... als alter Haarspalter würde ich sagen: nicht
über jeden, der den FEZ erhält, sondern
für jeden. Denn der FEZ ist nicht zuletzt wegen der mit ihm verbundenen mittelbaren Geschlechterdiskriminierung, wegen des mit ihm verbundenen Bruchs des Steuergeheimnisses und weil er zulasten einer amtsangemessenen Alimentation aller Landesbeamten geht, kein allgemeiner Grund zur Freude, sondern sachlich Ausdruck des wissentlich und willentlich vollzogenen Verfassungsbruchs. Für jeden einzelnen Kollegen, der ihn erhält, kann man sich nur freuen, da er deshalb weniger stark unteralimentiert wird - als Ausdruck des gezielt aufrechterhaltenen Verfassungsbruchs ist er allerdings generell kaum ein Grund zur Freude, denke ich, und zwar auch kaum für jene Beamte, denn er kontinuiert verfassungswidrig auch ihre Unteralimentation.
Zugleich sollte sich jeder in Bremen in der Öffentlichen Verwaltung im Angestelltenverhältnis Beschäftigte klarmachen, dass die Rückkehr zu einer verfassungskonformen und damit amtsangemessenen Alimentation auch für ihn ökonomische positiv sein wird. Denn damit werden die Gewerkschaften und Verbände starke Argumente in die Hand bekommen, um die ebenfalls notwendigen deutlichen Erhöhungen der Tariflöhne angehen zu können. Wer im gleichen Boot sitzt (wenn auch rechtlich betrachtet offensichtlich nicht an derselben Stelle), sollte sich darauf besinnen, wer das Steuer hält und die Kommandos gibt - und das sind eher nicht jene anderen, die ebenfalls das Ruder schwingen dürfen.
Wie angekündigt nun nach meiner Rückkehr noch ein paar Daten:
Das aktuell 95 %-Perzentil der laufenden Unterkunfts- und Betriebskosten betrug 2021 (aktuellere Daten liege bislang noch nicht vor) 967,- €. Für die Heizkosten ist in Bremen eine 85 qm große Wohnung heranzuziehen: Die heranzuziehenden Kosten pro Quadratmeter Fernwärme des Heizsystems Fernwärme betrugen im Sinne der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung 24,71 €; gegebenenfalls ist der Höchstwert für Wärmepumpen in Höhe von 25,91 € heranzuziehen. Entsprechend sind jährliche Heizkosten in Höhe von 2.100,35 € bzw. 2.202.35 € und also monatliche Heizkosten in Höhe von 175,03 € bzw 183,53 € zugrundezulegen. Die warmen Unterkunftskosten haben sich 2022 von daher pro Monat auf 1.142,03 € bzw. 1.150,53 € belaufen. Wegen der von mir gestern beschriebenen evident sachwidrigen Bemessungsmethodik ist der Gesetzgeber von entsprechenden monatlichen Kosten in Höhe von nur 1.064,- € ausgegangen (vgl. meinen gestrigen Beitrag). Nimmt man nur den Heizkostenwert für Fernwärme als Maßstab, dann sind die warmen Unterkunfstkosten gezielt um 6,8 % zu gering bemessen worden. Legen wir also weiterhin nur die evidenten Fehlbeträge zugrunde (also unter Ausklammerung der mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht sachgerecht betrachteten Kosten der Bedarf für Bildung und Teilhabe sowie der Sozialtarife), ergibt sich das folgende Bild:
Grundsicherungsniveau 2022Regelsätze (1): 1.456,00 €
+ Unterkunftskosten: 967,00 €
+ Heizkosten: 175,03 €
+ Bedarfe für B. u. T.: 139,27 €
+ Sozialtarife: 23,03 €
+ ÖPNV-Ticket: 92,46 €
+ Einmalzahlung (2): 33,33 €
+ mtl. Sofortzuschlag (3): 20,00 €
Monatsbetrag: 2.906,12 €
Jahresbetrag: 34.873,44 €
MindestalimentationMonatsbetrag: 3.342,04 €
Jahresbetrag: 40.104,46 €
(1) § 2 RBSFV 2022 v. 23.09.2021 (BGBl. I 2021, S. 4389)
(2) Art. 1 Ziff. 2 § 73 d. Gesetzes v. 23.05.2022 (BGBl. I 2022, S. 760)
(3) Art. 1 Ziff. 2 § 72 d. Gesetzes v. 23.05.2022 (BGBl. I 2022, S. 760)
Die Gesetzesbegründung ist von einem jährlichen Grundsicherungsniveau in Höhe von 33.123,74 € sowie einer entsprechenden Mindestalimentation in Höhe von 38.092,30 € ausgegangen. Beide Beträge sind um rund fünf % zu gering bemessen worden (s. S. 50 unter
https://oeffentlicher-dienst.info/pdf/hb/hb-brembbvanpg-2022-senatsvorlage.pdf).
Legt man nun die gestern bemessene Nettoalimentation im Jahr 2022 in Höhe von 31.458,94 € zugrunde, die insgesamt einem verheirateten Beamten mit zwei Kindern bis November nach A 4/1 und ab Dezember nach A 5/2 gewährt worden ist, dann ergibt sich eine Nettoalimentation, die 3.414,5 € pro Jahr und 284,54 € pro Monat unterhalb des Grundsicherungsniveaus sowie 8.645,52 € pro Jahr und 720,46 € pro Monat unterhalb der Mindestalimentation lag. Die Nettoalimentation war trotz der Novellierungen des Besoldungsrechts um mindestens 21,6 % zu gering bemessen worden. Im übertragenen Sinne hat ein entsprechender Kollege bis Mitte September eine Besoldung erhalten, um in den rund elf Wochen danach unentgeltlich Dienst verrichtet zu haben.
In der gestrigen Bemessung der Besoldungsgruppe A 8/2 habe ich in der Betrachtung die Beträge von Januar bis November versehentlich mit dem Faktor 12 multipliziert und nicht mit dem Faktor 11, sodass ich hier von einem deutlich zu hohen Besoldungsniveau ausgegangen bin. Korrgiert man diesen Fehler, dann betrug die Bruttobesoldung in A 8/2 2022 nur 37.905,30 € (und nicht 40.906,24 €). Entsprechnd ist auch noch ein entsprechender Beamter unterhalb des Grundsicherungsniveaus alimentiert worden:
Bruttobesoldung: 37.905,30 €
- steuerlicher Abzug: 1.956,00 € (BEG-Anteil: 492,69, vgl. S. 9 der Gesetzesbegründung)
- PKV: 6.874,68 € (vgl. die Anlage auf der S. 50)
- Pflegeversicherung: 425,28 €
+ Kindergeld: 5.256,00 €
Nettoalimentation 33.905,34 €
Die gewährte Nettoalimentation verblieb gleichfalls noch um knapp 970,- € unterhalb des Grundsicherungsniveaus in Höhe von 34.873,44 €.
Betrachten wir nun also die entsprechende Besoldungsgruppe A 10/2, dann ergibt sich das folgende Bild:
Jan. bis Nov.
Monatsbrutto: 3.435,73 € x 11
Besoldungsniveau: 37.793,03 €
(vgl.
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/hb/a/2021?id=beamte-bremen-2021&g=A_10&s=2&f=3&z=100&zulageid=10.1&zulageid=10.2&zulage=&stj=2023&stkl=3&r=0&zkf=0)
Dezember:
Besoldungsniveau: 3.724,77 €
Sonderzahlung: 710,00 €
Familienergänzungsz. 410,00 €
(vgl.
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/hb?id=beamte-bremen&g=A_10&s=2&f=3&fstand=v&zulageid=10.1&zulageid=10.2&z=100&zulage=&stkl=3&r=&zkf=)
Einem verheirateten Beamten mit zwei Kindern ist 2022 eine Bruttobesoldung in Höhe von 42.637,80 € gewährt worden. Daraus folgt unter den gerade betrachteten Prämissen folgende Nettoalimentation:
Bruttobesoldung: 42.637,80 €
- steuerlicher Abzug: 3.122,00 € (BEG-Anteil: 492,69, vgl. S. 9 der Gesetzesbegründung)
- PKV: 6.874,68 € (vgl. die Anlage auf der S. 50)
- Pflegeversicherung: 425,28 €
+ Kindergeld: 5.256,00 €
Nettoalimentation 37.471,84 €
Der entsprechende Beamter wurde zwar um rund 7,5 % oberhalb des Grundsicherungsniveaus alimentiert. Er verfehlte aber die Mindestalimentation in Höhe von 40.104,46 € ebenfalls noch recht deutlich.
Und damit wären wir abschließend bei der Besoldungsgruppe A 11/3:
Jan. bis Nov.
Monatsbrutto: 3.852,15 € x 11
Besoldungsniveau: 42.373,65 €
(vgl.
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/hb/a/2021?id=beamte-bremen-2021&g=A_11&s=2&f=3&z=100&zulageid=10.1&zulageid=10.2&zulage=&stj=2023&stkl=3&r=0&zkf=2)
Dezember:
Besoldungsniveau: 4.152,85 €
Sonderzahlung: 710,00 €
Familienergänzungsz. 410,00 €
(vgl.
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/hb?id=beamte-bremen&g=A_11&s=3&f=3&fstand=v&zulageid=10.1&zulageid=10.2&z=100&zulage=&stkl=3&r=&zkf=)
Einem verheirateten Beamten mit zwei Kindern ist 2022 eine Bruttobesoldung in Höhe von 47.646,50 € gewährt worden. Daraus folgt unter den gerade betrachteten Prämissen folgende Nettoalimentation:
Bruttobesoldung: 47.646,50 €
- steuerlicher Abzug: 4.406,00 € (BEG-Anteil: 492,69, vgl. S. 9 der Gesetzesbegründung)
- PKV: 6.874,68 € (vgl. die Anlage auf der S. 50)
- Pflegeversicherung: 425,28 €
+ Kindergeld: 5.256,00 €
Nettoalimentation 41.196,54 €
In der entsprechenden Besoldungsgruppe A 11/3 ist nun die Mindestalimentation in Höhe von 40.104,46 € um rund 1.100,- € überschritten worden. Hier ist nun also 2022 ein Besoldungsniveau gewährt worden, das nicht sehr viel geringer eigentlich einem entsprechenden Beamten in der untersten Besoldungsgruppe zu gewähren gewesen wäre (nicht umsonst ist davon auszugehen, dass ein realitätsgerecht bemessenes Grundsicherungsniveau noch höher liegen muss, da ich ja keine realitätsgerechten Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie für die Sozialtarife zugrunde legen konnte - s.o.). Die Besoldungssystematik zeigt sich bis mindestens in die Besoldungsgruppe A 10 hinein als evident verletzt - diese Verletzung strahlt in alle Besoldungsgruppen aus. Weiterhin werden also alle Landesbeamten in Bremen in einem deutlichen Maße unteralimentiert - diese mindestens 15-jährige Kontinuität hat die letztjährige Novellierung des Besoldungs- und Beamtenrechts nicht einmal in Ansätzen korrigiert und geheilt. Im übertragenen Sinne dürften 2022 zumindest alle verheirateten Bremer Landesbeamte mit zwei Kindern mehr als zehn Wochen unentgeltlich Dienst verrichtet haben.
Der Gesetzgeber und die Landesregierung dürfen kaum darauf hoffen, dass die anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (die Jahre 2013 und 2014 betreffend) irgendwelche für sie frohe Botschaften enthalten könnte. Die Unteralimentation von sämtlichen Landesbeamten ist in einem so deutlichen Maße gegeben und offensichtlich, dass sie keiner Rechtfertigung zugänglich ist - all das ist der Bürgerschaft und der Landesregierung seit spätestens 2020 bekannt. Nicht umsonst hat man in den von mir gezeigten Bemessungen wissentlich und willentlich keine sachgerechten Bemessungen vorgenommen - der wissentliche und willentliche Kern dieser Entscheidungen zeigt sich darin, dass man in der Gesetzesbegründung regelmäßig die bundesverfasungsgerichtliche Rechtsprechung korrekt reproduziert hat, um sie dann eben nicht sachgerecht anzuwenden. Darin zeigt sich die Bremische Bürgerschaft als Teil des "länderübergreifenden konzertierten Verfassungsbruchs", von dem Ulrich Battis spricht.