Autor Thema: [SH] Widerspruch amtsangemessener Alimentation / Sonderzahlung  (Read 27380 times)

SwenTanortsch

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Danke, tantekaethe. Mir stellen sich hier weiterhin verschiedene Fragen hinsichtlich des absoluten Alimentationsschutzes in Zusammenhang mit der vom Gesetz offensichtlich vorausgesetzte Mitwirkungspflicht geschiedener Elternteile nach § 45a (1) SHBesG. Denn es wird ja auf der S. 2 des Antrags erwartet, dass der Beamte entsprechende Nachweise des geschiedenen Elternteils dem DLZP beibringt, in diesem Fall also offensichtlich mindestens dessen Verdienstbescheinigungen (ein Zugriff auf den Steuerbescheid sollte, wenn ich das richtig sehe, wegen des Steuergeheimnisses aus AO § 30 nicht verlangt werden können; nicht umsonst könnte das DLZP dieses nicht selbst bei den Finanzbehörden einfordern). Auf diese Problematik war ja, wenn ich das richtig erinnere, auch bereits im Gesetzgebungsverfahren hingewiesen worden. Mir bleibt die Rechtskonstruktion weiterhin unklar. Denn zwar hat jener Beamte nach § 1580 i.Vm. §§ 1605, 260 und 261 BGB das Recht, entsprechende Bescheinigungen des Arbeitgebers von dem geschiedenen Elternteil ausgehändigt zu bekommen. Aber sofern er dieses Recht erst gerichtlich durchsetzen müsste, würden mindestens im Zeitraum bis zur rechtsgültigen gerichtlichen Entscheidung dem DLZP offensichtlich keine Bescheinigungen vorgelegt werden können, woraus folgte, dass der Beamte in jenem Zeitraum augenscheinlich keinen Familienergänzungszuschlag erhalten könnte. Unabhängig von eventuellen Nachzahlungen, wird hier offensichtlich eine rechtliche Regelung vollzogen, wonach der vom absoluten Alimentationsschutz umfasste Mindestgehalt der zu gewährenden Alimentation dem Beamten mindestens ggf. über einen längeren Zeitraum nicht gewährt werden würde, ohne dass das in seiner Verantwortung läge. Solange aber kein Familienergänzungszuschlag gewährt wird, wäre der amtsangemessene Lebensunterhalt des Kindes nicht gesichert und läge offensichtlich mindestens in dieser Zeit eine Verletzung des absoluten Alimentationsschutzes vor, womit ein grundrechtgleiches Schutzrecht mindestens in diesem Zeitraum unbeachtet bliebe - oder sehe ich das falsch? Denn welche Möglichkeiten bleiben jenem Beamten, seinen grundrechtsgleichen Anspruch gegenüber dem Dienstherrn durchzusetzen, sofern der geschiedene Elternteil nicht wie vom Dienstherrn vorausgesetzt kooperiert? Hat hier jemand konkrete Erfahrungen, wie sich das Verfahren hier konkret gestaltet, also wie das DLZP in diesen oder ähnlich gelagerten Fällen konkret handelt, sofern es entsprechend darüber informiert wird, dass (derzeit) eine Kooperation des geschiedenen Elternteils im Sinne der gesetzlichen Regelung nicht geschieht?
« Last Edit: 29.12.2022 09:50 von SwenTanortsch »

Malkav

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Moin Swen,

nach den mir vorliegenden Schulungsunterlagen des DLZP zum FEZ reicht wohl die bloße Behauptung der Beamtin/ des Beamten, dass der "Gesamtbetrag der Einkünfte wird im Gewährungszeitraum voraussichtlich unter der maßgeblichen Hinzuverdienstgrenze [...] liegen.

Das deckt sich in so weit auch mit Hinweis Nr. 2 aus dem Antrag, welcher sich mMn auf eine nachträgliche Überprüfung bezieht: "Zur Überprüfung [Hervorhebung durch mich] der Zahlung des FEZ ist eine Aufbewahrung der Steuerbescheide der maßgeblichen Jahre notwendig. Das gilt auch für den/die weitere  Unterhaltspflichtige/n."

Wobei wir hier wieder dabei wären, dass das DLZP § 30 AO hinsichtlich des anderen Unterhaltspflichtigen ohne Rechtsgrundlage aushebeln will. Sonst ergibt der Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht in meinen Augen nicht so recht Sinn.

SwenTanortsch

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Moin Swen,

nach den mir vorliegenden Schulungsunterlagen des DLZP zum FEZ reicht wohl die bloße Behauptung der Beamtin/ des Beamten, dass der "Gesamtbetrag der Einkünfte wird im Gewährungszeitraum voraussichtlich unter der maßgeblichen Hinzuverdienstgrenze [...] liegen.

Das deckt sich in so weit auch mit Hinweis Nr. 2 aus dem Antrag, welcher sich mMn auf eine nachträgliche Überprüfung bezieht: "Zur Überprüfung [Hervorhebung durch mich] der Zahlung des FEZ ist eine Aufbewahrung der Steuerbescheide der maßgeblichen Jahre notwendig. Das gilt auch für den/die weitere  Unterhaltspflichtige/n."

Wobei wir hier wieder dabei wären, dass das DLZP § 30 AO hinsichtlich des anderen Unterhaltspflichtigen ohne Rechtsgrundlage aushebeln will. Sonst ergibt der Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht in meinen Augen nicht so recht Sinn.


Hey Malkav,
wenn nun wiederum gar keine Prüfung vollzogen wird (was ich als Privatperson jedem Empfänger des Familienergänzungszuschlags gönne - und auch jedem Sachbearbeiter, der dann diese stupide und Zeit kostende, offensichtlich verfassungswidrige Prüfung nicht vollziehen muss), wäre das ja augenscheinlich erst recht nicht gleichheitsgerecht und stände darüber hinaus im Widerspruch zu der verpflichtend getätigten Aussage der Hinweise zu Beginn der S. 3: "Falls Sie nach Durchsicht dieser Hinweise zu dem Ergebnis kommen, dass Sie keinen Anspruch auf einen Familienegänzungszuschlag haben, ist eine Erklärung nicht erforderlich." (Hervorhebung wie im Original). Denn dann würde einem Teil der Beamtenschaft ungeprüft ein deutlicher geldwerter Vorteil zuerkannt werden, der jährlich bis zu 5.700 € betragen kann, der ggf. jenem vorenthalten würde, der den Informationen des Antrags glaubte, welcher nicht umsonst hervorhebt: "Das DLZP prüft die Anspruchsberechtigung von Amts wegen, ist hierbei aber auf die Mitwirkung des/der anspruchsberechtigten Beamten/Beamtin angewiesen." (Hervorhebung durch mich) Unabhängig davon, dass die gesetzliche Regelung wie ja vielfach im Gesetzgebungsverfahren nachgewiesen verfassungswidrig ist, ist das Gesetz und damit das Verwaltungshandeln im Sinne des Normtexts solange zu vollziehen, bis das Bundesverfassungsgericht eine gegenteilige Entscheidung trifft - eine ungeprüfte Bewilligung wäre dann offensichtlich rechtswidrig und rechtsstaatlich nicht tolerierbar, da sie Willkür Tür und Tor öffnete.

Liegen Dir die Schulungsunterlagen digital vor? Wenn ja, kannst Du sie mir zukommen lassen. Ich beschäftige mich gerade mit der Frage des Gesetzesvorbehalts im Besoldungsrecht, ausgehend von der neu geschaffenen rechtlichen Lage hier in Niedersachsen. Auch deshalb stellt sich mir auch weiterhin die gestern schon gestellte Frage: Wo findet sich im Gesetzgebungsverfahren eigentlich die gesetzliche Ermächtigung der Verwaltung, entsprechend so zu verfahren, wie sie nun vorgeht? Nicht zuletzt in Anbetracht dessen, dass hier wie bei uns in Niedersachsen ebenso mit dem Familienergänzungszuschlag ein offensichtlich weitreichender Systemwechsel vorgenommen worden ist, wäre im Sinne der bundesverfassungsgerichtlichen Forderung eine hinreichende Regelungsdichte und eine hinreichende Bestimmtheit durch das Gesetz zu erwarten. Weißt Du, wo sich das verbergen soll? Die von mir gestern genannten Textseiten sind m.E. dafür nicht hinreichend.

Die Ziffer 2 der Hinweise hatte ich überlesen - das macht die Sache nur noch verworrener: Was nützt eine Aufbewahrung, wenn es offensichtlich für den Dienstherrn keine Möglichkeit gibt, die vom Beamten aufbewahrten Steuerbescheide einzusehen, sodass sie heute auch nicht entsprechend angefordert werden? Und offensichtlich hat der geschiedene Beamte - so wie vorhin geschrieben - doch gar kein Zugriffsrecht auf Steuerunterlagen seines ehemaligen Ehepartners, sondern nur auf Verdienstbescheinigungen des Arbeitgebers (§ 1580 i.V.m. § 1605 BGB). Zugleich gibt es, wenn ich das richtig erinnere, für Privatpersonen keine gesetzliche Aufbewahrungsfrist für endgültige Steuerbescheide. Sofern dem so ist, müsste auch hier eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, um die Beachtung der Ziff. 2 mit einem bestimmten Rechtsbegriff zu fordern. Wie siehst Du das? Wo ist die Verordnung, die all das unter Beachtung des Gesetzesvorbehalts sachgemäß regelt?

Finanzer

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Sollten die Bearbeiter verbeamtet sein, würde ich an deren Stelle auch noch remonstrieren... ändert zwar nichts,  macht aber anderen (weiter oben) Arbeit.

Malkav

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Sofern dem so ist, müsste auch hier eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, um die Beachtung der Ziff. 2 mit einem bestimmten Rechtsbegriff zu fordern. Wie siehst Du das? Wo ist die Verordnung, die all das unter Beachtung des Gesetzesvorbehalts sachgemäß regelt?

Kurzfassung: Es gibt keine weitergehenden Verordnungen der Landesregierung oder des FM und auch keine gesetzliche Ermächtigung solch eine zu erlassen. § 45a SHBesG steht ganz einsam für sich alleine und müsste daher eigentlich absolut selbsterklärend sein.

Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, was passiert, wenn das DLZP den FEZ aufgrund des ausgefüllten Vordrucks auszahlt und der Beamte Sich später weigert entsprechende Nachweise vorzulegen bzw. diese hinsichtlich des Partners nicht vorlegen kann. Grundsätzlich wäre der FEZ dann wohl zurückzufordern, da er ja "zuviel gezahlte Bezüge" im Sinne von § 15 Abs. 2 S. 2 SHBesG wäre.

Jetzt wäre zu klären, wer die Beweislast dafür trägt, dass "zuviel gezahlte Bezüge" vorliegen. Da sich deren Rückforderung nach den Vorschriften über die ungerechtfertige Bereicherung nach dem BGB richten, trüge der Dienstherr die entsprechende Beweislast für zurückliegende Zeiträume. Der Beamte als Beklagter bestreitet einfach das Vorhandensein zuviel gezahlter Bezüge und der Dienstherr als Kläger trägt die Beweislast.

Ui wird das ein Spaß, wenn der (ggf. Ex-)Partner als Zeuge im Gerichtsprozess geladen wird und ganz naiv fragt: "Liebes Land, was geht dich mein Einkommen an, solange ich meine Steuern und Sozialabgaben bezahle?"

boysetsfire

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Das Finanzministerium SH hat ein "Rundschreiben" zum "Gesetz zur Gewährleistung eines ausreichenden Abstandes der Alimentation zur sozialen Grundsicherung und bla bla bla" herausgegeben und auf der Homepage der Landesregierung veröffentlicht:

https://www.schleswig-holstein.de/DE/fachinhalte/B/besoldungsrecht/Downloads/Rundschreiben_Alimentationsgesetz.html?nn=a156ce75-b729-4ae6-ace8-2be89550931e

Darin wird auch erläutert, wie die Prüfung des Familienergänzungszuschlags ablaufen soll.

SwenTanortsch

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Das ist wirklich nur noch grotesk zu nennen, Malkav. Letztlich laden solche offensichtlich nicht hinreichend zu legitimierenden Gesetzgebungen doch geradezu Missbrauch ein. So kann der Gesetzgeber den Rechtsfrieden nachhaltig beschädigen - zugleich würde es mich wundern, wenn solche Regelungen, die offensichtlich über § 47 (1) Nr. 2 VwGO angreifbar sein könnten, vor dem OVG Bestand haben würde.

Hab Dank, boysetfire: Ich bin gespannt auf die Lektüre!

SwenTanortsch

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Das Prüfungsverfahren soll tatsächlich letztlich nicht oder in den Worten des Rundschreibens nur "niederschwellig" vollzogen werden:

"Die Anspruchsprüfung und Gewährung des Familienergänzungszuschlages erfolgt von Amts wegen. Dabei sind die für die Bezügezahlung zuständigen Dienststellen allerdings auf die Mitwirkung der Betroffenen angewiesen. Für die Beamtinnen und Beamten im Landesbereich werden entsprechende Erklärungsvordrucke, in denen die Beamtinnen und Beamten die erforderlichen Angaben zur Anspruchsprüfung abgeben können, auf der Internetseite des DLZP zum Download bereitgestellt. In den Erklärungsvordrucken sind detaillierte Ausfüllhinweise enthalten, damit die Beamtinnen und Beamten bereits im Vorfeld erkennen können, ob dem Grunde nach ein Anspruch auf einen Ergänzungszuschlag besteht. Die Anspruchsprüfung für die Gewährung des Ergänzungszuschlags ab dem 1. Mai 2022 ist dabei niedrigschwellig ausgelegt.

Die Beamtinnen und Beamten müssen dazu im Vordruck nur angeben, ob der Gesamtbetrag der Einkünfte der Ehegatten, Elternteile oder Lebenspartner im Gewährungszeitraum unter der maßgeblichen Hinzuverdienstgrenze der Anlage 10 zum SHBesG liegt. Dieses Verfahren wurde gewählt, um einen angemessenen Ausgleich zwischen den Datenschutzinteressen der Betroffenen und dem Datenerhebungsinteresse des Dienstherrn zu schaffen. Die Beamtinnen und Beamten sind dabei zu wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet und müssen jede Änderung der Einkommensverhältnisse anzeigen, denn eine Änderung der Einkommensverhältnisse kann zu einem Verlust des Anspruchs auf Familienergänzungszuschlag führen." (S. 5; Hervorhebung durch mich)

Die hervorgehobene Passage ist dabei bestenfalls ein Euphemismus, der zugleich wie schon hervorgehoben Missbrauch Tür und Tor öffnet. Denn wie gestern von Malkav hervorgehoben, gibt es augenscheinlich keine hinreichende Möglichkeit der Prüfung - jedenfalls mindestens hinsichtlich geschiedener Elternteile. Denn sofern die Beweislast auf den Beamten abgewälzt werden sollte, würde für den Zeitraum der Abwälzung (also bis er ggf. eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auf Herausgabe der nötigen Unterlagen erwirkt hätte) der absolute Alimentationsschutz verletzt werden, womit eine Verletzung eines grundrechtsgleichen Rechts vollzogen werden würde, was - wenn ich das richtig sehe - nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringen wäre, auch da damit mindestens mittelbar ein Grundrecht des Kindes verletzt werden würde. Der Dienstherr selbst dürfte hingegen gesetzlich kein Mittel haben, jene Unterlagen vom geschiedenen Elternteil einzufordern, weshalb er auf die zitierte "Mitwirkung der Betroffenen angewiesen" ist. Der Euphemismus (dieses Stilmittel wird seit geraumer Zeit generell, also auch von anderen Dienstherrn, benutzt, wenn sie zumeist offensichtlich sowohl wissentlich als auch willentlich verfassungswidrig handeln) liegt nun darin, dass es nicht um einen "angemessenen Ausgleich" geht, sondern dass eine Prüfung im Rahmen der Norm offensichtlich nicht möglich ist, ohne entweder die Grundrechte des geschiedenen Elternteils oder das grundrechtsgleiche Recht des Beamten bzw. mittelbar das sich aus Art. 6 Abs. 5 GG ergebende Grundrecht des Kindes zu verletzen. Deshalb ist der postulierte "Ausgleich" eben nicht "angemessen", sondern gesteht als Euphemismus ein, dass offensichtlich im Rahmen des Gesetzes keine wirkliche Prüfung möglich ist.

Damit haben wir dann mit hoher Wahrscheinlichkeit den ebenfalls im Gesetzgebungsverfahren bereits betrachteten Fall vorliegen, auf den auch das Finanzministerium und der Gesetzgeber hingewiesen worden sind, dass hier wohl eine elementare Verletzung von Art. 6 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 5 GG spätestens in dem Moment vorläge, wenn der Dienstherr nun tatsächlich eine "angemessene" Prüfung vornehmen würde. Denn diese könnte offensichtlich hinsichtlich der geschiedenen Elternteile nicht rechtssicher durchgeführt  werden - die Prüfung würde augenscheinlich in jedem Fall entweder Grundrechte (nämlich das Recht auf informelle Selbstbestimmung des geschiedenen Elternteils nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bzw. das Gleichheitsrecht aller Kinder, die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft vorzufinden nach Art. 6 Abs. 5 GG) oder grundrechtsgleiches Recht (nämlich das Recht des Beamten, in jedem Fall zeitlich uneingeschränkt mindestens auf Höhe der vom absoluten Alimentationsschutz umfassten Mindestalimentation alimentiert zu werden, wie es sich aus Art. 33 Abs. 5 GG ergibt) verletzen, sodass eine "angemessene Prüfung" wohl nur hinsichtlich der verheirateten Beamten möglich wäre, worin sich am Ende eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs 1 GG zeigte. Nimmt er hingegen wie dargestellt keine Prüfung vor, die dann mit dem nächsten Euphemismus als "niederschwellig" verbrämt wird, ist dieses Handeln offensichtlich materiell rechtswidrig, da der Verwaltungsakt nicht zum von der Norm geforderten Ergebnis führt, das da lautet: "Unterschreitet das Nettoeinkommen der für die im Familienzuschlag nach § 44 berücksichtigten ersten und zweiten Kinder unterhaltspflichtigen Eheleute, Lebenspartner oder Elternteile die für die Herstellung eines Abstands zur Grundsicherung in Höhe von 15 Prozent notwendige Nettosumme der Besoldung der Beamtin oder des Beamten, wird ein kindbezogener Familienergänzungszuschlag nach Anlage 10 gewährt." (§ 45a (1) SHbesG) Denn ohne entsprechende Prüfung, wird der kinderbezogene Familienergänzungszuschlag wahllos auch dann gewährt, wenn gar keine Berechtigung im Sinne der Norm vorliegt.

Letztlich ist hier eine Norm geschaffen worden, die zu Missbrauch regelrecht einlädt. Denn wer sich im Sinne des Gesetzes verhält und damit den Hinweisen des Antrags folgt, die ausführen: "Falls Sie nach Durchsicht dieser Hinweise zu dem Ergebnis kommen, dass Sie keinen Anspruch auf einen Familienergänzungszuschlag haben, ist eine Erklärung nicht erforderlich" (S. 3; Hervorhebungen wie im Original), also davon ausgehen muss, dass er über keinen Anspruch verfügt, sofern er nach der von ihm erfolgten Prüfung zu diesem Schluss kommt, wird keinen Antrag stellen und keinen Familienergänzungszuschlag erhalten, während hingegen jener, der fälschlicherweise (ob vorsätzlich oder versehentlich fehlerhaft, ist vom Ergebnis her hier unerheblich) davon ausgeht, dass er über einen Anspruch verfügt und also einen fehlerhaften Antrag stellt, den Familienergänzungszuschlag erhält.

Da es hier zunächst einmal nicht um die Frage nach der Verfassungskonformität des Gesetzes geht, sondern der Verwaltungsakt zu hinterfragen wäre, der als solcher für die Adressaten des Rundschreibens wie folgt eingeführt wird: "Da es sich dabei [dem Familienergänzungszuschlag; ST] um ein neuartiges Regelungskonzept handelt, erhalten Sie mit diesem Rundschreiben Durchführungshinweise zum weiteren Verfahren. Es ist beabsichtigt, die nachfolgenden Hinweise zukünftig in die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Besoldungsgesetz Schleswig-Holstein (SHBesGVwV) aufzunehmen. Bis auf Weiteres möchte ich Sie bitten, nach den folgenden Grundsätzen zu verfahren" (S. 4 des Rundschreibens), sollte das Verfahren wie gestern schon hervorgehoben über § 47 (1) Nr. 2 VwGO i.V.m. § 67 LJG direkt vor dem OVG angegriffen werden können. Denn neben den bereits genannten Sachwidrigkeiten dürften ebenso - zumindest derzeit - gar keine hinreichend bestimmten Verwaltungsvorschriften vollzogen werden können, da es im Gesetz hierzu offensichtlich keine formelle Ermächtigung gibt - wie gestern schon gesagt, mangelt es dem Gesetz an der augenscheinlich hinreichenden Bestimmtheit für entsprechende Verwaltungsvorschriften.

Wenn ich es also richtig sehe, steht der Weg frei für einen indirekten Angriff des Gesetzes auf dem kurzen verwaltungsgerichtlichen Weg - nicht das Gesetz, sondern die Rechtsvorschrift sollte über § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 67 LJG direkt angegriffen werden können. Denn § 67 LJG führt entsprechend aus: "Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit von im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften (§ 47 Absatz 1 Nummer 2 VwGO)."

Malkav

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Wenn ich es also richtig sehe, steht der Weg frei für einen indirekten Angriff des Gesetzes auf dem kurzen verwaltungsgerichtlichen Weg - nicht das Gesetz, sondern die Rechtsvorschrift sollte über § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 67 LJG direkt angegriffen werden können. Denn § 67 LJG führt entsprechend aus: "Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit von im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften (§ 47 Absatz 1 Nummer 2 VwGO)."

Grundsätzlich ist dem wohl zuzustimmen.

Es bleiben nur die Frage wer aktiv klageberechtigt sein soll, wenn eine entsprechende Verwaltungsvorschrift erlassen wird. Ein Antragssteller, welcher den FEZ aufgrund seiner einfachen Erklärung antragsgemäß erhält ist in keinster Weise beschwert. Jemand deren/dessen Antrag wegen (nach Ansicht des DLZP unnötigerweise) gemachten Auskünften bzw. eingereichten Nachweisen abgelehnt wird, ist dann klageberechtigt. Diese Klage wird jedoch voraussichtlich keinen Erfolg haben, da die Ablehnung auf Grundlage des Gesetzes (Nchterfüllung der Voraussetzungen) erfolgt.

Es müsste sich ein grundsätzlich (nach Besoldungsgruppe, Erfahrungsstufe und Kinderzahl) Zuschlagsberechtigter finden der im Antragsvordruck aktiv vermerkt, dass er/sie keinerlei Kenntnis von den Einkünften des anderen Unterhaltspflichtigen hat und sich diese/r weigert Auskünfte zu erteilen. Dann müsste das DLZP den Antrag nach dem Gesetzeswortlaut wohl ablehnen und der Klageweg stünde offen.

Bis dahin kann man vielleicht noch den Landesrechnungshof ins Boot holen um öffentlich anzuprangern, dass Steuergeld "den Beamten in den Hals gestopft wird" (um im BILD-Sprech zu bleiben), ohne dass die gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen überprüft werden?

SwenTanortsch

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Die Frage, die sich mir stellt, geht zurzeit dahin, ob die im Gesetzestext fehlende Ermächtigung der Landesregierung und Verwaltung dennoch hinreicht, dass die Verwaltung ein solches wie dargestellte Handeln rechtfertigen könnte. Ohne dass ich das bislang genauer geprüft hätte, erscheint mir das aber mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit als zweifelhaft. Zugleich stellt sich wohl die Frage, da bislang keine explizite Verwaltungsvorschrift erlassen worden ist, wie eigentlich mit diesem Übergangszustand umzugehen wäre - insbesondere, sofern die Landesregierung es so wie bislang in der Schwebe hielte, also weiterhin keine Rechtsverordnung erließe, für die es im Gesetzestext keine Ermächtigung gibt, die nur in der Gesetzesbegründung angeschnitten wird.

Darüber hinaus sollte es so sein, wie Du sagst, § 47 Abs. 2 VwGO führt aus: "Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen." Da die Berechnungen hinsichtlich der Höhe des Familienergänzungszuschlags - anders als hier in Niedersachsen - im Gesetzgebungsverfahren erfolgten, können diese in ihrer Höhe, auch wenn sie offensichtlich nicht hinreichend sind, nur durch eine Feststellungsklage gegen das Gesetz angegriffen werden, wie ebenso die gesamte offensichtlich verfassungswidrige Rechtskonstruktion hinsichtlich des Familienergänzungszuschlags, wie er ja vielfach im Beteiligungsverfahren, so wie er konstruiert worden ist, als offensichtlich verfassungswidrig betrachtet worden ist. Hier wäre folglich der Weg über § 47 VwGO verschlossen.

Nichtsdestotrotz dürfte es sinnvoll sein, die offensichtlichen Möglichkeiten zu prüfen, die § 47 VwGO ggf. lässt. Da hier hinsichtlich des Besoldungsrechts augenscheinlich Neuland zu betreten wäre (durch die Aufgabe des Alleinverdienermodells und den damit verbundenen Systemwechsel sind ggf. neue Wege zu durchdenken), ergeben sich hier eventuelle Möglichkeiten, die bislang nicht gegeben waren und die man also erst einmal entdecken müsste.

Nordlicht97

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Heute gabs in der SHZ einen Artikel, in dem das Finanzministerium sich dahingehend äußerte, dass es auf keinen Fall die volle Nachzahlung der Sonderzahlung beabsichtigt.
Es geht dem Finanzministerium lediglich um den Betrag, der zur verfassungsgemäßen Alimentation nötig ist.

Ich zitiere mal:

"Vom Finanzministerium heißt es daher, es bestehe kein Anspruch auf eine Nachzahlung des Weihnachtsgeldes, sondern nur ein Anspruch auf eben diese verfassungsgemäße Alimentation. Und für deren Ermittlung sei das Gesamtjahreseinkommen maßgeblich."

Dies steht aber, meiner Meinung nach, im krassen Widerspruch zu den Erlassen, die bis 2021 verschickt wurden.
Dort geht es ja explizit um die Neufestsetzung der Sonderzahlung und das, bei einer höchstrichterlichen Verurteilung alle Beamte, auch die, die keinen Widerspruch eingereicht haben, diese Nachzahlung erhalten.

Wenn das Finanzministerium jetzt davon abweicht und es gar nicht mehr um die Sonderzahlung geht und somit der Erlass hinfällig ist, dann, so kann ich es mir vorstellen, wird diese Gleichbehandlungsgarantie evtl. auch einfach ausgehoben und es erhalten tatsächlich nur die Beamten, die Widerspruch eingelegt haben, die Nachzahlung?

Zuzutrauen wäre es dem Land...

tantekaethe

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Die werden sich mit Händen und Füßen wehren, das dürfte schon mal klar sein.
Ich rechne auch damit, dass sie den Kinderzuschlag von 400€ pro Kind gegenrechnen werden...

Malkav

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Dann dürfen wir mal sehr gespannt, welche Rechtsqualität das VG und OVG Schleswig den bis 2021 jährlich an alle Beamten versandten Erlassen beimessen.

Also nach Treu & Glauben kann hier sicherlich argumentiert werden, dass darin eine Art verzicht auf die haushaltsnahe Geltendmachung zu sehen ist. Sinn und Zweck der verpflichtenden haushaltsnahen Geltendmachung ist es ja den Dienstherrn Planungssicherheit zu geben. Wenn der Dienstherr nun durch die oberste Landesbehörde, welche seitens der Exekutive für den Haushalt verantwortlich zeichnet, immer wieder kundgibt, dass es alle Beamtem wie Widerspruchsführer behandeln will, besteht diese Planungssicherheit zu jedem Zeitpunkt.

Konsequenterweise hätte im Haushalt jedes Jahr eine entsprechende Rücklage gebildet werden müssen. Dies ist natürlich unterblieben, da so der erwünschte Einspareffekt für den Haushalt nicht hätte realisiert werden können. Spätestens ab 2015 muss dem FM und den Haushaltspolitikern im Landtag doch klar gewesen sein, dass das ein böses Ende nehmen wird.

boysetsfire

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Das Finanzministerium hat in seiner Gegenstellungnahme zur Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtags eingeräumt, dass die Besoldung einer vierköpfigen Familie monatlich um 475 € anzuheben wäre, um "das vom Bundesverfassungsgericht postulierte Abstandsgebot zwischen den Besoldungsgruppen zu wahren."

Das ist in meinen Augen dann eine ganz einfache Rechnung: 14 Jahre x 12 Monate x 475 € = 79.800 €.

Ich weiß, ich weiß, ist nur brutto, aber schon mal ein erster Schritt in die richtige Richtung....  ;D

ursus

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"Autor: boysetsfire
« am: 06.01.2023 20:56 »Insert Quote
Das Finanzministerium hat in seiner Gegenstellungnahme zur Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtags eingeräumt, dass die Besoldung einer vierköpfigen Familie monatlich um 475 € anzuheben wäre, um "das vom Bundesverfassungsgericht postulierte Abstandsgebot zwischen den Besoldungsgruppen zu wahren."

Das ist in meinen Augen dann eine ganz einfache Rechnung: 14 Jahre x 12 Monate x 475 € = 79.800 €.

Ich weiß, ich weiß, ist nur brutto, aber schon mal ein erster Schritt in die richtige Richtung....  ;D"

Hallo boysetsfire,

ich muss Dich leider berichtigen:
Der von Dir berechnete Betrag ist korrekterweise netto! Der Dienstherr muss Dir dann, sogar den erhöhten Steuersatz, der durch die Eimalzahlung entsteht, ausgleichen. Der Betrag i. H. v. 79. 800,- Euro muss auf Deinem Konto ankommen - sofern Du nachweislich 14 Jahre lang Widerspruch eingelegt, der Dienstherr unter Verzicht auf die Einrede der Verjährung das Verfahren ruhend gestellt hat, oder aber Du seit 14 Jahren ein Klageverfahren betreibst.  ;)  Vergl. Gegengutachten des Finanzministeriums des Landes Schleswig-Holstein zum Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/umdrucke/07300/umdruck-19-07321.pdf