Autor Thema: [SH] Widerspruch amtsangemessener Alimentation / Sonderzahlung  (Read 29137 times)

Nordlicht97

  • Jr. Member
  • **
  • Beiträge: 77
"Autor: boysetsfire
« am: 06.01.2023 20:56 »Insert Quote
Das Finanzministerium hat in seiner Gegenstellungnahme zur Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtags eingeräumt, dass die Besoldung einer vierköpfigen Familie monatlich um 475 € anzuheben wäre, um "das vom Bundesverfassungsgericht postulierte Abstandsgebot zwischen den Besoldungsgruppen zu wahren."

Das ist in meinen Augen dann eine ganz einfache Rechnung: 14 Jahre x 12 Monate x 475 € = 79.800 €.

Ich weiß, ich weiß, ist nur brutto, aber schon mal ein erster Schritt in die richtige Richtung....  ;D"

Hallo boysetsfire,

ich muss Dich leider berichtigen:
Der von Dir berechnete Betrag ist korrekterweise netto! Der Dienstherr muss Dir dann, sogar den erhöhten Steuersatz, der durch die Eimalzahlung entsteht, ausgleichen. Der Betrag i. H. v. 79. 800,- Euro muss auf Deinem Konto ankommen - sofern Du nachweislich 14 Jahre lang Widerspruch eingelegt, der Dienstherr unter Verzicht auf die Einrede der Verjährung das Verfahren ruhend gestellt hat, oder aber Du seit 14 Jahren ein Klageverfahren betreibst.  ;)  Vergl. Gegengutachten des Finanzministeriums des Landes Schleswig-Holstein zum Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/umdrucke/07300/umdruck-19-07321.pdf

Aufgrund des Erlasses, den das Finanzministerium bis 2021 jedes Jahr verschickt hat, dass bei einer rechtskräftigen Verurteilung des Landes-SH jeder Beamter, obgleich er Widerspruch eingelegt hat, die Nachzahlung erhält, müsste er meines Erachtens nicht einmal Widerspruch eingelegt haben.

Malkav

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 188
Aufgrund des Erlasses, den das Finanzministerium bis 2021 jedes Jahr verschickt hat, dass bei einer rechtskräftigen Verurteilung des Landes-SH jeder Beamter, obgleich er Widerspruch eingelegt hat, die Nachzahlung erhält, müsste er meines Erachtens nicht einmal Widerspruch eingelegt haben.

Und da wird nun die große Wortklauberei beginnen (wie in HH). Was genau hat das FM denn zugesichert?

Es wurde nur zugesichert, dass zur Klärung der Rechtsfrage, ob die Streichung des Weihnachtsgeldes rechtmäßig war, Musterverfahren geführt werden. Es wurde nichts hinsichtlich der amtsangemessenen Alimentation zugesichert. Niemand konnte und kann auf Zahlung von bzw. gegen die Streichung einzelner Besoldungsbestandteile klagen, sondern immer nur gegen die gewährte Gesamtbesoldung.

Ergebnis des BVerfg wird mMn sein:
1. Die Sonderzahlung unterlag keinem besonderem Schutz, sodass deren Streichung grundsätzlich zulässig war. Damit wird die Landesregierung meinen aus dem Schneider zu sein bezüglich der Erlasse, was ich ausdrücklich nicht teile.

2. Die ab 2007 gewährte Gesamtalimentation ist nicht mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar, da diese zu niedrig bemessen war. Das hat aber nur mittelbar etwas mit der Streichung der Sonderzahlung zu tun, sodass nach Ansicht der Landesregierung kein zwingender rechtlicher Grund für eine Gleichbehandlung aller BeamtInnen auf Grundlage der Erlasse bestehen wird.

Ich prognostiziere, dass kaum ein Beamter, welcher die vollständige Streichung 2007 aktiv miterlebt hat, das Ende dieser Auseinandersetzung während seiner aktiven Dienstzeit erleben wird. Und da trotz Rekordinflation nichts zu verzinsen ist, gewinnt der Dienstherr. Der monetäre Wert der vorenthaltenen Sonderzahlung von 2007 ist im Hinblick auf die heutige Kaufkraft doch einfach lächerlich und wird mit jedem Jahr lächerlicher.

Nordlicht97

  • Jr. Member
  • **
  • Beiträge: 77
Aufgrund des Erlasses, den das Finanzministerium bis 2021 jedes Jahr verschickt hat, dass bei einer rechtskräftigen Verurteilung des Landes-SH jeder Beamter, obgleich er Widerspruch eingelegt hat, die Nachzahlung erhält, müsste er meines Erachtens nicht einmal Widerspruch eingelegt haben.

Und da wird nun die große Wortklauberei beginnen (wie in HH). Was genau hat das FM denn zugesichert?

Es wurde nur zugesichert, dass zur Klärung der Rechtsfrage, ob die Streichung des Weihnachtsgeldes rechtmäßig war, Musterverfahren geführt werden. Es wurde nichts hinsichtlich der amtsangemessenen Alimentation zugesichert. Niemand konnte und kann auf Zahlung von bzw. gegen die Streichung einzelner Besoldungsbestandteile klagen, sondern immer nur gegen die gewährte Gesamtbesoldung.

Ergebnis des BVerfg wird mMn sein:
1. Die Sonderzahlung unterlag keinem besonderem Schutz, sodass deren Streichung grundsätzlich zulässig war. Damit wird die Landesregierung meinen aus dem Schneider zu sein bezüglich der Erlasse, was ich ausdrücklich nicht teile.

2. Die ab 2007 gewährte Gesamtalimentation ist nicht mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar, da diese zu niedrig bemessen war. Das hat aber nur mittelbar etwas mit der Streichung der Sonderzahlung zu tun, sodass nach Ansicht der Landesregierung kein zwingender rechtlicher Grund für eine Gleichbehandlung aller BeamtInnen auf Grundlage der Erlasse bestehen wird.

Ich prognostiziere, dass kaum ein Beamter, welcher die vollständige Streichung 2007 aktiv miterlebt hat, das Ende dieser Auseinandersetzung während seiner aktiven Dienstzeit erleben wird. Und da trotz Rekordinflation nichts zu verzinsen ist, gewinnt der Dienstherr. Der monetäre Wert der vorenthaltenen Sonderzahlung von 2007 ist im Hinblick auf die heutige Kaufkraft doch einfach lächerlich und wird mit jedem Jahr lächerlicher.

Zuzutrauen wäre es dem FM.
Ich zitiere aber mal aus dem Erlass:

"Für den Fall einer wider Erwarten erfolgenden rechtskräftigen höchstrichterlichen Verurteilung des Landes sollte nach Auffassung der Landesregierung der Gleichbehandlungsgrundsatz auch für diejenigen Kräfte, die bislang keinen Antrag gestellt haben, gelten. Zur Umsetzung würde ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren auf den Weg gebracht werden."

Gleichzeitig sagt das FM:
"Vom Finanzministerium heißt es daher, es bestehe kein Anspruch auf eine Nachzahlung des Weihnachtsgeldes, sondern nur ein Anspruch auf eben diese verfassungsgemäße Alimentation. Und für deren Ermittlung sei das Gesamtjahreseinkommen maßgeblich."


Sollte dem so sein, wie du es beschreibst, dürfte dem FM großer Unmut der Beamtenschaft zuteil werden, denn durch die o.g. Erlasse wurden die Beamten ja dahingehend gesteuert, keine Widersprüche einzureichen.
Ich frage mich, wie das rechtlich zu beurteilen ist.

Es wird wirklich sehr spannend, was dahingehend noch passiert.

xap

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 1,116
Wie das wahrscheinlich ausgeht, hat man doch in HH gesehen. Und wird man in naher Zukunft auch beim Bund sehen. Dort wird es ebenfalls irgendein völlig unzureichendes Gesetz geben. Und viele lange Gesichter von Bundesbeamten, die der Zusage des BMI vertraut haben, dass kein Widerspruch nötig sei.

Nordlicht97

  • Jr. Member
  • **
  • Beiträge: 77
Ist dann halt die Frage, was die Regierungen möchten.
Geld sparen und sich als Arbeitgeber noch unattraktiver für gut (aus)gebildete Menschen machen, als sowieso schon? Gerade wo in nächster Zeit viele  Beamte in Pension gehen...

Oder sich endlich mal wieder attraktiv machen und damit auch wieder fähiges Personal anlocken, um die öffentliche Verwaltung vielleicht mal weiterzuentwickeln...

Bei der Polizei in SH mussten in den letzten Jahren die Einstellungskriterien gesenkt werden, um überhaupt genug Personal zu erhalten. Das merkt man dann entsprechend auch in den Zwischenprüfungen, in denen merklich mehr Anwärter durchfallen, als noch vor einigen Jahren.

Aber anstatt mit guten Arbeitsbedingungen (dazu gehört ja auch die Besoldung) zu werben, wirbt die Polizei damit, dass die ersten 500 Bewerber ein Strand-Set(!) mit Schirm, Handtuch usw. erhalten...
Gut, die Polizei selbst hat auf die Besoldung keinen Einfluss, aber ich persönlich habe mich geschämt, dass neue Anwärter mit solchen Dingen angeworben werden müssen... 

xap

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 1,116
Das entspricht z. Bsp. der Entwicklung von Berlin. Dort ist es schon seit Jahren so. Nur, es interessiert die Entscheidungsträger nicht. Zum Thema Strandset: Fr. Faeser, ihres Zeichens Chefin im BMI, sprach soeben auf der dbb Jahrestagung davon, den öffentlichen Dienst zur Fachkräftegewinnung präsenter zu machen - und zwar in Form von crossmedialen Kampagnen. Im Bund ist das Elend also ähnlich groß und man fragt sich, wie man als IM mit so einer peinlichen Scheiße vor die Kameras treten kann.

Finanzer

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 591
@xap: vielleicht haben Frau Feaser und Frau Lamprecht eine wette bezüglich der peinlichen Auftritte am Laufen.

Nordlicht97

  • Jr. Member
  • **
  • Beiträge: 77


Bei der Polizei in SH mussten in den letzten Jahren die Einstellungskriterien gesenkt werden, um überhaupt genug Personal zu erhalten. Das merkt man dann entsprechend auch in den Zwischenprüfungen, in denen merklich mehr Anwärter durchfallen, als noch vor einigen Jahren.
 


Habe diesbezüglich gerade heute aktuelle Zahlen gehört.
Im letzten Jahrgang im gD der Polizei S-H gab es 22% die abgebrochen haben oder durchgefallen sind.
8 Studienplätze konnten gar nicht besetzt werden.

Irgendwann muss doch auch mal den Verantwortlichen auffallen, dass es so nicht weitergehen kann...

KielerJung

  • Newbie
  • *
  • Beiträge: 2
Moin,

lässt sich schon jemand aus SH zur Neuregelung anwaltlich vertreten?

boysetsfire

  • Newbie
  • *
  • Beiträge: 49
Nein, das habe ich für das Widerspruchsverfahren und das evtl. Verfahren vor dem VG auch nicht vor.

Das Land argumentiert damit, dass "aufgrund der in diesem Jahr in Kraft getretenen Regelungen nach dem Gesetz zur Gewährleistung eines ausreichenden Abstandes der Alimentation zur sozialen Grundsicherung vom 24.3.2022 (GVOBl. Schl.-H.S. 309) und des Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes 2022 vom 27.4.2022 die Alimentation als verfassungskonform bewertet" wird.

Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienst hierzu besagt jedoch genau das Gegenteil und belegt die Verfassungswidrigkeit dieses Gesetzes. Allein damit haben wir eine Steilvorlage. Dazu noch die Stellungnahme von Stuttman und die vielfältigen Informationen aus diesem Forum und das Prozessrisiko sinkt gegen Null.

Außerdem: Zeige mir einen Anwalt, der von sich behauptet, er würde sich mit dieser Materie bestens auskennen und ich zeige dir einen Lügner.  ;)

Nordlicht97

  • Jr. Member
  • **
  • Beiträge: 77
In dem Artikel der SHZ vom 04.01.2023 wiederholte die Sprecherin noch einmal, dass aufgrund des Erlasses alle Beamten gleich zu behandeln sind.
Gleichzeitig sagte sie, dass kein Anrecht auf eine Nachzahlung der Sonderzahlung besteht, sondern nur eine Nachzahlung in der Höhe, bis die Alimentation wieder verfassungskonform ist. Dabei geht sie bei einem "Worst-Case"-Szenario davon aus, dass das Land bis zu 1,5 Milliarden Euro nachzahlen müsste.

Bei den Zahlen, die hier durch den Raum geistern, könnte das da nicht unter Umständen zum Bumerang werden?
Wenn die Alimentation meinetwegen um 10 - 15 Prozent, oder sogar wie o.g. um 475€ pro Monat, angehoben werden muss, wäre das ja eine deutlich höhere Summe, als wenn das Land nur die Sonderzahlung nachzahlen müsste...

Mal abgesehen davon, dass die Alimentation dann ja auch für die Zukunft angepasst werden muss.
In dieser Frage bin ich sehr auf die Tarifverhandlungen im September gespannt und mit was für abstrusen Vorschlägen die Beamten dann wieder beruhigt werden sollen...

Prüfer SH

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 502
In dem Artikel der SHZ vom 04.01.2023 wiederholte die Sprecherin noch einmal, dass aufgrund des Erlasses alle Beamten gleich zu behandeln sind.
Gleichzeitig sagte sie, dass kein Anrecht auf eine Nachzahlung der Sonderzahlung besteht, sondern nur eine Nachzahlung in der Höhe, bis die Alimentation wieder verfassungskonform ist. Dabei geht sie bei einem "Worst-Case"-Szenario davon aus, dass das Land bis zu 1,5 Milliarden Euro nachzahlen müsste.

Bei den Zahlen, die hier durch den Raum geistern, könnte das da nicht unter Umständen zum Bumerang werden?
Wenn die Alimentation meinetwegen um 10 - 15 Prozent, oder sogar wie o.g. um 475€ pro Monat, angehoben werden muss, wäre das ja eine deutlich höhere Summe, als wenn das Land nur die Sonderzahlung nachzahlen müsste...

Mal abgesehen davon, dass die Alimentation dann ja auch für die Zukunft angepasst werden muss.
In dieser Frage bin ich sehr auf die Tarifverhandlungen im September gespannt und mit was für abstrusen Vorschlägen die Beamten dann wieder beruhigt werden sollen...

Genau das habe ich auch gedacht, es bleibt spannend. Ebenfalls interessant wie das BVerfG auf die seitens der vom dbb-sh eingereichten Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der neuen Besoldungsgesetze / Familienergänzungszuschlägen reagiert. Möglicherweise kommt so tatsächlich Schwung in die Sache.

was_guckst_du

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 3,484
...Schwung? ;D ;D ;D

...ich kenne nicht die durchschnittliche Bearbeitungsdauer einer Verfassungsbeschwerde beim BVerfG, gehe aber davon aus, dass darüber nicht kurzfristig entschieden werden kann...und bei einer Stattgabe, ist dann wieder der Besoldungsgesetzgeber am Ball...und der wird diesen auch nicht sehr schnell spielen...
Gruß aus "Tief im Westen"

Meine Beiträge geben grundsätzlich meine persönliche Meinung zum Thema wieder und beinhalten keine Rechtsberatung. Meistens sind sie ernster Natur, manchmal aber auch nicht. Bei einer obskuren Einzelfallpersönlichkeit antworte ich auch aus therapeutischen Gründen

Malkav

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 188
Genau das habe ich auch gedacht, es bleibt spannend. Ebenfalls interessant wie das BVerfG auf die seitens der vom dbb-sh eingereichten Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der neuen Besoldungsgesetze / Familienergänzungszuschlägen reagiert. Möglicherweise kommt so tatsächlich Schwung in die Sache.

Spannend wird es bereits hinsichtlich der Zulassung der Verfassungsbeschwerde. Grundsätzlich gilt ja die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde und nur in den Ausnahmefällen des § 90 Abs. 2 S. 2 kann das BVerfG davon absehen. Über die bloße Zulassung müsste ja eigehtlich relativ zügig entschieden werden.

So langsam müssen da ja echt Berge von Akten mit identischen Problemen im Schlossbezirk liegen. Was daneben noch von den Verwaltungsgerichten "zurückgehalten" wird, will man sich gar nicht ausmalen.

Prüfer SH

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 502
Genau das habe ich auch gedacht, es bleibt spannend. Ebenfalls interessant wie das BVerfG auf die seitens der vom dbb-sh eingereichten Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der neuen Besoldungsgesetze / Familienergänzungszuschlägen reagiert. Möglicherweise kommt so tatsächlich Schwung in die Sache.

Spannend wird es bereits hinsichtlich der Zulassung der Verfassungsbeschwerde. Grundsätzlich gilt ja die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde und nur in den Ausnahmefällen des § 90 Abs. 2 S. 2 kann das BVerfG davon absehen. Über die bloße Zulassung müsste ja eigehtlich relativ zügig entschieden werden.

So langsam müssen da ja echt Berge von Akten mit identischen Problemen im Schlossbezirk liegen. Was daneben noch von den Verwaltungsgerichten "zurückgehalten" wird, will man sich gar nicht ausmalen.

Das dürfte doch von allgemeiner Bedeutung sein und damit zugelassen werden?