Autor Thema: Kommt eine Rückgruppierung "im Alltag" häufig vor?  (Read 6313 times)

Quintus

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Hallo zusammen,

ich arbeite derzeit in der freien Wirtschaft und habe mich kürzlich auf eine Stelle im öffentlichen Dienst beworben (TVöD Bund). Ich bin also ein absoluter Neuling in Sachen Tarifverträge.

Nachdem ich mich in das Thema "Eingruppierung" etwas eingelesen habe, stieß ich auf die mögliche "Gefahr", dass sich nach der Einstellung herausstellt, dass man vom AG falsch (= zu hoch) eingruppiert wurde und man von heute auf morgen rückgruppiert werden kann.

Daher frage ich euch:
1. Lebt man im öffentlichen Dient also immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass man quasi jeden Tag die Mitteilung erhalten könnte, rückgruppiert zu werden?
2. Wie häufig kommen Rückgruppierungen vor (unabhängig vom Grund der Rückgruppierung)?
3. Stimmt es, dass man sich als AN gegen eine solche Rückgruppierung quasi nicht wehren kann?
4. Gibt es eine Art verbindliche Prüfung, die der AG vor der Einstellung durchführen kann, um zu garantieren, dass der - zukünftige - AN richtig eingruppiert wurde? Gibt es AG, die eine korrekte Eingruppierung des AN im Arbeitsvertrag garantieren? Und falls ja, wäre eine solche Garantie im Fall der Fälle überhaupt gerichtsfest?

Ich bin für alle Antworten dankbar.

Freundlichen Grüße
Quintus

Lars73

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Antw:Kommt eine Rückgruppierung "im Alltag" häufig vor?
« Antwort #1 am: 31.03.2022 16:46 »
1. Nein.
2. Sehr selten. Soweit mit Rückgruppierungen allgemein Herabgruppierungen gemeint sind, diese kommen in erster Linie bei befristeten Verträgen die unter geänderten Bedingungen fortgesetzt werden vor. Korrigierende Rückgruppierungen sind eine ziemliche Ausnahme.
3. Gegen eine nachträgliche Korrektur einer falschen Eingruppierung kann man nur sehr selten erfolgreich angehen.
4. Möglich ist ggf. zu vereinbaren Aufgaben nach Entgeltgruppe X zu übertragen oder auf jeden Fall /mindestens) nach Entgeltgruppe  zu bezahlen. Beides wird kaum ein Arbeitgeber machen. Der Arbeitnehmer kann natürlich selber prüfen welche Eingruppierung korrekt ist. Dann kann er das Risiko einschätzen.
Die Garantie richtig eingruppiert zu sein kann der Arbeitgeber jederzeit geben. Das ergibt sich schon aus dem Tarifvertrag. Daraus folgt aber kein Anspruch auf die falsche Entgeltgruppe welche für die Eingruppierung gehalten wurde.

Organisator

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Antw:Kommt eine Rückgruppierung "im Alltag" häufig vor?
« Antwort #2 am: 31.03.2022 17:00 »
1. Nein
2. hab ich noch nie erlebt, höchstens auf Wunsch des Mitarbeiters, wenn er eine andere Tätigkeit übernehmen möchte.
3. Eine Rückgruppierung erfolgt dann, wenn ein Gericht feststellt, dass der Arbeitgeber bei der Annahme der Entgeltgruppe geirrt hat. Ist extrem selten. Ich habe dunkel in Erinnerung, dass ein Forenteilnehmer mal schrieb, dass aufgrund einer Prüfung des Rechnungshofs mal eine nennenswerte Anzahl von Beschäftigten "korrigierend rückgruppiert" wurden. Habe ich aber selber noch nie mitbekommen.
4. Nein
Wäre auch extrem unüblich und würde beim AG mindestens Verwunderung auslösen.

Kurz gesagt - mach dir keine Sorgen. Wenn du vorab mit Ideen nach Nr. 4 auf den AG zukommen würdest kannst du den Job vergessen.

Quintus

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Antw:Kommt eine Rückgruppierung "im Alltag" häufig vor?
« Antwort #3 am: 31.03.2022 19:50 »
Vielen Dank für die schnellen und ausführlichen Antworten. Das hat mich beruhigt, da hatte ich wohl falsche Befürchtungen.

Beste Grüße
Quintus

WasDennNun

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Antw:Kommt eine Rückgruppierung "im Alltag" häufig vor?
« Antwort #4 am: 01.04.2022 06:40 »
Also bei mir Stand im AV, auf meinem betreiben, stets, dass ich als Mitarbeiter mit w. Hochschulstudium und entsprechenden Tätigkeiten eingestellt werde.
Insofern kann ich die Meinung zu Nr.4 nicht ganz teilen.
 Würde mir aber ansonsten null Kopf wg. Rückgruppierun machen, die Fehler was Eingruppierung angeht werden zu 99,999% in die andere Richtung gemacht.

Kaiser80

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Antw:Kommt eine Rückgruppierung "im Alltag" häufig vor?
« Antwort #5 am: 01.04.2022 07:21 »
Würde mir aber ansonsten null Kopf wg. Rückgruppierun machen, die Fehler was Eingruppierung angeht werden zu 99,999% in die andere Richtung gemacht.
Teil 1 des Satzes ja.
Teil 2 (mind. für den kommunalen Bereich) starke Tendenz Nein, da kommt die Rechtsmeinung zur EG eher dem Zufall gleich oft mit Tendenz nach oben (man kennt sich ja...). Die Fehler bei "zu hoher" Eingruppierung (eigentlich ja Entgeltzahlung) werden aber seeehr selten durch die Aufsichtsbehörden "entdeckt"(siehe Organisator) und gerade im eigenen Haus würde sich vermtl. kaum jemand eingestehen er/sie habe MA xy falsch eingruppiert.

NWB

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Antw:Kommt eine Rückgruppierung "im Alltag" häufig vor?
« Antwort #6 am: 01.04.2022 07:41 »
Auch bei uns im Amt wird eine Rückgruppierung nicht vollzogen. Entweder fehlt die Fachkenntnis der handelnden Akteure oder es wird das Verfahren gescheut, weil man die Konsequenzen nicht abschätzen kann. Da ist es einfacher, den Mantel des Schweigens überzuhängen und alles so weiter laufen zu lassen.

E15TVL

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Antw:Kommt eine Rückgruppierung "im Alltag" häufig vor?
« Antwort #7 am: 01.04.2022 08:43 »
Interessante Diskussion hier.
Das heißt also, dass wenn man im Arbeitsvertrag drin stehen hat, dass man nach EG X bezahlt wird, man nicht automatisch vom AG verlangen kann auch immer entsprechende Tätigkeiten zu bekommen? Denn dass sich ein AG bei der Eingruppierung mal nach oben "irrt", dürfte ja legitim sein. Aber das darf doch dann nicht zum Problem des AN werden oder? Mit anderen Worten: Dann müssen den AN eben neue Tätigkeiten übertragen werden, dass die EG wieder passt?

Lars73

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Antw:Kommt eine Rückgruppierung "im Alltag" häufig vor?
« Antwort #8 am: 01.04.2022 08:49 »
Im Normalfall steht nicht im Arbeitsvertrag, dass man nach EG X bezahlt wird. Üblich sind Klauseln wie diese: "Der Beschäftigte ist in die Entgeltgruppe X TVöD eingruppiert."

Zusammen mit einer Regelung zur Anwendung des TVöD ist diese Aussage nicht bindend. Es gilt die tatsächliche Eingruppierung der übertragenden Tätigkeit. (Dies in beide Richtungen [höhere oder niedrigere Entgeltgruppe].)

Organisator

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Antw:Kommt eine Rückgruppierung "im Alltag" häufig vor?
« Antwort #9 am: 01.04.2022 08:54 »
Interessante Diskussion hier.
Das heißt also, dass wenn man im Arbeitsvertrag drin stehen hat, dass man nach EG X bezahlt wird, man nicht automatisch vom AG verlangen kann auch immer entsprechende Tätigkeiten zu bekommen? Denn dass sich ein AG bei der Eingruppierung mal nach oben "irrt", dürfte ja legitim sein. Aber das darf doch dann nicht zum Problem des AN werden oder? Mit anderen Worten: Dann müssen den AN eben neue Tätigkeiten übertragen werden, dass die EG wieder passt?

Der erste Satz ist korrekt. Die Entgeltgruppe ist zwar im Arbeitsvertrag anzugeben, jedoch ist dies rein "deklaratorischer" Natur. Der AN kann sich also bei einem Irrtum des AG nicht darauf berufen, Tätigkeiten der genannten Entgeltgruppe übertragen zu bekommen.

E15TVL

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Antw:Kommt eine Rückgruppierung "im Alltag" häufig vor?
« Antwort #10 am: 01.04.2022 09:14 »
Wäre demnach auch vom Direktionsrecht gedeckt einen AN mit EG 14 von heute auf morgen als Pförtner zu beschäftigen und nach EG 3 zu bezahlen?

Organisator

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Antw:Kommt eine Rückgruppierung "im Alltag" häufig vor?
« Antwort #11 am: 01.04.2022 09:18 »
Wäre demnach auch vom Direktionsrecht gedeckt einen AN mit EG 14 von heute auf morgen als Pförtner zu beschäftigen und nach EG 3 zu bezahlen?

Nein. Das Direktionsrecht bezieht sich nur auf Tätigkeiten der selben Entgeltgruppe - siehe dazu auch den parallelen Thread.

WasDennNun

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Antw:Kommt eine Rückgruppierung "im Alltag" häufig vor?
« Antwort #12 am: 01.04.2022 09:47 »
Interessante Diskussion hier.
Das heißt also, dass wenn man im Arbeitsvertrag drin stehen hat, dass man nach EG X bezahlt wird, man nicht automatisch vom AG verlangen kann auch immer entsprechende Tätigkeiten zu bekommen? Denn dass sich ein AG bei der Eingruppierung mal nach oben "irrt", dürfte ja legitim sein. Aber das darf doch dann nicht zum Problem des AN werden oder? Mit anderen Worten: Dann müssen den AN eben neue Tätigkeiten übertragen werden, dass die EG wieder passt?

Der erste Satz ist korrekt. Die Entgeltgruppe ist zwar im Arbeitsvertrag anzugeben, jedoch ist dies rein "deklaratorischer" Natur. Der AN kann sich also bei einem Irrtum des AG nicht darauf berufen, Tätigkeiten der genannten Entgeltgruppe übertragen zu bekommen.
Außer wenn der AN reinschreiben lässt, dass er Tätigkeiten, die zur EGx führen, übertragen bekommt.

Max

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Antw:Kommt eine Rückgruppierung "im Alltag" häufig vor?
« Antwort #13 am: 03.04.2022 16:22 »
Bei uns gilt intern die "Günstigerregel".
Wenn eine Überprüfung zum Schluss kommt,  dass die Tätigkeit unterbewertet war,  wird höhergruppiert. Wenn niedriger herauskommt,  darf man seine Eingruppierung trotzdem behalten. Letzteres kommt relativ häufig vor,  da wir immer versuchen mit möglichst höher EG auszuschreiben. Die tatsächliche Tätigkeit ist oft unter der übertragenen Tätigkeit.

E15TVL

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Antw:Kommt eine Rückgruppierung "im Alltag" häufig vor?
« Antwort #14 am: 03.04.2022 17:38 »
Danke @Organisator @Lars73 @WasDennNun @Max

Trotzdem aber noch einmal die Frage: Wenn sich das Direktionsrecht nur auf Tätigkeiten derselben Entgeltgruppe bezieht, was - außer ein Eingruppierungsirrtum - führt dann zu einer vom AG einseitig gewollten Herabgruppierung? Hoffentlich nichts oder?