Hier zunächst einmal die Antwort auf den offenen Brief:
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihren offenen Brief vom 12. Dezember 2022 zum Stand der amtsangemes- senen Alimentation in Schleswig-Holstein.
Gern möchten wir mit diesem Schreiben zu Ihren Fragen und Anmerkungen Stellung nehmen.
Im Jahr 2022 und den Folgejahren wird es kein Rundschreiben zu den Rechtsstreitverfahren zur Sonderzahlung geben. Hintergrund ist das Inkrafttreten des Gesetzes vom 24. März 2022, das Sie in Ihrem Brief bereits zitierten. Mit den Regelungen dieses Gesetzes wird eine amtsangemessene Alimentation der Beamtinnen und Beamten sowie der Richterinnen und Richter im Jahr 2022 sichergestellt. Im Rahmen der Gesetzesbe- gründung der Landtagsdrucksache 19/3428 (sowie dem zugehörigen Umdruck 19/7321) wurde detailliert dargelegt, dass der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2020 hinreichend Rechnung getragen wurde.
Für das Jahr 2022 besteht nicht die Notwendigkeit, weitere Zusagen, die sich an den Rundschreiben der vergangenen Jahre orientieren, zu geben. Im Jahr 2022 wird bzw. wurde eine amtsangemessene Alimentation gezahlt. Zur Geltendmachung von Ansprü-chen sind individuell eingelegte Anträge bzw. Widersprüche im Sinne einer zeitnahen Gel- tendmachung notwendig. Alle Anträge bzw. Widersprüche, die sich auf die amtsangemes- sene Alimentation im Jahr 2022 beziehen, werden beschieden. Eine Ruhendstellung von Verfahren ist dabei nicht vorgesehen. Dieses Verfahren wurde den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften gegenüber kommuniziert.
Für die Sicherstellung der amtsangemessenen Alimentation im Jahr 2022 und den Folgejahren ist die Gewährung einer Jahressonderzahlung im Übrigen nicht zwingend erforderlich. Vielmehr ist die Höhe der Gesamtalimentation entscheidend, die Sonderzahlung steht dabei zur Disposition des Gesetzgebers, sofern die übrige Alimentation die zwingenden Kriterien bereits erfüllt. Die Landesregierung überprüft die Besoldung dabei in regelmäßigen Abständen und leitet erforderliche gesetzgeberische Maßnahmen ein, wenn ein Handlungsbedarf identifiziert wurde.
In Bezug auf die Rechtsstreitverfahren zur Sonderzahlung aus 2007 bleibt anzumerken, dass die abschließende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Vorlageverfah- ren 2 BvL 13/18 noch immer aussteht. Das Land hat auf Aufforderung des Bundesverfas- sungsgerichts bereits eine Stellungnahme im Verfahren abgegeben.
Mit einer Entscheidung im Jahr 2023 wird gerechnet.
Und der Musterwiderspruch ist hier:
Betr.: Antrag auf Neufestsetzung einer amtsangemessenen Besoldung und Widerspruch gegen die Verdienstabrechnungen für das Kalenderjahr 2022.
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit lege ich gegen die Verdienstabrechnung / Mitteilungen zur Beamtenversorgung für das Kalenderjahr 2022
Widerspruch
ein und beantrage gleichzeitig die Neufestsetzung einer höheren, amtsangemessenen Besol- dung/Beamtenversorgung.
Begründung:
Beamtinnen und Beamte haben gem. Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes Anspruch auf Erhalt einer amtsangemessenen Alimentation.
Dazu hat das Bundesverfassungsgericht in grundlegenden und umfassenden Entscheidungen ausdrückliche und verbindliche Festlegungen getroffen. Diese Vorgaben hat der Zweite Senat in seinem Beschluss vom 4.Mai 2020 – 2 BvL 4/18 – zur Besoldung von Richterinnen und Richter im Land Berlin ausdrücklich bestätigt, konkretisiert und die Berechnungsparameter präzisiert, in- dem er ein indizielles Prüfsystem anhand volkswirtschaftlich nachvollziehbarer Parameter entwi- ckelt hat.
Beim systeminternen Besoldungsvergleich, so das BVerfG in der zitierten Entscheidung, sei ne- ben der Veränderung der Abstände zu anderen Besoldungsgruppen in den Blick zu nehmen, ob in den untersten Besoldungsgruppen der gebotene Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau eingehalten sei. Ein Verstoß gegen dieses Mindestabstandsgebot betreffe insofern das gesamte Besoldungsgefüge.
Mit Beschluss vom 23. März 2021, Az. 2 LB 93/18, stellte das Schleswig-Holsteinische Oberver- waltungsgericht für die Beamtinnen und Beamten für das Jahr 2007 bis zur Gehaltsgruppe A 7 eine nicht amtsangemessene Alimentierung deshalb fest, weil das Mindestabstandsgebot zum Grundsicherungsniveau in diesen Gehaltsstufen verletzt worden sei. Gleichzeitig ging das OVG ausdrücklich davon aus, dass von diesem Ergebnis eine Indizwirkung für das gesamte Besol- dungsgefüge ausgehe und teilte insoweit die Einschätzung des BVerfG.
Personalnummer:
Mit dem „Gesetz zur Gewährleistung eines ausreichenden Abstandes der Alimentation zur sozi- alen Grundsicherung und zur amtsangemessenen Alimentation von Beamtinnen und Beamten mit mehr als zwei Kindern“ vom 24.03.2022 (GVOBL. Schl.-H. S. 309) hat der Landesgesetzgeber neue Wege beschritten, indem das Familieneinkommen der Beamtinnen und Beamten berück- sichtigt wird und ein Familienergänzungszuschlag nur bedarfsbezogen gewährt wird, wenn dieses in den unteren Besoldungsgruppen einen verfassungswidrigen Mindestabstand zur Grundsiche- rung unterschreitet. Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens nimmt das Finanzministerium Schleswig-Holstein Stellung (Umdruck 19/7321 des Schleswig-Holsteinischen Landtags m.D.v. 14.03.2022) zu einem kritischen Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Landtages (Um- druck 19/7271 m.D.v. 02.03.2022). Dort führt es aus, dass der Familienergänzungszuschlag nur etwa 100 von 40.000 Landesbeamtinnen und -beamten zugutekommen wird. Aufgrund dieser geringen Anzahl sei keine Verletzung des Abstandsgebots zwischen den Besoldungsgruppen gegeben, die lineare Veränderungen im darauf aufbauenden Besoldungsgefüge erforderlich machten (Umdruck 19/7321, Anlage 1, S. 12ff.)
In den ersten 2000er-Jahren blieben die Gehaltsanpassungen der Beamtinnen und Beamten re- gelmäßig hinter dem Durchschnitt der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zurück. Es folgten die Abschaffung von Urlaubsgeld, Arbeitszeiterhöhung um 2,5-Wochenstunden, Einführung eines Eigenanteils zur Heilfürsorge und in 2007 auch die Abschaffung des Weihnachtsgeldes. Allein mit diesen Einschnitten waren je nach Gehaltsstufe Einbußen bis zu 80% eines Monatsgehalts ver- bunden.
Das Finanzministerium beziffert in seiner Stellungnahme den Betrag für die erforderliche Anhe- bung der niedrigstmöglichen Besoldung mit 475 EUR. Dort wird weiter ausgeführt:
„Um das vom Bundesverfassungsgericht postulierte Abstandsgebot zwischen den Besol- dungsgruppen zu wahren, müsste die Grundbesoldung für alle Besoldungsempfängerin- nen und Besoldungsempfänger (d. h. bis zur Ministerebene hinauf) monatlich um diesen Betrag erhöht werden.“ (Umdruck 19/7321, Anlage 1, S. 2)
In einem Antwortschreiben vom 03.06.2022, welches die Finanzministerin zur Frage der amtsan- gemessenen Alimentation an den Bund Deutscher Kriminalbeamte in Schleswig-Holstein richtete, werden Maßnahmen aufgeführt, die für alle Besoldungsstufen in der Landespolizei in den Jahren 2021 (0,4 %) und 2022 (0,6%) zusammen mit einer Absenkung des Eigenanteils zur Heilfürsorge um 0,4 % zu einer positiven Anpassung von insgesamt nur 1,4 % führen. Bei einem Grundgehalt von 4.000 EUR wären das mithin ca. 56 EUR. Die Verbesserungen bei der Heilfürsorge betreffen zudem nur aktive Polizeibeamte und bleiben somit u.a. für Versorgungsempfänger ohne Effekt. Der wissenschaftliche Dienst stellt in seinem Ergebnis folgendes fest:
„Jedoch begegnet der Gesetzentwurf bezogen auf den Familienergänzungszuschlag für die unteren Besoldungsgruppen sowie den Familienergänzungszuschlag ab dem dritten Kind erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn hierin liegt eine Verletzung des aus Art. 33 Absatz 5 GG folgenden Mindestabstandsgebots sowie des allgemeinen Ab- standsgebots.“ (Umdruck 19/7271, S. 28)
Insgesamt gehe ich davon aus, dass die erfolgten Anpassungen nicht ausreichen und die mir gewährte Besoldung bzw. Beamtenversorgung weiterhin nicht amtsangemessen ist. Ich bean- trage daher,
die Gewährung einer verfassungsgemäßen, höheren und amtsangemessenen Besol- dung/Beamtenversorgung.
Sollte es im Hinblick auf weitere Verfahren zu einer Musterprozessvereinbarung kommen, erkläre ich mich schon jetzt mit dem Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung über die Musterfälle einverstanden, wenn Sie für die Dauer der Durchführung der Musterverfahren auf die Erhebung der Einrede der Verjährung verzichten. Dieser Widerspruch/Antrag erfolgt fristwahrend. Ich be- halte mir vor, nach rechtlicher Beratung weitere Begründungen vorzutragen.
Ich bitte um entsprechende schriftliche Eingangsbestätigung meines Antrags.
Mit freundlichen Grüßen
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