Hallo,
ich habe jetzt die Diskussionen sehr aufmerksam gelesen. Interessant was der ein oder andere von sich gibt oder welche Erwartungshaltung geäußert wird.
Bevor ich zu meinen Vorstellungen was sage, möchte ich voranstellen, dass ich kein Gewerkschaftsmitglied bin, aber auch Personaler. Ich bin „nur“ stv. Abteilungsleiter, der allerdings, das gebe ich zu, nicht schlecht bezahlt ist.
Aus meiner Sicht stehen die Tarifparteien vor einer extrem schwierigen Tarifverhandlung. Ich beneide da dieses Jahr niemanden. Natürlich hätte ich auch gerne keinen Reallohnverlust, aber wenn man die Lage auch der öffentlichen Arbeitgeber nüchtern betrachtet, dann wird es dazu kommen (müssen). Die Situation ist für beide Tarifparteien nicht ganz einfach. Die (finanziellen) Herausforderungen für die Beschäftigen sind natürlich immens. Auch ich spüre deutlich, dass wir am Ende vom Monat deutlich weniger Geld übrighaben (wenn überhaupt) wie Anfang des letzten Jahres.
Aber auch die finanziellen Herausforderungen der Kommunen und des Bundes sind immens, insoweit sind die Handlungsmöglichkeiten auch für diese deutlich eingeschränkt. Gleichzeitig können die Steuern nicht merklich erhöht werden, weil ansonsten die knapp vor der Rezession stehende Wirtschaft komplett abgewürgt werden würde, was auf lange Sicht für alle schwierig und gefährlich wäre. Diesen Umstand sieht man auch wenn man die Abschlüsse in der Metall- oder Chemieindustrie sieht.
Insoweit zieht aus meiner Sicht auch aktuell das Argument nicht, dass die Attraktivität des ÖD leidet, sofern kein Reallohnverlust verhindert wird. Diesem Argument schieße ich mich nicht an. Im Gegenteil ich behaupte sogar, dass die Attraktivität des ÖD zulegen kann, sofern Abschlüsse auf Metall- oder Chemieniveau erreicht werden kann, weil wir gerade in diesen Zeiten wieder mit der Arbeitsplatzsicherheit punkten können.
Insoweit stelle ich mal folgende Erwartungshaltung meinerseits in den Raum:
• Entgeltsteigerung nominal 4,5% zum 01.10.2023, mindestens 250 Euro
• Entgeltsteigerung nominal 3,5 % zum 01.10.2024, mindestens 200 Euro
• Sonderzahlung von 1.500 Euro zum frühestens möglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Tarifverhandlungen (ca. 01.06./01.07.) und nochmals 1.500 Euro zum 01.04.2024
Durch die Einmalzahlungen würde der spätere Zeitpunkt der Entgeltsteigerungen kompensiert. Durch die Erhöhung zum 01.10. wirkt die Erhöhung erst in 2024 bzw. 2025 auf die Jahressonderzahlung. Das ist rechnerisch eine Kompensation für die Prozentsteigerungen für die AG.
Ja ich gehe von einem Sockelbetrag aus. Und im Gegensatz zu den Tarifabschlüssen in den Vorjahren könnte ich den sogar akzeptieren und nachvollziehen, auch wenn ich davon nichts haben würde. Aber es ist fakt, dass gerade die schlechter bezahlten Arbeitnehmer, egal ob im ÖD oder in anderen Branchen, deutlich mehr Probleme haben den Reallohnverlust zu kompensieren, da in diesen Gesellschaftsschichten eine niedrigere Sparquote vorliegt und zudem im Verhältnis mehr Geld für Lebensmittel und Wohnen ausgegeben wird. Also gerade die Bereiche, in denen die Inflation am stärksten wirkt. Diese Gesellschaftssichten können es daher definitiv schwieriger kompensieren. Bei den früheren Tarifabschlüssen zog meiner Meinung nach dieses Argument nicht so sehr, aber jetzt muss man das im Hinblick auf den Solidaritätsgedanken einfach so akzeptieren, auch wenn es für die Struktur in der Entgelttabelle nicht einfach ist.
Soweit meine Auffassung und die habe ich lange für mich abgewägt. Ich hätte natürlich auch gerne mehr Geld. Im besten Fall sogar eine Reallohnsteigerung oder zumindest einen Reallohnerhalt, aber das wird dieses Mal nicht erreichbar sein.