Autor Thema: [HB] Familienergänzungszuschlag  (Read 11045 times)

Zauberberg

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Antw:[HB] Familienergänzungszuschlag
« Antwort #30 am: 09.05.2023 07:23 »
SwenTanortsch, vielen Dank für Deine Ausführungen ! Sehr umfassend !

Die amtsangemesse Allimentation ist aus meiner Sicht nicht nur in Bremen ein Thema. Sollten unsere Angestellten diese Diskussion mitbekommen, wäre sicherlich ein Shitstorm sondergleichen angesagt, denn aus deren Sicht bekommen wir wesentlich mehr Geld als sie in den vergleichbaren Stufen. Der ewige Streit !

Sei es drum, freuen wir uns über jeden, der den Familienergänzungszuschlag bekommt und hoffe auf eine amtsangemesse Allimentation.  .....und für Bremen noch die Hoffnung hinterher, dass die Performa Nord vieles gutes Personal bekommt, damit Sie vernünftig arbeiten können, ohne große Rückstände !

SwenTanortsch

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Antw:[HB] Familienergänzungszuschlag
« Antwort #31 am: 09.05.2023 18:06 »
... als alter Haarspalter würde ich sagen: nicht über jeden, der den FEZ erhält, sondern für jeden. Denn der FEZ ist nicht zuletzt wegen der mit ihm verbundenen mittelbaren Geschlechterdiskriminierung, wegen des mit ihm verbundenen Bruchs des Steuergeheimnisses und weil er zulasten einer amtsangemessenen Alimentation aller Landesbeamten geht, kein allgemeiner Grund zur Freude, sondern sachlich Ausdruck des wissentlich und willentlich vollzogenen Verfassungsbruchs. Für jeden einzelnen Kollegen, der ihn erhält, kann man sich nur freuen, da er deshalb weniger stark unteralimentiert wird - als Ausdruck des gezielt aufrechterhaltenen Verfassungsbruchs ist er allerdings generell kaum ein Grund zur Freude, denke ich, und zwar auch kaum für jene Beamte, denn er kontinuiert verfassungswidrig auch ihre Unteralimentation.

Zugleich sollte sich jeder in Bremen in der Öffentlichen Verwaltung im Angestelltenverhältnis Beschäftigte klarmachen, dass die Rückkehr zu einer verfassungskonformen und damit amtsangemessenen Alimentation auch für ihn ökonomische positiv sein wird. Denn damit werden die Gewerkschaften und Verbände starke Argumente in die Hand bekommen, um die ebenfalls notwendigen deutlichen Erhöhungen der Tariflöhne angehen zu können. Wer im gleichen Boot sitzt (wenn auch rechtlich betrachtet offensichtlich nicht an derselben Stelle), sollte sich darauf besinnen, wer das Steuer hält und die Kommandos gibt - und das sind eher nicht jene anderen, die ebenfalls das Ruder schwingen dürfen.

Wie angekündigt nun nach meiner Rückkehr noch ein paar Daten:

Das aktuell 95 %-Perzentil der laufenden Unterkunfts- und Betriebskosten betrug 2021 (aktuellere Daten liege bislang noch nicht vor) 967,- €. Für die Heizkosten ist in Bremen eine 85 qm große Wohnung heranzuziehen: Die heranzuziehenden Kosten pro Quadratmeter Fernwärme des Heizsystems Fernwärme betrugen im Sinne der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung 24,71 €; gegebenenfalls ist der Höchstwert für Wärmepumpen in Höhe von 25,91 € heranzuziehen. Entsprechend sind jährliche Heizkosten in Höhe von 2.100,35 € bzw. 2.202.35 € und also monatliche Heizkosten in Höhe von 175,03 € bzw 183,53 € zugrundezulegen. Die warmen Unterkunftskosten haben sich 2022 von daher pro Monat auf 1.142,03 € bzw. 1.150,53 € belaufen. Wegen der von mir gestern beschriebenen evident sachwidrigen Bemessungsmethodik ist der Gesetzgeber von entsprechenden monatlichen Kosten in Höhe von nur 1.064,- € ausgegangen (vgl. meinen gestrigen Beitrag). Nimmt man nur den Heizkostenwert für Fernwärme als Maßstab, dann sind die warmen Unterkunfstkosten gezielt um 6,8 % zu gering bemessen worden. Legen wir also weiterhin nur die evidenten Fehlbeträge zugrunde (also unter Ausklammerung der mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht sachgerecht betrachteten Kosten der Bedarf für Bildung und Teilhabe sowie der Sozialtarife), ergibt sich das folgende Bild:

Grundsicherungsniveau 2022

Regelsätze (1):                1.456,00 €
+ Unterkunftskosten:          967,00 €
+ Heizkosten:                     175,03 €
+ Bedarfe für B. u. T.:         139,27 €
+ Sozialtarife:                      23,03 €
+ ÖPNV-Ticket:                    92,46 €
+ Einmalzahlung (2):           33,33 €
+ mtl. Sofortzuschlag (3):    20,00 €
Monatsbetrag:                  2.906,12 €
Jahresbetrag:                  34.873,44 €

Mindestalimentation

Monatsbetrag:                  3.342,04 €                 
Jahresbetrag:                 40.104,46 €

(1) § 2 RBSFV 2022 v. 23.09.2021 (BGBl. I 2021, S. 4389)
(2) Art. 1 Ziff. 2 § 73 d. Gesetzes v. 23.05.2022 (BGBl. I 2022, S. 760)
(3) Art. 1 Ziff. 2 § 72 d. Gesetzes v. 23.05.2022 (BGBl. I 2022, S. 760)


Die Gesetzesbegründung ist von einem jährlichen Grundsicherungsniveau in Höhe von 33.123,74 € sowie einer entsprechenden Mindestalimentation in Höhe von 38.092,30 € ausgegangen. Beide Beträge sind um rund fünf % zu gering bemessen worden (s. S. 50 unter https://oeffentlicher-dienst.info/pdf/hb/hb-brembbvanpg-2022-senatsvorlage.pdf).

Legt man nun die gestern bemessene Nettoalimentation im Jahr 2022 in Höhe von 31.458,94 € zugrunde, die insgesamt einem verheirateten Beamten mit zwei Kindern bis November nach A 4/1 und ab Dezember nach A 5/2 gewährt worden ist, dann ergibt sich eine Nettoalimentation, die 3.414,5 € pro Jahr und 284,54 € pro Monat unterhalb des Grundsicherungsniveaus sowie 8.645,52 € pro Jahr und 720,46 € pro Monat unterhalb der Mindestalimentation lag. Die Nettoalimentation war trotz der Novellierungen des Besoldungsrechts um mindestens 21,6 % zu gering bemessen worden. Im übertragenen Sinne hat ein entsprechender Kollege bis Mitte September eine Besoldung erhalten, um in den rund elf Wochen danach unentgeltlich Dienst verrichtet zu haben.

In der gestrigen Bemessung der Besoldungsgruppe A 8/2 habe ich in der Betrachtung die Beträge von Januar bis November versehentlich mit dem Faktor 12 multipliziert und nicht mit dem Faktor 11, sodass ich hier von einem deutlich zu hohen Besoldungsniveau ausgegangen bin. Korrgiert man diesen Fehler, dann betrug die Bruttobesoldung in A 8/2 2022 nur 37.905,30 € (und nicht 40.906,24 €). Entsprechnd ist auch noch ein entsprechender Beamter unterhalb des Grundsicherungsniveaus alimentiert worden:

Bruttobesoldung:        37.905,30 €
- steuerlicher Abzug:     1.956,00 € (BEG-Anteil: 492,69, vgl. S. 9 der Gesetzesbegründung)
- PKV:                          6.874,68 € (vgl. die Anlage auf der S. 50)
- Pflegeversicherung:       425,28 €
+ Kindergeld:               5.256,00 €
Nettoalimentation        33.905,34 €

Die gewährte Nettoalimentation verblieb gleichfalls noch um knapp 970,- € unterhalb des Grundsicherungsniveaus in Höhe von 34.873,44 €.

Betrachten wir nun also die entsprechende Besoldungsgruppe A 10/2, dann ergibt sich das folgende Bild:


Jan. bis Nov.

Monatsbrutto:                3.435,73 € x 11
Besoldungsniveau:       37.793,03 €
(vgl. https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/hb/a/2021?id=beamte-bremen-2021&g=A_10&s=2&f=3&z=100&zulageid=10.1&zulageid=10.2&zulage=&stj=2023&stkl=3&r=0&zkf=0)

Dezember:
Besoldungsniveau:        3.724,77 €
Sonderzahlung:               710,00 €
Familienergänzungsz.       410,00 €
(vgl. https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/hb?id=beamte-bremen&g=A_10&s=2&f=3&fstand=v&zulageid=10.1&zulageid=10.2&z=100&zulage=&stkl=3&r=&zkf=)

Einem verheirateten Beamten mit zwei Kindern ist 2022 eine Bruttobesoldung in Höhe von 42.637,80 € gewährt worden. Daraus folgt unter den gerade betrachteten Prämissen folgende Nettoalimentation:

Bruttobesoldung:        42.637,80 €
- steuerlicher Abzug:     3.122,00 € (BEG-Anteil: 492,69, vgl. S. 9 der Gesetzesbegründung)
- PKV:                          6.874,68 € (vgl. die Anlage auf der S. 50)
- Pflegeversicherung:       425,28 €
+ Kindergeld:               5.256,00 €
Nettoalimentation        37.471,84 €

Der entsprechende Beamter wurde zwar um rund 7,5 % oberhalb des Grundsicherungsniveaus alimentiert. Er verfehlte aber die Mindestalimentation in Höhe von 40.104,46 € ebenfalls noch recht deutlich.

Und damit wären wir abschließend bei der Besoldungsgruppe A 11/3:

Jan. bis Nov.

Monatsbrutto:                3.852,15 € x 11
Besoldungsniveau:       42.373,65 €
(vgl. https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/hb/a/2021?id=beamte-bremen-2021&g=A_11&s=2&f=3&z=100&zulageid=10.1&zulageid=10.2&zulage=&stj=2023&stkl=3&r=0&zkf=2)

Dezember:
Besoldungsniveau:        4.152,85 €
Sonderzahlung:               710,00 €
Familienergänzungsz.       410,00 €
(vgl. https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/hb?id=beamte-bremen&g=A_11&s=3&f=3&fstand=v&zulageid=10.1&zulageid=10.2&z=100&zulage=&stkl=3&r=&zkf=)

Einem verheirateten Beamten mit zwei Kindern ist 2022 eine Bruttobesoldung in Höhe von 47.646,50 € gewährt worden. Daraus folgt unter den gerade betrachteten Prämissen folgende Nettoalimentation:

Bruttobesoldung:        47.646,50 €
- steuerlicher Abzug:     4.406,00 € (BEG-Anteil: 492,69, vgl. S. 9 der Gesetzesbegründung)
- PKV:                          6.874,68 € (vgl. die Anlage auf der S. 50)
- Pflegeversicherung:       425,28 €
+ Kindergeld:               5.256,00 €
Nettoalimentation        41.196,54 €

In der entsprechenden Besoldungsgruppe A 11/3 ist nun die Mindestalimentation in Höhe von 40.104,46 € um rund 1.100,- € überschritten worden. Hier ist nun also 2022 ein Besoldungsniveau gewährt worden, das nicht sehr viel geringer eigentlich einem entsprechenden Beamten in der untersten Besoldungsgruppe zu gewähren gewesen wäre (nicht umsonst ist davon auszugehen, dass ein realitätsgerecht bemessenes Grundsicherungsniveau noch höher liegen muss, da ich ja keine realitätsgerechten Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie für die Sozialtarife zugrunde legen konnte - s.o.). Die Besoldungssystematik zeigt sich bis mindestens in die Besoldungsgruppe A 10 hinein als evident verletzt - diese Verletzung strahlt in alle Besoldungsgruppen aus. Weiterhin werden also alle Landesbeamten in Bremen in einem deutlichen Maße unteralimentiert - diese mindestens 15-jährige Kontinuität hat die letztjährige Novellierung des Besoldungs- und Beamtenrechts nicht einmal in Ansätzen korrigiert und geheilt. Im übertragenen Sinne dürften 2022 zumindest alle verheirateten Bremer Landesbeamte mit zwei Kindern mehr als zehn Wochen unentgeltlich Dienst verrichtet haben.

Der Gesetzgeber und die Landesregierung dürfen kaum darauf hoffen, dass die anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (die Jahre 2013 und 2014 betreffend) irgendwelche für sie frohe Botschaften enthalten könnte. Die Unteralimentation von sämtlichen Landesbeamten ist in einem so deutlichen Maße gegeben und offensichtlich, dass sie keiner Rechtfertigung zugänglich ist - all das ist der Bürgerschaft und der Landesregierung seit spätestens 2020 bekannt. Nicht umsonst hat man in den von mir gezeigten Bemessungen wissentlich und willentlich keine sachgerechten Bemessungen vorgenommen - der wissentliche und willentliche Kern dieser Entscheidungen zeigt sich darin, dass man in der Gesetzesbegründung regelmäßig die bundesverfasungsgerichtliche Rechtsprechung korrekt reproduziert hat, um sie dann eben nicht sachgerecht anzuwenden. Darin zeigt sich die Bremische Bürgerschaft als Teil des "länderübergreifenden konzertierten Verfassungsbruchs", von dem Ulrich Battis spricht.
« Last Edit: 09.05.2023 18:19 von SwenTanortsch »

Zauberberg

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Antw:[HB] Familienergänzungszuschlag
« Antwort #32 am: 10.05.2023 07:54 »
SwenTanortsch, an die Geschlechterdiskriminierung und den Bruch des Steuerechts hatte ich bisher nicht gedacht, aber Du hast völlig recht. Ich bin sehr gespannt, wann es weitere Bescheide zum FEZ gibt und vor allem wie sie inhaltlich aussehen. Leider bin ich noch nicht dabei und warte noch ab.
Eine andere Frage, die sich mir neben der ganzen Thematik stellt, wer bist Du Swen Tanortsch, ich bin ein einfacher Beamter des Landes Bremen, aber Du ? Woher nimmst Du all das Wissen und die Zeit !
Gerne lese ich Deine Ausführungen, auch wenn Sie für mich oft einiges an Nacharbeit und Recherche erfodern.
Einfach mal Danke dafür !

Finanzer

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Antw:[HB] Familienergänzungszuschlag
« Antwort #33 am: 10.05.2023 08:44 »
Eine andere Frage, die sich mir neben der ganzen Thematik stellt, wer bist Du Swen Tanortsch

Er ist der Held den wir brauchen, aber nicht der, den wir verdienen.

Zauberberg

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Antw:[HB] Familienergänzungszuschlag
« Antwort #34 am: 10.05.2023 08:52 »
Nebulös !

SwenTanortsch

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Antw:[HB] Familienergänzungszuschlag
« Antwort #35 am: 10.05.2023 09:52 »
Gern geschehen, Zauberberg. Wer ich bin, spielt ja keine Rolle - nur so viel: Als Personalrat, der in seiner Dienststelle seit recht langer Zeit die Rechtsgeschäfte betrachtet, habe ich mich ab 2015 wiederkehrend auch mit dem seitdem zunehmend deutlicher werdenden Rechtssprechungswandel des Bundesverfassungsgerichts und seinen Konsequenzen beschäftigt. Als im Herbst 2018 der Vorsitzende des Zweiten Senats des Bundesverwaltungsgericht wörtlich hinsichtlich einer amtsangemessenen Alimentation hier in Niedersachsen sagte: "Wir haben in erschreckender Weise festgestellt, dass dies in all den Jahren nicht erreicht wurde" (https://www.kreiszeitung.de/lokales/niedersachsen/bundesverwaltungsgericht-leipzig-beamtenbesoldung-niedersachsen-verfassungswidrig-10408736.html), habe ich angefangen, mich tiefgehend in die Thematik einzuarbeiten, da Bundesrichter mit solchen Formulierungen - der Betonung eines "Erschreckens" des Senats - bekanntermaßen eher vorsichtig sind. Dieses Erschrecken konnte ich im Verlauf der nächsten halben Jahrs mehr und mehr nachvollziehen, da das vielschichtige Thema mir dort ans Herz gewachsen ist (ums mal so auszudrücken). Als das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung vom 04. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 - zu weitgehend dem erwartbaren Ergebnis gekommen ist und weil sich auch die hiesige Politik bis dahin weiterhin als weitgehend überwiegend als nicht willens gezeigt hatte, ihre verfassungsmäßigen Pflichten zu erfüllen, womit sie sich in das entsprechende Handeln aller Besoldungsgesetzgeber und Regierungen einreihte, habe ich mit dem Aufruf des Themas u.a. hier im Länderforum mir das Ziel gesetzt, es allgemein bekannter zu machen und mit dazu beizutragen, die Zahl der Widersprüche über Niedersachsen hinaus zu erhöhen.

Dieses Ziel verfolge ich seitdem mit einer gewissen Hartnäckigkeit - auch weil nach meiner Lebenserfahrung Regierende, die sich nicht an die Verfassung gebunden sehen, jederzeit der Gefahr unterliegen, zu Herrschenden zu werden. Als Beamter bin ich nicht bereit, solche ggf. eintretenden Prozesse zu tolerieren, da ich qua Eid an Recht und Gesetz gebunden bin; als Teil des Souveräns reagiere ich allergisch auf Machtmissbrauch, und zwar nur umso mehr, wenn es um die hinsichtlich eines jeden Gemeinwesens neuralgische Stelle staatlicher Gewalt innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung geht, soll heißen, ich bin weiterhin weder als Beamter noch als Staatsbürger bereit, mich ohne Weiteres staatlicher Willkür zu beugen - und zugleich weiß ich mich glücklicherweise in der Bundesrepublik Deutschland, also in einem Gemeinwesen, da mich das außer ein wenig Arbeit sonst nicht viel kostet, was ich zugleich möchte, dass dem nicht nur für mich so bleibt. Denn mir stehen seit dem Herbst 1989 die Laster der Bereitschaftspolizei mitsamt der Räumschilder bildhaft vor Augen, mit denen jene, die sich gegen die staatliche Willkür stemmten, zusammengeschoben werden sollten; dieses Bild hat sich mir tief in die Seele gebrannt, und zwar mit der damals sich bei dem jungen Menschen, der ich zu jener Zeit war, stark verbundenen Hoffnung, das in der Bundesrepublik niemals erleben zu müssen, also niemals eine staatliche Gewalt erleben zu müssen, die sich selbst so sehr sämtlicher Legitimität beraubt hat, dass sie am Ende nur noch die "Pekinger Lösung" oder ihren eigenen Untergang als Alternativen zur Verfügung hat. Denn darauf habe die verdorbenen Greise nicht nur im Wandlitzer Ghetto gezielt hingearbeitet, ohne es weitgehend zu bemerken: https://www.mdr.de/geschichte/ddr/politik-gesellschaft/volkspolizei/demonstration-polizisten-training-stasi-film-interview100.html

Davon sind wir hier zum Glück heute noch einigermaßen weit entfernt - aber leider ist seitdem offensichtlich die Zahl geschichtsvergessener Trottel (leider gibt's für entsprechend Handelnde m.E. keinen sie präziser charakterisierenden Begriff) auch hier in der Bundesrepublik nicht kleiner geworden, die mit großer Macht ausgestattet Hybris pflegen und also offensichtlich verdrängen, dass ihre Willkür Hand an unser Gemeinwesen legt - und zwar nicht zuletzt, da sie keine geringer werdende Zahl an Beamten ihrem Dienstherrn entfremdet, was auf Dauer nicht gutgehen kann. Ulrich Battis hat dazu erst unlängst wie immer kluge Worte gefunden und sie ihnen ins Stammbuch geschrieben, ohne dass diesen Traumtänzern offensichtlich weiterhin ein Lichtlein aufginge: https://www.sbb.de/aktuelles/news/amtsangemessene-alimentation-stellungnahme-abgegeben/ Wenn's erst soweit oder so weit ist, nützt auch kein Winken von der Tribüne der Geschichte mehr: https://www.geschichte-abitur.de/quellenmaterial/quellen-weimarer-republik/karikatur-zur-weimarer-republik

Und entsprechend sind die Gesetzgeber wiederkehrend daran zu erinnern:

"Art. 33 Abs. 5 GG ist unmittelbar geltendes Recht und enthält einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber sowie eine institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums" (Rn. 22 der aktuellen Entscheidung). Das Alimentationsprinzip "verpflichtet den Dienstherrn, Richter und Staatsanwälte sowie ihre Familien lebenslang angemessen zu alimentieren und ihnen nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren" (Rn. 23). "Die Besoldung stellt in diesem Zusammenhang kein Entgelt für bestimmte Dienstleistungen dar. Sie ist vielmehr ein 'Korrelat' des Dienstherrn für die mit der Berufung in das Richter- und Beamtenverhältnis verbundene Pflicht, unter Einsatz der ganzen Persönlichkeit – grundsätzlich auf Lebenszeit – die volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und gemäß den jeweiligen Anforderungen die Dienstpflichten nach Kräften zu erfüllen [...] Die Gewährleistung einer rechtlich und wirtschaftlich gesicherten Position, zu der die individuelle Garantie einer amtsangemessenen Besoldung und Versorgung durch das Alimentationsprinzip und die Möglichkeit ihrer gerichtlichen Durchsetzung wesentlich beitragen, bildet die Voraussetzung und innere Rechtfertigung für die lebenslange Treuepflicht sowie das Streikverbot" (Rn. 24). "War der Beamte ursprünglich allein dem Regenten verpflichtet, wandelte er sich mit dem veränderten Staatsverständnis vom Fürsten- zum Staatsdiener. Seine Aufgabe war und ist es, Verfassung und Gesetz im Interesse des Bürgers auch und gerade gegen die Staatsspitze zu behaupten. Das Berufsbeamtentum als Institution gründet auf Sachwissen, fachlicher Leistung und loyaler Pflichterfüllung. Es soll eine stabile Verwaltung sichern und damit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatswesen gestaltenden politischen Kräften bilden" (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 12. Juni 2018 - 2 BvR 1738/12 -, Rn. 118) "Innerhalb des ihm zukommenden Entscheidungsspielraums muss der Gesetzgeber das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anpassen." (Rn. 26 der aktuellen Entscheidung) "Die von Verfassungs wegen geschuldete Alimentierung ist nicht eine dem Umfang nach beliebig variable Größe, die sich einfach nach den 'wirtschaftlichen Möglichkeiten' der öffentlichen Hand oder nach den politischen Dringlichkeitsbewertungen hinsichtlich der verschiedenen vom Staat zu erfüllenden Aufgaben oder nach dem Umfang der Bemühungen um die Verwirklichung des allgemeinen Sozialstaatsprinzips bemessen lässt" (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09 -, Rn. 91).

Zauberberg

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Antw:[HB] Familienergänzungszuschlag
« Antwort #36 am: 10.05.2023 10:14 »
SwenTanortsch, da scheinen wir annähernd der gleiche Jahrgang zu sein. Ich jedoch bin in Bremen gerade erst in die Thematik bzw. Auseinandersetzung eingestiegen, welche Sie in Niedersachsen schon eine Ewigkeit betreiben.
Gleichwohl ist meine Interesse an dieser Auseinandersetzung sehr hoch und ich muß sagen, auch im Spassbereich.

SwenTanortsch

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Antw:[HB] Familienergänzungszuschlag
« Antwort #37 am: 10.05.2023 10:35 »
Ja, Zauberberg, das Thema ist vielschichtig, was mich an ihm ebenfalls durchgehend interessiert hat und mich weiterhin für es mit einnimmt. Zugleich wird es auch in Bremen mit der Veröffentlichung der anstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einiges für die Medien zu berichten geben, schätze ich. Falls Du noch Literatur suchst, ich habe hier https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,114508.msg297243/topicseen.html#msg297243 unter der Nr. 5764 mal verschiedene Literaturverweise eingestellt.

Zauberberg

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Antw:[HB] Familienergänzungszuschlag
« Antwort #38 am: 10.05.2023 10:53 »
Vielen Dank ! Ich werde lesen ! Gibt es eigentlich irgendwo schon ein Widerspruchs Formular amtsnagemessene Allimentation 2023 für Bremen ?

Bei allem Willen etwas zu erreichen, bedauere ich die Mitarbeiter/innen bei der Perfoma Nord und möchte denen meinen allerherzlichsten Dank aussprechen für die Arbeit, die sie unter den vorliegenden Umständen leisten.
Dieses ist keine Ironie und kommt wirlklich von Herzen !

Den Entscheidungsträgern bei der Performa Nord kann man nur anraten Konzepte zur PersonalBINDUNG zu entwickeln und darüber nachzudenken, ob die Vergütung/Besoldung angemessen ist.



SwenTanortsch

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Antw:[HB] Familienergänzungszuschlag
« Antwort #39 am: 10.05.2023 11:35 »
Mit dem Widerspruch hast Du noch etwas Zeit, da er grundsätzlich für das Kalenderjahr zu stellen ist, sodass er erst am Ende des Jahres gestellt werden muss. Auch wird sich die Rechtslage im Zuge der zu erwartenden Übertragung der Tarifergebnisse auf die Besoldung ab dem Herbst ändern - zugleich dürften Senat und Bürgerschaft durch die zu erwartende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unter einigen Druck geraten, was gleichfalls - wenn auch wohl eher im nächsten Jahr - zu Veränderungen des Besoldungsgesetzes führen dürfte.

Dem, was Du zu und über die Kolleginnen und Kollegen bei der Performa Nord schreibst, ist nur zuzustimmen. Sie dürfen den ganzen Unsinn und nicht selten auch den verständlichen Frust der Betroffenen ausbaden, für den andere die Verantwortung tragen. Auch darin zeigt sich das ganze Armutszeugnis, das sich die Bürgerschaft wiederkehrend selbst ausstellt. Die schon lange vom Dienstherrn nicht mehr empfundene Treuepflicht dürfte auch dort mehr und mehr Wirkung zeitigen. Wie haben letztes Jahr um diese Zeit die beiden Besoldungsrechtsexperten des dbb Alexia Tepke und Andreas Becker hervorgehoben: "Mit der Benennung von objektiv überprüfbaren Kriterien und wiederholten Präzisierungen für die Besoldungsgesetzgeber durch das Bundesverfassungsgericht bedarf es jetzt in jedem Besoldungsrechtskreis deutlich erkennbarer und klarer Verbesserungen, um das massiv erschütterte Vertrauen der Beamtinnen und Beamten wieder zurückzugewinnen und den Alimentationsklagekreislauf zu durchbrechen" (ZBR 143 (153)).

Tatsächlich ist seitdem generell und auch in Bremen genau das Gegenteil geschehen. Wenn selbst noch weite Teile des ehemals mittleren Diensts unterhalb der Grundsicherung und nicht minder weite Teile des ehemals gehobenen Diensts gezielt unterhalb der Mindestalimentation besoldet werden, dann muss man sich wirklich fragen, was in den Köpfen der Verantwortungsträger vor sich geht, die nun allenthalben auf den Wahlplakaten zu sehen sind. Nicht umsonst ist das Gesetz ohne weitere Aussprache im Oktober des letzten Jahres einstimmig beschlossen worden, vgl. S. 5905 unter https://www.bremische-buergerschaft.de/dokumente/wp20/land/protokoll/P20L0040.pdf Wen die Haltung der jeweiligen Parteien interessiert, wie sie von ihren jeweiligen Rednern dargestellt worden ist, findet hier ab der S. 5576 ihre Wortbeiträge der ersten Lesung: https://www.bremische-buergerschaft.de/dokumente/wp20/land/protokoll/P20L0039.pdf
« Last Edit: 10.05.2023 11:45 von SwenTanortsch »

Magda

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Antw:[HB] Familienergänzungszuschlag
« Antwort #40 am: 11.05.2023 09:13 »
Vielen Dank ! Ich werde lesen ! Gibt es eigentlich irgendwo schon ein Widerspruchs Formular amtsnagemessene Allimentation 2023 für Bremen ?

Bei allem Willen etwas zu erreichen, bedauere ich die Mitarbeiter/innen bei der Perfoma Nord und möchte denen meinen allerherzlichsten Dank aussprechen für die Arbeit, die sie unter den vorliegenden Umständen leisten.
Dieses ist keine Ironie und kommt wirlklich von Herzen !

Den Entscheidungsträgern bei der Performa Nord kann man nur anraten Konzepte zur PersonalBINDUNG zu entwickeln und darüber nachzudenken, ob die Vergütung/Besoldung angemessen ist.
Vollste Zustimmung!

Und zum Widerspruch: Die ver.di hat letztes Jahr erst gegen Ende des Jahres einen Musterwiderspruch zur Verfügung gestellt.

Zauberberg

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Antw:[HB] Familienergänzungszuschlag
« Antwort #41 am: 12.05.2023 08:58 »
Danke Magda ! Hat ja auch noch Zeit mit dem Widerspruch !

Ich gebe zu, da Mefisto sein Bewilligung nun schon eine Woche hat, werde ich auch langsam neugierig.
Würde mich interessieren, ob es bei der Performa Nord über eine zentrale Stelle läuft oder dem/der jeweiligen Sachbearbeiter*in zugeordnet ist, also quasi mein(e) Sachbearbeiter*in gerade etwas mehr absäft als der/die Sachbearbeiter*in von Mefisto. Geduld ist nicht meine Tugend !

Zauberberg

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« Antwort #42 am: 24.05.2023 11:29 »
Ich muß doch noch einmal in die Runde fragen.

EIN Mitglied dieses erlauchten Kreises, der/ide Mefisto hat schon einen Bescheid über den FEZ bekommen.

Da dieses Ereignis nun fast einen Monat her ist und die Beantragung an sich sechs Monate, sei die Frage erlaubt, ob noch eine(r) von uns eine Bescheid von der Performa Nord erhalten hat ?

Der Obelix

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« Antwort #43 am: 24.05.2023 11:36 »
6 Monate nach Antrag noch nicht mal den (dann rechtswidrigen) Bescheid erhalten. Da ist man fassungslos.

Erst ein ach so tolles Antragsverfahren einführen und über den grünen Klee loben und dann passiert in 6 Monaten genau gar nichts. Einfach unfassbar.

Zauberberg

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« Antwort #44 am: 31.05.2023 17:29 »
@SwenTanortsch und natürlich alle in der Runde : Einer meiner Kollegen hat nun die Aufforderung bekommen, da er ein Stiefkind hat, dass er das Einkommen des leiblichen Vaters angeben soll ! Zum einen besteht null Kontakt zu diesem Vater und weiter würde dieses natürlich bedeuten, dass alle Grenzen überschritten werden und somit kein FEZ gezahlt werden würde. Seine Frau bekommt keinen Unterhalt, dieser wäre nach meiner Auffassung anzugeben.

Nach meiner Auffassung kann seine Frau nicht genötigt werden, ihren Ex-Mann zu kontaktieren. Da dessen Einkünfte und der Kindesunterhalt nicht relevant sind im Sinne der Vorschrift.

Wie sehen Sie / Ihr es ?