Autor Thema: [SH] Widerspruch amtsangemessener Alimentation / Sonderzahlung  (Read 36976 times)

HansGeorg

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Die "juristische Stellungnahme" ist veröffentlicht worden: https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl20/umdrucke/01200/umdruck-20-01240.pdf
Sucht noch jemand nach dem Haar in der Suppe?

Es geht hier nur um die "Sonderzahlungen". Wenn also festgestellt wird, dass diese Kürzung rechtens war, aber die Alimentation gesamtheitlich zu niedrig war, gehst du leer aus.

Der Obelix

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Ja, vermeintlich meint die Beamtenschaft dass bei unzureichender Gesamtalimentation die Zusage gilt.

Aber das Land wird sich hierauf natürlich nicht einlassen......


Nordlicht97

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Genau diese Sorge habe ich auch.
Denn diese Zusage galt ja nur für die Sonderzahlung, nicht für die Alimentation im Allgemeinen...

Aber ob sich die Landesregierung damit dann einen gefallen tun würde, wenn sie allen Beamten vor den Kopf stößt?

In einem Artikel der SHZ aus dem Januar hieß es vom FM:

"Das Finanzministerium bestätigt das und warnt vor der Hoffnung auf einen großen Geldsegen. Sprecherin Svea Balzer: „Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gibt es überhaupt keinen isolierten Anspruch auf eine Sonderzahlung, sondern nur einen Anspruch auf eine verfassungsgemäße Alimentation.“ Für deren Ermittlung sei das Gesamtjahreseinkommen maßgeblich. „Sollte das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit feststellen, wird eine Nachzahlung nur in dem Umfang erforderlich, der die Verfassungswidrigkeit beseitigt.“

Prüfer SH

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Und wie wahrscheinlich ist es, dass die Kürzung rechtens war, die Alimentation im Allgemeinen aber nicht? Passt das zusammen? Aber dann macht die Aussage mit der Differenz natürlich Sinn. Hat jemand mal gerechnet, wie hoch die Mindestalimentation hätte sein müssen? Das kann doch kaum eingehalten worden sein, selbst mit Sonderzahlung nicht!?

Wie auch immer, ich freue mich auch, wenn die Mindestalimentation eingehalten wird.

Der Obelix

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Ich würde dann als FM in S-H die Bediensteten informieren, dass alleine die Sonderzahlungskürzung nicht rechtswidrig war und eine verfassungswidrige Alimentation ja seit dem neuen Gesetz 2023 vorliegt und damit alles in Butter sei.

Gleichzeitig wird die Arbeit aller Beamtinnen und Beamten weiterhin als hohes Gut wertgeschätzt und mit dem neuen Gesetz sei wirklich ein toller Wurf gelungen......

Wer dann noch vorgehen will muss aktiv selbst klagen, das ist natürlich klar.

Nordlicht97

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Und wie wahrscheinlich ist es, dass die Kürzung rechtens war, die Alimentation im Allgemeinen aber nicht? Passt das zusammen? Aber dann macht die Aussage mit der Differenz natürlich Sinn. Hat jemand mal gerechnet, wie hoch die Mindestalimentation hätte sein müssen? Das kann doch kaum eingehalten worden sein, selbst mit Sonderzahlung nicht!?

Wie auch immer, ich freue mich auch, wenn die Mindestalimentation eingehalten wird.


Genau das wäre auch mein Gedankengang.
Die Alimentation dürfte, wenn die Zahlen die hier so durch den Raum fliegen, selbst mit der Sonderzahlung zu niedrig gewesen sein.

Die Krux ist halt, dass dann das FM sagen wird:

"Okay, diese Gleichbehandlungszusicherung galt ja speziell nur für die Sonderzahlung. Dessen Kürzung ist offenbar nicht rechtswidrig.
Das die Alimentation jetzt rechtswidrig ist für die vergangen Jahre, konnte natürlich keiner vorhersehen. Aber um dafür den Rechtsanspruch zu haben, hätten die Beamten Widerspruch einlegen müssen. Dies ist nicht geschehen und somit besteht auch kein Anspruch auf eine Nachzahlung."

Theoretisch, wenn die Alimentation trotz Sonderzahlung zu niedrig war, müsste das Land den Beamten sogar weitaus mehr als nur die entfallene Sonderzahlung nachzahlen.
Daher war die Aussage vom FM eher ein Schuss in den Ofen...

SwenTanortsch

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Und wie wahrscheinlich ist es, dass die Kürzung rechtens war, die Alimentation im Allgemeinen aber nicht? Passt das zusammen? Aber dann macht die Aussage mit der Differenz natürlich Sinn. Hat jemand mal gerechnet, wie hoch die Mindestalimentation hätte sein müssen? Das kann doch kaum eingehalten worden sein, selbst mit Sonderzahlung nicht!?

Wie auch immer, ich freue mich auch, wenn die Mindestalimentation eingehalten wird.



Genau das wäre auch mein Gedankengang.
Die Alimentation dürfte, wenn die Zahlen die hier so durch den Raum fliegen, selbst mit der Sonderzahlung zu niedrig gewesen sein.

Die Krux ist halt, dass dann das FM sagen wird:

"Okay, diese Gleichbehandlungszusicherung galt ja speziell nur für die Sonderzahlung. Dessen Kürzung ist offenbar nicht rechtswidrig.
Das die Alimentation jetzt rechtswidrig ist für die vergangen Jahre, konnte natürlich keiner vorhersehen. Aber um dafür den Rechtsanspruch zu haben, hätten die Beamten Widerspruch einlegen müssen. Dies ist nicht geschehen und somit besteht auch kein Anspruch auf eine Nachzahlung."

Theoretisch, wenn die Alimentation trotz Sonderzahlung zu niedrig war, müsste das Land den Beamten sogar weitaus mehr als nur die entfallene Sonderzahlung nachzahlen.
Daher war die Aussage vom FM eher ein Schuss in den Ofen...

Hier die gewünschten Zahlen für die nachfolgenden Jahre, vgl. den bekannten DÖV-Beitrag aus dem letzten Jahr (s. dort die Tab. 6 und 7 auf den S. 205 f.); dabei bleibt zu beachten, dass die Mindestalimentation wegen der weiterhin vom Gesetzgeber nicht transparent gemachten Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie die Sozialtarife nach wie vor zu gering bemessen worden ist. Realitätsgerecht ist in mindestens einem Teil der genannten Jahre von höheren Fehlbeträgen auszugehen (aus Platzgründen sind die Cent-Werte hier auf Euro-Werte aufgerundet worden):

                                                  2008    2010    2015    2016    2017    2018    2019    2020
Mindestalimentation (€)                2.303   2.346   2.632   2.701   2.852   2.866   2.899   3.109
gewährte Nettoalimentation (€)     1.846   1.996   2.137   2.183   2.248   2.283   2.330   2.382
Fehlbetrag (€)                                 457      350     495      518      604      583      569     727
Fehlbetrag (%)                               19,9     14,9    18,8     19,2     21,2     20,4     20,2    23,4

Extrapoliert man die Jahre 2009 sowie 2011 bis 2014, indem man einen Fehlbetrag in Höhe des Vorjahrs zugrunde legt (was nicht realitätsgerecht ist und für das Jahr 2009 ggf. zu zu hohen und für die Jahre 2011 bis 2014 eher zu zu geringen Beträgen führt), erhält man einen Nettofehlbetrag für jene 13 Jahre in Höhe von 73.920,- € in der niedrigsten Erfahrungsstufe der untersten Besoldungsgruppe, die dem entsprechend alimentierten Beamten mitsamt der vierköpfigen Familie im Mindestens vorenthalten worden ist.

Nun wird es dem Gesetzgeber gestattet sein, die Beträge unter Beachtung des Abstandsgebots in der Besoldungsordnung nach oben hin abzuschmelzen. Sofern das Land aber seine ursprüngliche Zusage einhalten und also am Ende eine Heilung für alle Beamten vornehmen wollte (man beachte die Konjunktive im ursprünglichen Schreiben des FM aus dem Februar 2008 https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl20/umdrucke/01200/umdruck-20-01240.pdf), wäre von folgender Anzahl an Landesbeamten auszugehen: 2007 47.038 (vgl. S. 213 unter https://www.statistik-nord.de/fileadmin/Dokumente/Jahrb%C3%BCcher/Schleswig-Holstein/JB08SH_Gesamt.pdf) und  2020 45.046 (vgl. S. 14 unter https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/drucks/03500/drucksache-19-03502.pdf). Nun wäre gleichfalls noch zu beachten, dass teilzeitbeschäftigte Beamte einen niedrigeren Fehlbetrag aufweisen als vollzeitbeschäftigte.

Und auf dieser Basis kann man jetzt spekulieren, welcher Gesamtbetrag auf das Land zukommen würde, wenn es die verfassungswidrig eingesparte Alimentation zwischen 2007 und 2021 vollständig an die im Beamtenverhältnis Beschäftigten zurückgeben wollte - dabei wäre gleichfalls zu beachten, dass der (zu niedrige bemessene) Gesamtfehlbetrag zur Mindestalimentation von rund 74.000,- für den Zeitraum 2008 bis 2020 ein Nettowert ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat m.E. gut daran getan, dass es nun zunächst einmal nur hinsichtlich des konkreten Normenkontrollverfahrens 2 BvL 13/18 hinsichtlich des Jahres 2007 eine Entscheidung fällen wird. Vor der weiterhin nicht angekündigten Entscheidung über die weiterhin anhängigen Klagen, die das OVG Schleswig-Holstein im Frühjahr 2021 zu einer gemeinsamen Entscheidung verbunden hat und die in Karlsruhe unter dem Aktenzeichen 2 BvL 4/21 geführt werden, kann es dann in Ruhe betrachten, wie der Gesetzgeber nach der anstehenden Entscheidung verfahren wollte. Deshalb dürfte an anderer Stelle von einer Art "verfassungsrechtlichem Faustpfand" gesprochen worden sein (vgl. zur angekündigten Entscheidung die S. 13 ff. unter https://www.berliner-besoldung.de/weitere-normenkontrollantraege-vor-der-entscheidung/).

Insgesamt zeigt sich, dass viel selbstgemachtes Ungemach auch auf den schleswig-holsteinischen Dienstherrn zukommen dürfte - das nur umso mehr, als dass ja in Schleswig-Holstein bis heute auch weiterhin keine amtsangemessene Alimentation gewährt wird und dass darüber hinaus die beiden letzten Gesetzgebungsverfahren aus dem letzten Jahr ebenfalls die lange währende Kontinuität sachlich ungenügender Gesetzesbegründungen ungebrochen fortgesetzt hat. Nicht zuletzt ist selbst die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Diensts des Landtags, der unzweifelhaft den verfassungswidrigen materiellen Gehalt des Gesetzes vom 24. März 2022 betrachtet hat, sachlich unbeachtet geblieben. All das, davon darf man ausgehen, ist dem Bundesverfassungsgericht bekannt, auch wenn es nun zunächst einmal in nur einem Fall über das Jahr 2007 entscheiden wird. Diese Entscheidung wird aber die kommende zu den anhängigen Normenkontrollverfahren systematisch vorbereiten und also Sicherungen erstellen, auf die es dann zurückkommen müsste und würde, sofern man in Schleswig-Holstein zukünftig weiterhin wissentlich und willentlich das Leistungs- und Alimentationsprinzip gezielt verletzen wollte.

Prüfer SH

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Und wie wahrscheinlich ist es, dass die Kürzung rechtens war, die Alimentation im Allgemeinen aber nicht? Passt das zusammen? Aber dann macht die Aussage mit der Differenz natürlich Sinn. Hat jemand mal gerechnet, wie hoch die Mindestalimentation hätte sein müssen? Das kann doch kaum eingehalten worden sein, selbst mit Sonderzahlung nicht!?

Wie auch immer, ich freue mich auch, wenn die Mindestalimentation eingehalten wird.



Genau das wäre auch mein Gedankengang.
Die Alimentation dürfte, wenn die Zahlen die hier so durch den Raum fliegen, selbst mit der Sonderzahlung zu niedrig gewesen sein.

Die Krux ist halt, dass dann das FM sagen wird:

"Okay, diese Gleichbehandlungszusicherung galt ja speziell nur für die Sonderzahlung. Dessen Kürzung ist offenbar nicht rechtswidrig.
Das die Alimentation jetzt rechtswidrig ist für die vergangen Jahre, konnte natürlich keiner vorhersehen. Aber um dafür den Rechtsanspruch zu haben, hätten die Beamten Widerspruch einlegen müssen. Dies ist nicht geschehen und somit besteht auch kein Anspruch auf eine Nachzahlung."

Theoretisch, wenn die Alimentation trotz Sonderzahlung zu niedrig war, müsste das Land den Beamten sogar weitaus mehr als nur die entfallene Sonderzahlung nachzahlen.
Daher war die Aussage vom FM eher ein Schuss in den Ofen...

Hier die gewünschten Zahlen für die nachfolgenden Jahre, vgl. den bekannten DÖV-Beitrag aus dem letzten Jahr (s. dort die Tab. 6 und 7 auf den S. 205 f.); dabei bleibt zu beachten, dass die Mindestalimentation wegen der weiterhin vom Gesetzgeber nicht transparent gemachten Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie die Sozialtarife nach wie vor zu gering bemessen worden ist. Realitätsgerecht ist in mindestens einem Teil der genannten Jahre von höheren Fehlbeträgen auszugehen (aus Platzgründen sind die Cent-Werte hier auf Euro-Werte aufgerundet worden):

                                                  2008    2010    2015    2016    2017    2018    2019    2020
Mindestalimentation (€)                2.303   2.346   2.632   2.701   2.852   2.866   2.899   3.109
gewährte Nettoalimentation (€)     1.846   1.996   2.137   2.183   2.248   2.283   2.330   2.382
Fehlbetrag (€)                                 457      350     495      518      604      583      569     727
Fehlbetrag (%)                               19,9     14,9    18,8     19,2     21,2     20,4     20,2    23,4

Extrapoliert man die Jahre 2009 sowie 2011 bis 2014, indem man einen Fehlbetrag in Höhe des Vorjahrs zugrunde legt (was nicht realitätsgerecht ist und für das Jahr 2009 ggf. zu zu hohen und für die Jahre 2011 bis 2014 eher zu zu geringen Beträgen führt), erhält man einen Nettofehlbetrag für jene 13 Jahre in Höhe von 73.920,- € in der niedrigsten Erfahrungsstufe der untersten Besoldungsgruppe, die dem entsprechend alimentierten Beamten mitsamt der vierköpfigen Familie im Mindestens vorenthalten worden ist.

Nun wird es dem Gesetzgeber gestattet sein, die Beträge unter Beachtung des Abstandsgebots in der Besoldungsordnung nach oben hin abzuschmelzen. Sofern das Land aber seine ursprüngliche Zusage einhalten und also am Ende eine Heilung für alle Beamten vornehmen wollte (man beachte die Konjunktive im ursprünglichen Schreiben des FM aus dem Februar 2008 https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl20/umdrucke/01200/umdruck-20-01240.pdf), wäre von folgender Anzahl an Landesbeamten auszugehen: 2007 47.038 (vgl. S. 213 unter https://www.statistik-nord.de/fileadmin/Dokumente/Jahrb%C3%BCcher/Schleswig-Holstein/JB08SH_Gesamt.pdf) und  2020 45.046 (vgl. S. 14 unter https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/drucks/03500/drucksache-19-03502.pdf). Nun wäre gleichfalls noch zu beachten, dass teilzeitbeschäftigte Beamte einen niedrigeren Fehlbetrag aufweisen als vollzeitbeschäftigte.

Und auf dieser Basis kann man jetzt spekulieren, welcher Gesamtbetrag auf das Land zukommen würde, wenn es die verfassungswidrig eingesparte Alimentation zwischen 2007 und 2021 vollständig an die im Beamtenverhältnis Beschäftigten zurückgeben wollte - dabei wäre gleichfalls zu beachten, dass der (zu niedrige bemessene) Gesamtfehlbetrag zur Mindestalimentation von rund 74.000,- für den Zeitraum 2008 bis 2020 ein Nettowert ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat m.E. gut daran getan, dass es nun zunächst einmal nur hinsichtlich des konkreten Normenkontrollverfahrens 2 BvL 13/18 hinsichtlich des Jahres 2007 eine Entscheidung fällen wird. Vor der weiterhin nicht angekündigten Entscheidung über die weiterhin anhängigen Klagen, die das OVG Schleswig-Holstein im Frühjahr 2021 zu einer gemeinsamen Entscheidung verbunden hat und die in Karlsruhe unter dem Aktenzeichen 2 BvL 4/21 geführt werden, kann es dann in Ruhe betrachten, wie der Gesetzgeber nach der anstehenden Entscheidung verfahren wollte. Deshalb dürfte an anderer Stelle von einer Art "verfassungsrechtlichem Faustpfand" gesprochen worden sein (vgl. zur angekündigten Entscheidung die S. 13 ff. unter https://www.berliner-besoldung.de/weitere-normenkontrollantraege-vor-der-entscheidung/).

Insgesamt zeigt sich, dass viel selbstgemachtes Ungemach auch auf den schleswig-holsteinischen Dienstherrn zukommen dürfte - das nur umso mehr, als dass ja in Schleswig-Holstein bis heute auch weiterhin keine amtsangemessene Alimentation gewährt wird und dass darüber hinaus die beiden letzten Gesetzgebungsverfahren aus dem letzten Jahr ebenfalls die lange währende Kontinuität sachlich ungenügender Gesetzesbegründungen ungebrochen fortgesetzt hat. Nicht zuletzt ist selbst die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Diensts des Landtags, der unzweifelhaft den verfassungswidrigen materiellen Gehalt des Gesetzes vom 24. März 2022 betrachtet hat, sachlich unbeachtet geblieben. All das, davon darf man ausgehen, ist dem Bundesverfassungsgericht bekannt, auch wenn es nun zunächst einmal in nur einem Fall über das Jahr 2007 entscheiden wird. Diese Entscheidung wird aber die kommende zu den anhängigen Normenkontrollverfahren systematisch vorbereiten und also Sicherungen erstellen, auf die es dann zurückkommen müsste und würde, sofern man in Schleswig-Holstein zukünftig weiterhin wissentlich und willentlich das Leistungs- und Alimentationsprinzip gezielt verletzen wollte.

Danke für die Bereitstellung deiner Zahlen. Hatte mir deinen Beitrag aus der"DÖV" gestern auch noch mal angeschaut. Ich weiß, dass der auch schon mal im FM vorlag, im Rahmen des letzten Gesetzgebungsverfahrens zur "Herdprämie". Leider hatte dieser keinerlei Einfluss genommen. Aber eigentlich waren wir uns auch schon vorher einig, dass sämtliche Missachtung mit voller Absicht und vor allem in voller Kenntnis der Rechtswidrigkeit geschieht - eben auf Anweisung von ganz oben.
Was mich dann allerdings wundert, sind die nachhaltigen Aussagen zur Sonderzahlung. Denn es ist ja bekannt, dass selbst mit Weihnachtsgeld keine konforme und amtsangemessene Alimentation vor lag. Jetzt davon zu sprechen, es gehe allenfalls um die Differenz zu eben dieser von dir in Zahlen dargestellten Mindest(netto)alimentation, ist schon arg zynisch und süffisant. Wie kann ich denn so etwas noch verbreiten, wenn ich doch die Zahlen kenne? Und die Auswirkungen sind für SH ganz erheblich, man spricht immer von 1,5 Mrd €. - 1,6 Mrd. € bei voller Nachzahlung des Weihnachtsgeldes.

Wie schätzt du denn die Aussagen rechtlich ein? Die Zahlen und damit die drohenden Belastungen für den Haushalt waren ja wiederkehrend bekannt, um entsprechende Rücklagen zu bilden. Denn das ist doch der Grund einer haushaltsnahen Geltendmachung unsererseits - und die Kenntnis hierüber wird kontinuierlich durch FM bestätigt.
Meinst du, die kommen aus der Nummer noch raus, oder das sie es zumindest irgendwie versuchen werden? Denn deren Aussagen dürften das nicht leichter machen. Mal ganz abgesehen davon, was dann bei der Beamtenschaft los ist - denn das Thema Weihnachtsgeld ist überall bekannt - und demzufolge auch die jährlichen Zusicherungen des FM.
Mich (und mit Sicherheit auch alle anderen) würde deine Einschätzung dazu, insbesondere nach den jüngsten Geschehnisse hierzu, brennend interessieren.

SwenTanortsch

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Deine Fragen insbesondere zur Landespolitik kann ich Dir nicht hinreichend beantworten, Prüfer, weil ich sie, also eure Landespolitik, weitgehend nur en passant mitbekomme und mitbekommen habe. Tendenziell gehe ich davon aus, dass man insbesondere in Schleswig-Holstein wohl quer zu allen Parteien ein hohes Maß an politischem Willen erkennen kann, die Politik des konzertierten Verfassungsbruch umstandslos durch- und fortzusetzen. Nicht umsonst waren seit 2007 alle heute im Landtag vertretenen Parteien bis heute bereits Teil der Landesregierung, und zwar mindestens fünf Jahre, und haben sich sowohl in der Vergangenheit entsprechend positioniert als auch ggf. die Hoffnung, nach der nächsten Wahl wieder Teil der Regierungsfraktionen zu werden. Die als solche erst einmal zu begrüßende politische Fähigkeit, in unterschiedlichen Konstellationen Regierungen zu bilden und also eine pragmatische Kompromissfähigkeit an den Tag zu legen, dürfte mit einer entsprechenden Fähigkeit über alle Parteien hinweg verbunden sein, den wiederkehrenden besoldungsrechtlichen Verfassungsbruch als einen gemeinsamen "Kompromiss" zu akzeptieren. Das dürfte mittlerweile so tief in der politischen Genetik der genannten Parteien in Schleswig-Holstein verankert sein, dass selbst die eindeutige Stellungnahme des Wissenschaftlichen Diensts des Landtags hinsichtlich des Amtsangemessenen Alimentationsgesetzes vom 24. März 2022 keine der heute im Landtag vertretenen Parteien dazu veranlasst hätte, gegen den Gesetzentwurf zu stimmen. Am Ende hat sich die SPD-Partei als einzige dazu entschlossen, sich zu enthalten.

Darüber hinaus ist die derzeitige Finanzministerin seit dem Sommer 2012 im Amt. Sie hat also gezeigt, dass sie in der Lage ist, mit allen heute im Landtag vertretenen Parteien in Regierungsverantwortung problemlos und also ausnahmslos wiederkehrend verfassungswidrige Besoldungsgesetze durch das Parlament zu bringen, die seit 2007 ebenso ausnahmslos materiell und prozedural verfassungswidrig gewesen sind und es in Gestalt des heutigen Besoldungsgesetzes weiterhin ist. Auch diese Kontinuität dürfte die beschriebene "Kompromissfähigkeit" verstärken, sich hinsichtlich der Besoldungsgesetzgebung nicht mehr an das Grundgesetz gebunden zu sehen und die Treuepflicht gegenüber den Landesbeamten sowohl als Dienstherr als auch als Gesetzgeber nicht mehr zu empfinden. Es dürfte von daher wenig Hoffnung bestehen, dass hier von alleine ein Bewusstseinswandel geschehen könnte.

Denn alle Landesregierungen seit 2007 haben ausnahmslos in den seitdem vollzogenen Gesetzesbegründungen die Landesbeamten vor allem als einen Kostenfaktor gesehen, der als solcher mit oberster Priorität zu minimieren ist - nur auf dieser Basis kann sich eine entsprechende Bindung ergeben, die die Parteien in der Vergangenheit und offensichtlich auch gegenwärtig als ihren Teil der Treuepflicht begreifen. Die sich in dieser verfassungsrechtlichen Verwahrlosung widerspiegelnde Vorstellungswelt schließt eine noch irgendwie realitätsbezogene Vorstellungswelt hinsichtlich der an Recht und Gesetz gebundenen Beamten weitgehend aus - ansonsten hätten jene Parteien und die ihnen angehörenden Abgeordneten anders auf die genannte Stellungnahme des Wissenschaftlichen Diensts reagiert. Wer sich also gemeinschaftlich seit spätestens 2007 hinsichtlich der Besoldungsgesetzgebung wissentlich und willentlich ins verfassungsrechtliche Niemandsland begeben hat, dieses aber weiterhin selbst dann nicht verlassen wollte, als ihm das aktuell vom eigenen Wissenschaftlichen Dienst plastisch und also eindeutig vor Augen geführt worden ist, der hat offensichtlich bewiesen, dass er hinsichtlich seiner Beamten und ihrer Alimentation zu einem auch nur in weiteren Ansätzen realitätsgerechten Blick nicht mehr in der Lage ist. Damit hat er dann genauso bewiesen, dass er ebenso den zunehmenden Fachkräftemangel, der sich in immer größeren Maße auch in Schleswig-Holstein Bahn bricht, nicht realitätsgerecht betrachten kann, also nicht mehr in der Lage ist, einfachste Marktgesetze zu begreifen, sodass er weder in der Lage ist, den Einfluss von Löhnen und Gehältern auf das Angebot von Fachkräften zu begreifen, noch den einfachen Zusammenhang begreift, dass die Folgekosten der verfassungswidrigen Personalkosteneinsparungen zukünftig um ein Vielfaches größer werden werden, als es die aus der Gewährung einer wieder amtsangemessenen Alimentation resultierenden Kosten jemals werden können. Denn das erster Problem - der Fachkräftemangel - ist ein sehr viel größeres gesellschaftliches Problem, als es deutlich höhere Personalkosten sind.

Der langen Rede kurzer Sinn: Die jeweilige Landesregierung und der jeweilige Landtag in Schleswig-Holstein haben sich in der Vergangenheit über einen mittlerweile sechzehnjährigen Zeitraum hinweg als unfähig erwiesen, die immer deutlicher werdenden Problemlagen öffentlich zu begreifen. In den Parteien, die heute im Landtag vertreten sind, hat sich ein kontinuierlich konzertierter "Kompromiss" des regelmäßigen besoldungsrechtlichen Verfassungsbruchs herausgeschält, den zu beenden sie von alleine weder in der Lage zu sein scheinen noch überhaupt in seiner vielschichtigen Dimension anzuerkennen sich auch nur ein Funken von Bereitschaft findet. Ausdruck einer solchen Bereitschaft wäre das ablehnende Votum zu entsprechenden Gesetzentwürfen. Jedoch hat sich das oben festgehaltene Abstimmungsergebnis auch hinsichtlich desBVAnpG 2022 vom 27. April 2022 in identischer Form wiederholt. Ein Bruch mit der eigenen Tradition ist von alleine offensichtlich keiner der heute im Landtag sitzenden Parteien möglich und auch von keiner gewollt, unabhängig von ggf. öffentlichkeitswirksamen Lippenbekenntnissen, die im einzelnen in den beiden genannten Gesetzgebungsverfahren zu hören waren (und um darüber hinaus etwas zur AfD zu sagen: Sie ist nicht Teil der genannten Tradition, da sie sich bislang weiterhin als unfähig erwiesen hat, eine parlamentarische Tradition in Schleswig-Holstein zu bilden, weshalb sie dort bislang ein parlamentarisch temporäres Phänomen geblieben ist; darüber hinaus hat sie sich mit Einzug in den Landtag sogleich in die genannte Tradition eingepasst, sicherlich auch, weil sich ihr Personal zu einem nicht geringen Teil der regionalen Tradition der schwarzen Fahne verpflichtet sieht und insofern erst recht kein Problem mit dem Verfassungsbruch hat).

Entsprechend der gerade beschriebenen Strukturen kann ein solcher Bruch mit der beschriebenen Tradition des konzertierten Verfassungsbruchs nur von außen kommen - also durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht, das darüber hinaus, auch wenn es nun nur für einen von fünf anhängigen Fällen zum Jahr 2007 eine Entscheidung fällen wird, die geschilderte Problemlage betrachtet haben wird, insbesondere die letzten beiden Gesetzgebungsverfahren aus dem letzten Jahr. Es dürfte entsprechend damit zu rechnen sein, dass das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung treffen wird, die beachtet, dass mit Schleswig-Holstein aus den genannten (und auch noch weiteren) Traditionen heraus ein hinsichtlich des Besoldungsrechts besonders schwerwiegender Fall vorliegt. Darüber hinaus verbleibt das "verfassungsrechtliche Faustpfand" der vier im Anschluss an die angekündigte Entscheidung weiterhin anhängigen Normenkontrollverfahren, ebenfalls das Jahr 2007 betreffend, bestehen.

Ich gehe davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidungsformel (hier vereinfacht von mir formuliert) die Anlage 4 Nummer 1 (Grundgehaltssätze Bundesbesoldungsordnung A) des Bundesbesoldungsgesetzes in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung in Verbindung mit dem Art. 4 des Haushaltsstrukturgesetzes des Landes Schleswig-Holstein zum Haushaltsplan 2007/2008 vom 14.12.2006 (GVOBl. 2006 S. 309), soweit sie die Besoldungsgruppe A 7 in dem Kalenderjahr 2007 betreffen, mit Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes für unvereinbar erklärt und den Gesetzgeber des Bundeslandes Schleswig-Holstein anweist, eine verfassungskonforme Regelungen mit Wirkung spätestens ein Jahr nach Verkündung der Entscheidung zu treffen.

Mit dem ersten Teil der Entscheidungsformel erfolgt der Rückbezug auf die aus der Zeit vor der Reföderalisierung des Besoldungsrechts geltende Besoldungsgesetzgebung, mit dem zweiten Teil auf die im genannten Landesgesetz auf Grundlage der zu jenem Zeitpunkt bereits wieder konkurrenzlosen Gesetzgebungskompetenz des Landes, in welchem der Gesetzgeber die entsprechende Sonderzahlungsregelung aus dem Jahr 2003 (zum Zeitpunkt der zwischen Bund und Ländern geteilten Gesetzgebungskompetenz) novelliert hat. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wird es dabei dem Tenor des vorlegenden Gerichts folgen, der wie folgt lautet:

"Es wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage eingeholt, ob

Anlage IV des Anhangs 26 zu Artikel 2 Nr. 3 (Grundgehalt), Vorbemerkung 27 der Anlage lX (allgemeine Stellenzulage) sowie Anhang 28 zu Artikel 3 Nr. 2 (Familienzuschlag) des Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes 2003/2004 vom 10.09.2003 (BGBl. I, S. 1798)

in Verbindung mit

§ 6 des Gesetzes über die Gewährung jährlicher Sonderzahlungen vom 12.11.2003 (GVOBl. Schl.-H. S. 546) in der Fassung des Art. 4 des Haushaltsstrukturgesetzes zum Haushaltsplan 2007/2008 (Haushaltsstrukturgesetz 2007/2008) vom 14.12.2006 (GVOBl. Schl.-H. 2006, S. 309)

mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar gewesen sind, soweit sie die Besoldungsgruppe A 7 in dem Kalenderjahr 2007 betreffen" (Schleswig-Holsteinisches VG, Beschl. v. 20.09.2018 - 12 A 69/18 -).

Sofern der Gesetzgeber nicht bis zu der genannten Frist der mit Gesetzeskraft ergangenen Anweisung des Bundesverfassungsgerichts nachkommen sollte, darf er damit rechnen, dass ihn in absehbarer Zeit eine weitere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit Gesetzeskraft erwartet, die in ihrer Entscheidungsformel erneut vereinfacht in etwa wie folgt lautet, dass die Anlage 4 Nummer 1 (Grundgehaltssätze Bundesbesoldungsordnung A) des Bundesbesoldungsgesetzes in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung in Verbindung mit dem Art. 4 des Haushaltsstrukturgesetzes des Landes Schleswig-Holstein zum Haushaltsplan 2007/2008 vom 14.12.2006 (GVOBl. 2006 S. 309), soweit sie die Besoldungsgruppe A 13 und/oder A 15 und/oder A 16 in dem Kalenderjahr 2007 betreffen, mit Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes unvereinbar ist und dass der Gesetzgeber des Bundeslandes Schleswig-Holstein verpflichtet ist, eine verfassungskonforme Regelungen mit Wirkung spätestens ein Jahr nach Verkündung der Entscheidung zu treffen (auf das Zitat aus dem Tenor der Entscheidung des OVG Schleswig-Holstein vom 23.03.2021 - 2 LB 93/18 - verzichte ich hier, da das zu lang und unübersichtlich werden würde).

Diese Entscheidung könnte dann ggf. bereits mit einer Vollstreckungsanordnung verbunden werden - ggf. (deshalb das "und/oder") wird dann nur eine Entscheidung über eine der genannten Besoldungsgruppen gefällt. Und sollte dann erneut bis zu dem genannten Fristdatum kein hinreichender Vollzug der mit Gesetzeskraft ergangenen Anweisung vollzogen werden, würde dann - denke ich - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine entsprechende Vollstreckungsanordnung ergehen. Hier zeigt sich das "verfassungsrechtliche Faustpfand". Nach der nun angekündigten Entscheidung hat das Land Schleswig-Holstein in Gestalt seines Landtags also die Wahl, entweder in spätestens Jahresfrist zu einer wieder amtsangemessenen Alimentation das Jahr 2007 betreffend zurückzukehren, indem es amtsangemessene Grundgehaltssätze gewährt (und wie sollte es die Grundgehaltssätze 2007 deutlich erhöhen, um dann zu behaupten, die deutlich niedrigeren ab 2008 seien verfassungskonform?) - oder es muss damit rechnen, dass ihm zunächst für jenes Jahr seine Gesetzgebungskompetenz solange als Folge einer Vollstreckungsanordnung entzogen wird, bis es selbst wieder auf den Boden der Verfassung zurückkehrte.

Und das Schöne für Landesregierung und Parlament ist, dass die Landesregierung nun gerade für viele Vorlagebeschlüsse mindestens das Jahr 2022 betreffend sorgt - ggf. wird das Bundesverfassungsgericht, sofern das Land bis zur Frist spätestens binnen Jahresfrist nicht zur Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation das Jahr 2007 betreffend zurückehrte, dann ebenso hinsichtlich des Jahres 2022 entscheiden (sobald entsprechende Vorlagebeschlüsse dann vorlägen), indem es die Verfahren verbindet. Am Ende stände im Extremfall eine Vollstreckungsanordnung das Jahr 2007 und das Jahr 2022 betreffend ins Haus - und wie wollte man das dem Wahlvolk erklären?

Und noch schöner auch für die Landesregierung und das Parlament des Landes Schleswig-Holstein ist, dass in dem anhängigen und angekündigten Verfahren ebenfalls über die Alimentation der weiteren Nordstaaten Bremen und Niedersachsen entschieden werden wird - und dabei haben nicht zuletzt die Landesregierung und der Landtag des Landes Niedersachsen ebenfalls das schöne Glück, dass jenem Land mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem nächsten Verfahren (für das hier ebenfalls ein "verfassungsrechtliches Faustpfand" gegeben ist) bereits die Vollstreckungsanordnung droht. Was würden sich also die anderen Nordstaaten freuen, wenn einer von ihnen nach der angekündigten Entscheidung zu einer wieder amtsangemessenen Alimentation zurückkehrte, sie selbst aber nicht. Der Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst jenes Landes wäre dann mit einem Mal beendet und auch würde eine deutliche Bestenauswahl im Sinne des Leistungsprinzips in jenem Land vollzogen werden können - und die anderen könnten dann entsprechend solange gerne warten, bis sie die Vollstreckungsanordnung ereilte und eben schauen, was an potentiellen Fachkräften noch für sie übrigbleibt. Das ist das Schöne für die 17 Besoldungsgesetzgeber, dass nämlich der Konkurrenzföderalismus in beiden Richtungen wirkt. Deshalb hat man ihn 1971 weitgehend abgeschafft und ist in jenem Jahr zu einer weitgehend bundeseinheitlich geregelten Besoldung übergegangen.

Wozu also in die Ferne schweifen, wenn das Gute doch so nahe liegt.
« Last Edit: 08.04.2023 00:02 von SwenTanortsch »

Prüfer SH

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Wow, herzlichen Dank für die ausführliche Antwort!
Immer wieder Wahnsinn, was speziell auch in SH auf politischer Ebene passiert, echt aufschlussreich dargestellt von dir.

Und überhaupt, an dieser Stelle noch einmal Dank für deinen Einsatz auch in den Länderforen.

Wie schätzt du denn die Aussagen zur Gleichbehandlung aller bei entsprechender Niederlage vorm BVerfG zur Sonderzahlung ein?
Eine grobe Einschätzung über die rechtliche Bindung der Politik an ihre Aussagen und Erlasse würde völlig reichen - insbesondere zur Notwendigkeit der haushaltsnahen Geltendmachung habe ich schon vieles von dir gelesen, aber diese Konstellation wie in SH liegt meiner Meinung nach nirgends sonst vor. Und die Politik hätte ja seit eh und je Möglichkeiten der Bildung von Rückstellungen gehabt und vor allem hatte sie regelmäßig Kenntnis über die genaue Höhe etwaiger Rechtsansprüche auf Sonderzahlung der Beamten gehabt. Darum geht es doch, oder?

SwenTanortsch

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Gern geschehen, Prüfer. Was jetzt kommt, wird zunächst vom Umfang her noch länger sein und Dich darüber hinaus sachlich nicht sonderlich erfreuen können. Denn ich komme sachlich zu einem deutlich anderen Schluss als die juristische Stellungnahme aus dem Haus des Finanzministeriums – und von daher würde ich mich freuen, wenn sich meine nachfolgende Darlegung als weitgehend haltlos erweisen würde. Dabei bleibt zunächst vorweg festzuhalten, dass ich mich hinsichtlich der Materie für Schleswig-Holstein weiterhin nicht hinreichend mit der Rechtslage beschäftigt und nun nur auf die Schnelle die mögliche Rechtslage – bzw. grundlegende Dokumente zu ihrer Interpretation – ein wenig recherchiert habe. Wenn ich es richtig sehe, ist hier der ursprüngliche Erlass in der amtlichen Form zu finden: https://www.vak-sh.de/wp-content/uploads/2020/12/02-Erlass-Rechtsstreitverfahren-zur-Sonderzahlung-2007-vom-.pdf

Dass es sich hierbei um den Originalerlass handelt, dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur aus der handschriftlichen Datumsangabe geschlossen werden, sondern vor allem daraus, dass der Unterzeichner, Arne Wulff, von 2005 bis 2009 Staatssekretär im Kieler Finanzministerium gewesen ist. Mit der neuen Landesregierung hat er dann ab Herbst 2009 die Staatskanzlei geleitet. Er kann also entsprechende Schreiben nur bis einschließlich des Jahres 2009 formuliert haben. Und dabei lässt sich m.E. aus dem verlinkten Dokument eher nicht schließen, dass das Schreiben aus dem Frühjahr 2009 stammen sollte und also die erste Wiederholung der ursprünglichen Zusage darstellte. Darüber hinaus war Arne Wulff im Frühjahr 2010 nicht mehr der zuständige Staatssekretär, sodass das Dokument nicht von 2010 oder später stammen kann. Sofern es von 2009 stammen sollte, wäre zu vermuten gewesen, dass es ein gedrucktes Datum erhalten hätte, das aber dem Dokument nicht zu entnehmen ist. Entsprechend sollte es auch deshalb mit höherer Wahrscheinlichkeit das Originalschreiben sein, das auch die juristische Stellungnahme aus dem Finanzministerium zitiert (Umdruck 20/1240, dort S. 2 unter https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl20/umdrucke/01200/umdruck-20-01240.pdf). Dieses Originalschreiben wäre also zunächst einmal hinsichtlich seiner gemachten Aussagen zu interpretieren:

Der offensichtliche Originalerlass ist neben dem Ministerpräsidenten ebenfalls an die maßgebliche Ministerien, kommunalen Landesverbände und ihren Kassen sowie das Landesbesoldungsamt mit dem Auftrag adressiert worden, ihn nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern – hier aber nur im Hinblick auf die unmittelbar der Landesregierung unterstehenden Adressaten als Auftrag – die jeweils unterstehenden Gliederungen über seinen Inhalt zu unterrichten und das Schreiben allen Beamten nach Maßgabe der jeweiligen Zuständigkeiten in geeigneter Weise bekanntzugeben. Es muss von daher davon auszugehen sein, dass jedem von ihm betroffenen Beamten das Schreiben, das nicht als Erlass gekennzeichnet, jedoch vom Finanzministerium im Nachklang als ein solcher wiederkehrend bis heute verstanden worden ist, 2008 bekannt geworden ist, wie das ebenfalls der letzte Absatz jenes Schreibens konkretisiert. Die Folgerungen, die jeder Beamte damit aus dem Schreiben gezogen hat, sind von daher individuell ausschließlich von jedem einzelnen zu verantworten und liegen entsprechend in der jeweils individuellen Verantwortung eines jeden Beamten. Sofern er von einem solchen Schreiben Kenntnis erlangt hat, kann er sich nicht darauf berufen, das es anders wäre.

Das offensichtliche Originalschreiben sagt aus, dass ein in der Vergangenheit bereits bekanntgegebenes Verfahren hier ggf. konkretisiert werde, nämlich dass verschiedene Musterverfahren gegen die Sonderzahlungsregelung, das Jahr 2007 betreffend, geführt werden würden und dass bis zu der rechtskräftigen Entscheidung über jene Verfahren entsprechende Widersprüche im Landesbereich ruhend gestellt worden seien und ggf. zukünftige Widersprüche ebenfalls ruhend zu stellen seien; für die weiteren Verfahren, Beamte betreffend, die nicht direkt der Landesverwaltung unterstehen, wird bittend angeregt, entsprechende Verfahren ebenso ruhend zu stellen. Darüber hinaus wird mit einem unbestimmten Rechtsbegriff ("sollte") die Ansicht des Landesregierung mitgeteilt, dass alle Beamten für den Fall einer rechtskräftigen höchstrichterlichen Verurteilung gleichbehandelt werden sollten. Die dargelegt Auffassung lässt sich m.E. entsprechend als eine Anregung auffassen, dass Widerspruchsführer und Beamte, die keinen Widerspruch eingelegt hätten oder zukünftig keinen einlegten, gleichbehandelt werden könnten. Schwieriger zu bewerten ist hingegen zunächst der letzte Satz des zweiten Absatzes. Denn zwar wird hier mit dem Konjunktiv ebenfalls eine zunächst unbestimmte Aussage getätigt. Andererseits bezieht sich der Gebrauch jenes Konjunktivs offensichtlich auf die Möglichkeit, dass wider der Erwartung der Landesregierung der Fall eintreten könnte, dass 2007 ein amtsangemessene Gehalt der Alimentation nicht gewährt worden sein könnte. Als Folge einer solchen Auslegung, dass der Konjunktiv sich ausschließlich auf die Aussage dieses Falls bezöge, könnte man die Aussage dieses Satzes wie folgt übersetzen: „Gemäß dem Fall, dass rechtskräftig entschieden ist, dass die Alimentation im Jahr 2007 als Folge der gesetzlichen Veränderung des Sonderzahlungsrechts nicht hinreichend gewesen ist, wird die Landesregierung ein entsprechend verfassungskonformes Gesetzgebungsverfahren auf den Weg bringen.“ Eine solche Auslegung müsste als bestimmte Aussage begriffen werden - sie wäre aber andererseits auch nicht anders möglich, da im Besoldungsrecht der Gesetzesvorbehalt zu beachten ist: Die Besoldung des Beamten ist ausnahmslos durch ein Gesetz zu regeln. Erweist sich ein Gesetz als nicht verfassungskonform, ist es durch eine verfassungskonforme gesetzliche Regelung zu ersetzen.

Damit sagt der letzte Satz des zweiten Absatzes m.E. nur aus, was verfassungsrechtlich zwingend von der Exekutive zu beachten ist: Zur Umsetzung der Folgen aus einer höchstrichterlichen Verurteilung werde die Exekutive in Gestalt der Landesregierung unter allen Umständen eine verfassungskonforme gesetzliche Regelung auf den Weg bringen. Über das weitere Verfahren kann darüber hinaus in dem Schreiben nichts gesagt werden. Denn die Exekutive kann keine Gesetzentwürfe verabschieden – deren Verabschiedung unterliegt der Legislative. Nur sie kann Gesetze verabschieden, die darüber hinaus verfassungskonform sein müssen. Damit aber würde der letzte Satz des zweiten Absatzes allein aussagen, dass die Landesregierung im Gefolge einer rechtskräftigen Verurteilung einen verfassungskonformen Gesetzentwurf erstellen würde - über dessen Gesetzeskraft, also seine Verabschiedung, müsste dann der Gesetzgeber entscheiden. Dazu kann die Exekutive allerdings qua ihrer Stellung in der verfassungsmäßigen Ordnung keine hinreichende Aussage machen; denn die Ausarbeitung eines Gesetzes ist nicht mit dessen Verabschiedung gleichzusetzen. Verfassungsrechtlich zwingend wäre nach der letzten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugleich, dass sowohl Widerspruchsführer als auch Kläger, die statthafte Rechtsbehelfe vollzogen hätten, zu entschädigen sind.

Damit also sagt der letzte Satz des zweiten Absatzes nur aus, dass die Landesregierung als Folge einer rechtskräftigen Verurteilung des Landes einen verfassungskonformen Gesetzentwurf erstellen wird. Innerhalb dieses Gesetzesentwurfs - das ist die Aussage des ersten Satzes des zweiten Absatzes - muss dann nicht zwingend eine Gleichbehandlung von Widerspruchsführern und jenen Beamten, die keinen Widerspruch geführt haben, vollzogen werden (da dieser Zwang nicht vom Bundesverfassungsgericht als notwendig betrachtet wird), sondern die Absichtserklärung der Landesregierung war im Jahr 2008, dass sie eine entsprechende Gleichbehandlung in Erwägung ziehe - deshalb im ersten Satz "sollte". Denn selbst, wenn der konjunktivische Gebrauch hier entsprechend dem zweiten Satz zu verstehen wäre, würde er sich auf den Indikativ "sollen" beziehen, der anders als der Indikativ "wird" zum Konjunktiv "würde" kein bestimmter, sondern weiterhin ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, der also interpretativ auszulegen ist und rechtlich bedeutet: "im Regelfall muss". Da es aber hier keinen Regelfall gibt - bzw. dieser sich nur auf Kläger und Widerspruchsführer bezieht (hier liegt der Regelfall von Nachzahlungen vor) -, bleibt die unbestimmte Aussage weiterhin Auslegungssache. Meine Auslegung bleibt im Kontext des gesamten Schreibens weiterhin: Der erste Satz des zweiten Absatzes formuliert eine Absichtserklärung, die aber keinen verbindlichen Charakter hat. Denn eine Absicht kann man haben oder nicht haben – sie bietet aber keine hinreichende Gewähr, dass man sie auch vollzieht. Rechtlich hinreichend wäre ausschließlich eine Formulierung auf Basis eines bestimmten Rechtsbegriffs, also z.B.: „Wird zukünftig wider Erwarten eine rechtskräftige Verurteilung des Landes geschehen, wird die Landesregierung alle Beamte unabhängig davon, ob sie einen Widerspruch geführt haben oder zukünftig führen werden oder nicht, gleichbehandeln.“ Damit läge keine Absichtserklärung, sondern die Ankündigung einer zwingend verbindlichen Handlungsweise auf Grundlage eines bestimmten Rechtsbegriffs vor. Da als Folge einer rechtskräftigen Verurteilung Kläger und Widerspruchsführer, sofern sie statthafte Rechtsbehelfe formuliert haben, zu entschädigen sind, müssten in diesem geschilderten Fall ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, der vorsehen würde, dass ausnahmslos alle Beamte entschädigt werden würden – nach meiner gerade getätigten Interpretation gilt das aber nicht als Folge für die Formulierung aus dem Jahr 2008. Eine Absichtserklärung bleibt eine Absichtserklärung und ist keine verbindliche Aussage hinsichtlich des zukünftigen Handelns.

Ihre Absichtserklärung hat die Landesregierung darüber hinaus nach 2008 jährlich regelmäßig wiederholt und dabei offensichtlich um keine sachliche Konkretisierung erweitert. Nicht umsonst wurde bspw. 2018 einleitend hervorgehoben, dass sich an der Absichtserklärung des Jahres 2008 weiterhin nichts geändert habe, um im Anschluss jene Absichtserklärung vollständig zu zitieren (https://transparenz.schleswig-holstein.de/dataset/e168ca96-a4e5-4fac-aea3-d650138b9ec2/resource/20563a70-ceb6-4577-967b-7c147a142368/download/erlass-sonderzahlung-20181488542114669390358.pdf). Damit verblieb es m.E. weiterhin in der individuellen Verantwortung jedes Beamten, wie er jenes Schreiben aus dem Jahre 2018 nach der Erlangung seiner Kenntnis mitsamt des eingeschlossenen Zitats des ursprünglichen Schreibens bewertete. Nicht umsonst hebt der erste Absatz des Schreibens aus dem Jahr 2018 ausschließlich auf die weitere Ruhendstellung von bereits gemachten Anträgen ab – über den weiteren Rechtsgehalt sagt jenes Schreiben allerdings nicht aus, vielmehr zitiert es im Anschluss nur das ursprüngliche Schreiben aus dem Jahr 2008. Von daher wendet sich der erste Absatz des 2018er Schreibens ausschließlich an Widerspruchsführer und teilt ihnen mit, dass ein weiterer Widerspruch ihrerseits für das Jahr 2018 nicht nötig sei. Es macht damit zugleich allen Beamten ersichtlich, dass es entsprechende Widersprüche nicht nur das Jahr 2007 betreffend, sondern auch darüber hinausgehend kontinuierlich gegeben haben muss. Gegebenenfalls unschlüssige Beamte, die bis 2018 für das jeweilige Kalenderjahr noch keinen Widerspruch geführt hatten, werden mit dem zweiten Absatz auf die m.E. fortgeführte Absichtserklärung verwiesen, die also fortzuführen die Landesregierung augenscheinlich mit dem Zitat geplant hat. Sie macht darüber hinaus jeden Beamten darauf aufmerksam, dass es kontinuierlich Widerspruchsschreiben gegeben hat und dass ein einmal ruhend gestellter Widerspruch nicht wiederholt werden müsse. Das sind nach meiner Lesart die rechtsverbindlich getätigten Aussagen. Da abschließend weiterhin klargestellt worden ist, dass jedem Beamten der Inhalt auch jenes 2018er Schreiben in geeigneter Weise bekanntgegeben worden ist, ist die Verantwortung für das eigene Handeln wie eingangs dieses Absatzes hervorgehoben weiterhin ausschließlich beim jeweiligen Beamten verblieben.

Der langen Rede kurzer Sinn: Ich sehe es anders als die genannte juristische Stellungnahme aus dem Finanzministerium. Ich sehe dessen Argumentation, die Sachlage bis Ende 2021 betreffend, als schlüssig an, kann aber für diese Argumentation keine dem ursprünglichen Schreiben direkt zu entnehmende Basis erkennen. Man kann das ursprüngliche Schreiben aus dem Jahr 2008 so verstehen, wie es die juristische Stellungnahme vornimmt – man muss es aber nicht so verstehen und kann es – denke ich – durchaus auch so verstehen, wie ich es verstehe. Denn ich sehe für viele der in der juristischen Stellungnahmen gemachten Aussagen keine dem ursprünglichen Schreiben aus dem Jahr 2008 direkt zu entnehmende Basis, sodass ich jener Interpretation sachlich nicht folgen kann. Darüber hinaus handelt es sich bei der juristischen Stellungnahme um eine Interpretation auf Basis der aktuellen Lage, nicht aber um eine Festlegung darauf, wie die Landesregierung nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht tatsächlich handeln wird. Denn das kann nicht durch eine juristische Stellungnahme aus dem Haus des Finanzministeriums festgelegt werden – sondern die zukünftigen Maßnahmen der Landesregierung unterliegen ausnahmslos ihrem politischen Willen zu jenem Zeitpunkt, an dem sie jenen Willen vollziehen. Die juristische Stellungnahme hat entsprechend keine verbindliche oder die Landesregierung bindende Wirkung. Sie gibt die juristische Meinung dessen wieder, der auf Grundlage der heutigen Sachlage eine Einschätzung über das laufende Widerspruchsverfahren und seine möglichen Folgen abgibt. Auch solche Einschätzungen mögen sich ändern, sofern sie andere Argumente als sachlich schlüssiger ansehen wollten.

Ergo: Ich würde mich freuen, wenn nach der anstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zunächst alle Beamten des Landes Schleswig-Holstein, den Zeitraum 2007 bis 2021 betreffend, amtsangemessen entschädigt werden würden. Ich gehe aber davon aus, dass die Landesregierung heute zunächst einmal nur zur Kenntnis nehmen muss, dass nach der angekündigten Entscheidung rechtskräftig über das Jahr 2007 entschieden sein wird. Es dürfte nicht gänzlich unwahrscheinlich sein, dass die Landesregierung dann entsprechend jener bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung zur Heilung der 2007 gewährten Alimentation schreiten wird. Sofern sie das tut, wird sie einen Gesetzesentwurf erstellen, der Klägern und Widerspruchsführern ggf. eine Nachzahlung für das Jahr 2007 in einer Höhe gewährt, zu der der Dienstherr verpflichtet sein wird (und deren Höhe sie jeweils nach jener Entscheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit weiterhin - noch - selbst wird feststellen müssen und dürfen). Zu einer Nachzahlung für weitere Beamten dürfte das Land m.E. nicht verpflichtet sein und auch nicht vom Bundesverfassungsgericht verpflichtet werden. Der Gesetzentwurf wird also ggf. Nachzahlungen an alle Beamten, das Jahr 2007 betreffend, vollziehen, ohne dazu verpflichtet zu sein, denke ich. Gegebenenfalls wird er das aber auch nicht tun und dann wohl im weiteren Rahmen im Sinne meiner hier getätigten Argumentation entsprechende Begründungen abgeben. Für welche der beiden prinzipiellen Wege sich die Landesregierung in einem entsprechenden Gesetzentwurf entscheiden wollte, darüber habe ich eine deutliche Vermutung, aber ich kann nicht in die Zukunft schauen.

Sofern sie darangehen wird, nach der anstehenden bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung hinsichtlich von Klägern und Widerspruchsführern über das Jahr 2007 hinaus Nachzahlungen in einem Gesetzentwurf vorzubereiten, wäre das erfreulich (und auch nach einer entsprechenden Entscheidung moralisch erwartbar – jedoch nicht zwingend erforderlich, da die angekündigte Entscheidung des Bundesverfassungsgericht formal nur das Jahr 2007 betrifft). Genauso wäre es erfreulich, wenn das Land dann auch allen anderen Beamten eine entsprechende Nachzahlung über das Jahr 2007 hinaus gewähren würde. Ich gehe aber davon aus, dass es das nicht tun wird und dazu auch nicht verpflichtet werden kann. Denn eine solche rechtsverbindliche Aussage kann ich weder dem ursprünglichen Schreiben aus dem Jahre 2008 entnehmen noch dem Schreiben aus dem Jahr 2018. Denn die Rechtslage ist eindeutig: Nur auf Grundlage eines statthaften Rechtsbehelf bleiben die Ansprüche hinsichtlich eines Kalenderjahrs gewahrt. Das muss jedem Beamten als solchem bekannt sein oder sollte es zumindest. Er kann sich jedenfalls nicht darauf berufen, dass es ihm nicht bekannt (gewesen) war. Jeder Beamte dürfte sowohl 2008 als auch bis 2021 jährlich regelmäßig darauf hingewiesen worden sein, dass entsprechende Rechtsbehelfe nicht jährlich wiederholt werden müssen, sondern nach ihrem Eingang ruhend gestellt werden bzw. in der Vergangenheit ruhend gestellt worden sind. Weitere Aussagen auch über das Jahr 2007 hinaus sind weder dem ursprünglichen Schreiben aus dem Jahr 2008 zu entnehmen noch dem aus dem Jahr 2018. Sie sind darüber hinaus m.E. sachlich so deutlich formuliert, dass sie genau die Argumentation vorbereiten, die ich in diesem Beitrag skizziere - wäre also das von mir hier begründet vermutete Ergebnis nicht mit einer nicht geringen Wahrscheinlichkeit vorbereitet und erwartbar, hätte ich diese Zeilen nicht formuliert. Leider liegt das Ergebnis m.E. aber sachlich auf der Hand und ist spätestens seit 2008 entsprechend so vorbereitet worden.

Und insofern würde ich mich erstens natürlich freuen, wenn ich mich irrte und ich solche Zusagen übersehen hätte, und zweitens, wenn der Gesetzgeber in Schleswig-Holstein anders handeln würde, nämlich im Sinne der juristischen Stellungnahme. Landesregierungen und Gesetzgeber, die allerdings selbst unabhängige Stellungnahmen des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtags trotz deren eindeutigen Gehalt als sachlich nicht beachtenswert betrachten, dürften m.E. mit einer nicht geringen Wahrscheinlichkeit kaum anders handeln, wenn sie zukünftig ggf. an juristische Stellungnahme aus dem Haus ihres Finanzministeriums erinnert werden würden. Wer über mehr als 15 Jahre hinweg gemeinschaftlich - also konzertiert - entsprechende Gesetzentwürfe formuliert und sie danach mit Gesetzeskraft verabschiedet hat, wie das die jeweilige Landesregierung und der jeweilige Landtag vorbereitet und vollzogen haben, der dürfte für all jene Jahre kaum begründeten Anlass zur Vermutung geben, dass er gleichzeitig vorgehabt hätte, jederzeit nachträglich zu einer amtsangemessenen Alimentation zurückzukehren. Denn wenn ihn jene Motivation geleitet hätte, dann hätte er von vornherein verfassungskonform gehandelt und also nicht regelmäßig wissentlich und willentlich, also zielgerichtet, den konzertierten Verfassungsbruch vollzogen.
« Last Edit: 09.04.2023 21:51 von SwenTanortsch »

Knarfe1000

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Die GdP RP hat im Dezember 2022 ein umfangreiches Infoschreiben gesteuert und die recht komplexe Sach- und Rechtslage hinsichtlich der (vermutlich) verfassungswidrigen Besoldung und Möglichkeiten der individuellen Klage dargestellt.

Da die Landesregierung auch auf die 6%-ige Erhöhung in Hessen in keiner Weise reagiert, bereitet man aktuell 5 Musterklagen für verschiedene Besoldungsgruppen und Lebensverhältnisse vor. Es muss jetzt wirklich mal was passieren!

Nordlicht97

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Mal ein kurzes Update zu meiner Klage:

Das DLZP hat in ihrer Stellungnahme beantragt die Klage abzuweisen, mit Verweis auf den Widerspruchsbescheid.

Weiter wird jedoch auch vom DLZP angeregt, das Verfahren "wegen der gegen die Neuregelung der Besoldung erhobenen Verfassungsbeschwerde" ruhen zu lassen.

Kurzum: Es wird also nichts passieren, bis das BVerfG mal etwas entscheidet.

Ozymandias

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Man könnte grundsätzlich der Anregung widersprechen und das Verfahren seinen Gang nehmen lassen.

Dafür bekommt man aber das volle Prozessrisiko ab und ein einfaches Verwaltungsgericht kann derzeit quasi auch nichts anderes außer einem Vorlagebeschluss vor dem BVerfG bewirken. Ob man nun vor dem Verwaltungsgericht auf das BVerfG wartet oder mit Vorlagebeschluss vor dem BVerfG wartet macht keinen Unterschied.  ;D

Daher wäre das Ruhen ratsam.

Nordlicht97

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Man könnte grundsätzlich der Anregung widersprechen und das Verfahren seinen Gang nehmen lassen.

Dafür bekommt man aber das volle Prozessrisiko ab und ein einfaches Verwaltungsgericht kann derzeit quasi auch nichts anderes außer einem Vorlagebeschluss vor dem BVerfG bewirken. Ob man nun vor dem Verwaltungsgericht auf das BVerfG wartet oder mit Vorlagebeschluss vor dem BVerfG wartet macht keinen Unterschied.  ;D

Daher wäre das Ruhen ratsam.

Volle Zustimmung. So leidig das auch ist.

Und ich denke, selbst wenn das BVerfG sich mal zu einer Entscheidung durchringt, wird das ganze Spiel wieder einmal von vorne losgehen.
Das Land wird wieder ein Gesetz erlassen, dass Verfassungswidrig ist, dann wird wieder dagegen geklagt werden und das ganze Spiel wird so lange weitergehen, bis das BVerfG mal die Rahmenbedingungen so weit einschränkt, dass dem Land keine andere Möglichkeit mehr bleibt.

Aber bis das passiert werden sicherlich noch einige Jahre ins Land ziehen.