Autor Thema: Tarifabschluss für ALLE Beschäftigten?  (Read 4622 times)

Katinka

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Tarifabschluss für ALLE Beschäftigten?
« am: 24.09.2022 08:45 »
Hallo zusammen
Ich arbeite für einen an TVÖD SuE angelehnten Träger. Ich bin Hauswirtschaftskraft, bin aber in S2 eingruppiert und bezahlt. Alle vorhergehenden Tarifabschlüsse bin ich mit gegangen.
Habe ich nicht dieses Mal auch Anspruch auf die Zulage und die Entlastungstage? Meine Kolleg*Innen bekommen sie alle, nur ich anscheinend nicht. Der AG behauptet, dass dies nur für Pädagogische Mitarbeiter vorgesehen ist, ich lese aber überall raus, dass es nur auf die S Tabelle ankommt. Was stimmt nun?
Lg Katinka

JesuisSVA

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Antw:Tarifabschluss für ALLE Beschäftigten?
« Antwort #1 am: 24.09.2022 08:55 »
Was steht denn zur Anwendung des Tarifvertrags im Arbeitsvertrag? Und zur Vergütung?

Katinka

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Antw:Tarifabschluss für ALLE Beschäftigten?
« Antwort #2 am: 24.09.2022 09:03 »
Im Arbeitsvertrag steht hierzu gar nichts. Lediglich in der Stellenanzeige und im verbindlichen Arbeitsangebot, welches ich per Mail erhalten hatte, steht, dass ich nach S2 Vergütet werde.

JesuisSVA

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Antw:Tarifabschluss für ALLE Beschäftigten?
« Antwort #3 am: 24.09.2022 09:33 »
Wenn nicht auf den Tarifvertrag verwiesen wird und auch keine beiderseitige Tarifbindung besteht, gilt er auch nicht.

Katinka

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Antw:Tarifabschluss für ALLE Beschäftigten?
« Antwort #4 am: 25.09.2022 08:29 »
Da bin ich mir aber nicht sicher. Nebenabreden gelten doch auch? Zumal man das auch nachvollziehen kann, denn mein Gehalt stimmt auf den Cent mit dem S2 Tarif überein.

WasDennNun

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Antw:Tarifabschluss für ALLE Beschäftigten?
« Antwort #5 am: 25.09.2022 08:32 »
Wenn du nicht weißt, was in deinem Arbeitsvertrag steht, kann man dir hier nicht helfen.
Wenn also keine vertragliche Bindung  zum TV besteht, dann kann es sein, dass dein AG bisher alles was im TV gemacht wurde freiwillig auch gemacht hat.
Daraus leitet sich aber nicht ab, dass er es weiterhin machen muss.

JesuisSVA

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Antw:Tarifabschluss für ALLE Beschäftigten?
« Antwort #6 am: 25.09.2022 08:55 »
Da bin ich mir aber nicht sicher. Nebenabreden gelten doch auch? Zumal man das auch nachvollziehen kann, denn mein Gehalt stimmt auf den Cent mit dem S2 Tarif überein.

Nebenabreden sind solche, die nicht die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnisses betreffen. Die Zahlung des Entgelts ist die Hauptpflicht des Arbeitgebers.

Beaztley

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Antw:Tarifabschluss für ALLE Beschäftigten?
« Antwort #7 am: 25.09.2022 10:13 »
Im Arbeitsvertrag steht hierzu gar nichts. Lediglich in der Stellenanzeige und im verbindlichen Arbeitsangebot, welches ich per Mail erhalten hatte, steht, dass ich nach S2 Vergütet werde.

An deiner Stelle würde ich mich in diesem Fall an den Arbeitgeber wenden und um die korrekte Niederschrift der wesentlichen Vertragsbedingungen nach § 2 NachwG bitten. Dann bist du schon mal schlauer und weißt genau, was in deinem Arbeitsverhältnis Sache ist. Insbesondere sollte daraus auch ersichtlich werden (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 15 NachwG), ob diese Zahlungen des Arbeitgebers tatsächlich sich nur freiwillig am TV orientieren oder ob (das halte ich für wahrscheinlicher) eine Bezugnahmeklausel vorliegt. Dafür gelten für den Arbeitgeber dann auch ganz klare Fristen, § 5 NachwG.

JesuisSVA

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Antw:Tarifabschluss für ALLE Beschäftigten?
« Antwort #8 am: 25.09.2022 10:25 »
Es wurde doch explizit verneint, dass etwas zur Anwendung des Tarifvertrags im Arbeitsvertrag steht. Warum sollte vor diesem Hintergrund eine Bezugnahmeklausel wahrscheinlicher sein als keine Bezugnahmeklausel?

Beaztley

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Antw:Tarifabschluss für ALLE Beschäftigten?
« Antwort #9 am: 25.09.2022 13:22 »
Es wurde doch explizit verneint, dass etwas zur Anwendung des Tarifvertrags im Arbeitsvertrag steht. Warum sollte vor diesem Hintergrund eine Bezugnahmeklausel wahrscheinlicher sein als keine Bezugnahmeklausel?

Weil meiner Erfahrung nach Arbeitgeber in den wenigsten Fällen ohne rechtliches Erfordernis mehr zahlen, Bezugnahmeklauseln absolut üblich wären und weil man Arbeitsverträge ändern kann und wir die genauen Formulierungen nicht kennen. Bspw. könnte das „verbindliche Arbeitsangebot“ auch ein dementsprechendes Angebot auf Vertragsänderung dargestellt haben. Das alles ist aber reine Spekulation, die sich durch die Niederschrift nach dem Nachweisgesetz leicht überprüfen lässt (jedenfalls kennt man dann ganz eindeutig die Rechtsauffassung des Arbeitgebers hinsichtlich der Ausgestaltung der Entgeltabrede, womit sich viel besser arbeiten lässt). Das macht es insb. auch Arbeitnehmern, die wenig Ahnung von der Materie haben und vielleicht gar nicht verstehen, was tatsächlich alles in ihrem Arbeitsverträgen zu finden ist, leichter.

JesuisSVA

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Antw:Tarifabschluss für ALLE Beschäftigten?
« Antwort #10 am: 25.09.2022 13:39 »
Wo würde im Sachverhalt behauptet, es würde mehr gezahlt als rechtlich erforderlich? Bezugnahmeklauseln sind genau dann üblich, wenn der Arbeitgeber ohnehin tarifgebunden ist oder der Arbeitgeber den Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis anwenden möchte. Wenn nicht, dann nicht. Ob man Arbeitsverträge ändern kann, war nicht strittig, dies ändert aber auch nichts daran, dass explizit verneint worden war, dass etwas zur Anwendung des Tarifvertrags im Arbeitsvertrag stünde.

Beaztley

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Antw:Tarifabschluss für ALLE Beschäftigten?
« Antwort #11 am: 25.09.2022 17:24 »
Wo würde im Sachverhalt behauptet, es würde mehr gezahlt als rechtlich erforderlich? Bezugnahmeklauseln sind genau dann üblich, wenn der Arbeitgeber ohnehin tarifgebunden ist oder der Arbeitgeber den Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis anwenden möchte. Wenn nicht, dann nicht. Ob man Arbeitsverträge ändern kann, war nicht strittig, dies ändert aber auch nichts daran, dass explizit verneint worden war, dass etwas zur Anwendung des Tarifvertrags im Arbeitsvertrag stünde.

Alleine die Aussage, dass man in S2 eingruppiert sei und die Tatsache, dass die entsprechenden Lohnerhöhungen wie im TV (automatisch) nachvollzogen wurden, deutet doch schon auf eine (dynamische) Bezugnahmeklausel jedenfalls hinsichtlich der Gehaltstabellen hin, es sei denn (das habe ich vorhin schon geschrieben), der Arbeitgeber nimmt diese Erhöhungen freiwillig vor (wovon kaum je auszugehen ist).

JesuisSVA

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Antw:Tarifabschluss für ALLE Beschäftigten?
« Antwort #12 am: 25.09.2022 17:35 »
Die explizite Verneinung, etwas zur Anwendung des Tarifvertrages stünde im Arbeitsvertrag, schließt eine Bezugnahmeklausel aus. Es sei denn, Du wolltest Katinka unterstellen, sie sei zu dumm, ihren Arbeitsvertrag nach "TVÖD" oder "Tarifvertrag" zu durchsuchen. Da es zudem Zehntausende von Arbeitgebern gibt, die die Entgelte ihrer Arbeitnehmer ohne rechtliche Verpflichtung erhöhen, allein schon, um diese zu halten, kann man sich angesichts Deiner letzten Anmerkung sicherlich nunmehr eine hinreichende Meinung zu Deiner "Erfahrung" und Deiner Einschätzung machen.

WasDennNun

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Antw:Tarifabschluss für ALLE Beschäftigten?
« Antwort #13 am: 25.09.2022 18:41 »
, der Arbeitgeber nimmt diese Erhöhungen freiwillig vor (wovon kaum je auszugehen ist).
Also meine Gattin bekommt jedes Jahr vom AG eine freiwillige Erhöhung (ohne Tarifvertrag oder Gewerkschaften) und ich kenne viele andere Fälle, aber das ist unmaßgeblich.
Beim TE liegt offensichtlich ebenfalls ein AG vor, der sich immer am TV orientiert, auch ohne vertraglich es zu müssen.

Beaztley

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Antw:Tarifabschluss für ALLE Beschäftigten?
« Antwort #14 am: 26.09.2022 06:23 »
Die explizite Verneinung, etwas zur Anwendung des Tarifvertrages stünde im Arbeitsvertrag, schließt eine Bezugnahmeklausel aus.

Das ist einfach nicht zutreffend und zu kurz gegriffen. Auch wenn das wiederum Spekulation ist - so wie ich schon oben angemerkt habe - kann eine Bezugnahmeklausel alleine aus einer Formulierung resultieren (dabei ist grundsätzlich erstmal egal, ob das im eigtl. Arbeitsvertrag oder in bspw. einem „Zusatz“ vereinbart ist), wonach man „in XY des TV XY eingruppiert“ ist. Natürlich will ich niemanden unterstellen, er/sie würde eine klassische Bezugnahmeklausel nicht erkennen, wie gesagt, kann diese aber auch bereits in einem Verweis auf eine tarifliche Eingruppierung im Einzelfall vorliegen und sich nur auf die Gehaltstabelle beschränken. Vgl. dazu etwa BAG, Urteil vom 9. 6. 2010 - 5 AZR 384/09 (dort stellt die Norm im Arbeitsvertrag zur Vergütung ebenfalls eine eigene Bezugnahmeklausel dar, wenn auch deutlicher, weil ausdrücklich dynamisch; allerdings entspricht es sogar der St. Rspr., dass Bezugnahmen im Arbeitsvertrag auf anderweite normative Regelungen in der Regel dynamisch zu verstehen sind) Und das könnte ich mir auch durchaus in unserem Fall hier vorstellen, denn es wird wohl kaum nur von einer Eingruppierung in S2 ohne weitere Zusätze die Rede gewesen sein, womit niemand ansonsten etwas anfangen könnte.

Und ja, das hatte ich ja ausdrücklich klargestellt, es ist auch eine freiwillige Leistung denkbar, weil es aber recht strikte Rechtsprechung zu den Klauseln gibt, halte ich ohne genaue Kenntnis der Formulierungen eine solche Bezugnahmeklausel für wahrscheinlich.