Autor Thema: [SH] Widerspruch amtsangemessener Alimentation / Sonderzahlung  (Read 26604 times)

Nordlicht97

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Hallo Zusammen!

Ich weiß, dass es einen Thread zum o.g. Thema gibt, der einige hundert Seiten lang ist und daher ist meine Frage eventuell überflüssig, aber ich konnte das passende nicht direkt finden.

Ich bin seit 2017 Beamter (A9) in Schleswig-Holstein und habe mich erst in den letzten Monaten intensiver mit der amtsangemessenen Alimentation beschäftigt, die ja offensichtlich in allen Bundesländern deutlich unterschritten wird.
Es wird hier regelmäßig davon geschrieben, dass die Gewerkschaften Musterschreiben zu einem Widerspruch gegen die derzeitige Alimentation vorgefertigt hätten, die man dann auch jedes Jahr erneuern sollte.
Offenbar ist das an meiner Gewerkschaft vorbeigegangen (oder ich bin blind) und auch in meinem Kollegenkreis scheint das Bewusstsein dafür, dass die Alimentation seit Jahren nicht amtsangemessen ist, nicht vorhanden zu sein.

Wir in SH erhalten lediglich einmal im Jahr ein Schreiben vom Finanzministerium, dass die seit 2007 gestrichene Sonderzahlung zu Weihnachten behandelt.
Dort heißt es:

"Bei erstmalig beabsichtigter Antragsstellung verweise ich auf das als Anlage beigefügte Schreiben vom 01. Februar 2008, in dem Folgendes ausgeführt worden ist:

„In Abstimmung mit dem Finanzverwaltungsamt wurde für den Landesbereich festgelegt, dass zur Klärung der Rechtsfrage verschiedene Einzelfälle als Musterverfahren durchgeführt und die übrigen Verfahren bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung ruhend gestellt werden. Der Kommunalbereich und die sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen wurden gebeten, dortige Verfahren ebenfalls ruhend zu stellen.
Für den Fall einer wider Erwarten erfolgenden rechtskräftigen höchstrichterlichen Verurteilung des Landes sollte nach Auffassung der Landesregierung der Gleichbehandlungsgrundsatz auch für diejenigen Kräfte, die bislang keinen Antrag gestellt haben, gelten. Zur Umsetzung würde ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren auf den Weg gebracht werden.“


Ich habe bislang noch keinen Antrag gestellt.
Meiner Interpretation nach, müsste ich bzgl. der Sonderzahlung auch keinen Antrag stellen?
Die Frage ist jedoch, wie verlässlich sind Aussagen, die 2008 getroffen wurden und wäre es nicht besser, doch einen Antrag bzw. einen Widerspruch zu stellen?

Und da dieses Schreiben ja nur die Sonderzahlung betrifft, ist es sicherlich auch unabdingbar, gegen die Alimentation einen Widerspruch zu stellen?
Denn man könnte ja zu dem Gedanken kommen, dass das Land, wenn es bei der Sonderzahlung entsprechend des Gleichbehandlungsgrundsatzes agieren möchte, dies auch bei der Alimentation tun könnte?

Und da ich mich mit dem Einlegen von Widersprüchen bislang gar nicht auskenne, kann mir jemand sagen, wo ich so ein Musterschreiben finden kann und an welche Stelle ich dies schicken muss?

Danke für eure Hilfe!

P.S. Gut finde ich auch den Satz "Für den Fall einer wider Erwarten erfolgenden rechtskräftigen höchstrichterlichen Verurteilung des Landes [...]"
Nach meiner Einschätzung nach Durchforstung dieses Forums zu diesem Thema dürfte die Rechtslage doch relativ eindeutig sein, sodass man im Ministerium doch nicht erwarten kann, dass zugunsten des Landes entschieden wird?

Nordlicht97

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SH scheint hier wohl nicht so sehr vertreten zu sein  ;D

Hat niemand bzgl. der Lage in SH eine Idee?

SwenTanortsch

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@ Nordlicht

Ende Juli 2020 haben ich im Länder-Forum ein allgemeines Muster für ein Widerspruchsschreiben eingestellt, das m.E. den an einen statthaften Rechtsbehelf zu stellenden Ansprüchen genügt. Es dürfte also hinreichend sein, um zeitlich auf das heutige Kalenderjahr angepasst einen Widerspruch zu stellen, denke ich:

https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,114363.45.html

Anfang November 2021 hat RandomValue eine überarbeitete Fassung des Musters im Forum des Bunds eingestellt, das ich von der Form her als noch schlüssiger ansehe, wie bspw. der Eingangssatz zeigt. Entsprechend würde ich unter der eben geschriebenen Prämisse dieses Schreiben als Vorlage nehmen und als Betreff "Antrag auf Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation im Haushaltsjahr 2022" nennen, wobei ich auch hier wie grundsätzlich immer darauf hinweise, dass meine Ansichten keine profesionelle Rechtsberatung ersetzen und man sich also im Zweifel immer von einem Fachanwalt beraten lassen sollte:

https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,114508.480.html

Von Widersprüchen allein gegen einzelne Besoldungsbestandteilen kann man nur dringend abraten; Widersprüche sollten sich offensichtlich grundsätzlich immer gegen die gewährte Alimentation als Ganze richten. Denn Feststellungsklage, die darauf gerichtet sind, allein einzelne Teile des Besoldung wie Sonderzahlungen und damit auch das "Weihnachtsgeld" und nicht die Alimentation als Ganze anzugreifen, betrachtet das Bundesverfassungsgericht als unzulässig und nimmt es entsprechend nicht zur Entscheidung an, weshalb von einem Widerspruch gegen allein die Nicht-Gewährung einer Sonderzahlung unbedingt abzuraten wäre: Ein am Ende erfolgreicher Widerspruch muss sich gegen die Alimentation als Ganze zur Wehr setzen.

Entsprechend hat sich das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 14.10.2009 - 2 BvL 13/08 -, Rn. 16 der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts angeschlossen, "wonach die Verletzung der Alimentationspflicht des Gesetzgebers nicht die Unwirksamkeit oder Unanwendbarkeit einer bestimmten Regelung nach sich ziehen kann, die eine Leistung kürzt oder streicht, die – wie Beihilfen oder die jährliche Sonderzuwendung – für sich genommen verfassungsrechtlich nicht gewährleistet ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2008 – 2 C 49.07 –, BVerwGE 131, 20 = NVwZ 2008, S. 1129 <1131>; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 – 2 C 127.07 –, NVwZ 2009, S. 1037 <1038>)".

Damit hat es zunächst indirekt festgestellt, dass nicht einzelne Besoldungsbestandteile, sondern nur die Alimentation als Ganze zulässig angegriffen werden können, was es in seiner Entscheidung 03.05.2012 - 2 BvL 17/08 -, Rn. 37 (Hervorhebungen durch mich) dann noch einmal explizit hervorgehoben hat:

"Mehrere Passagen des Vorlagebeschlusses deuten in eine Richtung, wonach das Gericht keine echte Gesamtbetrachtung der Besoldungshöhe und Besoldungsentwicklung vornimmt (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfGK 12, 253 <263 f.>), sondern die Neuregelung des Sonderzahlungsrechts als den eigentlichen Bezugspunkt für die Annahme einer Unteralimentation ansieht. So führt das Gericht aus, dass der vorgelegte Normenkomplex verfassungswidrig sei, weil das Landesrecht im Jahr 2005 die im Vorjahr gezahlten Sonderzahlungsbeträge nicht mehr vorsehe und das Bundesbesoldungsgesetz keinen finanziellen Ausgleich für diesen Einschnitt vornehme. Dieses Verständnis deckt sich mit der Prozessgeschichte im Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens, der von Anfang an auf die Kürzung der Sonderzahlung 'zugeschnitten' war. Vorlagen, die sich allein auf die Neuregelung des Sonderzahlungsrechts beziehen, hat das Bundesverfassungsgericht aber schon mehrfach als unzulässig beschieden (vgl. BVerfGK 12, 234 <237 ff.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Oktober 2009 – 2 BvL 3/08 u.a. –, ZBR 2010, S. 165; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Oktober 2009 – 2 BvL 13/08 u.a. –, juris)."

Ergo: Es ist offensichtlich nicht nötig und auch nicht sinnvoll, weil entsprechend nicht zweckdienlich, Widerspruch gegen die Nicht- oder die Gewährung einer vermeindlich zu geringen Sonderzahlung zu erheben. Denn ob diese nun im Vorfeld gekürzt oder gestrichen worden wäre, wäre gleichfalls für sich allein betrachtet unerheblich. Entscheiden ist der Widerspruch gegen die im aktuellen Haushaltsjahr gewährte Alimentation, da ein solcher Widerspruch offensichtlich statthaft und entsprechend als zulässig von den Gerichten zu betrachten ist.

tantekaethe

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SH scheint hier wohl nicht so sehr vertreten zu sein  ;D

Den ein oder anderen gibt's hier  ;)

Zum Formular kann ich leider nichts sagen, vor etlichen Jahren hat's mal etwas von der DSTG-SH gegeben.
Aber seitdem nicht mehr, soweit ich mich erinnere.



HansGeorg

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Interessant ist im Moment in SH auch Widerspruch gegen zwei andere Sachen einzulegen. Zum einen wurden alle unterhalb A7 in eben diese überführt und zum anderen wurden zum Teil die untersten Erfahrungsstufen abgeschafft. Dies aber ohne die darüberliegenden entsprechend anzuheben. Das kann in meinen Augen nicht im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes oder des Grundsatzes der Beförderung nach Eignung, Leistung und Befähigung stehen. Leider fehlt mir hier die juristische Fachkenntnis um auch nur annähernd einen Widerspruch dazu zu formulieren. Da ich eine Arbeits RV habe würde ich dazu sogar gerne klagen.

lotsch

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Hier eine Empfehlung des DRB NRW zur Zustellung:
Besonders wichtig: Die Widersprüche müssen bis Jahresende beim LBV eingegangen sein. Nach den bisherigen Erfahrungen sollten Sie darauf achten, die Widerspruchseinlegung auch in einigen Jahren noch nachweisen zu können. Ein Fax-Bericht ist so lange ausreichend, wie er inhaltlich nicht angezweifelt wird. Ein Einschreiben mit Rückschein beweist im Zweifel nicht den Inhalt der Übermittlung. Volle Kontrolle über den Nachweis des Datums sowie des Inhaltes der Zustellung haben Sie, wenn Sie Ihren Besoldungswiderspruch über die Gerichtsvollzieherin / den Gerichtsvollzieher Ihres Gerichts per ZU zustellen lassen.

Ich persönlich gebe meinen Widerspruch immer bei meiner Dienststelle ab, lasse einen Eingangsstempel aufbringen und bitte um eine Kopie.

SwenTanortsch

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Interessant ist im Moment in SH auch Widerspruch gegen zwei andere Sachen einzulegen. Zum einen wurden alle unterhalb A7 in eben diese überführt und zum anderen wurden zum Teil die untersten Erfahrungsstufen abgeschafft. Dies aber ohne die darüberliegenden entsprechend anzuheben. Das kann in meinen Augen nicht im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes oder des Grundsatzes der Beförderung nach Eignung, Leistung und Befähigung stehen. Leider fehlt mir hier die juristische Fachkenntnis um auch nur annähernd einen Widerspruch dazu zu formulieren. Da ich eine Arbeits RV habe würde ich dazu sogar gerne klagen.

Das Widerspruchsschreiben RandomValues noch weiter aufzuschlüsseln oder noch weitere Bestandteile hinzuzufügen, sollte nicht nötig sein, HansGeorg, da ja im Widerspruchsschreiben eine amtsangemessene Alimentation für das Haushaltsjahr 2022 gefordert wird, nachdem zuvor der im Kalenderjahr gewährten Höhe der Alimentation als nicht amtsangemessen widersprochen worden ist und zugleich ebenso wichtige Grundlagen für den Widerspruch hervorgehoben worden sind, die in diesem Umfang offensichtlich nicht beigebracht werden müssten, um einen statthaften Widerspruch zu formulieren. Die von Dir hervorgehoben Sachverhalte sollten aber auch in Schleswig-Holstein unter keinen Umständen in der Begründung einer Feststellungklage fehlen. Denn die Streichung unter Besoldungsgruppen müsste präzise sachlich begründet werden, um nicht sowohl gegen den Gleichheitsgrundsatz als auch gegen das Abstandsgebot zwischen den Besoldungsgruppen und das Leistungsprinzip zu verstoßen. Einen solchen präzisen und also sachgerechten Begründungsversuch hat allerdings in den letzten Jahren, wenn ich das richtig sehe, keine Begründung eines Besoldungsgesetzes überhaupt versucht, so als wenn der Besoldungsgesetzgeber seinen einstmals sehr weiten Gestaltungsspielraum je nach Interessen- und Kassenlage nutzen könnte.

HansGeorg

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Danke Swen für deine Ausführungen. Meine Intention ist es nur diesen Sachverhalt in einem gesonderten Widerspruch zu begründen. Ich habe bisher nicht im Blick, dass die Sachlage der Streichung von unteren Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen Bestandteil der bisherigen Verfahren am BVerfG sind. Somit erhoffe ich mir bei einem gesonderten Widerspruch auch die Möglichkeit dann gegen diesen auch gerichtlich gesondert vorgehen zu können, damit meine Klage nicht aufs "Abstellgleis" kommt, bis das BVerfG entschieden hat. Oder sehe ich das falsch?

SwenTanortsch

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Der Widerspruch gegen die einem gewährte Alimentation ist zunächst nur die sachlich angemessene Form des Rechtsbehelfs, HansGeorg, um sich gegen die gesetzlich festgelegte Besoldungshöhe zu Wehr zu setzen, also rechtssicher dagegen einzuschreiten, dass - nach eigener Ansicht - die einem gewärte Alimentation nicht amtsangemessen sei. Deshalb bedarf es hier keiner tiefergehenden Begründung. Der Widerspruch fordert den Dienstherrn auf, die Rechtsmäßigkeit seines Verwaltungsakts zu prüfen, eine - und also diese konkrete - Alimentation zu gewähren. Deshalb muss auch zunächst über ihn entschieden werden, nämlich um dem Dienstherrn die Möglichkeit zu geben, den Verwaltungsakt zu prüfen, dem widersprochen worden ist. Die Prüfung eines Widerspruchs gegen die einem gewährte Alimentation kommt regelmäßig zu dem Schluss, dass der Verwaltungsakt auf Grundlage des Gesetzes rechtens ist. Denn ein Gesetz wird vom Gesetzgeber verabschiedet, der wiederum nach Art. 20 Abs. 3 GG an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden ist. Deshalb wird ein Widerspruch gegen die dem Beamten gewährte Alimentation i.d.R. negativ beschieden, womit der Widerspruchsführer das Recht erhält, nun gegen diesen Verwaltungsakt gerichtlich vorzugehen, eben sofern der Widerspruch endgültig negativ beschieden wird, sodass der Rechtsbehelf des Widerspruchs ausgeschöpft ist.

Dieses, das Verwaltungsgericht, prüft zunächst, ob die Klage zulässig ist, also unter anderem, ob ein statthafter Rechtsbehelf - eben der Widerspruch - gegeben ist. Wenn nun allerdings nur einem Teil der dem Beamten gewährten Besoldung - wie z.B. einer Sonderzahlungen - widersprochen wird, wird das Verwaltungsgericht ob der Bindungswirkung des § 31 (1) BVerfGG die Klage als nicht zulässig zurückweisen, also nicht zur Entscheidung annehmen, da das Bundesverfassungsgericht eine Klage gegen nur einen Teil der gewährten Besoldung für nicht zulässig erklärt hat (s. meine letzten Darlegungen). Ist der Rechtsbehelf hingegen statthaft - der Rechtsbehelf kann zu dem von ihm beabsichtigten Rechtsschutzziel führen, was in unserem Fall regelmäßig der Fall ist, sofern sich der Widerspruch gegen die Besoldung als Ganze richtet -, dann ist die Klage zulässig. Eine Klage muss nun ihren Gegenstand begründen, damit das Verwaltungsgericht eine Entscheidung vornehmen kann. Kommt es zu dem Ergebnis, dass die zulässige Klage ebenso auch begründet ist, wird es die Klage zur Entscheidung annehmen und entsprechend eine Entscheidung vornehmen. Gibt es der Klage dann statt, setzt es seine Entscheidung aus und legt es diese als Vorlagebeschluss in einem konkreten Normenkontrollverfahren dem Bundesverfassungsgericht vor, das allein nach Art. 100 Abs. 1 GG über das Recht verfügt, eine Entscheidung über den verfassunskonformen Charakter eines Gesetzes herbeizuführen.

Entsprechend setzt nun der Dienstherr, sofern er ebenso Zweifel hat, ob die gesetzliche Regelung verfassungskonform ist - also insbesondere, sofern ein dies anzweifelnder Vorlagebeschluss in Karlsruhe anhängig ist -, die Entscheidung über den Widerspruch aus, bis die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Klarheit bringt; dies gebietet sowohl der Respekt vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit als auch die Pflicht der Exekutive, Rechssicherheit zu garantieren, die unter anderem nämlich nur dann zu garantieren ist, wenn die Gerichte ihren Aufgaben auch in angemessener Zeit effektiv nachkommen können - und entsprechend ist nicht zuletzt das Verhalten des Hamburger Dienstherrn, Widersprüche direkt nach einem Vorlagebeschluss des VG Hamburg massenhaft negativ zu bescheiden, rechtstaatsgefährdend, da nun tausende Beamte gezwungen werden, ein Klageverfahren anzustrengen, anstatt dass der Dienstherr erst einmal die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abwartet. Denn mit dieser Missachtung des Verwaltungsgerichts signalisiert der hamburgische Dienstherr nur eines, dass er ebenso davon ausgeht, dass die von ihm gewährte Alimentation nicht amtsangemessen ist (was ob der massiven Verfehlung des Mindestabstandsgebots zwangsläufig der Fall ist), weshalb er die Beamten zwingt (und sie also de facto davon abzuschrecken versucht,das Begehr ihres vormaligen Widerspruchs aufrechtzuerhalten), den weiteren Rechtsweg mit der Folge zu beschreiten, dass die sowieso schon gänzlich überlastete hamburgische Verwaltungsgerichtsbarkeit noch stärker belastet wird, als sie heute schon ist, was sich sachlich kaum rechtfertigen lässt, da damit der dem Bürger zu garantierende effektive Rechtsschutz behindert wird und weil auch der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg offensichtlich kein eingetragener Verein irgendeiner Anarchoszene ist, auch wenn er sich dafür gerade selbst tausendfache Empfehlungsschreiben ausgestellt und damit den Bürger um Vertrauen darum gebeten hat und weiterhin bittet, dass ihm nicht zu vertrauen ist. Das ist Teil der Verfassungskrise, von der Ulrich Battis unlängst gesprochen hat.

Ergo: Eine tiefergehende Begründung des Widerspruchs ist nicht nötig - er muss aber so formuliert werden, dass er als statthafter Rechtsbehelf zu einer zulässigen Klage führen kann. Erst die Klageschrift ist dann sachlich, d.h. i.d.R. umfassend vorzunehmen, also sachlich zu begründen. Hier wäre nun folglich in Deinem Sinne zu begründen, dass die Streichung unterer Besoldungsgruppen, so wie sie derzeit i.d.R. vorgenommen wird, sowohl gegen den Gleichheitsgrundsatz als auch gegen das Abstandsgebot zwischen den Besoldungsgruppen und das Leistungsprinzip verstößt. Und entsprechend ist es genau richtig, dass die dafür nötigen Ausführungen zunächst von einem Verwaltungsgericht und danach vom Bundesverfassungsgericht geprüft werden - mit der Folge, dass die damit einhergehenden Karlsruher Direktiven als negative Gesetzgebung auch hier den einstmals weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers noch weiter einschränken werden. Auch darin zeigt sich das letztlich widersinnige Verhalten der heutigen Gesetzgeber - denn dieses wird nur zu einem führen, dass am Ende ein insgesamt immer höheres Besoldungsniveau zu gewähren sein wird, da die Direktiven zu beachten sind und da insbesondere die beiden Abstandsgebote den Besoldungsgesetzgebern bereits heute verfassungsrechtlich schon so große Probleme bereiten, dass man annehmen sollte, dass ein halbwegs bei Verstand seiender Mensch sich endlich wieder in den Rahmen unserer verfassungsmäßigen Ordnung zurückbegibt - denn das Bundesverfassungsgericht sitzt qua verfassungsrechtlicher Ermächtigung am längeren Hebel. Und spätestens über den § 35 BverfGG ist dieser Hebel nicht nur länger - er ist in seinen Möglichkeiten sehr viel länger, sofern das Bundesverfassungsgericht das im Letzten für nötig erachen würde (wovon ich nicht ausgehe, da ich noch immer von einem Restfunken an Verstandeskraft - oder freundlicher formuliert: von Einsicht - bei denjenigen ausgehe, auf die sich diese letzten Zeilen nun beziehen).

Nordlicht97

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Vielen Dank für die ausführlichen Antworten Swen!
Ein Wahnsinn mit welcher Hingabe du dich diesem Thema widmest. Respekt dafür.

Kann mir vielleicht noch jemand verraten, an welche Stelle der Widerspruch geschickt werden sollte?
Ans Dienstleistungszentrum Personal SH, oder doch ans Ministerium?
Bin mir da gerade nicht sicher, wer für Widersprüche zuständig ist...

HansGeorg

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An das DLZP

SwenTanortsch

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Vielen Dank für die ausführlichen Antworten Swen!
Ein Wahnsinn mit welcher Hingabe du dich diesem Thema widmest. Respekt dafür.

Kann mir vielleicht noch jemand verraten, an welche Stelle der Widerspruch geschickt werden sollte?
Ans Dienstleistungszentrum Personal SH, oder doch ans Ministerium?
Bin mir da gerade nicht sicher, wer für Widersprüche zuständig ist...

Gern geschehen, Nordlicht, und ich freue mich über Deinen Dank. Irgendwie bin ich vor gut vier Jahren so in das Thema reingekullert, ohne dass das so einstmals geplant war. Da an ihm recht viel dranhängt, finde ich es auch einfach interessant, sei es juristisch oder politisch oder insgesamt gesellschaftlich.

tantekaethe

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Ich habe mal spaßeshalber den Thüringer Rechner mit meinen Daten gefüttert.
Ergebnis netto über 750 € mehr als in Schleswig-Holstein.
Das ist dann wirklich kein Spaß mehr :'(

tantekaethe

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Ich habe mal spaßeshalber den Thüringer Rechner mit meinen Daten gefüttert.
Ergebnis netto über 750 € mehr als in Schleswig-Holstein.
Das ist dann wirklich kein Spaß mehr :'(
Sorry, da war ein Fehler in meiner Berechnung. Es sind "nur" ca. 600 € monatlich weniger...

boysetsfire

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Schade, die Kieler Nachrichten wissen auch nicht mehr als wir:

https://www.kn-online.de/lokales/kiel/karlsruhe-entscheidet-ueber-weihnachtsgeld-beamte-in-schleswig-holstein-hoffen-auf-zahltag-B6XB27KBQCC7F7GMACSGXXAGQI.html   (paywall).

"Im Dauerstreit um das Weihnachtsgeld für Beamte in Schleswig-Holstein wird es ernst. Der Landes-Beamtenbund geht davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht im nächsten Jahr entscheidet, ob Land und Kommunen mehr als 50.000 Beamten die seit 2007 größtenteils gestrichene Sonderzuwendung (13. Gehalt) nachzahlen müssen. „Ich bin zuversichtlich, dass Karlsruhe in den nächsten Monaten zu dem Ergebnis kommt, dass Beamte in Schleswig-Holstein aufgrund der Streichung des Weihnachtsgeldes nicht mehr amtsangemessen bezahlt werden“, sagte der Vorsitzende des Beamtenbundes, Kai Tellkamp.

„Die Verfahren aus Schleswig-Holstein werden derzeit bearbeitet“, bestätigte ein Sprecher des Verfassungsgerichts. Ein Entscheidungstermin sei aber noch nicht absehbar.

Für die Landesregierung wäre eine Niederlage in Karlsruhe eine Katastrophe. Der schlimmste Fall, eine Nachzahlung von 15 Jahren Weihnachtsgeld plus Zinsen, würde das Land nach einer groben Schätzung von Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) mehr als 1,5 Milliarden Euro kosten. Zum Vergleich: Der Ukraine-Notkredit (Versorgung von Flüchtlingen und Energiewende) beläuft sich auf 1,4 Milliarden Euro.

Optimistisch ist Tellkamp, weil die Vorinstanzen Anhaltspunkte für eine "verfassungswidrige Unteralimentation" festgestellt und die Beamten-Klagen dem Verfassungsgericht vorgelegt hatten. Brisant ist dabei die Bandbreite der Fälle. Betroffen sind fast alle Beamten von der Justizvollzugskraft (A7) bis zum Oberstudiendirektor (A16)."

(Ich weiß nicht, ob das der gesamte Text ist, aber mehr konnte ich im Seitenquelltext nicht finden).