Autor Thema: Tarifverhandlungen TVöD 2023 - Diskussion I  (Read 802585 times)

Opa

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Antw:Tarifverhandlungen TVöD 2023 - Diskussion
« Antwort #1620 am: 05.02.2023 15:03 »
Verdi muss in erster Linie seine zahlreichen hauptamtlichen Funktionäre bezahlen. Zudem schreibt sich Verdi eine „politisch-gesamtgesellschaftlichen Auftrag“ auf die Fahne, den die Mitglieder ebenfalls über ihre Beiträge mitfinanzieren sollen. Erst danach kommt der Einsatz für die Mitgliederinteressen im engeren Sinn. Wie vielen Mitgliedern dies bewußt ist und ob sie in diesem Bewusstsein ihre Mitgliedschaft nicht überdenken würden, wäre eine viel spannendere Diskussion.

Ob der beschriebene Druck durch Leistungsverzögerung effektiv ist, stelle ich in Frage. Der Zorn der Öffentlichkeit richtet sich ja erfahrungsgemäß eher gegen die Streikenden als gegen den Arbeitgeber.


SVAbackagain

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« Antwort #1621 am: 05.02.2023 15:25 »
Nun, er richtet sich mutmaßlich aber genau deshalb gegen die Streikenden, weil die Gewerkschaften überall auf sich aufmerksam machen. Stehe ich vor der geschlossenen Kita, sage ich „Scheiß Stadt!“, stehe ich vor der geschlossenen Kita und irgendein Warnwestendepp drückt mir einen Flyer in die Hand, sage ich „Scheiß Gewerkschaft!“ Davon ab: welche Relevanz hätte irgendein Zorn gegen Streikende, Gewerkschaften und Co? Die Gewerkschaften sind nicht von öffentlichem Zuspruch abhängig. Wer macht sich darüber Gedanken? Zumal solche Zuschreibungen nach einiger Zeit ohnehin diffus werden und dann jeden Beteiligten umfassen. Und nur eine Seite ist von öffentlichem Zuspruch abhängig. Die andere kann einfach mit den Schultern zucken.

XLS

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« Antwort #1622 am: 05.02.2023 18:59 »
Wie beschrieben:
- Lohnzuwächse am Wirtschaftswachstum orientieren (nicht 10,5 Prozent bei Nullwachstum),
- Geldmenge begrenzen
- dadurch auch Lohn- Preisspirale eindämmen
- Fokus auf die Verbesserung anderer Arbeitsbedingungen legen.

Seid wann hat Deutschland oder der öD direkten Einfluss auf die Geldmenge? Das ist wohl der EZB überlassen oder?

Welche "anderen Arbeitsbedingungen" soll man den verbessern? Und wie?

Andere Arbeitsbedingungen verbessern (ausser an der Lohn - Preisschraube regulieren):

- flexiblere Arbeitszeiten,
- Recht auf Home-Office,
- Altersteilzeitregelungen verbessern,
- Verbesserung von Weiterbildungsmöglichkeiten,
- Zuschuss zum Elterngeld (Eltern leisten mit der Geburt von Kindern aus meiner Sicht den wichtigsten Beitrag in der Geselschaft - für mich ist es ein Unding, dass Elterngeld auf ca. 65 Prozent vom letzten Einkommen begrenzt ist).

FearOfTheDuck

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« Antwort #1623 am: 05.02.2023 19:02 »
Wenn sich der Zorn gleich zu Beginn auf die Streikenden richtet, haben die Gewerkschaften einiges falsch gemacht, was die Außendarstellung in einer Tarifrunde angeht.

Ziel eines Streiks sollte es doch sein, dass die AGs für sich sagen: Bevor mir ein irgend gearteter Schaden entsteht oder sich vergrößert, weil die Streikenden ihre Arbeit niedergelegt haben, sollte unser Verhandlungsführer auf die Gegenseite zugehen.

Das Ziel ist also nicht, dass irgendwer böse auf einen anderen ist. Wenn der Zorn geeignet erschiene, das Ziel des Streiks zu erreichen, weil es z.B. den Druck auf die AGs verstärkte und diese darum erschauderten, wäre es legitim ihn zu nutzen. Dann müsste er aber dementsprechend wirksam kanalisiert werden. 

SVAbackagain

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« Antwort #1624 am: 05.02.2023 19:12 »
Wie beschrieben:
- Lohnzuwächse am Wirtschaftswachstum orientieren (nicht 10,5 Prozent bei Nullwachstum),
- Geldmenge begrenzen
- dadurch auch Lohn- Preisspirale eindämmen
- Fokus auf die Verbesserung anderer Arbeitsbedingungen legen.

Seid wann hat Deutschland oder der öD direkten Einfluss auf die Geldmenge? Das ist wohl der EZB überlassen oder?

Welche "anderen Arbeitsbedingungen" soll man den verbessern? Und wie?

Andere Arbeitsbedingungen verbessern (ausser an der Lohn - Preisschraube regulieren):

- flexiblere Arbeitszeiten,
- Recht auf Home-Office,
- Altersteilzeitregelungen verbessern,
- Verbesserung von Weiterbildungsmöglichkeiten,
- Zuschuss zum Elterngeld (Eltern leisten mit der Geburt von Kindern aus meiner Sicht den wichtigsten Beitrag in der Geselschaft - für mich ist es ein Unding, dass Elterngeld auf ca. 65 Prozent vom letzten Einkommen begrenzt ist).

Wo wäre denn der Unterschied zwischen dem streikenden Müllwerker und dem Müllwerker im „Home-Office“? Was haben Arbeitgeber und Gewerkschaften mit gesellschaftlichen Anliegen zu tun?

XLS

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« Antwort #1625 am: 05.02.2023 19:17 »
Arbeitgeber finden auf Grund des demographischen Wandels keine Arbeitnehmer mehr / ein Gegenwirken beim Geburtendefizit führt zumindest mittel- und langfristig wieder zu mehr Nachwuchs und damit einhergehend zu einer Erhöhung der Arbeitskräftenachfrage.

Der Müllwerker ist ein schlechtes Beispiel für Home-Office. Aber die Ermöglichung von Homeoffice, wo es machbar und gewollt ist, wäre für viele Arbeitnehmer eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen.

SVAbackagain

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« Antwort #1626 am: 05.02.2023 19:33 »
Das wäre bei Erbuntertänigen sicher ein guter Weg, hier besteht bei der Begünstigung einer ohnehin schon geschehenen Geburt, die also keines Stimulus mehr bedarf, aber kein Zusammenhang zwischen einer Geburt und einer zukünftigen Arbeitskraft für den Arbeitgeber.

Nun, bei einem „Recht auf Home-Office“ ist der Müllwerker so gut wie jedes Beispiel. Die Ermöglichung von Home-Office, wenn es machbar und gewollt ist, beschreibt hingegen die aktuelle Situation. Also sollte die Gewerkschaftsforderung eine solche nach dem status quo sein? Wo läge da die Verbesserung?

Opa

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« Antwort #1627 am: 05.02.2023 21:11 »
XLS, Eltern leisten mit der Geburt zunächst einmal gar nichts. Sie folgen dem in der Natur angelegten Reproduktionsdrang, den die Evolution mit dem Wunsch nach Selbstverwirklichung, Selbstbewusstsein und Selbstversorgung angereichert hat.

Anschließend muss in unserer Gesellschaft zunächst die Allgemeinheit mit Steuern und Sozialabgaben erheblich investieren in der Hoffnung, dass ein wesentlicher Teil des so produzierten Nachwuchses irgendwann zu nützlichen Mitgliedern ebendieser Gesellschaft heranwächst. Eine Hoffnung, die durch unfähige Eltern in Kombination mit einem kaputten Bildungssystem leider stetig mehr enttäuscht wird.

Nach einer produktiven Phase von 30-50 Jahren folgt dann wiederum eine Zeit, in der die ehemaligen Windelschieter wieder in ihr ursprüngliches Muster zurückfallen und abermals auf die Unterstützung der Gesellschaft durch Pflege, Versorgung und materielle Unterstützung angewiesen sind.

Es ist also völlig unerheblich, ob es 67%, 100% oder gar kein Elterngeld gibt. Denn jeder zahlt in seiner produktiven Phase sowohl für die vorhergehende als auch für die nachfolgende Generation kräftig mit.

Für unsere Generation der aktuell Erwerbstätigen ist es nur irgendwie blöd gelaufen, da von uns (den jetzt 20-67jährigen) immer mehr Aufwand für sowohl die Jungen als auch die Alten abverlangt wird, was beides mit dem demographischen Wandel begründet wird.

Es sind die Versäumnisse der Politik von den 1970er bis zu den 2000er Jahren, die durch die jetzt leistungsfähigen Bürger ausgeglichen werden müssen. Denn bereits damals hätte in den westlichen Industriestaaten der Grundstein für eine langfristig wirksame Strategie zur Förderung der Bevölkerungsentwicklung gelegt werden müssen. Dies wurde zwar erkannt, aber dennoch versäumt.

Kein Wunder also, dass -wenn man schon für die Blagen anderer Leute und die Eltern anderer Leute zahlen soll-, dabei auch der Wunsch nach einem deutlich höheren eigenen Einkommen aufkommt.

FearOfTheDuck

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« Antwort #1628 am: 05.02.2023 22:26 »
Sehr schön zusammengefasst.
Wenn der Staat Interesse am Knatter-Erfolg haben sollte, möge er entsprechende Knatter-Erfolgsprämien ausloben. Wobei er dann auch absichern müsste, dass der Knatter-Erfolg seinen monetären gesellschaftlichen Beitrag leisten mag. In Tarifverhandlungen gehört das nicht.

So gesehen, sind XLSs Ersatz-Forderungen-anstatt-Gehaltssteigerung ziemlich mau:
Entweder Dinge, die selbst der zweitklassige AG im ÖD längst umsetzt, wenn es möglich ist, oder aber Überlegungen gesellschaftlichen Einschlags, die eher dem Gesetzgeber zu überstellen sind, insofern dieser Interesse daran hat.

Kaiser80

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« Antwort #1629 am: 06.02.2023 07:27 »
Sollte es nicht schin aus Selbsterhaltungstrieb Grundwille des Staates sein, dass sich seine im Inland lebenden Staatsbürger reproduzieren? Wenn dies dann noch gesellschaftlichem Mehrwehrt führt... Top

Es ist also völlig unerheblich, ob es 67%, 100% oder gar kein Elterngeld gibt. Denn jeder zahlt in seiner produktiven Phase sowohl für die vorhergehende als auch für die nachfolgende Generation kräftig mit.

Nun für den Produzenten ist es nicht unerheblich. Der eine proftiert halt vom anderen...
Und dass jeder in seiner produktiven Phase kräftig einzahlt ist ja auch nur die "halbe" Wahrheit. Aufstocker, Mini-Jobber etc.

Britta2

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« Antwort #1630 am: 06.02.2023 07:38 »
Solange Beamte und Selbstständige nicht mit in die Kassen einzahlen müssen und diverse Sonderrechte behalten, drehen wir uns im Kreis.

Kalle

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« Antwort #1631 am: 06.02.2023 07:41 »
Arbeitgeber finden auf Grund des demographischen Wandels keine Arbeitnehmer mehr / ein Gegenwirken beim Geburtendefizit führt zumindest mittel- und langfristig wieder zu mehr Nachwuchs und damit einhergehend zu einer Erhöhung der Arbeitskräftenachfrage.


Dieser angebliche Mangel an Arbeitskräften hat evt. auch damit zu tun, dass die Bezahlung teilweise einfach schlecht ist. Arbeitgeber finde keine "dummen" mehr, die zum Mindestlohn malochen und das geht dann in die Statistik der fehlenden Fachkräfte ein. Es gibt genügend arbeitswillige Menschen in diesem Land aber warum sollte man sich von den Arbeitgebern so ausnutzen lassen wenn der Staat solch eine "Unterstützung" bietet?

Reisinger850

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« Antwort #1632 am: 06.02.2023 07:47 »
Solange Beamte und Selbstständige nicht mit in die Kassen einzahlen müssen und diverse Sonderrechte behalten, drehen wir uns im Kreis.

Solange ich dann 1000 Euro netto mehr monatlich erhalte, könnte ich damit leben

SVAbackagain

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« Antwort #1633 am: 06.02.2023 07:52 »
Solange Beamte und Selbstständige nicht mit in die Kassen einzahlen müssen und diverse Sonderrechte behalten, drehen wir uns im Kreis.

Beamte und Selbständige erhalten ja auch keine Leistungen daraus, warum sollten sie also einzahlen müssen?

Organisator

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« Antwort #1634 am: 06.02.2023 08:11 »
Solange Beamte und Selbstständige nicht mit in die Kassen einzahlen müssen und diverse Sonderrechte behalten, drehen wir uns im Kreis.

Stimmt, dann aber auch Anwälte und Ärzte. Und Kinder, die zahlen in die KV auch nicht ein und kriegen trotzdem Leistungen. und deren Eltern, die kriegen Rente fürs Kinderkriegen als hätten sie pro Kind 120.000 € verdient.

Nur mal kleine Beispiele, wie man plakativ daneben greifen kann, ohne den Gesamtzusammenhang zu sehen.
Zumal z.B. Beamte durch Besoldungskürzungen ihren Anteil tragen, den der Dienstherr in die Versorgungsrücklage einzahlt.