Autor Thema: Schließung Rathaus  (Read 3478 times)

Kaiser80

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Schließung Rathaus
« am: 01.09.2022 07:48 »
Moin zusammen,

Ich war in der Suchfunktion nicht erfolgreich.
Wie lange im Vorfeld müsste eine Schließung der Räumlichkeiten des vereinbarten Arbeitsortes in Verbindung mit ich nenne es mal "Zwangsurlaub" seitens des AG angekündigt werden? Gibt es entsprechende Urteile? Wie weit geht hier das Direktionsrecht?

Konkret:
Diverse Kommunen im Kreis beabsichtigen um die Weihnachtstage bis zu +/- 4 Tage zu schließen. Es ist m.E. unzulässig, Arbeitnehmern, die im ablaufenden Jahr keinen Urlaubsanspruch mehr haben, Betriebsferien "im Vorgriff" auf den Urlaubsanspruch des kommenden Jahres anzuordnen. Der Anspruch ist doch an das jeweilige Urlaubsjahr gebunden (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG).
In "Minusstunden" schicken oder Verpflichtung "Plusstunden" auf- oder abzubauen im Rahmen eines Gleitzeitkontos halte ich ebenfalls für unzulässig (von einzelnen Dienstvereinbarungen mal abgesehen). Bei angeordneten Überstunden hielte ich es für möglich dass diese in o.g. Zeitraum abzubauen wären.

Vielen Dank für den Input

JesuisSVA

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Antw:Schließung Rathaus
« Antwort #1 am: 01.09.2022 07:55 »
In diesen beiden Threads wurde das diskutiert:
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,115245.msg195602/topicseen.html#msg195602
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,115192.0.html

Es bedarf bei Betriebsferien wohl einer Festlegung vor dem Urlaubsjahr oder einer Ankündigungsfrist von mindestens 6 Monaten. Könnte man also problemlos machen - im nächsten Jahr!

Kaiser80

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Antw:Schließung Rathaus
« Antwort #2 am: 01.09.2022 08:13 »

Es bedarf bei Betriebsferien wohl einer Festlegung vor dem Urlaubsjahr oder einer Ankündigungsfrist von mindestens 6 Monaten.
Danke.
Hast du hierzu Rechtsprechung oder kommentierte Literatur "griffbereit"?

JC83

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Antw:Schließung Rathaus
« Antwort #3 am: 01.09.2022 08:33 »
Aus Beck Online:

Unter Betriebsferien versteht man die komplette Schließung eines Betriebes für einen bestimmten Zeitraum unter gleichzeitiger Anordnung, dass während dieser Zeit Url. zu nehmen ist.67 Jedenfalls wenn ein BR besteht und dieser zustimmt, wird die Einführung von Betriebsferien als unproblematisch betrachtet.68 Das geht auf eine unkritische Übernahme der Überlegungen des BAG aus einer Entscheidung vom 28.7.198169 zurück. Danach bedarf es für die Einführung von Betriebsferien keiner dringenden betrieblichen Belange iSv § 7 Abs. 1, weil die Einführung der Betriebsferien selbst einen solchen Belang darstellt.70 Die Url.-Erteilung wäre damit die Rechtfertigung für die Url.-Erteilung. Das überzeugt nicht.

31Es sei freie Organisationsentscheidung des AG, den Betrieb zu schließen und den AN in der Zeit Url. zu erteilen, was dann den Belang nach Abs. 1 begründe.71 Selbstredend ist es eine freie Unternehmerentscheidung, einen Betrieb (vorübergehend) schließen zu wollen. Nach dem eindeutigen Regelungsgehalt des Abs. 1 ist es allerdings keine freie Unternehmerentscheidung, für solche Zeiträume Url. zu erteilen. Wie die Zeit einer Betriebsschließung überbrückt werden soll, steht nicht im Belieben des AG. Die Risikoverteilung nach § 615 S. 3 BGB ist grundsätzlich eine andere. Das Risiko, den AN nicht beschäftigen zu können – sei es durch selbst herbeigeführte oder von außen einwirkende Umstände –, trägt danach grundsätzlich der AG. Im Rahmen des Verständnisses von Abs. 1 muss diese Verteilung des Betriebsrisikos beachtet werden (→ Rn. 24). Übersehen wird auch der Beschäftigungsanspruch des AN im bestehenden Arbeitsverh.,72 der nicht ohne Weiteres durch gewillkürte Betriebsschließung durch den AG suspendierbar ist.

32Die hM führt auch zu zweifelhaften Ergebnissen. Für AN, die zum Zeitpunkt der Betriebsferien (noch) keinen Url.-Anspruch haben oder nicht genügend Url.-Anspruch (mehr) haben, soll für diesen Zeitraum grundsätzlich der Beschäftigungsanspruch erhalten bleiben, mit der Folge von Ansprüchen aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges.73 Für diese soll es demnach bei der üblichen, vom Gesetzgeber gewollten Risikoverteilung bleiben. Auch für AN, die während der Betriebsferien arbeitsunfähig erkranken oder die Url. für die Zeit nach medizinischer Vorsorge oder Rehabilitation wünschen, soll es bei der Anwendung allgemeiner Grundsätze, also des § 9 bzw. § 7 Abs. 1 S. 2 bleiben.74 Beides ist richtig, passt aber nicht zu der hM zur Zulässigkeit von Betriebsferien unabhängig von dringenden betrieblichen Belangen.

33Deshalb ist die mit den „Betriebsferien“ verbundene Url.-Erteilung nur unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 zulässig. In den meisten Fällen dürften solche dringenden betrieblichen Belange durchaus bestehen, zumal bei der Frage der Zumutbarkeit anderer Maßnahmen auch die finanzielle Belastung zu berücksichtigen sein dürfte, die entstünde, wenn der AG Annahmeverzugs- und Url.-Ansprüche kumulativ zu erfüllen hätte. Ein Verzicht auf dringende betriebliche Belange für die Einführung von Betriebsferien indes ist vom Gesetz her nicht gedeckt.

34Weitere Voraussetzung für die wirksame Anordnung von Betriebsferien ist die Existenz eines BR und dessen Zustimmung (zur Mitbestimmung → Rn. 52 ff.)75 sowohl zur vorübergehenden Reduzierung des Arbeitsvolumens auf Null (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) als auch zur Url.-Erteilung. Soweit die einseitige Anordnung von Betriebsferien in betriebsratslosen Betrieben aufgrund des Direktionsrechts für zulässig erachtet wird,76 werden dessen arbeitsvertragliche Grenzen vernachlässigt. Schließlich setzt die wirksame Anordnung von Url. in Betriebsferien zuvor die wirksame vorübergehende Reduzierung des Arbeitsvolumens auf Null voraus. Das ist idR nicht im Wege des Direktionsrechts möglich, sondern – wie § 87 Abs. 1 Nr. 3 und § 5 BetrVG deutlich machen – nur bei Vorhandensein eines BR nach Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens.77 Einseitig vom AG angeordnete Betriebsferien oder sonstige „Zwangsurlaube“ sind deshalb grundsätzlich unzulässig. Nur soweit im Arbeitsvertrag eine solche Anordnungsbefugnis wirksam vorbehalten ist, wäre unter der weiteren Voraussetzung des Vorliegens dringender betrieblicher Belange eine Anordnung von Betriebsferien möglich, genauso wie unter derselben Voraussetzung eine Individualvereinbarung mit jedem einzelnen AN möglich ist. Soweit keine im Einzelnen ausgehandelte Vereinbarung, sondern AGB vorliegen, dürfte ein solcher Vorbehalt gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sein, denn er entfernt sich zu weit vom gesetzlichen Leitbild des § 7 Abs. 1 und der gesetzlich vorgesehenen Risikoverteilung gemäß § 615 BGB.

35Schließt die Mehrzahl der AN solche Vereinbarungen ab, kann den anderen dies nicht ohne Weiteres als dringender betrieblicher Belang entgegengehalten werden, weil insoweit die Risikoverteilung des § 615 BGB (Betriebsrisiko) zu beachten ist und der Umstand, dass der AG selbst die Lage herbeigeführt hat. Es darf auch nicht übersehen werden, dass dringende betriebliche Belange nach der Gesetzeskonstruktion nicht dazu dienen, dem AG zu bestimmten Zeiten die Url.-Erteilung zu ermöglichen, sondern nur dazu, bestimmte AN-Wünsche nicht erfüllen zu müssen.

36Die Bindung des Url. an das Kalenderjahr führt nicht dazu, dass nur für das laufende Jahr Betriebsferien vereinbart werden können, vielmehr ist es zulässig, im Voraus – soweit die Belange gem. Abs. 1 absehbar sind – Betriebsferien für die Folgejahre festzulegen.

JesuisSVA

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Antw:Schließung Rathaus
« Antwort #4 am: 01.09.2022 08:45 »

Es bedarf bei Betriebsferien wohl einer Festlegung vor dem Urlaubsjahr oder einer Ankündigungsfrist von mindestens 6 Monaten.
Danke.
Hast du hierzu Rechtsprechung oder kommentierte Literatur "griffbereit"?

Nein. Ich kenne nur die verlinkten Aussagen. Eine kurze google-Recherche brachte zwar in den ersten Treffern auch die 6 Monate hervor, jedoch ohne Referenz auf Urteile o.ä.

BAT

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Antw:Schließung Rathaus
« Antwort #5 am: 01.09.2022 09:52 »
Um die Zeit macht das halbe Haus sowie wieder Absonderungsbescheide im Notdienst.  ;) ;D

gerzeb

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Antw:Schließung Rathaus
« Antwort #6 am: 20.09.2022 13:15 »
Rückfrage hierzu:
Mitte des Jahres erfolgte eine Mitteilung im Intranet, dass es in diesem Jahr keine Betriebsferien geben wird. Heute dann die Meldung, dass mit Hinblick auf die Energiesparmaßnahmen nun doch Betriebsferien angeordnet werden.

Wie sollte man sich nun verhalten? Die 6 Monate Ankündigungszeit sind bei weitem nicht eingehalten, erschwerend kommt die Meldung von Mitte des Jahres hinzu. Ich möchte keinen Urlaub nehmen. Heißt, ich biete schriftlich meiner Dienststelle meine Arbeitskraft an mit dem Verweis, dass die Ankündigungsfrist nicht eingehalten wurde? Oder habt ihr eine bessere Idee?

Dakmer

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Antw:Schließung Rathaus
« Antwort #7 am: 20.09.2022 15:39 »
Bei uns erfolgte die Mitteilung zum Zwangsurlaub erst Mitte September, was dazu führt, dass nicht mehr genug Urlaub da ist. HomeOffice ist nur in Ausnahmefällen möglich, was für mich keinen Sinn ergibt. Ich würde gern ganz normal im HomeOffice arbeiten. Ich muss also entweder Minusstunden machen, Plusstunden vorarbeiten oder unbezahlten urlaub nehmen.
Was denkt ihr darüber? Sollte ich auch schriftlich meine Arbeitskraft anbieten? Aber wie geht das dann weiter?

Philipp

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Antw:Schließung Rathaus
« Antwort #8 am: 20.09.2022 15:43 »
Betriebsferien sehe ich als unproblematisch.

Die Frage ist doch nur, ob der Arbeitgeber dafür extra freie Tage locker macht.

Ich denke, niemand wird sich beschweren wenn er über die Feiertage frei bekommt und dafür keine Urlaubstage "opfern" muss. Für den Fall sollte auch die Frist von 6 Monaten kein Problem sein.

Wer Stellenbedingt (Jugendhilfe, Bauhof o.Ä.) trotzdem arbeiten muss, bekommt einfach entsprechend Plusstunden.

was_guckst_du

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Antw:Schließung Rathaus
« Antwort #9 am: 20.09.2022 15:53 »
...bei uns werden keine Betriebsferien stattfinden, sondern es werden nur die Gebäude geschlossen (ein Straßenverkehrsamt wird offen gehalten und ein paar Notdienste)...

...niemand wird gezwungen Urlaub zu nehmen oder Minusstunden zu machen...Homeoffice wird großzügig gehandhabt...selbst bei den wenigen Fällen, die zu Hause keinen Internet haben (es gibt echt welche, die wegen "Strahlengefahr" darauf verzichten) werden kreative HomeOffice-Lösungen angeboten (die sollen halt ne Akte mitnehmen oder Selbststudium oder ähnliches machen)..  schwierig ist es nur mit dem eigenem Reinigungspersonal (Wahrscheinlich werden die zu Hause im HomeOffice neue Reinigungstechniken ausprobieren)  ;)
Gruß aus "Tief im Westen"

Meine Beiträge geben grundsätzlich meine persönliche Meinung zum Thema wieder und beinhalten keine Rechtsberatung. Meistens sind sie ernster Natur, manchmal aber auch nicht. Bei einer obskuren Einzelfallpersönlichkeit antworte ich auch aus therapeutischen Gründen

JesuisSVA

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Antw:Schließung Rathaus
« Antwort #10 am: 20.09.2022 15:57 »
Ich sehe nicht, dass es um zusätzliche freie Tage ginge. Es geht vielmehr um eine zu vermutende und zu unterstellende Ankündigungsfrist, ggfs. in diesem Zusammenhang auch einer Dienst- oder Betriebsvereinbarung dazu. Zudem geht es um den Umstand, dass die Betriebsferien nicht mit dem bestehenden Urlaubsanspruch abgedeckt werden können.

Zunächst wäre also zu prüfen, ob der Betriebsschließung eine Dienst-/Betriebsvereinbarung zugrundeliegt und welchen Inhalt diese hat. Gibt es keine, stellt sich mindestens die Frage nach der ordnungsgemäßen Beteiligung von Personal-/Betriebsrat. Hinsichtlich des fehlenden Urlaubsanspruchs ist das Risiko, wie ja oben auch aus Beck zitiert, den Arbeitnehmer nicht beschäftigen zu können, das des Arbeitgebers.

Dakmer

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Antw:Schließung Rathaus
« Antwort #11 am: 20.09.2022 17:41 »
Dienstvereinbarung? = nein, nur Erfordernisse zur Energieeinsparung wegen Energiekrise als Begründung,
Personalrat? = nein, wurde nicht gefragt
alle Ämter schließen? = nein, einige müssen arbeiten
Termin Bekanntgabe der Schließung? = drei Monate vorher
Arbeit im HomeOffice möglich? = ja, aber das wird nicht gewollt vom AG  :-\

JesuisSVA

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Antw:Schließung Rathaus
« Antwort #12 am: 20.09.2022 17:45 »
Es fällt mir kein PersVG ein, nach dem hier nicht zu beteiligen wäre. Ist die Beteiligung unterblieben, wäre die Maßnahme möglicherweise unwirksam.