Autor Thema: Kinderkrankengeld vs. Engeltfortzahlung  (Read 4366 times)

Hanseatin

  • Newbie
  • *
  • Beiträge: 7
Kinderkrankengeld vs. Engeltfortzahlung
« am: 08.09.2022 11:23 »
Hallo in die Runde,

ich habe folgendes Problem und hoffe, dass mir jemand rechtlich weiterhelfen kann:

Für die Woche vom 22.8.2022 bis 26.8.2022 war es erforderlich, dass ich meine 5-jährige Tochter zu Hause betreue, da sie an Corona erkrankt war. Deshalb habe ich am 18.8.2022 bei meiner Krankenkasse einen Antrag auf Kinderkrankengeld bei pandemiebedingter Betreuung des Kindes nach § 45 Absatz 2a SGB V für die Zeit vom 22.8.2022 bis 26.8.2022 gestellt, da ich meine Tochter in der Zeit nicht in die Kita bringen konnte. Für den 18.8. und 19.8.2022 konnten meine Eltern die Betreuung meiner Tochter absichern.

Meinen Arbeitgeber habe ich gleich noch am 18.8.2022 darüber informiert, dass ich in der folgenden Woche zur Betreuung meiner Tochter zu Hause bleiben werde und eine Kopie des Antrages auf Kinderkrankengeld an die Personalstelle geschickt. Leider bin ich dann am Wochenende selber erkrankt und war vom 22.8.2022 bis 26.8.2022 arbeitsunfähig und konnte meine Tochter betreuen. Deshalb war die Inanspruchnahme der Kindkrankentage nicht mehr erforderlich. Das habe ich meiner Personalstelle dann am 22.8.2022 auch so mitgeteilt.

Trotzdem haben sie mein Entgelt für August für die eine Woche wegen Kind krank gekürzt, obwohl ich ja selber krank war und ich dachte, dass ich für die Woche Entgeltfortzahlung erhalte. Dann habe ich bei der Personalstelle angerufen und nachgefragt. Dort meinte man, dass ich ja für die Woche von der Arbeitsleistung nach § 45 Absatz 2a SGB V unbezahlt freigestellt war und deshalb auf Grund meiner später hinzugetretenen Arbeitsunfähigkeit kein Entgelt ausgefallen sei. Deshalb könne wohl auch keine Entgeltfortzahlung erfolgen. Stattdessen müsste ich wohl Kinderkrankengeld erhalten. Die Krankenkasse sagt nun aber, dass sie kein Kinderkrankengeld zahlen und ich Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber erhalten soll.

Ich weiß nun nicht weiter, da ich nun für die eine Woche überhaupt kein Geld erhalten habe. Kann mir jemand sagen, ob die Personalstelle oder die Krankenkasse falsch liegen? Kennt jemand vielleicht Urteile, mit denen ich gegenüber Personalstelle oder Krankenkasse argumentieren könnte?

Für mich findet der TVöD-VKA Anwendung, falls das hierfür relevant ist.

Britta2

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 683
Antw:Kinderkrankengeld vs. Engeltfortzahlung
« Antwort #1 am: 08.09.2022 14:43 »
Du hast kein Arztattest für Deine eigene Erkrankung? Falls ja - ist die Nachzahlung (Lohnfortzahlung) vom AG fällig.

Hanseatin

  • Newbie
  • *
  • Beiträge: 7
Antw:Kinderkrankengeld vs. Engeltfortzahlung
« Antwort #2 am: 09.09.2022 07:58 »
Ja, ich habe eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für meine eigene Erkrankung erhalten. Aber meine Personalstelle sagt, dass ich während meiner Arbeitsunfähigkeit unbezahlt von der Erbringung der Arbeitsleistung zur Kinderbetreuung freigestellt war und die Bescheinigung daher keine Entgeltfortzahlung auslösen kann.

Und ich dachte, dass man die unbezahlte Freistellung zur Kinderbetreuung einseitig durch Abgabe der Bescheinigung "rückgängig machen kann". Aber meine Personalstelle sieht das nicht so. Deshalb bin ich auf der Suche nach Urteilen bzw. rechtlichen Erläuterungen zu dem Problem.

Britta2

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 683
Antw:Kinderkrankengeld vs. Engeltfortzahlung
« Antwort #3 am: 09.09.2022 16:51 »
Ich halte es für denkbar, dass Du Dir selbst geschadet hast und der Arbeitgeber schlichtweg Deine eigene Erkrankung (und dieses Attest und somit auch die Pflicht zur Lohnfortzahlung!) bestreitet.
Entweder Du warst tatsächlich selbst krank   ODER  Du warst "gesund genug" für die Kinderbetreuung.
Falls Ihr keinen BR habt oder Ombudsmann - frag doch mal bei einem Juristenforum, ob noch was zu retten ist.
Aber sei vorsichtig in allem, was Du dazu im Betrieb äußerst - ebenso zur Kinderbetreuung. Es könnte übel enden.

Britta2

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 683
Antw:Kinderkrankengeld vs. Engeltfortzahlung
« Antwort #4 am: 10.09.2022 03:54 »
Ach du liebe Sch ... ja, solche Winkelzüge würde ich unserem AG auch zutrauen. Zum Glück sind meine Kinder längst erwachsen und traf mich sowas nie. Keine Ahnung, ob das Krieg Wert ist - wegen nur einer Woche.
Beim nächsten Mal (was man keinem wünscht!) aber bist Du klüger.

https://www.lohn1x1.de/Fachinfo/Lohnfortzahlung-im-Krankheitsfall.html
copy+ paste daraus:  "... Der sechswöchige Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gilt für jede neue Krankheit aufs Neue. Allerdings nur, wenn der Arbeitnehmer nicht bereits arbeitsunfähig ist.  ..."
Als arbeitsunfähig hattest Du Dich ja zuvor wegen Kinderbetreuung (Kind krank) befreien lassen ...

Hanseatin

  • Newbie
  • *
  • Beiträge: 7
Antw:Kinderkrankengeld vs. Engeltfortzahlung
« Antwort #5 am: 11.09.2022 10:18 »
Britta2, es ist nett, dass du versuchst, mir zu helfen. Aber doch bitte nicht 03:54 Uhr in der Nacht ...

Ich war auf jeden Fall so krank, dass ich in der einen Woche nicht arbeiten konnte, aber zugleich so gesund, dass ich meine Tochter betreuen konnte. Wir waren halt "gemeinsam" krank.

Der gepostete Link passt leider nicht so wirklich. Schade.
Auf Grund der wenigen Rückmeldungen habe ich den Eindruck, dass mein Fall doch schwieriger zu sein scheint als gedacht.

JesuisSVA

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 1,594
Antw:Kinderkrankengeld vs. Engeltfortzahlung
« Antwort #6 am: 11.09.2022 10:32 »
Wenn keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung und kein Entgeltanspruch bestanden, konnte die Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich auch keine Entgeltfortzahlung auslösen. So es keine spezielle Regelung gibt, die hier zu einer Ausnahme führte, besteht auch kein Anspruch gegen den Arbeitgeber. Mir ist keine bekannt. Da ich aber den Ausführungen entnehmen konnte, dass der Sozialversicherungsträger die Zahlung der Ersatzleistung nunmehr ebenfalls verweigert, wird dieser als KöR ja auf Basis einer Rechtsgrundlage handeln und diese auf Verlangen mitteilen, sofern er dies nicht bereits getan hat.

Rentenonkel

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 461
Antw:Kinderkrankengeld vs. Engeltfortzahlung
« Antwort #7 am: 11.09.2022 11:39 »
Hallo Hanseatin,

Du siehst es schon ganz richtig, die Sache ist sehr komplex.

Zunächst einmal hat man für die Betreuung eines Kindes Anspruch auf Krankengeld. Das Krankengeld ist im § 45 SGB V geregelt. Danach kann man Krankengeld ab dem ersten Tag des Attestes erhalten.

Laut § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ruht das Recht auf Krankengeld, wenn der Versicherte ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt beziehungsweise Arbeitseinkommen erhält. Diese Regelung gilt auch für Krankengeld des Kindes. Daher stand Dir für die ersten beiden Tage kein Krankengeld zu, denn Du warst ja weiter arbeiten und hast die Betreuung anderweitig geregelt.

Wenn also nach Eintritt des Attestes Deines Kindes selbst eine Arbeitsunfähigkeit auftritt, dann stellt sich die Frage, ob man einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat.

Hilfestellung könnte ein Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 11.04.2003 geben ( Az: 6 AZR 374/02). Darin beschäftigt sich das BAG mit einem Fall, in dem der Arbeitnehmer zunächst angekündigt hatte, Überstunden abzubauen und danach arbeitsunfähig erkrankte. Das BAG hat entschieden, dass der Arbeitnehmer die Überstunden nicht zurück erhält.

Nach der Rechtsprechung des BAG verstößt der Abbau des Zeitguthabens trotz Arbeitsunfähigkeit nicht gegen das Entgeltfortzahlungsgesetz. Sinn und Zweck des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist, dass der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch behält. Ohne diese Regelung würde der Grundsatz gelten „Ohne Arbeit kein Lohn“. Beim Abbau von Überstunden gilt dies aber nicht, weil die Arbeitsleistung ja im Voraus erbracht wurde.

Der Entgeltfortzahlungsanspruch setzt daher voraus, dass die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist. Das ist nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer auch aus einem anderen Grund nicht gearbeitet hätte, wie dies das BAG in seinem Urteil vom 11.09.2003 ( Az: 6 AZR 374/02) entschieden hat.

So liegen die Dinge auch hier. Du bist bereits vor Eintritt Deiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit durch den Kinderkrankenschein wirksam von seiner Arbeitsverpflichtung freigestellt worden. Dir hat demnach meiner Meinung nach keine Entgeltfortzahlung zugestanden, sondern (Kinder-)Krankengeld von der gesetzlichen Krankenkasse.

Anders hätte es sich verhalten, wenn zuerst Du und dann das Kind krank geworden wären. Dann hättest Du zunächst Entgeltfortzahlung erhalten und ab dem Zeitpunkt, ab dem du wieder gesund gewesen wärst, aber das Kind noch nicht, Kinderkrankengeld.

Britta2

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 683
Antw:Kinderkrankengeld vs. Engeltfortzahlung
« Antwort #8 am: 11.09.2022 16:54 »
Du bist bereits vor Eintritt Deiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit durch den Kinderkrankenschein wirksam von seiner Arbeitsverpflichtung freigestellt worden. Dir hat demnach meiner Meinung nach keine Entgeltfortzahlung zugestanden, sondern (Kinder-)Krankengeld von der gesetzlichen Krankenkasse.
Genauso hatte ich den verlinkten Artikel auch verstanden.
Also sollte die KK zahlen statt der AG. Problematisch wäre es - falls das Kind zuvor bereits alle "verfügbaren" Krankheitstage in 2022 "verbraucht" hätte. Das wissen wir nicht. Klar kann man sowas nicht "vorher planen".
BTW - sorry, weil ich es wagte, so früh zu schreiben. Ich war aber nicht wegen Dir so früh im Internet unterwegs sondern wegen eigener Dinge (die nichts mit dem ÖD oder Krankheit etc zu tun haben". Künftig achte ich auf die vorgeschriebe nächtliche Ruhezeit. Heute ist Sonntag - hoffentlich durfte ich da trotzdem hier schreiben.

MH

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 216
Antw:Kinderkrankengeld vs. Engeltfortzahlung
« Antwort #9 am: 11.09.2022 17:22 »
Genau deswegen meldet sich meine Cousine immer selbst krank, anstatt "krank Kind"
Ich weiß ist nicht korrekt und kann Folgen haben, wurde ihr aber so "empfohlen" durch ihren TL, naja durch die Blume so vermittelt 😅.
Da schnell, unkompliziert und man rennt meinem Geld hinterher. Ehrlich gesagt, habe ich das bei Eltern schon mehrfach mitbekommen, komischerweise sprechen sie im Nachhinein darüber, als ob's normal wäre... So von wegen war ja nur dieses Mal🤷

Hanseatin

  • Newbie
  • *
  • Beiträge: 7
Antw:Kinderkrankengeld vs. Engeltfortzahlung
« Antwort #10 am: 12.09.2022 21:47 »
Wenn keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung und kein Entgeltanspruch bestanden, konnte die Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich auch keine Entgeltfortzahlung auslösen. So es keine spezielle Regelung gibt, die hier zu einer Ausnahme führte, besteht auch kein Anspruch gegen den Arbeitgeber. Mir ist keine bekannt. Da ich aber den Ausführungen entnehmen konnte, dass der Sozialversicherungsträger die Zahlung der Ersatzleistung nunmehr ebenfalls verweigert, wird dieser als KöR ja auf Basis einer Rechtsgrundlage handeln und diese auf Verlangen mitteilen, sofern er dies nicht bereits getan hat.

In ihrem Schreiben hat die Krankenkasse nur lapidar mitgeteilt, dass ich keinen Anspruch auf Kinderkrankengeld hätte, da ich Anspruch auf Entgeltfortzahlung habe. Eine Rechtsgrundlage wurde nicht angegeben. Es macht auf mich den Eindruck, als versucht die Krankenkasse hier eher ihrem Ruf als Kostenvermeidungskasse gerecht zu werden.

Vielen Dank @JesuisSVA und @Rentenonkel für die gut verständlichen rechtlichen Erläuterungen.

Genauso hatte ich den verlinkten Artikel auch verstanden.
Also sollte die KK zahlen statt der AG. Problematisch wäre es - falls das Kind zuvor bereits alle "verfügbaren" Krankheitstage in 2022 "verbraucht" hätte. Das wissen wir nicht. Klar kann man sowas nicht "vorher planen".
BTW - sorry, weil ich es wagte, so früh zu schreiben. Ich war aber nicht wegen Dir so früh im Internet unterwegs sondern wegen eigener Dinge (die nichts mit dem ÖD oder Krankheit etc zu tun haben". Künftig achte ich auf die vorgeschriebe nächtliche Ruhezeit. Heute ist Sonntag - hoffentlich durfte ich da trotzdem hier schreiben.

https://www.lohn1x1.de/Fachinfo/Lohnfortzahlung-im-Krankheitsfall.html
copy+ paste daraus:  "... Der sechswöchige Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gilt für jede neue Krankheit aufs Neue. Allerdings nur, wenn der Arbeitnehmer nicht bereits arbeitsunfähig ist.  ..."
Als arbeitsunfähig hattest Du Dich ja zuvor wegen Kinderbetreuung (Kind krank) befreien lassen ...

In dem Beispiel, welches auf der von dir verlinkten Seite unmittelbar nach der von dir zitierten Passage folgt, geht es darum, dass kein neuer sechswöchiger Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht, wenn man während einer bestehenden AU eine weitere/neue Erkrankung erleidet (zunächst AU wegen Infekt und dann zusätzlich AU wegen Verstauchung des Knöchels). Einen Zusammenhang zu meinem Fall kann ich entgegen deiner Behauptung nicht erkennen. Deine Ausführungen "Als arbeitsunfähig hattest Du Dich ja zuvor wegen Kinderbetreuung (Kind krank) befreien lassen ..." passen in der Subsumtion nicht wirklich. Aber egal, wie bereits erwähnt wurde mir durch JesuisSVA und Rentenonkel gut geholfen.

Btw: Bleib ganz entspannt Britta2 - ich hatte nur Sorge, dass dich mein Sachverhalt so sehr mitnimmt, dass du nachts nicht schlafen kannst. Das wäre unnötig.