Kurzer Überblick zur Prüfsystematik des BVerfG gemäß Beschluss 2 BvL 4/18
Vielen Dank an Rentenonkel für seinen Beitrag zur Erstellung des nachfolgenden Überblicks.
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Prüfstufe 1 Prüfparameter 1: Vergleich Besoldung und Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst
Indiz für eine evidente Missachtung des Alimentationsgebotes, wenn Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und den Tarifergebnissen der Angestellten im öffentlichen Dienst mindestens 5 Prozent des Indexwertes der erhöhten Besoldung innerhalb eines 15 Jahres-zeitraum beträgt.
Prüfparameter 2: Vergleich mit Nominallohnindex
Indiz für eine evidente Missachtung des Alimentationsgebotes, wenn Abweichung der Besoldungsentwicklung von der Entwicklung des Nominallohnindex mindestens 5 Prozent des Indexwertes der erhöhten Besoldung innerhalb eines 15 Jahreszeitraum beträgt.
Prüfparameter 3: Vergleich mit Verbraucherpreisindex
Indiz für eine evidente Missachtung des Alimentationsgebotes, wenn Abweichung der Besol-dungsentwicklung von der Entwicklung des Verbraucherpreisindex mindestens 5 Prozent des Indexwertes der erhöhten Besoldung innerhalb eines 15 Jahreszeitraum beträgt
Prüfparameter 4: Systeminterner Besoldungsvergleich
Verringerung der Abstände der Bruttogehälter in den Besoldungsgruppen infolge unterschied-lich hoher linearer Anpassungen bei einzelnen Besoldungsgruppen oder zeitlich verzögerter Besoldungsanpassungen. Verstoß gegen das Abstandsgebot, wenn die Abstände zwischen zwei vergleichbaren Besoldungsgruppen um mindestens 10 Prozent in den zurückliegenden fünf Jahren abgeschmolzen werden.
Prüfparameter 5: Vergleich mit Besoldung der anderen Besoldungsgesetzgeber (Bund/Länder)
Indiz für eine verfassungswidrige Unteralimentation, wenn das streitgegenständliche jährliche Bruttoeinkommen einschließlich etwaiger Sonderzahlungen 10 Prozent unter dem Durch-schnitt des Bundes und anderer Länder im gleichen Zeitraum liegt.
Sind 3 von 5 Prüfparametern der ersten Prüfstufe evident sachwidrig besteht die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation.
Prüfstufe 2 Auf der zweiten Prüfungsstufe sind die Ergebnisse der ersten Prüfungsstufe mit den weiteren alimentationsrelevanten Kriterien im Rahmen einer Gesamtabwägung zusammenzuführen.
Sind ein oder zwei Prüfparameter der 1. Prüfstufe verletzt, müssen die Ergebnisse der ersten Prüfstufe, insbesondere das Maß der Über- bzw. Unterschreitung der Prüfparameter, zusammen mit den auf der zweiten Prüfstufe ausgewerteten alimentationsrelevanten Kriterien im Rahmen der Gesamtabwägung eingehend gewürdigt werden.
Alimentationsrelevanten Kriterien:a) Das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft
b) Vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung und Beanspruchung
c) Einstellungsquote von überdurchschnittlich qualifizierten Fachkräften für den höheren Justizdienst oder allgemein für den Beamtendienst
d) Niveaus der Beihilfe- und Versorgungsleistungen (Beihilfebemessungssatz / Beitragshöhe PKV)
e) Kürzungen der Altersversorgung
f) Besoldungsvergleich mit den durchschnittlichen Bruttoverdiensten sozialversicherungspflichtig Beschäftigter mit vergleichbarer Qualifikation und Verantwortung in der Privatwirtschaft unter Beachtung des beamtenrechtlichen Besoldungs- und Versorgungssystems
Prüfstufe 3 Ergibt die Gesamtabwägung der 1. Und 2. Prüfstufe, dass die zur Überprüfung gestellte Besoldung grundsätzlich als verfassungswidrige Unteralimentation einzustufen ist, bedarf es auf der dritten Stufe der Prüfung, ob dies im Ausnahmefall verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein kann. In dem Fall ist, entsprechend dem Grundsatz der praktischen Konkordanz, im Rahmen einer Abwägung zu einem schonenden Ausgleich zu kommen. Einseitige Besol-dungskürzungen aus fiskalischen Gründen zu Lasten der Beamtenschaft sind nicht erlaubt.
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