewerber der für Stufe 1 kommt?

Du kannst natürlich hingehen und für Stufe 1 anfangen, nach einem halben Jahr überzeugen und die Zulage zur Stufe 3 einfordern und erhalten  oder dann wieder wechseln.

E15TVL

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Antw:Verhandlungsspielraum bei Stufenzuordnung
« Antwort #4 am: 16.03.2022 11:04 »
Du kannst natürlich hingehen und für Stufe 1 anfangen, nach einem halben Jahr überzeugen und die Zulage zur Stufe 3 einfordern und erhalten  oder dann wieder wechseln.
Wäre das nicht für den TE - und alle anderen in ähnlicher Situation - der weniger risikobehaftete Weg? Man könnte ja nach dem halben Jahr ein paar Arbeitsverträge, Stellenzusagen, o. ä. vorlegen und auf § 16 Abs. 5 "Deckung Personalbedarf" gehen. Denn wenn hier der AG bockt, kann man immer noch den Schwanz einziehen und in Stufe 1 weiterwurschteln, bzw. wechseln oder etwas neues suchen. Wenn man das von vornherein (also jetzt) verkackt, ist u. U. der Job weg... Mir scheint nämlich die derzeitige Verhandlungsposition mit Blick auf befristete Stelle nicht sonderlich glücklich zu sein (okay, wir kennen aber auch die Bewerberlage nicht)

Lars73

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Antw:Verhandlungsspielraum bei Stufenzuordnung
« Antwort #5 am: 16.03.2022 11:09 »
Die Verhandlungsposition von guten Bewerbern ist ziemlich gut und in der Regel besser als später eine Zulage zu erreichen. Wenn man nur eine Chance auf eine Einstellung hat muss man halt schauen. Aber mit guter Qualifikation und etwas Flexibilität hinsichtlich der Wahl des Arbeitsplatzes hat man gute Karten. Wenn es bei Behörde A nicht klappt fängt man halt bei Behörde B an.

E15TVL

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Antw:Verhandlungsspielraum bei Stufenzuordnung
« Antwort #6 am: 16.03.2022 11:39 »
Wird die Verhandlungsposition denn nach 6 Monaten - wenn a) alle Mitbewerber weg sind und b) man sich schon bewiesen hat - etwa schlechter, wenn man glaubhaft versichern kann andernfalls zu wechseln?

Lars73

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Antw:Verhandlungsspielraum bei Stufenzuordnung
« Antwort #7 am: 16.03.2022 11:46 »
Bei uns wäre die Anerkennung der gesamten förderlichen Berufserfahrung kein Problem. Aber die Möglichkeit nach mit der Zulage wird nur im Bereich IT genutzt.
Es gibt einige Behörden/Arbeitgeber welche die Nutzung der Zulage einschränken und ggf. von der Zustimmung anderer Stellen abhängig machen.

WasDennNun

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Antw:Verhandlungsspielraum bei Stufenzuordnung
« Antwort #8 am: 16.03.2022 11:54 »
Wird die Verhandlungsposition denn nach 6 Monaten - wenn a) alle Mitbewerber weg sind und b) man sich schon bewiesen hat - etwa schlechter, wenn man glaubhaft versichern kann andernfalls zu wechseln?
Natürlich nicht.
Aber wenn man in Stufe 2,3,4 wegen Anerkennung der förderlichen Zeiten eingestellt wird, dann kann man ebenfalls noch nach der Zulage greifen, wenn man sich bewährt hat.

Gehaltsverhandlungen sind halt Pokerspiele und wenn man nicht daran glaubt, dass man trotz der Forderung nach Stufe 2,3,4 genommen wird, dann muss man halt sich mit weniger begnügen und nur das Mindestmaß annehmen (hier Stufe 1) oder sich ein AG suchen, der bereit ist, das Entgelt zu bezahlen, welches man haben möchte.

Obwohl tariflich unbeachtlich ist da aber eine Promotion schon ein mentales Argument und selbst der naivste kalkriesel Personaler versteht das Argument, dass man nicht gewillt ist von Stufe 4 auf Stufe 1 zurück zufallen (innerhalb des öDs)

Hier denke ich sollte locker (sofern nicht billigere genauso gute Mitbewerber da sind) die Stufe 3 drin sein, da das in die Mentale Birne der Personaler noch als Ausgleich für die nicht vorhanden einschlägige Berufserfahrung durchgeht.
Bei der Stufe 4 werden sie idR zickig, die armen Personaler.

WasDennNun

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Antw:Verhandlungsspielraum bei Stufenzuordnung
« Antwort #9 am: 16.03.2022 11:57 »
Bei uns wäre die Anerkennung der gesamten förderlichen Berufserfahrung kein Problem. Aber die Möglichkeit nach mit der Zulage wird nur im Bereich IT genutzt.
Es gibt einige Behörden/Arbeitgeber welche die Nutzung der Zulage einschränken und ggf. von der Zustimmung anderer Stellen abhängig machen.
So ist es auch bei uns.

Bei uns werden die Zulagen auch nur dann bezahlt, wenn schriftlich glaubhaft gemacht und "nachgewiesen" wird, dass realer Wechselwille da ist und man die Person auch wirklich halten will (bei IT der Regelfall).
Mal verzockt der AG sich , mal der AN.

SJSM30

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Antw:Verhandlungsspielraum bei Stufenzuordnung
« Antwort #10 am: 16.03.2022 13:00 »
Ich freue mich sehr über die vielen Tipps. Persönlich ist die angestrebte Stelle mit einem Umzug zurück in die Heimat verbunden. Die Stufe 3 wäre für mich tatsächlich ausreichend, ab 2 würde es sich so nicht mehr rechnen.
Danke euch auf jeden Fall. Ich versuche mein Glück :)

JahrhundertwerkTVÖD

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Antw:Verhandlungsspielraum bei Stufenzuordnung
« Antwort #11 am: 16.03.2022 13:15 »
Beim heutigen Fachkräftemangel, ist jeder selbst Schuld der keine Forderungen stellt.

Zulagen sind schön und gut, aber auf Dauer der Arbeitszeit gerechnet nachteilig, da die Stufenlaufzeiten sich verlängern.
Lieber gleich mit entsprechenden Forderungen ins Gespräch gehen.

Mal abgesehen davon ist der Punkt "Umzug in die alte Heimat" auch zu erwähnen, da dem AG durchaus daran gelegen ist Mitarbeiter zu bekommen welche auch da bleiben wollen.

WasDennNun

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Antw:Verhandlungsspielraum bei Stufenzuordnung
« Antwort #12 am: 16.03.2022 13:38 »
Zulagen sind schön und gut, aber auf Dauer der Arbeitszeit gerechnet nachteilig, da die Stufenlaufzeiten sich verlängern.
Nein, da rechnest du falsch!
Person A geht mit Anerkennung von förderlichen Zeiten in die Bütt und wird in Stufe 3 eingruppiert.
Person B geht mit der Forderung um eine Zulage in höhe von zwei Stufen mehr in die Bütt und wird in Stufe 1 eingruppiert erhält allerdings das Entgelt der Stufe 3 ausgezahlt.

Frage: wer verdient wann mehr Geld?

TVWaldschrat

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Antw:Verhandlungsspielraum bei Stufenzuordnung
« Antwort #13 am: 16.03.2022 13:57 »
Zulagen sind schön und gut, aber auf Dauer der Arbeitszeit gerechnet nachteilig, da die Stufenlaufzeiten sich verlängern.
Nein, da rechnest du falsch!
Person A geht mit Anerkennung von förderlichen Zeiten in die Bütt und wird in Stufe 3 eingruppiert.
Person B geht mit der Forderung um eine Zulage in höhe von zwei Stufen mehr in die Bütt und wird in Stufe 1 eingruppiert erhält allerdings das Entgelt der Stufe 3 ausgezahlt.

Frage: wer verdient wann mehr Geld?

Person A (s3) verdient in 3 Jahren mit Stufe 4 mehr Geld als Person B in 3 Jahren mit Stufe 3, wenn Person B von der PA mit einer aufzehrenden Zulage belegt wird und für 3 Jahre nur das Entgelt der Stufe 3 bekommt. In dem Fall würde Person B erst in 7 Jahren das Geld von Person A der Stufe 4 bekommen, wenn Person A zu dem Zeitpunkt Stufe 5 erreicht hat. Vorausgesetzt Person B lässt sich auf so einen Schindluder ein.

In einer perfekten Welt, mit fähigen PA, würde Person B natürlich mehr Geld als Person A bekommen.

WasDennNun

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Antw:Verhandlungsspielraum bei Stufenzuordnung
« Antwort #14 am: 16.03.2022 14:31 »
Person A (s3) verdient in 3 Jahren mit Stufe 4 mehr Geld als Person B in 3 Jahren mit Stufe 3, wenn Person B von der PA mit einer aufzehrenden Zulage belegt wird und für 3 Jahre nur das Entgelt der Stufe 3 bekommt. In dem Fall würde Person B erst in 7 Jahren das Geld von Person A der Stufe 4 bekommen, wenn Person A zu dem Zeitpunkt Stufe 5 erreicht hat. Vorausgesetzt Person B lässt sich auf so einen Schindluder ein.
Tja, bei einem Deppen, der eine aufzehrende bekommt.
Zitat
In einer perfekten Welt, mit fähigen PA, würde Person B natürlich mehr Geld als Person A bekommen.
Es gibt ja zwei weitere Konstellationen:
Nach einem jahr das Entgelt der Stufe 4 und nach 3 Jahren das Entgelt der Stufe 5 ....
oder
nach einem Jahr Das Entgelt der Stufe 2 plus der Differenz zwischen Stufe 1 und 3  ....
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